Archiv der Kategorie: Über die Welt

Zuhören & Anschnallen

Experimente sind dazu da, sie zu machen. Keine Ahnung wer das gesagt hat, oder ob. Aber irgendjemand wird es schon gewesen sein. Zitate sind sowieso besser, wenn sie nicht von Gandhi, Churchill oder Sokrates stammen. Wenn niemand so recht weiß, von wem der Satz stammt, umweht ihn gleich so ein „Hauch von Geheimwissen“.
Anders kann ich mir nicht erklären, warum ich in der zehnten Klasse eine Klausur mit Zitaten von Bo-Xi-Yui spicken konnte, um meine doch recht krude globalpolitische Analyse und Einbettung von Effi Briest zu begründen, aber niemand nachfragte: Wer ist eigentlich dieser Bo-Xi-Yui? Und warum sind da drei Bindestriche in seinem Namen? Ist das nur ein Name? Ein Vorname? Ist das so wie bei Moby oder Pelé?

Also: Experimente machen!
Zum Beispiel hab ich eine Woche lang nicht gelogen.
Na gut. Das stimmt so nicht. Natürlich hab ich gelogen. Geschwindelt. Übertrieben. Verallgemeinert und unterschlagen. Aber im Vergleich zu meiner sonstigen Lügen-Menge … war es ein riesiger Erfolg. Überschlagen waren es nur ca. 25 Lügen in einer Woche. Das macht weniger als 4 Lügen pro Tag! Das ist beeindruckend. Nicht wahr?
Vielleicht nicht, wenn man Spock als Maßstab nimmt. Oder Jim Carrey in „Der Dummschwätzer“, nachdem sein Sohn ihm diesen Fluch aufgedrückt hat.
Mir egal.

Über Lügen wird wahnsinnig viel geschrieben und geforscht. Weniger als vier Lügen am Tag … sind schon eine Leistung. Wenn ich denn wirklich alle gezählt habe.
Der Punkt ist der: Nach einiger Zeit merkt man … man lügt weniger, wenn man mehr zuhört. Beziehungsweise: Weniger sagt!
Zurückhaltung ist das A und O für die Wahrheit. Einfach mal nichts sagen!
Na gut. Mit der Erkenntnis schaffe ich es vielleicht nicht auf ein besticktes Sofa-Kissen, aber es hat mir (und wenn nur für eine Woche) ein ganz neues Gefühl gegeben.
Und ich danke der Person, die für dieses Experiment verantwortlich war. Und bitte: Nie wieder!

Was ich in der „Woche ohne Lügen, fast“ viel getan habe: Ich habe nachgedacht.
Kein Wunder. Während alle Kollegen am Mittagstisch quatschten, hab ich mich zurückgehalten. Warum sollte ich in eine Unterhaltung, die sich um Skateboardfahren drehte, mit einsteigen: Jede Behauptung, ich hätte Ahnung vom Thema (oder nur eine Meinung), wäre meilenweit übertrieben (bzw. gelogen) gewesen.
Ja. Wahr ist: Ich hatte zwei Skateboards. Eines war breit und klobig. Das andere schmal und aus Hartplastik. Aber wahr ist auch: Ich habe keine Ahnung warum das eine oder das andere benutzen, geschweige denn überhaupt Skateboard fahren sollte. Ich stand drei Mal drauf, bin runter gefahren und seitdem liegen die Bretter bei meinen Eltern im Keller. Wer so wild auf halsbrecherische Abenteuer im Straßenverkehr ist: Fahrräder werden immer noch gebaut, oder?

Mein Nachdenken hat mich auf einiges gebracht. Unter anderem: Die größte Lüge meines Lebens. Und die ist: Ich fühle mich alt.
Natürlich ist das nicht die größte Lüge meines Lebens. Aber eine, definitiv.
Ich fühle mich nicht alt. Ich fühle mich noch genauso wie vor zehn Jahren, eigentlich wie vor zwanzig. Ruhiger bin ich geworden. Aber in bestimmten Situationen werde ich noch genauso nervös. Sogar nervöser! Ich singe laute Gangster-Rap-Lieder mit, mache andauernd das Lichtschwert-Geräusch (z.B. wenn ich mir – unbeobachtet – am Sonntag ein Brötchen schmiere) und fühle mich absolut unwohl in allen Schuhen, die keine Turnschuhe sind!
Trotzdem denke ich: Die Gesellschaft … nein. Streichen wir das. Andere Menschen erwarten von mir, mit meinem Alter zu kokettieren. Weil sonst, hätte ich kein Recht Kapuzenpullover zu tragen. Hätte ich kein Recht T-Shirts mit Spreeshark-Aufdruck zu tragen, oder zwei Nächte in Folge Starcraft 2 zu spielen.
Natürlich ist das ein Klischee. Auch noch so eine Lüge. Als wären wir keine Klischees. Ich bin ein Klischee. Und fühl mich pudelwohl als Klischee, obwohl ich dauernd versuche so zu erscheinen, als würde ich keins sein.

Klischees sind auch Lügen. In dem Sinne, dass sie mein Leben viel einfacher machen.
Das Leben ist auch viel einfacher ohne Experimente. Wenn man ausgetretene, statt überwucherte Pfade entlang läuft. (Wow. Noch so ein schlechter Satz fürs Poesiealbum.) Ohne Experimente findet man allerdings nichts raus. (Hammer Erkenntnis! Und Marie Curie klatscht Beifall!)
Was bisher ne Lüge war: Ich bin experimentierfreudig. Ich bin offen. Ich bin ehrlich. Ich gehe den steinigen, den überwucherten Weg.
Aber das muss ja keine Lüge bleiben.

HARLEKIN POST (040) The World Needs Supermen

Momentan läuft „Iron Man 3“ im Kino. Bald kommt „Man of Steel“ raus und irgendwann dann auch der neue „X-Men“-Film. Superheldengeschichten häufen sich. Und jeder Superheld hat seinen Superschurken. Eine Nemesis, einen Gegenspieler.
Im aktuellen Iron Man ist es der Mandarin. Was sich wie eine Fanta-Sorte anhört ist tatsächlich ein Terrorist und einer der klassischen Marvel-Superbösewichte.
Ich möchte eine kleine Geschichte eines anderen Superbösewichts erzählen. Vielleicht nicht so bekannt wie der Mandarin, aber er steht ihm im „Bösewichtsein“ in nichts nach.
Das Licht im Kino wird gedimmt. Der Vorhang öffnet sich und der Projektor startet:
Die Weltkugel rollt ins Bild – das Orchester spielt auf – Universal Pictures. Kurz Schwarz, dann die erste Szene:
Auf einer Farm in Nordamerika (wir könnten hier auch Hochebene in Indien, in Südamerika oder in Mecklenburg-Vorpommern (wo es weniger Hochebenen, dafür aber mehr Tieflandschaften gibt) sagen). Der Farmer steht an einem sonnigen Morgen am Traktor und will gerade raus aufs Feld. Er muss sich um die Ernte kümmern. Die Tage werden schon wieder kürzer.
Da fährt ein grauer Mittelklassewagen auf sein Grundstück. Eindeutig ein Mietwagen. Wo kommen die Leute her? – Zwei Männer steigen aus. Schwarze Anzüge. Sie fragen den Farmer ob er der Eigentümer sei. Er nickt. Dann weisen sie sich als private Ermittler aus. „Ermittler für wen?“ Keine Antwort. Stattdessen: „Sie haben doch nichts dagegen wenn wir uns umsehen, oder?“ „Doch.“ „Warum? Haben Sie etwas zu verbergen?“ „Nein, aber – – -„ „Na dann.“
Nach kurzem hin und her machen die privaten Ermittler klar: Der Farmer bekommt Probleme, wenn er ihnen keine Einsicht in seine Unterlagen gewährt. Sie wollen doch nur sichergehen dass er keine Patentrechte verletzt hat.
„Patenrechte? Ich baue Mais an.“ „Die Patenrechte unseres Auftraggebers.“ sagt einer der Ermittler mit felsenfester Stimme. „Wie bitte?“ „Haben Sie etwa noch nie von … Monsanto gehört?“ (Kamerafahrt auf das Gesicht des privaten Ermittlers. Die Musik schwingt sich auf.)
Der Farmer schaut sich um, Reißschwenk, dann zoom in seine Lagerhalle: Säckeweise stapelt sich hier das Monsanto-Saatgut. Der Farmer schluckt. Abblende.

Bevor wir in die Gegenwart zurückkehren und unseren Superschurken auf seinem Höhepunkt erleben, folgt eine kurze Montage der Vergangenheit. (Mit Saxophon unterlegt. Langsame Zooms auf alte Fotos, Überblendungen. Eben der typischen Rückblick-Schnickschnack. Dazu vielleicht eine tiefe Erzählerstimme. So in die Richtung Götz George, oder der Cowboy aus Big Lebowski.)
1901 wird Monsanto in St. Louis geboren. Er stellt zuerst Saccharin her und verkauft dieses an die Coca-Cola-Company. Saccharin gilt als zweifelhaftes Produkt. Es gibt Studien die ein Gesundheitsrisiko nicht ausschließen. Monsanto will davon nichts hören. Die Produktion läuft weiter.
1907 wird der Pure Food and Drug Act eingeführt: Saccharin als Zugabe in Lebensmitteln wird verboten. Monsanto steht vor dem Aus. Mit dem Rücken gegen die Wand entscheidet sich der junge Konzern das Gesetz zu brechen. Die Regierung mag Saccharin für gesundheitsschädlich halten, doch dies stört nicht. Mit seinem Kumpel, Coca-Cola, wird weiter Saccharin in die Cola gepumpt. Der Weg zum Schurken wird eingeschlagen.
Als 1924 die Regierung vor Gericht scheitert ist der Weg frei. Die Studien sind nicht eindeutig. In Hinterzimmern besticht Monsanto Experten und fälscht Unterlagen. Heute kann immer noch kein direkter Zusammenhang zwischen Saccharin und Krebs hergestellt werden. Noch nicht. (Die Szene endet mit einem Foto von Monsanto: Ein leichtes Lächeln um die Mundwinkel ist dem jungen Kerl von damals schon anzusehen. Hinter seinen Augen funkelt der gerade geborene Bösewicht!)

