Im Finale von Worlds Next Messiah stehen ein ziemlich dicker Dauergrinser, ein Mann mit langem Spitzbart und ein Junge aus dem Westjordanland.
Der Moderator ist, wie könnte es anders sein, Johannes B. Kerner.
„Buddha?“, fragt Kerner grinsend und wird dann von Gastjuror Lothar Matthäus mit der Frage „Budda? Kommt da eigentlich „Budda bei die Fische“ her?“ unterbrochen. Keine Antwort. Eisiges Schweigen.
„Wo ich stehen geblieben war“, führt Kerner fort. „Buddha, bei ihrem letzten Projekt haben Sie als Berater für Quentin Tarantino gearbeitet. Der Film heißt ‚This fuckin’ Reincarnation’ und handelt von einem Buddhisten, der den ewigen Kreislauf der Wiedergeburt leid ist. Deswegen begibt er sich auf einen Amoklauf von biblischen Ausmaßen, nur um am Ende als die schlimmste aller Formen wiedergeboren zu werden: Nichts … und so den Kreislauf der Wiedergeburt endlich durchbricht.“
„Entschuldigung.“, mischt sich ein weiterer Gastjuror ein. „Entschuldigung. Aber ich glaube, wir haben das Patent auf das Wort „biblisch“. Vielleicht benutzen sie doch einen unreligiöseren Superlativ. Danke.“
Nachdem Kerner sich galant und professionell entschuldigt hat, setzt sich der empörte Ratzinger wieder. Die Aufmerksamkeit liegt bei Buddha.
„Nein.“
„Wie: Nein?“ Nun will es Kerner genauer wissen.
„Nein. Ich habe mich geweigert mit Tarantino zusammen zu arbeiten.“
„Aha. Warum?“
„Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich bin ein großer Fan. Wie Uma Thurman in Kill Bill 1 kurz zwinkert und die Kampfsequenz wird Schwarz-Weiß … großartig. Aber ich habe ein eigenes Skript für einen Buddhismus-Film eingereicht und Tarantino hat es abgelehnt. So hat sich eine weitere Zusammenarbeit für mich erledigt. Er hat sich dann diesen vierarmigen Kerl aus dem Hinduismus geholt. Meinte: Das wirkt sowieso besser vor der Kamera. Vollkommener Schwachsinn. Vier Arme. Wie sieht’n das aus?“
„Hm.“
Kerner wendet sich an den Mann mit langem Spitzbart:
„Ihnen wurde auch mal eine Filmrolle angeboten, oder?“
„Ja. Ich sollte Harrison Fords Vater in Indiana Jones 4 spielen, nachdem Sean Connery abgesagt hatte.“
„Warum haben Sie’s nicht gemacht?“
„Ehrlich gesagt: Damals fand’ ich das ziemlich anmaßend. Ein Sohn armer Eltern aus Mekka soll den Platz des vielleicht größten, schottischen Schauspielers einnehmen … uh, nein. Viel zu viel Verantwortung. Im Nachhinein allerdings: Ich bin froh das ich nicht dabei war.“
„Aha. Warum?“
Während Kerner weiter fragt, beginnt Gastjuror Ricky Martin (selbsterklärter Retter des Latino-Pop) gelangweilt die Os, Ds und Qs auf seinem Fragebogen auszumalen: In Rosa.
„Warum, warum, warum?“, entgegnet der Mann mit dem langen Spitzbart genervt. „Weil der Film Grütze war. Absoluter Scheiß. Das hätte meine Karriere ruinieren können. Und dann dieses Auflösung am Ende: Außerirdische. Ist doch vollkommener Blödsinn.“
„In der letzten Mottoshow, Thema: Auferstehung, kurz vor dem Finale, ist Kebal Kutur ausgeschieden. Er sagt von sich, der außerirdische Erlöser einer irdischen Sekte zu sein.“
„Und? Hat ihm irgendjemand geglaubt?“
Langsam wird der Mann mit dem langen Spitzbart wirklich sauer.
