Juli 1940. Die sechzehnte Ausgabe der „All-American Comics“ erscheint. Darin tritt zum ersten Mal der Held Green Lantern auf. Green Lantern ist allerdings nicht eine spezielle Person. Green Lanterns sind eine ganze Gruppe.
Sie sind Wächter, Beschützer des Universums. Das Green Lantern Corps.
Ihre Kraft – alles entstehen zu lassen, was sie sich vorstellen können (was meistens überdimensionale Hämmer sind) – erhalten sie von grünen, außerirdischen Ringen, die wiederum alle vierundzwanzig Stunden an einer grünen Laterne wieder aufgeladen werden müssen.
Okay. An diesem Punkt verliert Autor Bill Finger auch mich.
Ich meine: Eine Laterne? Wirklich? Eine grüne Laterne? Warum nicht eine grüne Steckdose?
Und warum überhaupt grün? Warum nicht Purpur oder Rot? Grün, wie … „Bei Grün darfst Du gehen?“ … ist es so einfach? Weil im Straßenverkehr „Gehen“ gleich Grün ist, sind die Wächter des Universums auch grün? Und überhaupt: Warum immer bei „Grün“ gehen?
Warum nicht blaue Ampeln einführen? Blau ist eine angenehme Farbe. Blau beruhigt, würde also nicht schaden im Straßenverkehr. – – – Gut. Kommen wir zurück zu den „grünen Laternen“.
Die Green Lanterns sind also ein Corps. Eine Gruppe von Beschützern. Allerdings sind sie ohne ihren Ring nichts weiter als ganz normale Sterbliche. Der Ring beschützt sie, und sie beschützen mit ihm das Universum. Und noch etwas: Jeder Ring sucht sich seinen Träger aus.
(Apropos Ring: Dieses alte Schlitzohr J.R.R. von Guten-Schavan- – – äh Tolkien.)
Und dann ist da Alfred Nobel.
Ja, ja. Krasser Sprung, ich weiß. Egal. Spielen wir die komplett neben der Spur argumentierte Metapher mal durch:
Alfred Nobel, also. Ein einfallsreicher und geschäftstüchtiger Erfinder.
Er verfügt in seinem Testament, mit 92% seines Vermögens – welches nicht klein war – eine Stiftung einzurichten. Diese Stiftung wiederum soll einen Preis ausloben. Beziehungsweise verschiedene Preise. Und zwar nicht irgendwelche Preise: Nobelpreise.
Okay. Damals, am Anfang des 20ten Jahrhunderts, hatte noch niemand von dem Nobelpreis gehört. Aber recht schnell wurde klar: Mit einem Nobelpreis wurden ganz besondere Menschen ausgezeichnet und unterstützt. (Ein bisschen wie die Jedis. Also viele Medichlorianer im Blut. Übrigens: Bin ich der Einzige, der echt ein Problem damit hätte, wenn Liam Neeson mir sagen würde: Du hast eine ungewöhnlich Hohe Anzahl von kleinen Wesen in Deinem Blut? Nein? – Was? Zu viele popkulturelle Anspielungen für eine Metapher? Okay. Bleiben wir bei den Green Lanterns.)
Neben den Kategorien Chemie, Physik, Medizin und Literatur wurde auch ein Friedenspreis eingerichtet. (Eine grüne Friedensleuchte.) Ziemlich schnell fiel diesem „Friedensnobelpreis“ eine besondere Stellung zu.
Während im naturwissenschaftlichen Bereich stets historisch verbürgte Errungenschaften prämiert wurden (Siehe Watson, Crick & Wilkins) und in der Literatur stets brav abgewechselt wird (England-Frankreich-Südamerika-Deutschland-Schweden-England-Frankreich-Deutschland-Schweden-China???), wurde der Friedensnobelpreis zu so etwas wie einem Schutzschild für gefährdete und umstrittene Menschenrechtler.
Durch den Friedensnobelpreis für Aung San Suu Kyi, zum Beispiel, wurde der Blick der internationalen Presse und der internationalen Gemeinschaft – immerhin für ein paar Wochen – auf die Menschenrechtslage in Myanmar gelenkt. Wahrscheinlich war ihre Auszeichnung 1991 auch mit ein Grund dafür, dass die Militärregierung Aung San Suu Kyi nur 15 Jahre unter Hausarrest stellte, anstatt sie einfach in ein Massengrab zu werfen. Und es gibt wirklich viele Massengräber in Myanmar. Wirklich viele. Fast so viele Massengräber, wie wir NS-Gedenktafeln.
Ähnliches bewirkte der Friedensnobelpreis 2003 übrigens auch für Schirin Ebadi im Iran.
Manchmal klappt das mit dem Schutzschild für gefährdete Menschenrechtler allerdings nicht ganz. Und so befinden sich unter den Preisträgern auch ein paar knautschgesichtige Ex-Präsidenten oder Ex-Vize-Präsidenten – die immer noch mit Secret Service und Limousine zum Golfplatz fahren.