Dann kommt der Vietnamkrieg. Und Monsanto trifft auf seinen Mentor, den Ober-Superschurken. Den Lehrmeister: Das amerikanische Militär.
Das Pentagon hat Schwierigkeiten gegen den Vietkong aus der Luft vorzugehen. Der Dschungel ist zu dicht. Also schmiedet man einen teuflischen (und vollkommen bekloppten Plan): Entlaubung.
(Wie bitte? Ja, ja. Noch mal? – ENTLAUBUNG. Ent-Laubung! Die Entfernung von Blattwerk aus den Bäumen, um bessere Sicht auf Bodentruppen zu bekommen. Klingt das nicht vollkommen bescheuert? Wie aus einer Folge „Pinky und Brain“, oder? Ist aber so geschehen. Hat natürlich nicht funktioniert. Jedenfalls nicht so wie beabsichtig.)
Um die Entlaubung zu betreiben, braucht das US-Militär ein Herbizid. Monsanto (bekannt für ätzende Substanzen!) entwickelt also Agent Orange. Was für ein großartiger Tag! Während der Herstellung wird Agent Orange mit TCDD verunreinigt. Die Herstellung muss schnell gehen, und Sicherheitsmaßnahmen sind teuer.
Viele hunderttausende Bewohner und noch mehr US-Soldaten erkranken irreversibel, durch die Wirkung von Agent Orange. Eine Katastrophe. Oder?
Doch es gibt nichts, was Monsanto nicht mit Geld regeln kann:
Sieben Firmen lieferten Agent Orange. Diese Firmen zahlen auch in einen Entschädigungsfond ein. 3788 Dollar pro Person. Insgesamt 180 Millionen Dollar, verteilt auf sieben Unternehmen. Schon 1955 hat Monsanto alleine einen Jahresumsatz von 632 Millionen Dollar. Monsanto zieht sich also ohne Schäden aus der Affäre. In den Entschädigungsfond wird aus der Portokasse eingezahlt.
Der Aufstieg zum Superschurken ist geglückt. Nun kann Monsanto niemand mehr aufhalten. Monsanto wächst und wächst. Der Superschurke wird global.

Was folgt sind dutzende Gerichtsprozesse. Monsanto besticht z.B. 140 indonesische Regierungsbeamte um Umweltkontrollen zu unterlaufen. Die Strafe: 700 tausend Dollar. (Noch mal: 700000 … das ist alles!)
Dann kommt Monsanto mit Gen-Technik in Kontakt.
Jetzt sind wir in der Gegenwart. Monsanto hat ein riesiges Imperium aufgebaut. Unternehmen aus allen Bereichen wurden aufgekauft, zwischenzeitlich Ölförder-Betriebe (mittlerweile wieder verkauft) und vor allem Agrarmittelproduzenten. Der Netto-Jahresumsatz liegt bei 1,66 Milliarden Dollar.
Und nun kommt die Gen-Technik. Besser gesagt: Gen-Manipulation von Feldfrüchten.
Und dieser Teil ist jetzt wirklich komplett aus dem Superschurken-Handbuch:
Monsanto hat erkannt das die Menschen immer eine Sache tun müssen: Essen. Wer Nahrung kontrolliert, kontrolliert die Menschen. (Das hätte auch Lex Luthor nicht besser beschreiben können!)
Und Nahrung sind Agrarerzeugnisse. Selbst wenn die Menschen Fleisch essen, muss dieses Fleisch (respektive die Tiere von denen es kommt) ja mit irgendwas gefüttert werden. Und Monsanto hat sich nicht dem Agrarsektor zugewandt, weil es die Menschheit ernähren wollte. Das war keine humanitäre Entscheidung. Monsanto hat erkannt: „Wenn die Menschen immer essen müssen, kann man mit Nahrung immer Geld verdienen. Aber selbst Nahrung herzustellen, anzubauen ist zu kompliziert. Ich verkaufe jetzt Saatgut! … Und wie stelle ich es an das jeder Saatgut bei mir kaufen muss? – Mit Gen-Manipulation, Motherfucker!“

(Nur so als kleiner Einschub: Gen-Manipulation betreiben Forscher und Farmer seit langer Zeit. Und grundsätzlich ist dagegen nichts einzuwenden. Gen-Manipulation ist auch die Zucht, die Kreuzung von Saatgut. Anpassung eben, Verbesserung. Der Friedensnobelpreisträger Norman Borlaug entwickelte in den 40er Jahren für das amerikanische und das mexikanische Agrarministerium, zusammen mit gemeinnützigen Einrichtungen, verschiedene, verbesserte Weizenarten. Mit seiner Hilfe konnte die Weizenproduktion Mexikos und die Ernteausbeute in Indien verbessert werden. Hundertausende Menschen sind dank ihm nicht verhungern. Merke: Staatliche Behörden & gemeinnützige Einrichtungen! Nicht: Großer, am Gewinn orientierter Konzern. Das nennen ich mal: „Mit Gen-Manipulation, Motherfucker!“)

Monsanto schwingt sich also zum größten Lieferanten für genverändertes Saatgut auf. Und warum ist das Saatgut genverändert? … Und warum sollte ich das als Farmer kaufen?
Weil dieses Saatgut hitzeresistenter und kälteresistenter als das normale, alte Saatgut ist. Nicht viel, aber gerade genug damit man „Neu!“ auf die Packung schreiben kann.
Und dann, wenn alle Farmer und Bauern das neue, „bessere“ Saatgut von Monsanto gekauft haben, geht der teuflische Plan auf:
Monsanto knüpft nämlich Verpflichtungen an den Kauf vom neuen Saatgut: Der Farmer darf nicht die Keimlinge vom letzten Jahr auf seinem Feld aussäen, er muss sich neues Saatgut von Monsanto kaufen. Jedes Jahr. Dazu verpflichtet sich der Farmer beim Kauf des Monsanto-Saatguts. (Wir erinnern uns an die privaten Ermittler aus der Eingangs-Sequenz!) Und das neue Saatgut muss er kaufen, weil es alle anderen Farmer auch benutzen. Und deren Ernte fällt sonst besser aus. Er will nicht zurückfallen, also …
Außerdem ist das Saatgut von Monsanto unfruchtbar. Keimlinge von diesem Saatgut können also nicht nächstes Jahr wieder gepflanzt werden. Jedes Jahr neues Saatgut … mit neuen Features … wieder etwas teurer. So macht Monsanto die gesamte Agrarwirtschaft von sich abhängig.
Das ist ein bisschen so wie es Heroindealer machen: Der erst Schuss ist fast umsonst. Die Nächsten dann nicht mehr.

Das ist der Punkt an dem der Superheld im Film spätestens auftauchen sollte. Aber wirklich allerspätestens. Eigentlich ist es hier schon zu spät. Monsanto kontrolliert die Welt … da braucht es schon die Avengers um das wieder gerade zu biegen.
Leider sind die Avengers Filmfiguren. Nicht real. (Abgesehen von Hawkeye. Aber ganz ehrlich: Hawkeye kann gegen Gen-Saatgut soviel ausrichten, wie der Hulk gegen Mundgeruch.) Monsanto steht aber, als Basis von hunderttausenden Lebensmitteln, wahrscheinlich in jeder Küche dieses und fast aller anderen Länder dieser Erde.

Und wer soll nun gegen den Superschurken antreten? Monsanto ist ein genmanipulierender, Gerichtsurteile niederkämpfender, Herbizide vergiftender Riese. Ein echter Megaböseweicht. Wer soll was gegen diesen Konzern ausrichten?
Die UNITED STATES SECURITIES AND EXCHANGE COMMISSION etwa? (Die versucht es immerhin.)
Ich hätte nichts dagegen wenn der Film sich nach dem furchtbaren und hoffnungslosen Anfang in einen Handlungszweig mehrerer, engagierter Ermittler stürzt. Sie arbeiten unnachgiebig und krempeln ihre Hemdsärmel bildwirksam hoch. Diese alltäglichen Helden kämpfen und triumphieren am Ende im Gerichtssaal. Und während der Abspann schon läuft, eine Montage von Bildern: Auf der ganzen Welt werden Monsanto-Produkte eingezogen und zurück gerufen, Firmenschilder werden abmontiert und die Verantwortlichen wandern in den Knast. (Ende.)
Leider wird der Film so nicht enden.
Monsanto bekam in seinem letzten Verfahren eine Strafe von nur 1,5 Millionen Dollar. Eins Komma fucking fünf Millionen Dollar. Das ist nischt. Nada. Ein Witz. Niemand wurde gefeuert, niemand ging in den Knast. Der Konzern, der Superschurke hat nicht einmal gezuckt.

Deswegen rollt der Abspann nicht nach dem Triumph des Helden, sondern nachdem der Schurke die Welt als Geisel genommen hat. Und aus lauter Frust, weil keiner sich für die verschissenen Geiseln interessiert, wird eine Geisel nach der anderen umgebracht.
Und nächste Woche kommt der nächste Teil. (Wenn so etwas am Sonntagabend im Fernsehen laufen würde, die Zuschauer würden vor Angst erstarren, und dann schnell die letzte Staffel How I Met Your Mother auf DVD rauskramen, um sich der Realität nicht stellen zu müssen.)
Und es gibt viele Superschurken die auf ihren Film warten. Die ihren Film schon leben:
In „Superschurke II: Dark Water“ lernen wir den Fiesling Nestlé kennen. Er übernimmt mehr und mehr Süßwasserquellen auf der Erde und zapft afrikanischen Dörfern ihr Grundwasser weg, um es in Flaschen zu füllen und an die Reichen zu verkaufen.
In „Superschurke III: Wings of No Liberty“ wird dann Red Bull vorgestellt. Dann IKEA, Google, Amazon, Apple, Nokia, Facebook, Microsoft, Unilever …
Jede Woche ein anderer Superschurke, gleiche Handlung. Gleiches Ende!

Eigentlich ist das Problem nicht das die Helden fehlen, sondern das die Superschurken leider keine Schurken sind. Es sind Unternehmen. Und Unternehmen können als einziges Ziel ausgeben: Mehr Gewinn. Koste es was es wolle. Jeder akzeptiert das.
Ein Unternehmen kann man nicht einsperren, nicht in einem Showdown niederringen und nicht in seiner geheimen Basis, einem ausgebrannten Vulkan, aufspüren. (Nein. Unternehmen haben riesige Firmenzentralen. Direkt in der nächsten Großstadt … und mein Onkel arbeitet da, oder meine Schwester, oder ich.
Fuck. Wir sind die Superschurken! – Guter Twist fürs Ende!)
Ein Unternehmen kann man nicht in die Fresse schlagen, auch wenn man das manchmal will. Deswegen wird das Franchise von Superschurkenfilmen noch eine ganze Weile weiterlaufen. Teil 2, und 3, und 4 … und auch in 3D. Und wir sind die Zuschauer. Ohne das wir was dagegen machen können. Wir lösen die Tickets, wie Zombies. Wie wollen wir das nur aufhalten?
„Mit Gen-Manipulation, Motherfucker?“
Schön wär’s.

HARLEKIN POST (039) Frei, wie alle

Nun ist es raus: Mario Götze war in der Waffen-SS. Hitlers falsche Neun.
Oder hab ich da was nicht richtig verstanden?
Müsste er dann eigentlich erst recht, oder dürfte er dann nicht zum FC Bayern?
Apropos: Selbstanzeige. Warum wartet Uli nicht einfach bis alles auf DVD raus ist?
Oder CD? Und ein Apropos weiter: Wer verschickt heute eigentlich noch Steuer-CDs? Passt da überhaupt alles drauf? Was ist mit Extras? Audiokommentaren, Making-Of, Englische Tonspur. Warum nicht Blu-Ray? Oder einfach ein Stick? Vielleicht ne SD-Karte? Warum nicht per Steuer-Cloud? Dann kann man die Daten im Stream abrufen. Ist auch kostengünstiger. Den Speicher zahlt der Anbieter. Und darum geht es den Jungs doch, oder?