„Das ist doch immer so. Egal wohin ich komme. Überall gibt es diese Spinner, die Paradiesvögel, die glauben sie können einem längst vergangenen Hype hinterherlaufen. Und dann sagen sie, sie sind Außerirdische oder stechen sich ein Auge aus und wollen als Zyklopen durchgehen. Aber sobald es ‚tough’ wird … ich meine: Richtig ernst! Sobald sie mal echt ein Wunder vollbringen sollen, so wie Auferstehung. Hey: Ihr habt den Typen gesehen. Wie der rumgekrebst hat, alleine dabei wie er am Ende den Stein vor der Höhle wegschieben sollte. Amateur. Ich dagegen, und dabei ist Auferstehung echt nicht meine Disziplin, hab’ die Zähne zusammen gebissen und hab’s durchgestanden. So sind wir Muslimen.“
„Okay.“ Kerner scheint beeindruckt.
„Das heißt: Sie denken der Richtige für die weltweite Erlösung zu sein?“
„Klar. Hundert Pro. Und diese Propaganda, vonwegen ich hätte was gegen andere Religionen. Vollkommen übertrieben. Sowas hab’ ich nie gesagt, oder gemeint. Was ich meinte war: Für irgendwas muss man sich entscheiden, warum also nicht für den Islam. Okay, wir haben Fehler. Gebe ich gerne zu. Aber guck Dir mal die Juden an…“
„Bitte?“, meldet sich Gastjurorin Hannah Arendt.
„Nein. Nicht Sie. Ich meine Friedmann und die ganzen Knallchargen.“
„Okay, okay.“, unterbricht Kerner. Gastjurorin Arendt schüttelt derweil mit böser Miene den Kopf.
„Du bist doch auch Jude.“, spricht Kerner den Jungen aus dem Westjordanland an.
„Wenn man Dich fragen würde: Würdest Du erneut das Leid der ganzen Welt auf Dich nehmen?“
„Ich?“, fragt der Junge aus dem Westjordanland unsicher nach.
Kerner nickt.
„Nein. Wieso denn?“
Kurzes Erstaunen bei der Jury. Ein Raunen geht durchs Publikum.
„Aber … aber“, beginnt Juror Ben Becker. „In Deiner Vita heißt es … „und er nahm die Sünden der gesamten Menschheit auf sich.“ oder wie ist das zu verstehen? Bildlich?“
„Nein. Auch nicht bildlich. War einfach nicht so. Alles Folklore.“
Der Junge aus dem Westjordanland scheint nicht erstaunt, dafür springt Gastjuror Dan Brown auf:
„Ha! Das hab’ ich immer gesagt!“
Unruhe bricht unter den Jurymitgliedern und auch im Publikum aus. Kerner hat einige Mühe alles wieder unter Kontrolle zu bringen.
„Gut, gut, gut. Lassen wir das mal mit der gesamten Menschheit weg … wie viele Leute wärst Du bereit zu retten und in eine bessere Zukunft zu führen, so als Worlds Next Messiah? Eine Million? Zwei?“
Kerner fixiert den Jungen aus dem Westjordanland, aber der beißt sich nur kurz auf die Unterlippe und antwortet dann achselzuckend.
„Hm … keine Ahnung. Nicht so viele. Vielleicht zwei Menschen, maximal drei. Vier … wenn’s hoch kommt.“
Unverständnis und fragende Blicke. Der junge aus dem Westjordanland zupft sein ausgewaschenes Offspring-T-Shirt zu Recht und versucht gerade auf seinem Kandidatenhocker zu sitzen. Dann räuspert er sich:
„Um mehr geht’s doch gar nicht. Wer versucht die ganze Welt zu retten, hat definitiv einen Gottkomplex.“
„Garnicht!“, brüllt der Mann mit dem Spitzbart und der Dauergrinsen hört mit dem Grinsen auf.
„Wie Du meinst.“, lächelt der Junge aus dem Westjordanland.
„Aber Fakt ist: Ich kann nicht alle retten. Nicht mal die, die ertrinken … wenn ich nicht schwimmen kann. Mal als Gleichnis gesprochen.“
„Toll. Und das von jemandem der übers Wasser läuft.“
Buddha grinst wieder, und bekommt Unterstützung vom Dalai Lama. Aber der Junge aus dem Westjordanland lässt sich nicht verunsichern.
„Fakt ist auch: Ich kann nicht mal alle lieben.
