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Das Glatteis emotionaler Zugeständnisse

Die größte Angst hatte ich davor, ihr zu sagen: „Ich liebe Dich.“
Dabei wollte ich es so sehr. Aber was alles dranhängt …
Und dann die Antwort. Oder garnichts. Ein Schulterzucken. Ein Lächeln, gerade ein kleines, wäre am allerschlimmsten gewesen.
Praktisch jeder Versuch mit ein entsprechendes Szenario vorzustellen endete im absoluten Angstschweiß. Absolut, weil erstmal herbeigedacht, ihn nichts mehr davonwischen konnte. Es brauchte Tage, Alkohol und viel Ablenkung.
Aber ich sah mich selbst nicht als übertriebenen Nachdenker. Nein, ich doch nicht.

Kinder sollten die einfache Wahrhaftigkeit von Kartoffelbrei wieder zu schätzen wissen

„Tun sie das etwas nicht mehr?“, fragte meine Freundin und spannte das Umstandslaken über die Futonmatratze.
„Nein. Na ja, nicht wirklich.“, antwortete ich. Mein Argument schien brüchig. Etwas zu wenig, vielleicht: „Bei all dem was heute noch so angeboten wird… Hamburger, zum Beispiel.“
„Hamburger sind doch praktisch nichts als Brot und Fleisch, vielleicht mit noch ein bisschen Grün dabei. Was kann wahrhaftiger sein?“
Sie lächelte und griff sich dann beide Kopfkissen, um das Streifenmuster gegen die stärker ausgewaschenen Übergangs-Quadrate zu wechseln.
„Du ruinierst mein Argument mit bestechender Logik. Das machst Du immer so. Furchtbar ist das.“
Und schon waren wir wieder mitten im Streit: Dabei hatte ich es ironisch gemeint, jedenfalls fast ironisch. Mit ein bisschen Wahrheit, ein bisschen Wahrhaftigkeit in den Worten.
Was man an einem Partner hat, mit dem man ordentlich streiten kann, weiß man erst, wenn man jeden (aber auch wirklich jeden) Anlass dankend annimmt um sich aneinander aufzuregen.

Klarheit

Rückenschwimmen fördert die Vorstellungskraft. Vorausgesetzt, man schwimmt nicht in einem dieser langweiligen Schwimmbäder, mit vergilbten Deckenlamellen, dann fördert es wohl nur den Drang endlich Kraueln zu lernen. Unter freiem Himmel allerdings … wobei: Man sollte schon eine Badehose anziehen. Nur so als Tipp. Es gibt ja auch Raubvögel. Gerade unter freiem Himmel.
Worauf ich eigentlich hinaus will: Viel von dem was wir so machen, ich so mache (ich muss aufhören im Kollektiv zu sprechen!), hat neben der offensichtlichen Eigenschaft, dem offensichtlichen Vorteil noch eine ganze Reihe von Nebenvorteilen. Oftmals kaum erkannt oder wenig erforscht.

Rückwärtsgehen. Ein Mann in Indien hat jetzt den Rekord im Rückwärtsgehen aufgestellt. Er ist in knapp vier Monaten rückwärts von Mumbai nach Neu-Delhi gelaufen (oder vorwärts von Neu-Delhi nach Mumbai, je nachdem welcher Denkschule man angehört). Achttausendsechsundneunzig Mal ist er hingefallen. Außer den offensichtlichen Vorteilen (Landschaft genießen und keine Tränen in den Augen durch Fahrtwind) wurden ihm so auch die nicht so offensichtlichen Vorteile (Gottvertrauen und Stärkung des peripheren Sehens) klar. Sechs Mal ist er übrigens von einem Auto angefahren worden. Nur einer der Autofahrer hatte dabei einen Airbag. Was uns dass, indirekt durch das Rückwärtsgehen, über die Zustände indischer Fahrgastsicherheit sagt? – Indische Airbags sind scheinbar viel zu sensibel eingestellt, wenn sie schon durch Rückwärtsgeher ausgelöst werden.

Aktien. Wer bisher an das schnelle Geld durch Aktien geglaubt hat, lernt nun die alte Weisheit „Kakao ist es, worin Du investieren sollst!“. Na gut, es ist keine wirklich alte Weisheit, aber wäre doch toll wenn. Und warum gibt es eigentlich keine Notierungen für Lakritze? Im letzten Quartal hab’ ich deutlich mehr Lakritze gegessen als Kakao getrunken. Es gibt auch keinen Schaumgummi-Index, Shrimp-Cocktail oder Chipsletten. Aber Soja und Orangensaft, war ja klar. Warum alle in Weizen investiert haben, wobei es doch auch wunderschöne Aktien zu Edelweinen oder Kaviar gibt, bleibt mir ein Rätsel. Das tolle Spiel mit Kursentwicklungen, hübschen Grafiken und den roten oder grünen Pfeilen, nach Unten oder nach Oben, lässt sich doch genauso gut ohne an Unterernährung sterbende Kinder in Afrika betreiben. Oder macht es dann keinen Spaß mehr? Einer der Vorteile der Finanzkrise ist vielleicht der endgültige Beweis der Komplexitätstheorie: In New York kann ein Broker Weizen oder Reis empfehlen und in Simbabwe gibt es Jubelschreie oder Massensterben. Der Broker ist natürlich nicht allein verantwortlich. Ich bin es mit ihm (oh wie gerne würde ich jetzt wieder zum Kollektiv greifen!). Jedenfalls solange ich nicht selbst-geklöppelte Holzschuhe, gewebte Hosen, gestrickte Pullover mit Wolle von südhessischen Schafen, Kartoffeln aus dem eigenen Garten, Wasser aus dem Brunnen nutze und in einer Hütte aus deutscher Eiche schlafe. Klingt doch garnicht so schlimm … jedenfalls wenn die Hütte WLAN hat.