Überhaupt: Ist das sicher? Steuer-CDs mit der Post zu verschicken? Machen die das per Einschreiben? Oder mit „pin“?
Irgh, „pin“. Dann kann man es auch gleich lassen.
Ich hab neulich ein Schreiben vom Bürgeramt im Hausflur auf dem Boden gefunden. Auf dem Boden! Gleich neben dem Mülleimer, der immer mit Werbezetteln überquillt, die der Nachbarjunge wegwirft statt sie auszutragen. Welcher „Postal Service“ (ha!) hat diesen Brief wohl geliefert?
Da lobe ich mir DHL: Wie schnell die mir von Quasi-Zwangsarbeiter-Händen gepackte Amazon-Pakete zustellen … Unglaublich!
Was ist das überhaupt: „Quasi-Zwangsarbeit“? Muss sich nicht, kann sich aber zwingen?
So wie Vegetarier, die dann doch auch mal Fisch essen? Weil der wird ja nicht brutal in Schleppnetzen, zwischen verendeten Delfinen, gefangen. Ooooh Nein!
Oder wie die freiwillige Frauenquote.
Ha! … Da muss ich jedes Mal lachen. Freiwillige Frauenquote. Diese Schröder… hu. Ist die bescheuert. Was für eine Idiotin! Kann man die nicht mal absägen? Die hat doch auch nen Doktor. Da findet man bestimmt was. Schröder-Plag … Oder war die vielleicht auch in der Waffen-SS? Hach, wäre das herrlich. Aber nein: Frauen waren ja nicht in der Waffen-SS. Glück gehabt.

Derrick ist die am weitesten verbreitete, deutsche Serie auf der Welt. War doch klar das die was mit Nazis zu tun hat. Wenn man in Machu Picchu, auf 2350 Metern, einem alten Peruaner begegnet und der dann fragt: Wo kommst Du her? Und ich antworte: Deutschland. Sagt der doch ganz bestimmt „Ah. Heil Hitler!“ und lacht mit seinen drei Zähnen.
Vorurteile gehören dazu. Immerhin hab ich noch alle 29 Zähne … nicht gerechnet die Brücke und die zwei Goldenen. Wir sind zwar Nazis, aber immerhin haben wir Zahnhygiene.

Und die Niederlande wollen jetzt keine Wiederholungen von Derrick mehr ausstrahlen … hm. (Ich dachte immer alle Derrick-Folgen wären Wiederholungen. War Tappert eigentlich bei der Erstausstrahlung noch in der Waffen-SS?)
Wie kommt das holländische Fernsehen zu diesem Schritt? Derrick, alias Horst Tappert, war also auch in der Waffen-SS? Oder wie jetzt? Der Schauspieler ist die Rolle, die Rolle ist der Schauspieler?
Dann dürfte man auch nicht mehr die „Nackte Kanone“-Filme in Holland zeigen. Da hat O.J. Simpson mitgespielt.
Oder heißt es: O.J. ja, Nazis nein? Beides schlimm, aber ist der Nazi schlimmer als O.J.?
Was ist mit Neo-Nazis? Geert Wilders. Gab es da nicht auch so ein Problem mit nem Film? – Die Niederländer sind nicht gerade sehr … offen … für die Ideen der freien Meinungsäußerung, hm?

Aber zurück zur Gleichung: Filmfigur = Schauspieler = Ignoranz.
Hm? Geht es dann eigentlich auch andersrum? Muss man Anthony Hopkins einsperren, weil er Hannibal Lecter gespielt hat? Das gibt dem Begriff „Method Acting“ eine ganz neue Dimension.
Und noch was: Ist Horst Tappert nicht tot?
Welche Filme von toten Nazis darf man dann auch noch nicht mehr zeigen? Zwischen 1933 und 1945 waren doch alle Nazis. Besonders die beim Film. Ich glaube „Jud Süß“ ist zwar nicht in Deutschland, aber in Holland zu erhalten. Hm …???

Unsere Großeltern-Generation erzählt: „Also ich war damals nur in der Waffen-SS weil … weil es ja gar nicht anders ging.“
Ihre Kinder und Enkel sagen dann: „Also ich wäre niemals in der Waffen-SS gewesen.“
Aber mal ehrlich: Damals in Deutschland in der Waffen-SS gewesen zu sein war wie heute bei Facebook zu sein.
Es führt kein Weg daran vorbei! Die Masse ist … wo die Masse ist. Eine SUUUPER-Erklärung!
Genau die gleichen Kinder und Enkel sagen nämlich auch: Ich bin nur bei Facebook, weil alle bei Facebook sind.
Bullshit. Die größten Facebook-Hasser sind bei Facebook, weil sie da sein wollen.
Und sie regen sich über Facebook auf Facebook auf, weil sie dort das größte Forum haben. Weil sie Teil von etwas sind. Sich alleine über etwas aufregen ist soooo langweilig. Und irgendwann kommt man auf den Trichter: Scheiße. Ich kann ganz andere Dinge mit meiner Zeit machen.
Aber nicht so die „aktiven“ Facebook-Hasser. Und wir sind alle aktive Facebook-Hasser … oder?
Wir sind alle wie übergewichtige Teenager, die noch mehr fressen, weil sie es nicht ertragen dick zu sein. Wir sind alle Heuchler.
Immerhin haben die übergewichtigen Teenager noch ne Erklärung für ihre Sucht: Zucker, Fett und … hab ich schon Zucker gesagt?
Und ich steh auf Zucker und Fett. Ich steh auf die Kommentare, auf die Antworten, auf die Nachrichten, auf den News-Feed im Facebook-Fenster.
Ich bin zu dick weil ich zu dick bin. Nicht weil da Zucker in der Lakritze drin ist. Ich könnte, wenn ich wollte, will ich aber nicht! Wir sind frei zu wollen, aber nicht gewillt frei zu sein.
„Oh. Mein Gott! Es war die Masse. Ich musste mitmachen. Hilfe! Hilfe! Ich hatte gar keine andere Wahl als Mitglied der NSDAP … äh … Facebook zu werden. Da waren doch alle anderen auch! Ich hatte keine Ahnung was da hinter den Kulissen ablief … der Daten-Holocaust!“ (Too soon?)

Ich kenne ein paar Menschen die nicht bei Facebook sind. Wahrscheinlich sind die einfach nur nicht so verdammt abhängig von der Meinung anderer! Nicht so schwach! Sie wollen nicht unbedingt Teil des Kollektivs sein. Diese Menschen können sich übrigens auch beherrschen, wenn vor ihnen eine offene Tüte Chips auf dem Tisch liegt. Ich nehm die Tüte in die Hand und leg sie erst wieder weg wenn sie leer ist. Aber wenigstens beschwer ich mich nicht, wenn mich die H&M-Verkäuferin mustert und fragt: „Wollen sie die Jeans nicht doch lieber in ner 34 nehmen?“

Horst Tappert ist einer wie alle. (Wow. Große Erkenntnis.) So sind auch Uli Hoeneß und Mario Götze. Und wer jetzt sagt: „Ich würde niemals zu den Bayern gehen oder Steuern hinterziehen …“
– Schon mal die Chance gehabt? Nein? Also: Shut The Fuck Up! Und zurück auf Facebook … Kommentare schreiben!

HARLEKIN POST (038) Karate Jesus

Es ist Ostermontag. Die Eier sind gesucht, der Eierlikör geflossen und der betrunkene Onkel liegt auf der Couch und schläft seinen Rausch bis zum Nachmittagskaffee aus.
Die Kinder sind enttäuscht von zu kleinen Geschenken in zu wenigen Eiern. Doch schließlich haben wir eine Finanzkrise und „die Kinder auf Zypern kriegen dieses Jahr überhaupt keine Eier!“ Also sitzen die Kleinen vor dem Fernseher und suchen nach etwas „das zum Thema, also zu Ostern passt“, wie Oma vorgibt. Und irgendwann bleibt man bei Ben Hur hängen, weil die „Maria“-Neuverfilmung in Co-Produktion mit der ARD einfach unerträglich ist. Josef, Maria oder Jesus in HD: Bah! Ohne Weichzeichner & Filmkörnung? Viel zu viele Parallelen zu „Verbotene Liebe“ und GZSZ! Da fehlt nur der passende Cliffhanger: „Wird Jesus von Judas verraten? Schalten Sie morgen wieder ein!“
Schlimm. Aber ich hab Bibel-Filme noch nie gemocht. Für mich war und ist der beste Oster-Film auch immer noch „Karate Tiger“. Nein, wirklich. Wenn es nach mir ginge würden wir zu Ostern alle diesen Film sehen. Nicht nur sehen. Wir würden seine Geschichte als die neue Oster-Geschichte annehmen. Ha!
Ein paar Gründe warum:

Die Oster-Geschichte, wie sie in der Bibel steht, beschreibt die Auferstehung Jesu. Ohne Karate.
Schwer zu glauben. Ich hab extra nochmal nachgeguckt. Es stimmt. Kein einziges Wort von Karate zu lesen. Wie uncool ist das. Jesus am Kreuz, Jesus in der Höhle. Nicht ein einziger Karate-Kampf.
Außerdem, zweiter Punkt für „Karate Tiger“, spielt die Auferstehung am Anfang des vorletzten Jahrtausend. „Karate Tiger“ spielt in den 80ern. Jesus war cool, aber die 80er sind cooler.
Dann der Titel: Auferstehung. Pfff. So passiv, leidend. „Karate Tiger“ heißt im Original „No Retreat, No Surrender“. Also wenn das der Untertitel der Kreuzigung wäre … das ist besser als „Rumble in the Jungle“ oder „Judgement Day“.
Okay. Beim Namen des Helden gebe ich Jesus einen Punkt. In „Karate Tiger“ heißt der Held Jason Stillwell. Kein Luke Skywalker, aber gut. Wenn man allerdings der „König der Könige“ heißt … Hu. Das zieht natürlich. (Besser als Tschiller ist es auf jeden Fall. Was war das eigentlich? Hat n’Tatort-Redakteur gelispelt?)

Alles beginnt mit Jasons Vater. Er ist Besitzer eines Karate-Dojo in Los Angeles, in dem er auch Jason trainiert. Ein Karate-Dojo ist sowas wie die moderne, Problembezirk-Variante einer Kirche. Mehr oder weniger.
Plötzlich kommen da also ein paar Gangster und wollen das Karate-Dojo übernehmen. Also die Kirche. Jasons Vater spielt da natürlich nicht mit – warum sollte er auch, die Kerle sind nur zu Dritt. Dann kneift Jasons Vater aber doch, nachdem Jean-Claude Van Damme (ja, genau der!), in seiner Rolle als „Ivan, der Russe“, ihm das Bein bricht. Vor versammelter Mannschaft und ohne irgendwelche juristischen Konsequenzen.
Also ganz ehrlich. Das waren die Achtziger … aber trotzdem: Hat da keiner Zeit für eine einfache Zeugenaussage bei der Polizei?
In einer kurzen Sequenz, eher einem Voice-Over plus ein paar Außenaufnahmen, wird erklärt: Die Bösen wollen die Dojo-Kirchen als Fassade für das organisierte Verbrechen nutzen. (Als würde ein Karate-Dojo, in dem aufgepumpte Typen trainieren wie man noch besser Leute verprügelt, nicht ohnehin nach Verbrechen schreinen!) und Jasons Vater flüchtet nach Seattle. Außerdem gibt er eine Karriere als Karate-Lehrer und Dojo-Besitzer, für die er wahrscheinlich sein gesamtes Leben trainiert und gearbeitet hat, einfach auf um Barkeeper zu werden. Absolut nachvollziehbar.
Zusammen mit Jasons Mutter (die im gesamten Film keine Großaufnahme hat – wie die Menschen bei Tom & Jerry!) und dem jungen Bruce Lee-Fan und Karate-nerd Jason zieht er nach Seattle. Wohlgemerkt: Vor Nirvana und Starbucks!
Das ist beinahe so, als würde man aus Berlin nach Passau ziehen. (Immerhin haben sie in Passau höchstwahrscheinlich ein Starbucks!)

