Plausch

Abschrift einer Online-Spiel-Kommunikation:
[Alle Namen, bis auf meinen natürlich, geändert.]

Floris [2008-09-11 12:21:04]
What a wonderful day. Die Sonne durchbricht den diesigen Himmel über Berlin, Müllwagen donnern melodisch über den schlechten Asphalt, komplettieren sich in einer Symphonie aus Quietschen, Hupen und Rumpeln, schreiende Kinder wetzen über geteerte Spielplätze, schlagen sich die jungen Knochen auf und schreien herzerwärmend. Hach!

Spieler 1 [2008-09-11 12:50:59]
ähnliche geräuschkulisse erreicht mich durch das offene fenster zu hofe ebenfalls, jedoch reduziert um das wärmende geplärre der kinder, da diese in unserem Industriebetrieb noch nicht arbeiten dürfen… !

Floris [2008-09-11 13:13:39]
Aber bald. Bald wird es wieder Kinderarbeit geben. Sklavenschiffe werden nubische Heerscharen gen Norden bringen und die alte Ordnung wieder wiederauferstehen.

Spieler 2 [2008-09-11 13:13:43]
Würde ich auf die Entspannungsmusi, die mich per internetradio erreicht, und meine ohren mittels kopfhörer umschmeichelt verzichten, so würde ich die geräusche umgeblätterter zeitungs- und buchseiten, sowie das unrythmische geklapper verschiedenster Laptoptastaturen vernehmen.

Floris [2008-09-11 13:21:16]
Ahh… die Geräuschkulisse der modernen Welt. Die Post-1984-Generation mit ihrer Selbstkasteiung durch technisch kannibalisierte Kommunikation. Gespräche werden mit „drück dich“ beendet, Ghettosprache, so erklärt uns der halbe Dollar, verkehrt „bad“ in gut und „fett“ in geil. Es ist eine sagenhafte Welt, eine Welt der Mythen. In der von Gott gesandte Alaska-Hühner ins Weiße Haus wollen, wir zu einem Jungen mit Narbe auf der Stirn und Hornbrille beten und anderswo seine Bücher verbrannt werden. Eine Welt der Information, nicht des Wissens. Bücherseiten, statt Konversation. Symplifizierte Arabesken, statt Beobachtung, Aufmerksamkeit und Austausch.

Wait. What the hell I’m talkin‘ about?
Oh. Have to go. Oprah is on.

Ein Gedanke zu „Plausch

  1. Peter H

    Wie sagt man? „Wo Bücher verbrannt werden, verbrennt man bald noch mehr Bücher?“
    Ich stifte meine Churchill-Gesamtausgabe, den Baader-Meinhof-Komplex, die Kennedy-Memoiren, gern auch Goethe, Enzensberger, Grass; alle meine Lehrbücher, BSB und Watzlawik (Idiot!), Sunzi und, wenn es hart auf hart kommt, auch meine schlechten Liebesbriefe aus den Neunzigern. The edge of the world. Keine Tränen. Für mehr leeren Platz im Regal.

    So long!

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