Vorausgesetzt es gibt einen allmächtigen Gott, und ich meine „allmächtig“ in dem Sinne dass er beim Urknall kurz geschnippt hat und seit dem entspannt auf einer Veranda in Oregon chillt. Also vorausgesetzt es gibt einen Gott, von mir aus Jahve, Allah, Jehova, nennen wir ihn der Einfachheit halber Bert, er würde das mögen.
Also wenn es Bert gibt, und er hat vor knapp 3000 Jahren einem alten Mann auf einem Berg die Hand geführt und ihm ein kleines Regelwerk, sozusagen den Brusttaschenkniggen für die kommenden Jahre, mit auf den Weg zu geben … dann wäre es in Zeiten von Reruns, Franchise-Neustarts, Remakes, Reloades und was nicht noch alles mit „Re“ anfängt, doch an der Zeit eine 2.0-Version eben dieser Regeln rauszubringen. Ein kleines Update, nur damit sich auch alle daran erinnern.
Natürlich klettert heutzutage kein Prophet mehr auf Berge. Also macht Bert es via Videoblog. Modern, vernetzt und ich war dabei:
Erstes Gebot: Der grundsätzliche Satzbau wird beibehalten, nur wir nehmen ein Wort raus. „Du darfst andere Götter haben“. Und schon gibt es wahre Entspannungspolitik, nicht nur im mittleren Osten, auch in Bayern – wo evangelische Sozialarbeiterinnen immer noch nicht in katholischen Hilfswerken angestellt werden. Danke Bert.
Zweites Gebot: Kein Bild von Gott? Wie wäre es, wir nehmen das ganz raus. Ja, streichen wir das komplett. Wir haben schon Götter neben Bert, ist also auch okay wenn man sich ein Bild von ihm macht. Außerdem schmeichelt ihm die Vorstellung die die Simpsons, mit riesigen Füßen, Sandalen und weißem Gewand, von ihm geprägt haben sowieso. Also ersetzen wir es einfach. Bert fällt auch sofort was ein:
Die Fußballbundesliga soll wieder nur an einem Tag in der Woche gespielt werden und zwar alle Spiele zur gleichen Zeit. Keine Sonderregelung mehr, damit Premiere – pardon „Sky“ (klingt übrigens wie ein Vodka der nicht schmeckt) – … damit Sky die gleichen Zuschauer zu unterschiedlichen Zeiten sammelt. Kein bescheuertes Freitagsspiel mehr, das einem den Abend zerschießt. Keine Sonntagsspiele mehr, die Familienfeste und Katerstimmung sabotieren. Und besonders keine versetzen Spiele am Samstag. Wer hat sich eigentlich ausgedacht dort vier Spiele um 15:30 Uhr und eines um 18:30 Uhr zu veranstalten? Damit die Jungs, die Samstags lieber selbst spielen, am Abend bei der Sportschau auf „Zwischenergebnisse“ schauen und bis nach 20 Uhr warten müssen um endlich feiern zu können. Kompletter Schwachsinn. Bert ist übrigens Bayer Uerdingen-Fan. Er war ziemlich geschockt als er rausfand: Die heißen gar nicht mehr so!
Drittes Gebot: Den Namen missbrauchen? Hm. Bert-verdammt! Das lassen wir einfach. Bert im Himmel! Kleine Maßnahme: Mit der Suchen-Ersetzen-Funktion von Word muss einfach in jedem Dokument der Welt Gott gegen Bert ersetzt werden. Was Nietzsches „Bert ist tot!“ irgendwie lustiger macht. Und die Frage nach sich zieht: Wer ist eigentlich Bert?
Viertes Gebot: Der Sabbat. Bleibt so. Wo steht geschrieben das man unterbezahlte Aushilfen im Supermarkt auch am Sonntag nerven muss? Nirgendwo. Also!
Fünftes Gebot: Vater und Mutter. Ja, das ist der Knackpunkt.
Ehren, ja. Warum nicht. Wenn es gute Eltern sind. Gerne. Aber wenn ich noch einmal auf der Straße einen selbstsüchtigen-halbtrunkenen Vater seinem Sohn eine Ohrfeige geben sehe, dann will ich mein von Gott … äh Bert … verbrieftes Recht haben, diesem Arsch meine rechte Faust in die Fresse und mein Knie in die Weichteile zu jagen.