Jasons Vater verbietet Jason natürlich weiter Karate zu machen und Jason hört natürlich nicht auf ihn. Er versucht in Seattle Freunde zu finden, lernt einen Breakdancer namens RJ kennen und gleich auch dessen Erzfeind. Ein fetter Kerl der 1zu1 aussieht wie eine dickere, jüngere Variante von Phillip Seymour Hoffman. (Er ist es aber nicht. Ich hab nachgesehen.) Der fette Seymour hat irgendwie Hass auf RJ … keine Ahnung warum. Jedenfalls schwärzt er Jason beim örtlichen Karate-Dojo an (bzw. erzählt den Karate-Kämpfern da, dass Jason Los Angeles-Karate viel besser als Seattle-Karate ist. Was in Karate-Kreisen scheinbar eine unglaublich böse Beleidigung ist!) … und Jason wird hier erstmal ordentlich vermöbelt und darf dann auch nicht mitmachen.
Später wird er dann nochmal auf der Geburtstagsfeier von Kelly vermöbelt – von der gleichen Gang-Schrägstrich-Karate-Lehrern aus dem Dojo von Kellys Bruder (der wird noch wichtig!). Jason kennt Kelly aus L.A. – und sobald Jason bei ihrem Geburtstag auftaucht und ihr ein Kaninchen in einer Box (ohne Luftlöcher drin!!!) schenkt, knutschen die Beiden rum! Also um ehrlich zu sein: Da hat er das zweite Vermöbeln auch verdient!
Jedenfalls ist nach dem Vermöbeln erstmal Schicht im Schacht mit Kelly … warum nochmal? … ah! … Weil sie ihm gegen vier trainierte Karate-Kämpfer nicht geholfen hat? (Was für eine blöde Kuh?!?)
Wie dem auch sei … RJ bringt die beiden mit einer verrückten Disco-Tanz-Nummer später wieder zusammen. (Hach. Die Achtziger! Da ging sowas noch!)
Nebenbei legt sich Jason ein eigenes Karate-Trainings-Studio in einem leerstehenden Haus zu (davon gab es scheinbar in den Achtzigern schon ne Menge … wieviele es jetzt davon in den USA wohl gibt?). Und – nachdem Jason heulend vor Bruce Lees Grab saß – erscheint ihm der Geist von Sensei Lee in seinem Trainingshaus und trainiert ihn.

Eine der besten Szenen der nun folgenden, obligatorischen Trainings-Montage ist, als Geister-Bruce dem jungen Jason mit zwei Gläsern, Wasser und ner Dose Cola erklärt wie das mit dem Training und Karate und sowieso allem funktioniert.
Also: Ein volles Glas mit Wasser ist alles was Jason weiß und kann. Klar.
Und ein volles Glas mit Cola (Coca-Cola! Nicht Pepsi. Coca-Cola!) ist alles Wissen und Können, welches ihm Sensei Lee beibringen kann.
Wie kommt nun das Wissen – die Cola – in das volle Glas mit Wasser?
Natürlich indem man das Wasser weg schüttet. Und das leere Jason-Glas wird irgendwann ein volles Coca-Cola-Glas. Genial!
Das ist so unterschwellig-offensichtliches Product-Placement! Wow. Und das alles war Jahrzehnte vor dem „Wetten dass..??“-darf-Axel-Schulz-ein-Fackelmann-Cappy-im-öffentlich-rechtlichen-Fernsehen-tragen-Problem. Ganz ehrlich: Wenn Axel Schulz für Fackelmann Werbung macht, weiß ich schon mal genau wo ich keine … Öfen? … Kerzen? … Was zum Teufel stellt Fackelmann her? Korkenzieher? Käsereiben? …
Es geht immer darum wer für etwas Werbung macht. Wenn Bruce Lee sagt: Coca-Cola ist Wissen und damit gut. Dann ist das so! (Und nebenbei weiß ich jetzt auch warum ich seit den Achtzigern Cola-Abhängig bin. Danke Sensei Lee!)
Jedenfalls bringt Geister-Bruce Young-Jason dann Karate bei und auch, dass Karate immer nur als Abwehr-, niemals als Angriffs-Technik benutzt wird. Was mich immer wieder stutzig macht:
Als ich als Kind zwei Jahre lang Judo gemacht habe, dachte ich immer: Judo sei die Abwehr-Technik. Und Karate benutzen nur kampflustige Raufbolde und Maulhelden? (Übrigens zwei Worte die in der deutschen Fassung von Karate Tiger mehrmals gesagt werden und die ich fast vergessen hätte. Wow! Maulheld. Sag das mal zu nehm brüllenden Teenie-Arschloch in der berliner U-Bahn. Der denkt Du sprichst Latein!)
Natürlich kommen die Bösewichte dann auch nach Seattle und fordern den Bruder von Kelly zu einem Turnier heraus, bei dem über die Zukunft der Stadt entschieden wird. Na ja, vielleicht nicht die Zukunft der gesamten Stadt aber … darüber ob alsbald alle Dojos in Seattle … oder wenigstens das Dojo von Kellys Bruder … den Ostküsten-Raufbolden gehört.
Vielleicht sollte man an dieser Stelle fragen: War es in den Achtzigern wirklich so, dass man öffentliche Karate-Turniere ausgetragen hat, bei denen es um die illegale Monopolstellung von Verbrecher-Karate-Dojos geht? Aber warum? Und wie?
Wahrscheinlich weil in den Achtzigern und den frühen Neunzigern die Polizisten mit anderen Dingen beschäftigt waren. Fragt mal Rodney King!

Beim großen Showdown-Turnier poliert Jean-Claude Van „Ivan“ dann Kellys Bruder und all den anderen Seattle-Karate-Kämpfern ordentlich die Fresse. Dabei sieht Jason natürlich erstmal nur zu. Und er regt sich erst, als Kelly einen Hocker in die Hand nimmt und damit Ivan eins über braten will, weil er ihren Bruder zusammenschlägt. (Was übrigens absolut legitim ist … also das Zusammenschlagen. Niemand hat Kellys Bruder dazu gezwungen zu Jean-Claude Van Damme in den Ring zu steigen! Ich meine: Es ist Jean-Claude Van Damme! Ich erwarte ja auch nicht von meiner Schwester mit dem Gartenschlauch auf Chuck Norris loszugehen, nachdem der mich zerlegt hat, weil ich ihn einen reaktionären, rechtskonservativen Zerstörer von Kinderträumen genannt habe. Es ist zwar wahr, aber so etwas sagt man doch niemandem ins Gesicht. Dafür gibt es anonyme Blogs und Facebook und Markus Lanz.)
Jedenfalls greift Jason erst ein als Jean-Claude Kelly an den Haaren zieht. Und dann zeigt er „Ivan“ was Angriffs- … äh, ich meine Abwehr-Karate ist.
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann tragen die dreißig Statisten aus der letzten Einstellung Jason heute noch im Ring auf Händen und werfen ihn in die Luft. Hat hat man in den Achtzigern eigentlich prinzipiell unangenehm lange auf den Abspann warten müssen? So lange … man fragt sich: Kommt da noch was?

In der Ostergeschichte geht es – grob zusammengefasst – um Jesus Auferstehung. Das war’s. Kein RJ, kein Jean-Claude Van Damme, und keine Disco-Tanz-Nummer. Vor der Auferstehung wird ein bisschen gefoltert, gekreuzigt und dann der scheintote Leichnam in eine Höhle gelegt, vor der ein riesiger Steinbrocken klemmt. Schließlich läuft Jesus einfach wieder los, erscheint ein paar Leuten und begründet damit die christliche Religion! Mit ein bisschen Hilfe seiner Apostel.
Die Geschichte ist ein fast wie „Karate Tiger“. Jason (Jesus), der durch die Hilfe des Geister-Bruce (Gott?) seine Auferstehung findet und damit in Seattle (dem gelobten Land???) die neue Kirche der freien Dojos gründet. Frei vom Bösen … den Ju- – – Uh! … Nein. Also wir wollen nicht das organisierte Verbrechen von der Ostküste mit den Juden von vor zweitausend Jahren vergleichen (auch wenn die schon nicht ganz unbeteiligt am Verrat und Mord an Jesus waren). Aber: Jesus war auch Jude. Und Jason kommt nicht von der Ostküste und ist auch kein Verbrecher …
Obwohl es an ein Verbrechen grenzt, dass Kurt McKinney, der Darsteller von Jason und mehrfacher Taekwondo & Kickbox-Champion, aus Angst vor Type-Casting nach „No Retreat, No Surrender“ kaum noch Karate-Filme machte, sondern lieber 5-Sätze-Episodenrollen bei General Hospital und ALF spielte. (Was für eine Verschwendung!)
Die Frage ist also nicht ob „Karate Tiger“ und die Auferstehungsgeschichte exakt gleich sind. Die Frage ist: Was wollen wir für eine Ostergeschichte als Grundlage für unser viertägiges Couch-Fest nehmen?
Und es spricht einiges für „Karate Tiger“.
Die Mode: Jesus Leinengewänder und Latschen zu Beginn des vorletzten Jahrtausend sind zwar Klassiker (besonders in den unrasierten Ecken des Prenzlauer Bergs), aber schrill-bunte Adidas-Anzüge, Karottenjeans und diese weiten Tank-Unterhemden … das ist voll retro und heute – mehr als damals – hoch aktuell!