Doch alles in allem: Ab und an fand der Ring/Schutzschuld doch den richtigen Träger.
Und es wurde ein Licht (Laterne!) auf ein spezielles Problem dieses Planeten geworfen.
Und nun hat die EU den Friedensnobelpreis bekommen. Die EU.
Ein paar Experten glauben, dass dies eine Stärkung der EU bedeutet. Das es ein geschickter Sachzug des norwegischen Komitees war. Sozusagen in Zeiten des Zweifels einfach mal den Schwanz vergolden lassen und mit offener Hose durch die Nachbarschaft fahren. Damit alle sagen: „Ui. Na der hat aber einen schönen, goldenen Schwanz. Dem muss es gut gehen!“
Aha. Die EU braucht also ein paar Norweger um ihre Einheit zu wahren. Genau. Weil sich die Entscheider – also die Leute mit Macht in Europa – von einem Friedensnobelpreis auch sooo sehr beeinflussen lassen:
„Ja, also eigentlich wollten wir der wirtschaftlich stabilisierend wirkenden Union – die alle Grenzen für den Handel geöffnet hat, und damit Unmengen an luftigen Regeln geschaffen hat, die wir alle unterwandern können, allerdings auch ganz legal von der Freihandelszone profitieren, eigentlichen wollten wir dieser Union schon den Laufpass geben – aber wenn die jetzt einen Friedensnobelpreis hat … tja, da kann man doch nicht mehr NEIN sagen zum Euro.“
Dabei ist die EU nur der jüngste Ausrutscher:
2009 bekam Barack Obama den Friedensnobelpreis, da hatte der im Weißen Haus noch nicht mal nen neuen Klositz angeschraubt. Es hieß: Der Preis sei motivierend gemeint.
Hat ja doll geklappt. Ohne juristischen Über- oder Unterbau lässt der ein paar Auftragskiller in ein fremdes Land fliegen und einen Mann in seinem Haus erschießen. Herausragende Leistung im Bereich „Frieden“. (Okay. Der Mann war vielleicht Osama bin Laden – für den hätte ich auch nicht gebremst – aber man muss ihm doch nicht gleich „Zwei zwischen die Augen“ geben!)
Ein Jahr später bekam dann ein echt Gewaltloser den Friedensnobelpreis. Liu Xiaobo. Doch irgendwie zog das nicht mehr so wie früher. Heute ist Liu Xiabo in China immer noch im Knast. Einzelhaft. Nur seine Frau darf ihn sehen. Und die wird überwacht. Sein Vergehen: Er hat ein Buch geschrieben und ging auf die Straße.
Als die Ehrung bekannt wurde, sprach die chinesische Regierung von einer „unangebrachten Einmischung in innere Angelegenheiten“. Hätte der Schutzschild noch seine alte Kraft … vielleicht wär es bei Hausarrest geblieben.
Der Schutzschild des Friedensnobelpreises ist also deutlich dünner geworden, schwächer. Aung San Suu Kyi sitzt mittlerweile im Parlament von Myanmar. Wenn man heute etwas in der ZEIT über Liu Xiaobo liest, kriegt der die Essensrationen gekürzt.
Da war es doch genau das Richtige, einer seelenlosen und heimatlosen, einer moral-losen und zahn-losen Institution, wie der EU den Preis zu geben. Damit er in Zukunft noch weniger Gewicht hat.
„Wir zeichnen aus: Einen undurchsichtigen, menschenverachtenden, bürokratischen Apparat. Juche!“
Alfred Nobel war ein Pragmatiker. Unter anderem erfand er das Dynamit. Die Folgen dieser Erfindung waren Entwicklungssprünge im Berg- und Tunnelbau und lustige Szenen in alten Western-Filmen, mit Dynamit-Stangen und viel zu kurzen Lunten.
Nobel war vielleicht kein Heiliger, aber er wollte nach seinem Tod etwas weitergeben.
Sein Erbe wird allerdings immer unbedeutender.
Und leider ist kein Erfinder in Sicht, der es ihm alsbald nachmachen wird.
Steve Jobs – der sich ja gerne als Erfinder feiern lies (genau!) – hat in seinem Testament nichts von einem „Friedensjobspreis“ verfügt.
Die Realverfilmung der „grünen Laternen“ – aus dem letzten Jahr, mit Hundeblick-Wunder Ryan Reynolds – war übrigens ein riesiger Flop. Zu Halloween oder an Fasching gehen die Kinder weiterhin als Bat- oder Spiderman.
Vielleicht funktioniert das Weltenretten, mit einem geheimnisvoll übertragenen Schutzschild-Ring (ob nun grün oder wie auch immer), doch nur in bunten Bildern auf Comic-Papier.
Oder wir warten auf einen Außerirdischen. 2013 kommt der neue Superman-Film.
Ich hol schon mal das Popcorn.