Das Gebot sollte folgendermaßen heißen: Ja, Du sollst Deine Eltern ehren. Beide gleich. Versuch gar nicht erst einen Unterschied zu machen. Egal ob die getrennt oder zusammen leben, egal ob sie sich noch lieben oder hassen. Aber Du sollst sie ehren. Ehre Deine Eltern, wenn sie es fertig gebracht haben Dich einigermaßen zu erziehen. Dir beigebracht haben das man sich nicht schlägt, am Sonntag nicht drüber jammert das die Geschäfte zu sind, das man andächtig zuhört/sieht wenn Woody Allen Filme laufen (vielleicht lernt man ja noch was über Liebe, Beziehungen oder Humor), das man aber laut aufschreit wenn es um die Beschneidung der Persönlichkeitsrechte geht, der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des Rechts auf Bildung, das man älteren Menschen keine Verachtung entgegen bringt, aber dem Nazi-Opa gerne mal ein „wusstest Du eigentlich das Hitler schwul war?“ vor den Latz knallt, das man sich zum Essen wenigstens einmal in der Woche gemeinsam mit der Familie an den Tisch setzt und nicht vor den Fernseher, das man Chips nicht immer aus der Tüte ist und das man keine Urangst vor Arabern hat, nur weil die genauso viele schwarze Schafe in ihren Reihen haben wie wir, das man zur Wahl geht und einmal im Leben Brecht und Hesse gelesen hat (was ist egal, nur das!). All das und noch viel mehr sollte man beigebracht bekommen. Da fällt das Ehren auch nicht so schwer hinterher, macht man ganz automatisch und es ist gut so. Auf der anderen Seite: Das Gebot sollte weitergehen. Es sollte sich an die Eltern richten, an alle. Reißt euch verdammt noch mal zusammen! Nicht ausflippen wenn es um Kinder geht. Die braucht ihr noch. Und wenn ihr euch nicht wie Vollidioten anstellt, werden sie eines Tages sogar ganz nützlich sein. Wie man sich nicht wie ein Vollidiot anstellt, sollte eigentlich klar sein. Erster Grundsatz: Nicht die Kinder schlagen. Natürlich will niemand eine Welt voller antiautoritär verzogener Spinner, die gleich anfangen zu heulen, wenn der U-Bahnzugführer mal laut über die Sprechanlage brüllt: „Mit dem Fahrrad nicht in den letzten Wagen, Du Hippie-Arschloch!“. Aber anders als es die meisten glauben, heißt autoritär nicht gleich Schlagen und zwischen autoritär und antiautoritär gibt es noch ganz viele weiche Abstufungen, die immer noch einen einigermaßen kompetenten Mitbürger hervorbringen. Niemanden der bei Starbucks zehn Minuten für seine Bestellung braucht, mit seinem BMW auf zwei Parkplätzen steht oder mit seinem Handy einen U-Bahnwagen beschallt. Also erzieht eure Kinder vernünftig, verdammt noch mal! Für die paar Jahre kriegt man es doch hin – auch als emotionaler Krüppel – aus sich raus zu gehen und ihnen ein bisschen Liebe, en bisschen Anstand und ein bisschen Bildung mit auf den Weg zu geben. Damit vermeidet man Kriege, Hass, den nächsten Roland Koch und bestimmt auch den einen oder anderen Hugo Chávez-Klo. Bert spricht da aus Erfahrung: Er war zu Lebenszeiten seines Sohnes nicht einen Tag zuhause. Aus dem Jungen ist trotzdem was geworden, aber wie der sich hinterher bei ihm beschwert hat. Sowas passiert Bert nicht noch mal.
Sechstes Gebot: Morden. Das kann so bleiben, wird aber durch den Zusatz „Du sollst keine Truppen in einen vollkommen hirnlosen Feldzug in ein fremdes Land schicken, von dem nur ein Bruchteil der Soldaten zurück kommt, weil die Befehlshaber wieder mal keinen Plan von irgendwas hatten“ ergänzt. Außerdem hält Bert nichts von Waterboarding, denkt sogar daran es in einem Zusatzartikel 6a mit zu verbieten.