Und dann die Karate-Action: Bei „Karate Tiger“ gibt es Roundhouse-Kicks, lange bevor sie das Markenzeichen von Chuck Norris wurden.
Aber das Beste ist die Philosophie! … Jesus hängt am Kreuz und fragt: „Mein Gott. Warum hast Du mich verlassen.“ Erstmal: Was für ein Vater-Sohn-Verhältnis wird hier angedeutet? Der Sohn spricht den Vater in der dritten Person an. Sowas geht doch nicht. (Außer in ner Folge MAD MEN natürlich.)
Jason bekommt von Sensei Lee dagegen wertvolle Ratschläge und in Glückskekse passende Formeln, wie: Antworte niemals auf eine Frage mit einer Frage. (Sonst gibt’s Schläge von Geister-Bruce.)
Das ist elementar: Wenn ich in der achten Klasse die Antwort auf eine Mathe-Frage nicht wusste, hab ich niemals den leichten Ausweg genommen und in Frageform geantwortet: „Wurzel aus Sieben?“ … und so darauf gehofft das der Lehrer denkt ich habe wenigstens den Rechenweg verstanden. Nein. Keine Frage auf eine Frage! Ich hab damals stolz gesagt: „Ich hab keine Ahnung was da raus kommt, aber ich bin mir sicher Sie, Herr Lehrer, werden es mir beibringen. So wie Bruce Lee es getan hätte.“ (Ja, ich war ein Schleimer. Aber ich war auch der Einzige der, trotz nicht nie gemachter Hausaufgaben, niemals schlechter als ne Drei in Mathe war. Punkte für Ehrlichkeit!)
Hm? Wie kontert Jesus das? Ha? … Welche Religion erzieht ihre Anhänger schon zu Ehrlichkeit?
… Ehrlich gesagt tun das alle Religionen. Aber mal im Vertrauen: Nach mehr als zweitausend Jahren Erfahrung … hält sich irgendjemand dran? Nein.
„Karate Tiger“ ist also auch actionreicher und philosophischer als die Auferstehungsgeschichte … Was ist mit dem Gefühl? Die menschliche Komponente.
Gibt es da Punkte für Jesus? – Vielleicht. Immerhin. Er ist für die Sünden der Menschheit gestorben. Kudos! Nicht schlecht.
Dennoch fehlt mir in der Bibel immer die Love-Story. Jedenfalls im neuen Testament. Adam und Eva … das war okay. Ich weiß nicht wie Frauen das lesen … die ganze „Apfel“-Geschichte (sehr stereotyp, wenn man mich fragt) … aber egal. Bei Jesus: Null Boy-meets-Girl. Nicht mal Boy-meets-Boy und auf keinen Fall Girl-meets-Girl.
Bei „Karate Tiger“? Eins-A-Love-Story! Nur wegen der Perle Kelly … (Kelly. Was für ein Name!) … nur wegen Kelly springt Jason in den Ring und tritt gegen die Kampfmaschine Jean-Claude Van Damme an.
Kleiner Tipp an die Jungs in der Bibel-Redaktion: Guckt euch da was ab. Mehr Love-Story, weniger Namen von Söhnen von irgendwem (kann sich sowieso niemand merken).
Und wie cool wäre das: Jesus schiebt den Stein vor dem Höhleneingang zur Seite (vorher natürlich eine Trainings-Montage mit Musik: Jesus stemmt Gewichte. Jesus übt Wunderwirken. Jesus läuft übers Wasser … Oh! Erster Versuch gescheitert. Jesus fällt in den Pool. Sein Sidekick Paulus lacht. Ha ha ha. Und auch Jesus grinst. Er trainiert weiter. Dann: Geschafft!) … Jesus klettert also raus und erstmal direkt zu Kelly. Okay, vielleicht ist Jesus nicht der Richtige für eine Kelly. Sagen wir eine Nancy? Ja? … Jesus hat da also diese Affäre … muss es geheim halten, weil sonst die Anhänger durchdrehen … Royal Wedding und so. Da muss man die Familie einladen … das wird peinlich wenn sein Stiefvater Josef mit am Tisch sitzt … Gott kommt dazu … dann die Gespräche: Ah! Maria hat Josef den Zimmermann geheiratet. Was macht der leibliche Vater von Jesus nochmal? Hm. Herr über den Tag und die Nacht und die Zeit? Na ja … dachte wohl die Karriere geht vor … hat die Familie im Stich gelassen … Was? Maria ist fremdgegangen? War Jesus also das Ergebnis eines One-Night-Stands? Ein Unfall? … Uh. Und Jesus kommt damit klar? Habt ihr mal über Therapie nachgedacht? Eben noch ein Missgeschick, jetzt am Kreuz … Aber jetzt ist er cool mit seinem leiblichen Vater? Und was ist mit Josef? Ist der cool mit Ehebruch … ich meine: Es dauert noch mindestens zweihundert Jahre bis das neue Testament raus kommt … das Update geladen ist … bis dahin gibt es kein „andere Wange hinhalten“, sondern „Auge um Auge“ und „begehre nicht Deines Nächsten Weib“ …und wenn ja: Kann der Mann, falls er Angst vor dem Typen hat der sein Weib begehrt, auch gerne das Weib einfach umbringen. Ja. War damals so wie es heute in Saudi-Arabien ist.
Wo war ich?
Jesus und Nancy also. Jesus rennt direkt von der Höhle zu Nancy. Und steht dann plötzlich bei ihr im Zimmer. Sie denkt aber: Er ist seit drei Tagen tot!
Jesus öffnet also schon den Gürtel seines Gewandes … immerhin: Drei Jahre wandern, kein Sex. Er hing drei Tage am Kreuz, an irgendwas muss man ja denken … Jesus ist auch nur ein Mann. Und Nancy ist ne heiße Jüdin aus dem West-Jordanland. … Sie kommt also rein und da steht Jesus wie Gott … also sein Vater … ihn schuf. Das heißt: Wenn Jesus Gottes Sohn ist und Gott ihn schuf … dann ist Jesus echt gut bestückt. Ich meine: Direkte Connection zum Schöpfer muss ja irgendeinen Vorteil haben. Deswegen ist Jesus auch immer so wahnsinnig cool. Ich meine: Der Typ hat ein unglaubliches Selbstbewusstsein. Das kommt von seinem messiasmäßigen Gehänge!
Aber Nancy dreht voll durch, immerhin haben die Beiden noch nie: Kein Sex vor der Ehe und so. Waren ja eher traditionelle Juden. Sie also: „Was? Ich dachte Du bist tot!“ … Jesus: „Bin ich auch. Aber ich darf ne Ehrenrunde drehen. Deswegen ist es auch okay wenn wir Sex haben. Ich bin ja kein Lebender mehr. Da gelten die Regeln nicht. – Aber: Wer ist eigentlich der Typ da im Wohnzimmer?“ … Nancy beginnt zu schwitzen. „Ehm. Das ist Pontius. Ich hab ihn bei Deinem Prozess kennengelernt.“ Peinliche Stille. Pontius: „Hey. Ich kann auch gehen.“ Jesus voll sauer: „Ja, bitte!“ Pontius: „Hey, Alter. No hard Feelings, okay? Das war alles nicht persönlich gemeint. Du verstehst das, ja?“ Jesus dreht durch, greift sich die Schrotflinte und erschießt zuerst Pontius, dann Nancy und richtet die Schrotflinte dann auf sich selbst: „Ich häng bestimmt nicht nochmal am Kreuz!“ Bam! Natural Born Christ!

Und dann dämmert es selbst Jesus. Das erste Leben ist immer der Probelauf. Ahhh! Es geht um die Auferstehung. Die Story danach macht den Film. Nicht einfach raus aus der Höhle und das Buch ist zu ende. Was passiert dann?
Das ist die absolute Wahrheit. Die echte und einzige Moral in allem was an Ostern im Fernsehen läuft: Man muss zuerst das Wasser weg schütten, um anschließend Cola trinken zu können! Danke Sensei Lee. Fröhliche Ostern. Amen.

HARLEKIN POST (036) Sonntagabend in Deutschland

Ex-Bahnchef Mehdorn wird Chef des BER – Flughafen Berlin Brandenburg.
„Ha, ha. Ja, genau. Ich lach mich tot.“
„Nein, wirklich. Es stimmt.“
„Verarsch mich nicht. Das ist so, als würde man R. Kelly zum Leiter eines Kinderheims machen.“
„Ja.“
„Als würde man Anette Schavan das Bildungsministerium anvertrauen.“
„Ja. Ist passiert. Sie ist zurückgetreten worden. Nicht mehr aktuell.“
„Als würde man ein Kilo Koks und vier Nutten ins Hotelzimmer von Charlie Sheen schicken.“
„Ist gut jetzt.“
„Du verstehst? Weil … Onkel Charlie würde damit bestimmt nicht verantwortungsvoll umgehen.“
„Ja. Ich verstehe.“
„Als würde man Tarantino Kinderfilme drehen lassen.“
„Es reicht!“

Hugo Chavez war ein komplexer Politiker und Mensch. Das liest man dieser Tage häufig.
Er hat George W. Bush „ignorant“ (Hurricane Katrina!), einen „Esel“ („Mission Accomplished“), „unmoralisch“ (Waterboarding), „feige“ (Patriot Act), einen „Lügner“ (Beweise für WMD im Irak getürkt), „Völkermörder“ (Afghanistan et al), einen „Trunkenbold“ (Drogensucht im College) und „lächerlich“ (siehe Oben) genannt. Alles wahr.
Gleichzeitig nannte er Gaddafi einen „der größten Staatsmänner des Jahrhunderts“ (Hä???).
Chavez umarmte Adolf Hitler, der Charlie Chaplin spielte und beschimpfte Charlton Heston, der Moses spielte. Keine Ahnung was schlimmer ist.

Öfter mal ne Auszeit nehmen. Das Handy ausschalten. Zeit für sich haben. Mal um die eigenen Probleme kümmern. Nicht immer erreichbar sein. Die eigene Mitte finden.
Nordkorea hat die Kommunikation in den Süden gekappt, nachdem Dennis Rodman zu Besuch war.
Gut für Kim Jong Un. Nach Small-Talk mit einem abgehalfterten Sportler, nicht gerade ungewöhnlich. Vielleicht liest er mal ein Buch. Zum Beispiel „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ von John Green. Oder er guckt mal wieder einen Film, ungestört. Wie wäre es mit „Seeking a Friend for the End of the World“?
Ach ja, und: Kim? … Lass Dich nicht aus der Ruhe bringen, von UNO-Sanktionen. Das Buch und den Film kann man per AMAZON bestellen, die liefern mit Prime schnell und überall hin. Wenn Du dann fertig mit Lesen und Gucken bist, frag Dich mal ganz ehrlich: Statt Atombomben, wie wäre es mit einer lustigen eCard für Obama? Zum Beispiel mit ner Baby-Katze drauf, die in einem Mao-Anzug steckt und eine Pfote in die Luft hält. In einer Sprechblase steht: „It’s time for a permanent Cat-Volution!“ … Ooooh … wie süß.
Du weißt: Wenn Obama schmunzelt, ist alles vergeben.

Sonntagabend. Öffentlich Rechtlich. 20:15. Endlich. Wie Millionen warte ich auf den Start. Los geht’s.
Der Fall beginnt spannend. Knarren. Schüsse. Spannung. Man fühlt mit den Opfern.
Dann der Held und sein Widersacher: Großartig besetzt. Dieser Ausdruck.
Echte Veteranen des Schauspiels. Körperlicher Einsatz. Harte Schläge. Dann die ersten Opfer und Verletzte. Der Partner des Helden sorgt für Lockerheit. Witz.
Die Frauenrollen definieren die Handlung.
Die Hauptdarstellerin ist perfekt besetzt. Passt zum Helden. Ist wunderschön und eine wirklich großartig Schauspielerin.
Die Handlung springt von Wendepunkt zu Wendepunkt. Auf und ab.
Krasse Verfolgungsjagden und wunderschöne Aufnahmen der Stadt.
Die Kamera tanzt um die Charaktere.
Nahkampfaction. Feuer. Explosionen.
Der Höhepunkt rast näher. Die Filmzeit verfliegt. 127 Minuten.
Und ich merke: Ich hab „Das Urteil“ auf Arte geguckt, nicht den Tatort mit Til Schweiger. So kann jeder Sonntagabend enden. Einer der besten Filme aller Zeiten… „Das Urteil“, nicht der Tatort. Außerdem: In den letzten Wochen wurde genug über Schweiger geschrieben. Ich gehe glücklich ins Bett.

