Glutamat-Bomber

Vor mir in der Schlange bei Starbucks steht eines jener Mädchen die man auf Kommando großartig findet. Gut: Gegen sie spricht die Tatsache bei Starbucks für einen Venti-Moccachino-Latte-mit-Bizet-Teig-auf-der-Schaumkrone zehn Minuten anzustehen, aber ich bin ja auch nicht besser.
Jedenfalls ihre Kleidung: Okay, H&M-Jeans (ich weiß wovon ich rede). Aber wie sie die trägt… nicht einfach so. Eine halbe Nummer zu groß und nicht eine halbe Nummer zu klein. Nicht reingezwängt, sondern mit dem richtigen Maß an Selbstbewusstsein einfach etwas weiter gekauft. Das ist ja schon im Subtext so beeindruckend: Das letzte Mal als ich mit meiner Ex-Freundin Einkaufen war, zwängte sie sich wild strampelnd in eine 34er (bis heute weiß ich nicht was das heißt, aber der Verkäufer sagte das mit einem Augenrollen). Und jetzt dieses Mädchen:
Ihre Turnschuhe sehen arg mitgenommen aus. Ganz so, als hätte sie gerade ein Wochenende am Badesee oder einen Trip an die Ostsee hinter sich. Wäre ich doch nur dabei gewesen.
Ihr T-Shirt – irgendwas mit einer Band drauf (bestimmt funkiger Trip Rock oder Acid Pop, und bestimmt irgendwas semi-Bekanntes, eine europäische Band, nicht zu weit weg, aber mit deutlichem Einschlag, die über Liebeskummer und Weltkrieg singen) – passt genau, es sitzt nicht eng: Es passt einfach.
Die Haare sind in blonden Locken verdreht. Dunkle Strähnen zeichnen sich dazwischen ab: Ein Meer aus hell und dunkel, hell und dunkel und …
Dann trifft es mich. Um ehrlich zu sein, ziemlich genau in der Rippengehend. Ein Mädchen mit glatten, schwarzen Haaren rempelt mich an, stößt mit den weiten Lederstiefeln gegen mein Bein, entschuldigt sich gehaucht – mehr noch: genuschelt – und geht dann weiter. Sie ist der südspanische Traum einer Flamenco-Tänzerin, nur ohne Hüften (ganz der Model-Bulimie-Traum). Sie trägt schwarze, enge Hosen und dazu ein rotes Top. Wie für einen Stier. Alles ergänzt sich. Ich wende den Blick, dann starre ich die großen, tiefgrünen Augen des wartenden Mädchens hinter mir. Sie guckt schüchtern über die schmale Brille hinweg, hat dabei etwas Keckes und gleichzeitig ist sie unschuldig wie begehrenswert. Mein Blick geht weiter: Starbucks ist voll von Abziehbildern, von jenen eindeutig uneindeutigen Mädchen aus dem Paradies. Mädchen die wie Glutamat-Bomber die Geschmacksverstärker einer aus Hüllen bestehenden Welt zu ihrem Mantra gemacht haben. Ich will hier gar nicht wortklauberisch werden: Es kotzt mich nur an.
Nicht erst seit heute, immer schon. Dies ist nicht meine Welt. Meine Welt stinkt manchmal, schwitzt und kann sich nicht entscheiden ob es Blümchenbluse oder schwarze Lederhose sein soll. Zieht man eben beides an! Meine Welt kennt nicht die Wüste der klaren Linie. Meine Welt ist dazwischen. Irgendwo im zweifelnden Dreck.
Theologisch wie das klingen mag: Meine Welt ist durch Starbucks neu geboren. Nie wieder einen Chai-Latte-mit-extra-Milchschaum. Nie wieder.
Ab heute heißt es: Back to the Roots. Wo immer die sind.

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