Siebtes Gebot: Du sollst nicht ehebrechen. Von einem der selber mit einer verheirateten Frau geschlafen und ihr dann auch noch ein Kind gemacht hat … ziemlich harter Tobak. Bert weiß das auch. Es tut ihm sogar leid. Er hat sich nie wirklich bei Josef entschuldigt, aber er hat gelobt: Er tut es nicht wieder. Einigen wir uns also darauf: Man sollte es nicht machen. Egal von welcher Seite. Die eigene Ehe oder eine andere Ehe brechen. Das ist immer irgendwie nicht so doll. Okay, im ersten Moment scheint ein kleiner Ausrutscher ja okay zu sein. Aber der Morgen danach … puh! Bert hat lebhafte Erinnerungen an den Morgen danach mit Maria. Das war vielleicht ein Schweigen. Und dann diese ganze unbefleckte Empfängnis-Geschichte. Er fragt „Wie war es für Dich?“, sie zuckt nur ansatzweise mit den Schultern. Er dreht sich weg. Also … man lernt aus seinen Fehlern. Soviel dazu.
Achtes Gebot: Stehlen. Für Bert ist das ein absolutes No-Go! (So hat er das tatsächlich beschrieben, der Anglizismus kommt nicht von mir. Wobei man sich bei all dem Copyright-Klau, den das Christentum bei sämtlichen Weltreligionen betrieben hat, schon fragen muss: Wo hört Buddhismus auf und wo fängt das neue Testament an. Bert hat übrigens zugegeben: Die Neuauflage gefällt ihm wesentlich besser als das alte Testament. Erstmal natürlich weil sein Sohn die Hauptrolle spielt, nicht so ein dahergelaufenes jüdisches Findelkind aus Ägypten. Wobei Bert wirklich nichts gegen Juden hat. Immerhin ist er auch ihr Gott und sein Sohn ist das ja schließlich auch irgendwie reingeboren worden und so, aber rein dramaturgisch fand Bert dann doch die neue Version irgendwie überzeugender. Gerade das Ende. Klassische Katharsis. Großartig. Und was für ein Titel für den Schlussakt. Was ihm vielleicht ein bisschen fehlt ist das Augenzwinkern. Und so wirklich einen Twist gibt es auch nicht. Nicht so wie bei The Sixth Sense. Oh Himmel hat Bert diesen Film gefeiert. Ich meine: Es ist schon schwer einen Allwissenden echt zu überraschen … aber: Wuh! Wie M. Night Shyamalan ihn da gekriegt hat … egal. Ich verliere mich.)
Neuntes Gebot: Du sollst nicht falsch Zeugnis reden. Prinzipiell auch eine gute Sache. Wobei Bert durchaus zugibt: Er hat auch nicht immer nur die Wahrheit gesagt. Ich will nicht wieder diese ganze Ehebruch-Geschichte mit Maria aufwärmen, aber er hat versprochen sich noch mal zu melden … aber es ist nie passiert. Was ihm allerdings ziemlich wichtig ist: Gerichtliche Anhörungen, Zeugenaussagen und sonstige offizielle Statements. Ungeachtet der Tatsache das Bert bei all seinen Schöpfungen (der Erde, dem Universum und so weiter…) nicht immer gleich das große Ganze im Blick zu haben scheint (wie könnte er sonst die Evolution zu einem Nacktmull erlauben oder Grottenolmen, die tatsächlich nicht den geringsten Nutzen haben), ist Bert doch ziemlich bürokratisch wenn es um juristische Wahrheit geht. Er mag einen guten Prozess so gerne wie alle Anderen auch, aber wenn es um Meineid geht ist nicht mit ihm zu spaßen.
Als Milosevic damals in Den Haag seine Lügengeschichten auftischte, hätte Bert beinahe wieder einen Rückfall in alte Schwefel und Feuer-Zeiten gehabt. Hu, war der sauer!
Zehntes Gebot: Du sollst nicht begehren Deines Nächsten Frau oder Haus. Die Katholiken teilen dieses Gebot ja. Scheinbar gibt es einen Unterschied zwischen Immobilie und Eheweib, Bert rollt dazu meistens nur mit den Augen. Die Reformierten, ebenso wie die Anglikaner, Juden und Orthodoxen fassen das Gebot zusammen.
Um wieder auf genau zehn Gebote zu kommen – damit der ganze magische und metrisch bedeutungsvolle Schwachsinn auch aufgeht – fassen die Katholiken dann wiederum das zweite und dritte Gebot zusammen. Bert rollt dabei nicht nur mit den Augen, er schüttelt ansatzweise mit dem Kopf, wie er es häufiger tut wenn’s um Katholiken geht. Er meint damit wohl weniger die Anhänger als mehr ihren Hirten. Was genau er von Ratzinger hält ist nicht aus ihm rauszubekommen, aber es spricht schon einiges gegen den Mann aus Alt-Öttingen, wenn Bert ihn nicht Benedikt oder Papst nennt, sondern einfach Ratzinger. Und die Betonung die er dabei nimmt: Irgendwie schnarrend. Ganz so als würde er Spucke hochziehen.