HARLEKIN POST (034) Unser Untergang, fast

Ein Meteoritenschauer über Russland. Gesundheitsgefahren durch Pferdefleisch. Ein Sprint-Star hat vielleicht seine Freundin getötet. Freilassung von Dutroux. Und der Papst dankt ab.
Gerade haben wir den errechneten Weltuntergang verpasst, da tauchen plötzlich Zeichen für einen tatsächlichen Untergang auf. Oder doch nicht?

Ein paar Fenster splittern, eine Handvoll Leute wurden verletzt. Mehr hat der Asteroid „2012 DA14“ nicht angerichtet. Aber wir haben wieder Angst vor Himmelskörpern, vor möglichen Einschlägen und vor allem vor Dingen, die wir nicht sehen können. Oder erst dann, wenn es zu spät sein soll.
Dabei ist das Universum verdammt groß. Ja. Verdammt, fucking groß! So groß: Kein Astronom könnte annähernd genau sagen wie groß es ist. So groß ist es!
Also ist wirklich viel Platz in diesem Universum.
Sagen wir, wir haben eine Turnhalle. Und in dieser Turnhalle gibt es keine Schwerkraft. (Tolle Vorstellung. Hätte ich bei der Hochsprung-Note wirklich gebrauchen können! Ein Meter-Dreißig. Vier-Minus. Was für ein Mist!)
In diese Turnhalle (und ich meine nicht so eine kleine, ostdeutsche, Kindergarten-Turnhalle. Eine westdeutsche Turnhalle, späte Achtziger, mit zwei Trennwänden, die man herunter lassen kann) werfen wir zwei Reiskörner. Die Reiskörner würden – ohne Schwerkraft – immer weiter fliegen, bis sie von einer Wand, dem Boden oder der Decke abprallen und ihre Flugbahn ändern. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich beide Reiskörner jemals berühren, ist astronomisch klein. Ach was. Gleich Null. Und noch geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass unsere Erde von einem Himmelkörper getroffen wird, der irgendeine Auswirkung auf unser Leben hat. So. Punkt um.

Pferdefleisch soll ja schädlich sein, weil Medikamente drin sind. Aha. Und das 2,99€-Rindfleisch von Lidl ist von glücklichen Kühen. Kühe, die auf einer grünen Wiese grasen, nur reines Quellwasser trinken und ausgesuchten Salat essen. Oder was?
Wir sind eine Fleisch-Nation. Wie bei allen industrialisierten Staaten, ist unser Fleisch-Konsum ähnlich hoch, wie unser Porno-Konsum. Gigantisch. (Zufall???)
Wir allen fressen Fleisch, weil es uns schmeckt. Seit wann interessiert uns was da in die Tiere gepumpt wurde?
Natürlich will niemand unabsichtlich Pferdefleisch essen. Ich erinnere mich an eine Kriegsgesichte meines Großvaters: Ein Kamerad bekam ein Paket aus der Heimat an die Front geschickt. Drinnen war auch ein Stück Fleisch. Der Kamerad teilte das Fleisch mit seinen Freunden. Nach dem dritten Bissen erfuhr mein Großvater dass es Hund war. Er kotzte die ganze Nacht. Hat er jedenfalls gesagt.
Ich würde auch nie Hund oder Pferd essen. Da denk ich an Lassie, Fury oder Mr. Ed. Aber gefährlich? Bestimmt nicht gefährlicher als Rindfleisch, Kettwurst oder Bubble-Tea.

Menschen können Arschlöcher sein. Nicht nur O.J. hat seine Freundin umgebracht. Tausende vor ihm und tausende nach ihm. Macht das die Sache besser: Nein. Weniger schlimm: Auf keinen Fall. Sollte mich das deswegen interessieren? Nein.

Was mich interessiert ist dieser Fall:
Marc Dutroux ist ein Drecksack. Ein Schwein, eine Sau, ein echter Wichser. Der Hitler unter den Belgiern. Ein Verbrecher, ein krankes Arschloch.
Wie wir mit den Geringsten in unserer Mitte umgehen, so ist der Stand unserer gesellschaftlichen Entwicklung. Im Kontrast zu dem was dumme Leute – wie ein gewisser, deutscher Film-Star z.B. – fordern, ist es nicht die Aufgabe einer Gemeinschaft den Einzelnen außergewöhnlich hart und unbarmherzig zu bestrafen. Wenn wir diesem Impuls, den ich bei jedem Angehörigen der Opfer nachvollziehen und teilen kann, nachgeben – hat sich in fünftausend Jahren Menschheitsgeschichte nichts getan. Und wir können zurück in die Höhlen, aus denen wir gekommen sind. Zu sauberer Wäsche, iPhone und Hochgeschwindigkeitszügen sollte auch ein Mindestmaß an sozialer Entwicklung stoßen. Begnadigung, Resozialisierung und Barmherzigkeit hat irgendjemand mal als Schwäche deklariert – Es ist das Stärkste was wir haben. Wer das nicht glaubt, sollte Thomas Paine lesen! Das war seinerzeit beliebter als heute „Fifty Shades of Gray“ … und dazu braucht er nicht mal Soft-Sex-Fesselspiele!

Der Papst ist tot. Nein? Ach, nur zurückgetreten. Heißt das: Jupp Heynckes muss als Interims-Papst übernehmen? Und am Ende holt der Vatikan Markus Babbel und steigt ab.
Die aktuelle Saison läuft aber auch echt nicht gut für die Katholiken. In Afrika werden sie jedes Wochenende vom Islam vorgeführt, in der Asien-Liga kriegen sie keinen Fuß auf den Boden, und selbst in der europäischen Champions League rennen ihnen die jungen Zuschauer weg.
War aber auch klar. Ähnlich wie Hoffenheim, wurde der Katholizismus einfach zu schnell zu stark gepusht. Irgendwann musste das vorbei sein. Die besten Spieler stammten auch nie aus der eigenen Jugend: Jesus war Jude, Petrus auch. Und die Stars wechselten vor ihrer besten Saison zu einem anderen Verein: Martin Luther wurde exkommuniziert, Eugen Drewermann auch!
Vielleicht ist der Katholizismus auch wie die Hertha. Eigentlich ein Hauptstadtclub, große Aufgaben, aber einfach nicht attraktiv genug. Spielt im Olympiastadion, ist aber nur Bundesjugendspiel!
Wenn Benedict so etwas wie der Felix Magath unter den Päpsten war, vielleicht wird es Zeit für einen Spielertrainer. Oder man wechselt dahin, wo man eigentlich schon die ganze Zeit ist: Tipp-Kick!

HARLEKIN POST (030) Green Nobel Prize

Juli 1940. Die sechzehnte Ausgabe der „All-American Comics“ erscheint. Darin tritt zum ersten Mal der Held Green Lantern auf. Green Lantern ist allerdings nicht eine spezielle Person. Green Lanterns sind eine ganze Gruppe.
Sie sind Wächter, Beschützer des Universums. Das Green Lantern Corps.
Ihre Kraft – alles entstehen zu lassen, was sie sich vorstellen können (was meistens überdimensionale Hämmer sind) – erhalten sie von grünen, außerirdischen Ringen, die wiederum alle vierundzwanzig Stunden an einer grünen Laterne wieder aufgeladen werden müssen.

Okay. An diesem Punkt verliert Autor Bill Finger auch mich.
Ich meine: Eine Laterne? Wirklich? Eine grüne Laterne? Warum nicht eine grüne Steckdose?
Und warum überhaupt grün? Warum nicht Purpur oder Rot? Grün, wie … „Bei Grün darfst Du gehen?“ … ist es so einfach? Weil im Straßenverkehr „Gehen“ gleich Grün ist, sind die Wächter des Universums auch grün? Und überhaupt: Warum immer bei „Grün“ gehen?
Warum nicht blaue Ampeln einführen? Blau ist eine angenehme Farbe. Blau beruhigt, würde also nicht schaden im Straßenverkehr. – – – Gut. Kommen wir zurück zu den „grünen Laternen“.

Die Green Lanterns sind also ein Corps. Eine Gruppe von Beschützern. Allerdings sind sie ohne ihren Ring nichts weiter als ganz normale Sterbliche. Der Ring beschützt sie, und sie beschützen mit ihm das Universum. Und noch etwas: Jeder Ring sucht sich seinen Träger aus.
(Apropos Ring: Dieses alte Schlitzohr J.R.R. von Guten-Schavan- – – äh Tolkien.)

Und dann ist da Alfred Nobel.
Ja, ja. Krasser Sprung, ich weiß. Egal. Spielen wir die komplett neben der Spur argumentierte Metapher mal durch:
Alfred Nobel, also. Ein einfallsreicher und geschäftstüchtiger Erfinder.
Er verfügt in seinem Testament, mit 92% seines Vermögens – welches nicht klein war – eine Stiftung einzurichten. Diese Stiftung wiederum soll einen Preis ausloben. Beziehungsweise verschiedene Preise. Und zwar nicht irgendwelche Preise: Nobelpreise.

Okay. Damals, am Anfang des 20ten Jahrhunderts, hatte noch niemand von dem Nobelpreis gehört. Aber recht schnell wurde klar: Mit einem Nobelpreis wurden ganz besondere Menschen ausgezeichnet und unterstützt. (Ein bisschen wie die Jedis. Also viele Medichlorianer im Blut. Übrigens: Bin ich der Einzige, der echt ein Problem damit hätte, wenn Liam Neeson mir sagen würde: Du hast eine ungewöhnlich Hohe Anzahl von kleinen Wesen in Deinem Blut? Nein? – Was? Zu viele popkulturelle Anspielungen für eine Metapher? Okay. Bleiben wir bei den Green Lanterns.)
Neben den Kategorien Chemie, Physik, Medizin und Literatur wurde auch ein Friedenspreis eingerichtet. (Eine grüne Friedensleuchte.) Ziemlich schnell fiel diesem „Friedensnobelpreis“ eine besondere Stellung zu.
Während im naturwissenschaftlichen Bereich stets historisch verbürgte Errungenschaften prämiert wurden (Siehe Watson, Crick & Wilkins) und in der Literatur stets brav abgewechselt wird (England-Frankreich-Südamerika-Deutschland-Schweden-England-Frankreich-Deutschland-Schweden-China???), wurde der Friedensnobelpreis zu so etwas wie einem Schutzschild für gefährdete und umstrittene Menschenrechtler.

