Kommst Du zu meiner virtuellen Beerdigung?

Moment mal! Wir haben „zweitausend Jahre Varusschlacht“ und keiner hat was gesagt?
Ich hätte mir nen Anzug angezogen oder wenigstens das Hemd gebügelt.
Ach … Erst im Herbst? Gut, kann ich noch was aufholen.
Mal sehen: Angeblich hat damals … im Herbst 9 nach Christus … also dieser Arminius (den wir heute der Einfachheit halber Hermann nennen) ein Achtel des römischen Heeres vernichtet. Ein Achtel. Klingt erstmal nicht viel.
Aber wer schon mal versucht hat sich mit einem Achtel des A-Teams anzulegen (was ungefähr zwei Goldketten und die Faust von Mr.T ist), der weiß es besser.
In diesem Fall waren es 20 tausend Mann. Okay, es waren Römer, aber immerhin …
Hermann versteckt sich also, mit einer unbekannten Anzahl von Germanen (die damals zusammengewürfelt aus einer Vielzahl von wirklich beschissen klingenden Stämmen wie Marser und Chauken kamen), irgendwo im Gebirge. Varus – ein römischer Stadthalter, der nach Germanien geschickt worden war um es zu befrieden und Steuern zu erheben (was so dumm ist wie es klingt: War ja klar das sich da jemand wehrt!) – war auf dem Weg zurück aus dem Norden ins Winterlager. Irgendein Idiot erzählt Varus also, dass es Aufstände in einer relativ unbekannten Region Germaniens gibt. Varus nimmt – römisch überheblich – einen Umweg und Baam! (Der Idiot hat sich bestimmt nicht nach Rom getraut!)
Die gut durchmischten Germanen, vom Aussehen wohl irgendwo zwischen Kelly Family und Wildecker Herzbuben, stürzen sich auf die ungelenken Römer, die vorher mit „Weg frei räumen“ und „Bäume fällen um weiterzukommen“ beschäftigt waren. Man kreist den gemeinen Legionär in kleinen Gruppen ein und nimmt Männer und Pferde gepflegt auseinander. Varus, die feige Nuss, nahm sich, bevor man ihn gefangen nehmen konnte schön das Leben und als Kaiser Augustus später Varus Kopf präsentiert bekam rief er:
„Varus, Varus! Gib mir meine Legionen wieder!“
Was für mich persönlich zum geflügelten Wort wurde, weil es ein alter Geschichtslehrer von mir in geradezu inbrünstiger Art immer wieder und wieder ausrief (selbst als wir im Unterricht längst bei Hitler waren).
Was ich mich bei allen Berichten über die Varusniederlage oder Hermannschlacht (wie man sie in Detmold nennt, wo man gleich übereifrig das Hermannsdenkmal aufgestellt hat) irritiert, ist: Eigentlich weiß niemand einen Scheiß was damals passiert ist.
Fakt ist: Keiner der Typen (Ovid, Tacitus, Cassius Dio und wie die alle hießen) die drüber geschrieben haben war dabei.
Fakt ist auch: Keiner weiß genau wo die Bambule wirklich abging. Einige sagen in Detmold und im östlichen Teutoburger Wald (was der echt beschissenste Ort für ne Keilerei ist, ich meine: Verklicker mal deiner Truppe am Wochenende beim Grillen: „Hey, ich hab’ im Herbst bei Detmold den Römern eins auf die Nuss gegeben und dafür gesorgt, dass die langfristig ihre Bemühungen nördlich des Rheins Fuß zu fassen aufgeben.“ Klingt doch nach gar nichts!), andere sagen südlich vom Teutoburger Wald, bei Beckum (was nicht viel besser als Detmold klingt) und wieder andere meinen das sich alles bei Kalkriese abspielte (was der wenig belebten Gegend bei Osnabrück ein bisschen zu viel Ehre zuteil werden lässt, wenn man mich fragt).
Das heißt also: Im Grund hat vor zweitausend Jahren ein Deutscher nem Italiener und seiner 20tausend Mann Bande irgendwo mit was-weiß-ich-wievielen Kumpels richtig eins reingewürgt.
Und da es damals noch kein Twitter gab, gibt es auch keinerlei Berichte aus erster Hand und wie es wirklich abging, was die Jungs so genau trieben oder wo sie dabei eigentlich rumhingen.

Apropos Twitter:
Der Trend geht ja nun eindeutig in die Richtung sich überhaupt nicht mehr persönlich zu treffen, trotzdem aber alle Welt über jeden Scheiß auf dem Laufenden zu halten.
Bald schon heiraten wir bestimmt virtuell … ach: Dat gibt’s schon?
Na dann … dann will ich wenigstens virtuell zur letzten Ruhe gebettet werden. Mit Gästebuch und dem Button „Would you like to share this Funeral on Facebook?“. Ich will dass meine “Freunde” sich meine Beerdigung auf ihrer MySpace-Seite “embedden” können und einen Livestream aus dem Sarg will ich auch. Ich will ein Voting zum Thema „Einäschern oder Vergraben“ und anschließend „Urne oder Asche auf dem Meer verstreuen / ins All schicken“. Ich will Werbebanner auf meiner MyFuneral-Seite für das neue Miley Cyrus-Album und ich will ein Haufen Weiterleitungen unter dem Titel „Wenn sie diese Beerdigung mochten, mögen sie vielleicht auch die folgenden Beerdigungen:“
Und ganz Unten, ganz weit Unten auf der Seite. In dem winzigen Text den jede Webseite mittlerweile hat und der die meisten Anbieter von der Haftung für ihren abscheulichen Inhalt ausschließt, irgendwo in diesem winzigen Text steht der Name Joe Blitz. Und man kann auf den Namen klicken und wenn man das tut, dann öffnet sich ein neues Fenster und das neue Fenster ist absolut leer. Und man muss wieder ganz weit nach Unten scrollen um überhaupt was zu sehen. Und da steht dann:
„Joe Blitz ist L. Ron Hubbard.
Ein unterdurchschnittlicher Science-Fiction-Autor, der es tatsächlich geschafft hat eine eigene Religion zu gründen, die heute größer ist als jemals zuvor. (Und das mit dem Vornamen Lafayette!) Eine eigene Religion, die nicht weniger Religion wird, nur weil wir sie Sekte nennen. Eine Religion, verdammte Scheiße! Von einem Science-Fiction-Autor! Wer hat wohl die Bibel geschrieben?“
Und unter diesem Text ist ein winziger Button und darauf steht:
„Computer runterfahren, dann aufstehen, mal wieder rausgehen und nen klaren Kopf bekommen, weil diese Welt das echt nötig hat!“
Und ich wette: Wer diesen Button, diesen Knopf dann drückt, der textet im Rausgehen seinen Kumpels via Twitter:
„Hab’ diesen Knopf auf ner Funeral-Page gefunden. OMG Muss meinen Computer neu starten. Geh’ mal eben raus und seh’ nach ob jemand da ist.“
Zwei Minuten später folgt dann:
„War draußen. War ganz alleine. LOL Keiner hat’s gehört!“

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