Als ich damals mit meinen Jungs durch Galiläa gelaufen bin, haben wir versucht niemanden auszulassen. Wirklich niemanden. Hin und her sind wir gerannt. Wenn ich das heute machen würde, ich würde von einem Baumarkt in Mecklenburg-Vorpommern bis zum kleinsten Shoppingcenter im Wartburgkreis wandern. Aber es würde nichts bringen. Du kannst nicht jeden erreichen und Du kannst auch nicht alle lieben.
Ich erinnere mich an eine Situation, da hat uns so ein bescheuerter, römischer Viehhändler fast von der Straße nach Kana abgedrängt. Da waren wir echte alle auf 180. Lukas wollte ihm schon hinterher und so richtig die Fresse polieren, Markus hat ihm den Mittelfinger geziegt, selbst mir kam ein ‚Fuck you, Römer!’ über die Lippen. War kein schöner Anblick …
Aber egal.
Im Endeffekt ist es auch nicht meine Aufgabe alle zu lieben. Ich hab’ da zuerst meinen Arbeitsauftrag schon so verstanden und oft wird das auch so wiedergegeben. Aber so war das garnicht. Es ist halt nicht einfach der Sohn vom Chef zu sein. Aber es liegt alles viel näher. Zuneigung. Ein paar Menschen ganz nah ran lassen. Das war gemeint. Erlösung durch den direkt Nächsten. So geht das.“
„Sie meinen: Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst?“, fragt Kerner nach und schlägt dann ein bekanntes Fantasy-Buch wieder zu.
„Nein. Wo haben Sie’n das her? Wie soll ich denn jeden Nächsten lieben wie mich selbst? Okay: Erstmal muss ich mich selbst lieben. Schon mal nicht schlecht. Aber was ist mit den Ackermännern dieser Welt? Zuviel Selbstliebe ist auch nicht gesund. Also weniger von Beidem. Weniger Selbstliebe und weniger Nächste. Sich einfach mal auf die wirklich wichtigen Personen einlassen. Eine Frau finden, oder einen Mann. Ich bin da echt nicht der, der irgendjemandem was vorschreiben will. Ich war mit zwölf Typen für ne wirklich lange Zeit unterwegs und nicht jeder der Typen hatte sich sexuell schon entschieden. Da lief ne Menge ab. Egal … worauf es ankommt: Jemanden finden. Ihn lieben und genauso mit sich selbst verfahren. Liebe Dich selbst, wie Du Deinen Nächsten liebst. Aber nur den Einen … oder zwei. Nen guten Kumpel vielleicht noch, die Eltern … wobei man da aufpassen muss. Ich selber komm’ aus ner Patchworkfamilie … aufgezogen von nem Typen der nicht mein leiblicher Vater war, aber dauernd mit irgendwelchen Leuten konfrontiert, die durch mich an meinen leiblichen Vater rankommen wollten … war nicht einfach. Mein leiblicher Vater … ziemlich strenger Typ. Hat was echt Angsteinflößendes. Aber mein Ziehvater war cool. Hat viel mit Holz gemacht. Laubsägearbeiten, da kriegt man als Kind was Kreatives mit auf den Weg. Ich hab’ ihn geliebt. Genauso wie ich meine Freundin liebe und unsere Kinder. Aber eben nur diese Auswahl. Mein Best-of. Und so wie ich die liebe, so liebe ich mich. Also nicht die Ich-Perspektive wählen, mehr auf Andere eingehen. Und nicht auf alle. Das geht doch total in die Hose: Wenn ich mich so sehr lieben würde, wie ich die Tante beim Burgeramt liebe, die mir schon wieder das Wohngeld gestrichen hat, dann würde ich vor lauter Selbsthass das Haus nicht mehr verlassen. Kann doch garnicht gehen.“
Die Jury sieht sich an. Es kommt zu keiner Diskussion. Der Junge aus dem Westjordanland fliegt raus.
Alter, was haust du dir bloß für Zeug rein??!
Schöne Parabel. Ich bin ziemlich beeindruckt. Herzlichen Gruß, Peter
You rock!
uhhh,krass. der titel ist wunderschön…
über den rest müssen wir reden! schließe mich jedenfalls meinen vorrednern an, soagr flohi!
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