Durch den Friedensnobelpreis für Aung San Suu Kyi, zum Beispiel, wurde der Blick der internationalen Presse und der internationalen Gemeinschaft – immerhin für ein paar Wochen – auf die Menschenrechtslage in Myanmar gelenkt. Wahrscheinlich war ihre Auszeichnung 1991 auch mit ein Grund dafür, dass die Militärregierung Aung San Suu Kyi nur 15 Jahre unter Hausarrest stellte, anstatt sie einfach in ein Massengrab zu werfen. Und es gibt wirklich viele Massengräber in Myanmar. Wirklich viele. Fast so viele Massengräber, wie wir NS-Gedenktafeln.
Ähnliches bewirkte der Friedensnobelpreis 2003 übrigens auch für Schirin Ebadi im Iran.

Manchmal klappt das mit dem Schutzschild für gefährdete Menschenrechtler allerdings nicht ganz. Und so befinden sich unter den Preisträgern auch ein paar knautschgesichtige Ex-Präsidenten oder Ex-Vize-Präsidenten – die immer noch mit Secret Service und Limousine zum Golfplatz fahren.
Doch alles in allem: Ab und an fand der Ring/Schutzschuld doch den richtigen Träger.
Und es wurde ein Licht (Laterne!) auf ein spezielles Problem dieses Planeten geworfen.

Und nun hat die EU den Friedensnobelpreis bekommen. Die EU.
Ein paar Experten glauben, dass dies eine Stärkung der EU bedeutet. Das es ein geschickter Sachzug des norwegischen Komitees war. Sozusagen in Zeiten des Zweifels einfach mal den Schwanz vergolden lassen und mit offener Hose durch die Nachbarschaft fahren. Damit alle sagen: „Ui. Na der hat aber einen schönen, goldenen Schwanz. Dem muss es gut gehen!“
Aha. Die EU braucht also ein paar Norweger um ihre Einheit zu wahren. Genau. Weil sich die Entscheider – also die Leute mit Macht in Europa – von einem Friedensnobelpreis auch sooo sehr beeinflussen lassen:
„Ja, also eigentlich wollten wir der wirtschaftlich stabilisierend wirkenden Union – die alle Grenzen für den Handel geöffnet hat, und damit Unmengen an luftigen Regeln geschaffen hat, die wir alle unterwandern können, allerdings auch ganz legal von der Freihandelszone profitieren, eigentlichen wollten wir dieser Union schon den Laufpass geben – aber wenn die jetzt einen Friedensnobelpreis hat … tja, da kann man doch nicht mehr NEIN sagen zum Euro.“

Dabei ist die EU nur der jüngste Ausrutscher:
2009 bekam Barack Obama den Friedensnobelpreis, da hatte der im Weißen Haus noch nicht mal nen neuen Klositz angeschraubt. Es hieß: Der Preis sei motivierend gemeint.
Hat ja doll geklappt. Ohne juristischen Über- oder Unterbau lässt der ein paar Auftragskiller in ein fremdes Land fliegen und einen Mann in seinem Haus erschießen. Herausragende Leistung im Bereich „Frieden“. (Okay. Der Mann war vielleicht Osama bin Laden – für den hätte ich auch nicht gebremst – aber man muss ihm doch nicht gleich „Zwei zwischen die Augen“ geben!)

Ein Jahr später bekam dann ein echt Gewaltloser den Friedensnobelpreis. Liu Xiaobo. Doch irgendwie zog das nicht mehr so wie früher. Heute ist Liu Xiabo in China immer noch im Knast. Einzelhaft. Nur seine Frau darf ihn sehen. Und die wird überwacht. Sein Vergehen: Er hat ein Buch geschrieben und ging auf die Straße.
Als die Ehrung bekannt wurde, sprach die chinesische Regierung von einer „unangebrachten Einmischung in innere Angelegenheiten“. Hätte der Schutzschild noch seine alte Kraft … vielleicht wär es bei Hausarrest geblieben.

Der Schutzschild des Friedensnobelpreises ist also deutlich dünner geworden, schwächer. Aung San Suu Kyi sitzt mittlerweile im Parlament von Myanmar. Wenn man heute etwas in der ZEIT über Liu Xiaobo liest, kriegt der die Essensrationen gekürzt.
Da war es doch genau das Richtige, einer seelenlosen und heimatlosen, einer moral-losen und zahn-losen Institution, wie der EU den Preis zu geben. Damit er in Zukunft noch weniger Gewicht hat.
„Wir zeichnen aus: Einen undurchsichtigen, menschenverachtenden, bürokratischen Apparat. Juche!“

Alfred Nobel war ein Pragmatiker. Unter anderem erfand er das Dynamit. Die Folgen dieser Erfindung waren Entwicklungssprünge im Berg- und Tunnelbau und lustige Szenen in alten Western-Filmen, mit Dynamit-Stangen und viel zu kurzen Lunten.
Nobel war vielleicht kein Heiliger, aber er wollte nach seinem Tod etwas weitergeben.
Sein Erbe wird allerdings immer unbedeutender.
Und leider ist kein Erfinder in Sicht, der es ihm alsbald nachmachen wird.
Steve Jobs – der sich ja gerne als Erfinder feiern lies (genau!) – hat in seinem Testament nichts von einem „Friedensjobspreis“ verfügt.

Die Realverfilmung der „grünen Laternen“ – aus dem letzten Jahr, mit Hundeblick-Wunder Ryan Reynolds – war übrigens ein riesiger Flop. Zu Halloween oder an Fasching gehen die Kinder weiterhin als Bat- oder Spiderman.
Vielleicht funktioniert das Weltenretten, mit einem geheimnisvoll übertragenen Schutzschild-Ring (ob nun grün oder wie auch immer), doch nur in bunten Bildern auf Comic-Papier.

Oder wir warten auf einen Außerirdischen. 2013 kommt der neue Superman-Film.
Ich hol schon mal das Popcorn.

HARLEKIN POST (023) Gratis Ketchup

Christian Wulff hat neulich bei MacDonalds ein Päckchen Ketchup umsonst bekommen. Der SPIEGEL hat das aufgedeckt, und nun muss Herr Wulff den Differenzbetrag nachzahlen.

Es sieht lustig aus, wenn Georg Mascolo bei Günther Jauch sitzt und versucht seine Wut darüber zu verbergen, dass Wulff nicht bei ihm, sondern bei BILD angerufen hat.
Zeitschriften wie DER SPIEGEL werden eben immer mehr zum gedruckten Äquivalent der Kommentarbox unter nem Youtube-Video. Irrelevant irgendwie, manchmal lustig, aber auch nur wenn man schon was weiß.
Man liest SPIEGEL ONLINE aber für 4 Euro am Sonntagabend die Montagsausgabe am Hauptbahnhof holen, dass will niemand. Dagegen nimmt der BILD-Leser den Gang zum Kiosk jeden Morgen gerne, holt sich die „Zeitung“, nen Kurzen und die Packung Ernte 23 fürs Frühstück.
Während die „Elite“ bei Facebook die Ergebnisse einer Doodle-Umfrage zum neuen Bundespräsidenten diskutiert, sitzt der Rest der Volkes beim Kacken, geht die Aufstellung von Kiel gegen Dortmund durch und fragt sich: Wo krieg‘ ich Geld für die nächste Ernte 23 her, was soll mein Sohn Jochen mit seinem wertlosen 3er-Abitur machen und warum marschiert niemand in Syrien ein und hilft den armen Teufeln dort? Wir waren doch sonst nie so zimperlich?

Überall – und wenn ich sage: Überall, dann meine ich in allen eitrig, verstopften Medienkanälen – wird zur Zeit Wulff besprochen. Komisch, dass niemandem auffällt wie ähnlich der Abschuss dem von Gutti ist. Sogar fast die gleiche Jahreszeit. Den Start ins neue Jahr mit einem Politiker-“bashing“ begehen. Weil wir uns danach besser fühlen. Halt! Nicht wir, uns ist das doch egal. Ich hab genug eigene Probleme. Aber die Journalisten. (Natürlich sind wir hier mittlerweile alle irgendwie Journalisten und Kommentatoren, aber das soll keine selbstreferenzielle Nummer werden!) Zeitungen, Hörprogramme, Nachrichtenmagazine und so ungefähr alles worauf „News“ steht, verkauft sich besser, wenn es eine aktuelle Affäre gibt. Und wenn man gerade keine echten Affären hat, oder die Affären, die es gibt, scheinbar zu langweilig oder zu kompliziert sind, dann erfindet man eine Affäre. (Mir ist neulich aufgefallen: Auf dem SPIEGEL-COVER war im vergangenen Jahr verhältnismäßig selten der Führer abgebildet, dafür Affären, Fälle und Atomtragödien. Sind Nazis etwa gerade out?)
Da ist die Fabel vom schlechten Politiker. Oh ja. Das Fabeln normalerweise einen Normalzustand beschreiben, erklären und zugänglich machen, mal ganz nebenbei. Aber hier geißeln die Politiker den schlechten Politiker. So wie es der böse Wolf gerne mit der bösen Stiefmutter machen würde, nur um von sich abzulenken.
Bei Wulff findet der SPIEGEL auch schnell die Erklärung dafür, warum wir (königlich?) das so gerne machen: Weil Wulff selber gerne kritisierte.
Wenn in der Schule der neunmalkluge Klugscheißer mal ne Sechs schreibt, würde ich ihm das auch jahrelang vorhalten.
Wulff kritisierte andere Politiker, deswegen sind die jetzt auch so sehr auf Rache aus. Und mit der immer gleichen schwergewichtigen Unwichtigkeit wankt Siegmar vor die Kameras, wahrscheinlich die gleichen Kameras die noch von Guttenberg im Foyer der SPD-Zentrale standen, und sagt, was er schon damals sagte: Das das echt scheiße ist und der, um den es gerade geht (Namen bitte einsetzten) jetzt auch gehen soll.

Als Guttenberg am Pranger stand, ging es um die „Integrität von Lehre und Forschung“, geht’s nicht ne Nummer kleiner? Jetzt geht es um die „Beschneidung von Pressefreiheit“.
Genau. Meine Freiheit, die Zeitung aufzuschlagen und mal NICHTS über Pressefreiheit und den Langweiler Wulff zu lesen ist beschnitten.
Warum reden wir so viel über die Probleme der Personen, wenn es doch um die Probleme des Amtes geht. Und, ja: Da ist ein Unterschied. Und, nein: Man reduziert nicht das Amt mit ein paar Fehltritten einer biederen Person. Was interessiert mich das Einfamilienhaus von nem Typen aus Hannover? Aus HANNOVER! Da ist es so scheiße, selbst die – die 17 Mal im Jahr weg dürfen, springen da vor den Zug. (Zu früh?)

Guttenberg, zum Beispiel, hat damals die Wehrpflicht abgeschafft. Hätten wir nur ein Zehntel der Aufmerksamkeit und der Kraft, die in endlose Diskussionen übers „Abschreiben“ gesteckt wurde, der Frage gewidmet: Wie können wir die wegfallenden Zivildienstleistenden irgendwie ersetzen? Wir hätten wahrscheinlich mittlerweile ein funktionierendes System aus Brückenjobs im sozialen Bereich, würden etwas gegen Arbeitslosigkeit im Alter zwischen Achtzehn bis Vierundzwanzig tun und die Versorgungslücke der sozialen Fürsorge wäre auch noch geschlossen.
Stattdessen kennt wirklich jeder mindestens einen, mäßig witzigen Copy-and-Paste-Witz zum Thema Guttenberg. Ja. War die richtige Entscheidung.