Berts Idee für ein neues zehntes Gebot ist übrigens Folgendes: Anstatt Begehren verbieten zu wollen, was nun mal niemand kontrollieren kann (und wer sollte das besser wissen, als jemand der freien Willen in alle Menschen implantiert hat), sollte man mit so etwas wie mit einem guten Rat enden. Einem Benutzerhinweis für die Zukunft, damit die nächste Neuauflage der eigentlich immer schon recht progressiven zehn Regeln wieder erst in dreitausend Jahren ansteht. Bert formuliert das so:
„Stell Dir vor Du kommst am Samstagabend mit Deinem Auto auf den Lidl-Parkplatz. Es ist kurz vor Acht. Du braucht dringend noch Würstchen und Bier, Deine Kumpels warten schon im Park. Ein blöder Spacken, mit Bayern München-Fanaufkleber auf der Stoßstange, greift Dir den letzten Parkplatz weg. Du fluchst natürlich. Irgendwann findest Du doch noch einen freien Platz. Du rennst zum Lidl-Eingang, aber es ist zu spät. Du lässt die Schultern sinken, während die vollkommen überarbeitete Kassiererin drinnen abschließt. Und dann fragt Dich ein Motz-Verkäufer ob Du vielleicht ein paar Cent hast. Was antwortest Du? Oder besser: Was solltest Du antworten? Wie üblich den Kopf schütteln? Nicht ganz ehrlich sein und sauer werden? Klingt so auf dem Papier, rein theoretisch echt nicht fair, oder? Natürlich hast Du ein paar Cent. Wer Internetzugang hat und sich diesen überlangen Blog-Eintrag durchlesen kann, der kann auch ein paar Cent entbehren. Der kann es sich verkneifen dem Bayern-Fan ein „Fuck you“ mit dem Schlüssel in die Seitentür zu ritzen, auch wenn es schwer fällt. Der kann einfach zur nächsten Tanke fahren, dort Bier und Würstchen kaufen, sich das nächste Mal vielleicht früher auf die Socken machen und verdammt noch mal nicht über die Ladenöffnungszeiten meckern. Weil es ist seine eigene Schuld. Nicht die Schuld von Anderen. Alleine seine Schuld! Die Umstände sind nicht das Problem. Was Du daraus machst ist Dein Ding! Und wenn Du am Abend mit den Kumpels im Park abhängst und einer Deiner Bekannten hat seine neue Freundin dabei: Versuch Dich zurückzuhalten. Das ist seine Freundin. Ruf lieber das Mädchen zurück, das Du neulich auf dieser Mediziner-Semesterabschlussparty geküsst hast. Die war doch ganz süß. Ja, okay. Sie hat gesagt: Sie hat einen kleinen Sohn, ist alleinerziehend, hat ganz schön viel Scheiß durchgemacht und versucht nun von ihrem Krankenschwester-Job wegzukommen. Aber Du … Du hast daraufhin erstmal das Weite gesucht, hast Tequila mit Basti auf der Uni-Toilette getrunken. Himmel!
Versuch Dir nicht einzureden dass Du noch nicht bereit bist. Du bist fast Dreißig! Komm endlich aus dem Knick! Benimm Dich einmal wie ein normaler Mensch!“
… Ja. Das hat er gesagt. Bert ist nicht unbedingt der stille Typ, wie man es aus den bisherigen Büchern über ihn so gewohnt ist. Und irgendwie hat er es auch nicht so mit den melodramatisch-monumentalen Formulierungen wie früher. Dieses ganze „Du sollst…“-Zeug. Als er mit seiner kleinen Rede dann fertig war, begann er leicht zu grinsen. Er legte eine Hand auf meine Schulter, sah mich väterlich an und nickte mir aufmunternd zu: „Weißt Du“, sagte er. „Am Ende … am Ende sind wir alle nur menschlich.“ Also wenn mein Bert (und das ist schließlich der Bert von uns allen) Star Trek zitieren kann, dann ist noch nicht alles verloren.