Wenn es um Wulff geht, warum diskutieren wir nicht die sinnferne Sparwut, die er in Niedersachsen angerichtet hat, wie er soziale Programme kürzte und einfach so beschloss: Wir brauchen nur 12 Jahre bis zum Abitur und das auch noch zentral. Wie wäre es, wenn Medien in der Lage sind Minister und bald wohl auch Präsidenten zu kippen, dass wir mal diese Kraft nutzen und Probleme lösen? Oder eine fruchtbare Diskussion über Bildungspolitik anstoßen? Ach, dass ist nicht spannend? Fragen Sie mal Jochen und was er mit seinem 3er-Abitur machen soll. Der findet das spannend!

HARLEKIN POST (020) Ein Leben ohne Loriot ist möglich, aber sinnlos

Vicco von Bülow ist tot.
Zeitungen, das Fernsehen, Radioprogramme und Online-Portale sind voll von Nachrufen.
Hape Kerkeling hebt den Grand Senior des deutschen Humors diffus gar zum „gesellschaftspolitischen“ Komiker. Loriot war alles, aber nicht politisch. Und ihn im Nachhinein nun zu einer politisch engagierten oder gar durch Politik motivierten Person zu machen, lässt dem Mops doch nun wirklich die Haare zu Berge stehen. Und wird Papa ante Portas nicht gerecht.
An dieser Stelle führt man nun gerne die Bundestagsrede von Loriot an. Wie herrlich hier Phrasen im Wortgemenge zu typischem Politiker-Sprech arrangiert sind. Und sie sind es. Eine seiner besten Arbeiten. Doch auch absolut anti-politisch. Politik wird hier als das enttarnt, was sie in den allermeisten Fällen ist. Heiße Luft. Worte, die auszusprechen es sich nicht lohnt. Egal von wem sie stammen und in welche Richtung sie zielen. Meistens stammen sie von allen und zielen überallhin.
Loriot war einer der wichtigsten Komiker, wenn nicht sogar der wichtigste Komiker Deutschlands, gerade weil er so un… sagen wir anti-politisch war. Heinz Erhard vor ihm, war die freundliche, zahnlose Nachkriegskatze. Ein versöhnlicher Identifikationscharakter. In allen seinen Rollen die Projektionsfläche für die Käfer-Generation.
Vicco von Bülow war anders. Er war die Seite an uns, die immer da ist, aber über die man nicht immer gerne spricht. Er war die Kleinigkeiten, die Spleens und die Ungereimtheiten. Er war all das, was eben so passiert. Er war es in seiner reinsten, seiner komischsten Form.
Loriot war Perfektionist. Er war kein Sketchschreiber im Sinn von „Sketchup“ oder den Millionen Nachfolgern, bis hin zum eher entsetzlichen als lustigen „Mensch Markus“ oder den „dreisten Dreien“. Loriot formte Situationen so lange, bis ihre Absurdität komisch, aber immer auch nachvollziehbar war. Er gab Charakteren nur einen leichten Schubs, und schon war die Groteske im Alltag gefunden.
Ich weiß nicht ob meine Kinder noch Herrn Müller-Lüdenscheidt kennen werden, oder gar Passagen aus Ödipussi mitsprechen können. Aber ich weiß jetzt das mein Erstgeborener Vicco heißen wird. Mit einem Dank an meinen Großvater: Deinetwegen liebe ich Loriot so, wie Du ihn geliebt hast. Weniger hat er nicht verdient.

Provopoli: Erster Teil

In letzter Zeit frage ich mich immer häufiger: Wer castet eigentlich die Hartz-IV-Familien fürs heute-journal? Ich meine diese Familien, die immer als Beispiel für die Untersten der Unterschicht herhalten müssen, um dann mal direkt in die Kamera so richtig arm zu sein! Neulich gesehen am aktuellen Beispiel eines Beitrags zur 5€-Hartz-IV-Erhöhung.
Die Gecasteten heißen dann beispielsweise Britta M. aus „Hier bitte Namen einer bundesdeutschen Großstadt einsetzen. Nicht zu groß, damit sich auch der bajuwarische Dorfbewohner damit identifiziert, aber auch nicht zu klein, damit der Durchschnitts-Metropolist auch weiter zuhört. Auf keinen Fall darf es Berlin sein, weil da, nach Ansicht des Durschnitts sowieso der Abschaum der Menschheit wohnt. Und es darf auf keine Stadt im Osten sein, weil der Durchschnittszuschauer im Durchschnitt eben durchschnittlich westdeutsch ist. Logisch. Und kein Westler will über das Leid der Ossis wissen, hatten wir ja alles schon zur Genüge. Den einzigen Solidarbeitrag den man noch bereit ist zu zahlen, ist das die Linke im Saarland über die 5%-Hürde springt.“
Also Britta M. aus Essen oder Lüdenscheid. Britta M. hat natürlich drei Kinder, und lässt diese auch gerne und immer wieder und wieder vor der Kamera spielen, bis schließlich auch wirklich jede Bagatelle, die sich „normales Unterschicht-Leben“ schimpft im Kasten ist. Als da wären: Köpfe der Barbie-Puppen vertauschen oder nach einer Partie Killerspiele ordentlich und unflätig die Mutti anbrüllen. Oh, ja. Da lacht das öffentlich-rechtliche Herz eines Fernseh-Redakteurs!
Und dann backt Britta M. mit ihren Kindern einen Kuchen. Warum sie das macht, wissen wir nicht. Als konditionierter RTL-Aktuell-Zuschauer wissen wir aber: Eigentlich ernähren sich Unterschichten-Kinder nur von Wurst und Pommes. Wenn WIR (und ich meine das königliche, ebenso wie das einschließende WIR) mal Currywurst oder Pommes – zum Beispiel im Stadion – essen, dann ist das volksnah. Wenn die Kinder von Britta M. das tun, dann ist das typisch. Logisch, oder?
Wie auch immer: Britta M. und ihre Kindern wollen einen Kuchen backen. Dafür war Britta M. einkaufen: Wie uns der Kommentar verrät, will Britta M. nämlich „trotz magerer Zuschüsse und kleinem Geldbeutel“ … Apropos: Warum „kleiner Geldbeutel“? Versteh ich nicht, diesen Kommentar. Und der kommt ständig. „Kleiner Geldbeutel“, „Magere Zuschüsse“, „Frenetischer Beifall“ … wie wäre es mal ohne Adjektiv. Und wenn der Geldbeutel klein ist, dann nimm ne Netto-Tüte, da passt mehr rein. Aber ich schweife vom Thema ab.
Der Kommentar war: „Trotz magerer Zuschüsse und kleinem Geldbeutel will Britta M. ihren Kindern aber trotzdem hin und wieder frisches Obst und Gemüse auf den Tisch stellen“. Dazu sehen wir wie Britta M. vier Äpfeln, drei Bananen und zwei Kartoffeln im viel zu großen Einkaufskorb präsentiert. Kleiner Tipp, Britta M.: Wenn Du mit dem geflochtenen Korb (der niemals Dir gehört!) nicht zum Bauern gehen würdest, würden bei Real auch mehr als vier Äpfel, drei Bananen und zwei Kartoffeln rausspringen, und für die gestellte Backszene müsste Deine kleine Jaqueline diesen Monat nicht auf ihren Kita-Platz verzichten. Aber weiter:
Nun sitzt Britta M. also vor einer wunderschönen, dunkelbraunen Esszimmer-Garnitur von Möbel-Roller am Küchentisch, und sieht von Unten in die Kamera. Es ist herrlich. Tatsächlich sehen die meisten Unterschichtler … politisch korrekt UnterschichtlerInnen … stets bedeutungsschwanger von Unten in die Kamera. Egal ob „Die Auswanderer XXL“ oder „Die Abspecker – Ruhrpott Edition“ oder „Weiß der Himmel was noch für Doku-Soaps“, immer ist die der Kameramittelpunkt knapp oberhalb der Augen. Mindestens. Es ist wirklich so. Kein Scheiß!
Ja, ja. Furchtbar ist das mit der armen Britta M. Wie sie so leidet, um 21 Uhr 45 im zweiten deutschen Fernsehen. Die Frage bleibt: Wie kommt das heute-journal an seine Hartzer? An all die Britta M.‘s aus Essen oder Lüdenscheid. Wahrscheinlich müssen die Kamerateams bald wirklich auf Britta M.‘s in Cottbus oder Wismar ausweichen. Die Herkunft im Untertitel kann man ja „redaktionell ändern“. So viele Hartz-IV-Familien gibt es im Westen ja nicht mehr zu finden. Dann warten die Redakteure und Kamerateams (oder sagen wir lieber die vier Dauer-Praktikanten, die sich das geizige ZDF noch leistet) tagein, tagaus eben vor ostdeutschen Ämtern. Und passen auf, liegen auf der Lauer, suchen nach dem ausgemergelten Blick einer Britta M.
Falls man mal sie entdeckt, bietet man fünfhundert Westmark, also Euro. Dann darf das Kamerateam einen ganzen Tag die Sozialbauwohnung belagern, und die gierige Kamera kann sich mal so richtig sattsehen an der ganzen Mischpoke.
Dummerweise werden die fünfhundert Euronen aber als Nebenerwerb mit Hartz-IV verrechnet und am Ende bleibt nichts für Britta M. übrig. Aber im Fernsehen war sie mal, immerhin. Berühmt ist sie, im ganzen Haus und auch bei Lidl hat sie schon jemand angesprochen. Jedes Mal wenn sie wieder aufs Amt muss, hofft sie erneut angesprochen zu werden. Vielleicht kommt jemand von den Tagesthemen, oder von Frontal 21. Die bezahlen sie unter der Hand.
Danke ZDF … Du bist mein Allerlieblingssender, wenn ich mal einen Schlaganfall habe und im Pflegeheim nicht mehr alleine umschalten kann. Weil dann, dann ist auch egal.
Außer vielleicht, ich hab dann so einen Sprachcomputer und kann mir was wünschen. So macht das Stephen Hawking wahrscheinlich. „Bitte – Umschalten – Ich – Will – Germanys – Next – Topmodel – Sehen“
Dann will ich aber auch so einen Strohhalm, mit dem ich rumfahren kann. Apropos Hawking: Lebt das alte, schwarze Loch eigentlich noch? Es hieß doch schon vor zehn Jahren schon: Der macht’s nicht mehr lang. Kickt aber trotzdem immer noch ein transuniversales Standardwerk nach dem nächsten raus. Respekt. Na ja: „Kickt“ vielleicht nicht.
Oh, jetzt hab ich doch tatsächlich beim Lachen Cola-Light durch die Nase aufs Keyboard geschnieft. Ist aber auch schon spät. Gleich kommt das Nachtmagazin. Vielleicht gibt‘s mal wieder was über Ausländer, und wie die sich so integrieren. So einen Beitrag über eine typische, türkische Familie in Kreuzberg oder kurdische Gastarbeiter in Gelsenkirchen. Wer castet die eigentlich?