Nach dem Holozän

Man stelle sich also vor auf dieser Party zu sein: Und da trifft man sie…
Ehrlich gesagt: Man stelle sich vor es wäre meine Party. Mein Geburtstag.
Das heißt also: Alles beginnt bei mir zuhause. In der Dusche.

Würde man diesen Teil des Abends mit einem Teil der Erdgeschichte vergleichen, es wäre das Hadaikum. Hadaikum ist das erste Äon, oder die vorgeologische Ära, ungefähr viereinhalb Milliarden Jahre her.
Ich steh’ also unter der Dusche und muss mich entscheiden: Welches Duschgel man nimmt, kann einen fundamentalen Einfluss auf den Verlauf des Abends haben.
Ähnlich dem … genau, dem Hadaikum. In dieser Zeit wurde aus der zähflüssigen Magmakugel, die um die noch junge Sonne kreiste, die Erde. Noch wichtig war dabei: Theia.
Theia war ein marsgroßer Protoplanet, der wie ein Meteor auf der Erde einschlug und durch heraus gebrochenes Magma den Mond bildete, außerdem die Eigenrotation der Erde ankurbelte und für eine deutliche Abkühlung sorgte, wodurch Leben erst möglich wurde. So ähnlich wie ein Deo, oder ein gutes T-Shirt … Hemden sollen auch wirken.
Ich entschied mich für Parfüm. Nicht das normales Deo nicht auch ausreicht … Ich bin der Meinung, gut zu riechen ist unabdingbar. Jeden Tag. Ich weiß natürlich: Man kann mir vorwerfen dadurch unnatürlich zu sein, aber ehrlich gesagt: Ich riech lieber gut und bin unnatürlich, als zu stinken und mich meiner herrlich nasekräuselnden Natürlichkeit zu erfreuen. Also Parfüm. Davidoff (es ist eine Party und mein Geburtstag, etwas Luxus muss sein!). Darüber ein Hemd. Weiß, aber mit hochgekrempelten Ärmeln, Easy-Iron (ich wollte nicht spießig daherkommen). Etwas das sagt: Ich habe Stil, aber kann auch zugreifen. Sozusagen, bestimmt sein ohne ein Fehlen von Klasse.

Nach den Vor-Vorbereitungen, der Dusche, dem Anziehen und zur Party fahren, kam die eigentliche Vorbereitung im Partyraum.
Ich hatte eine Kneipe gemietet. Nicht zu groß (für etwa 80 Leute) und nicht zu gestylt (ich wollte das sich alle wohlfühlen). Dort angekommen beginnt das Herrichten: Musik aufbauen, Buffet installieren (mit Buffet meine ich Chips, Tortillas, Dips) und die richtige Beleuchtung finden. Beleuchtung, so denke natürlich nur ich, ist auf Partys geradezu kritisch bis lebensbedrohlich (für die Party, nicht für mich):
Wenn das Licht zu hell ist … niemand tanzt, weil sich keiner (und keiner die anderen) dabei ertragen kann. Zu dunkel … irgendwann knutscht man mit der Falschen … es ist ein Minenfeld!!!
So ein bisschen wie das Archaikum.
Wenn wir uns also immer noch im Präkambrium des Abends, der Vorphase, befinden, ist die Einrichtung der „Location“ ein eigenes Äon der Erdgeschichte. Es ist der Augenblick wenn es Makromoleküle, durch die Anlagerung anderer Moleküle, schaffen sich zu vergrößern und dann selbst zu reproduzieren. Leben entsteht … wenn alles richtig läuft. Richtiges Licht, richtige Temperatur … auf einer Party darf es nicht zu kühl sein, ebenfalls darf man nicht so sehr schwitzen das jemand beim Tanzen umkippt.
Im Archaikum bildet sich zudem die Atmosphäre und erstmals wird Sauerstoff freigesetzt, der für die folgenden Jahrmillionen und für alle Lebewesen unabdingbar ist.

Was uns zum Proterozoikum des Abends bringt: Der Sauerstoffgehalt der Atmosphäre steigt und erstmals (mittlerweile durch Fossilen nachgewiesen) kann man von tierischem Leben sprechen. Die ersten Gäste kommen.
Es sind die Frühstarter, keine Frage. Viele von ihnen sind die, die schon um halb elf wieder gehen, aber einige halten es bis ganz zum Schluss durch (meistens weil sie sowieso niemand zum Tanzen auffordert, oder sich keiner mit ihnen unterhält, weswegen sie irgendwann einfach in einer Ecke einschlafen).

Und dann geht es los: Kurzes Durchatmen … Das Paläozoikum, oder Erdaltertum ist erreicht. Vor 542 Millionen Jahren, im ersten Paläozoischen-Systems des Kambriums, gibt es einen Einschnitt in der weltweiten Verteilung des Kohlenstoff-Isotops C-13. Globale Erwärmung (damals ohne Probleme und Al Gore) setzt ein und der Meeresspiegel steigt. Plötzlich findet man (besser gesagt man findet heute, damals tauchten sie nur erstmals auf) die Trilobiten, und zwar ganze Schwärme. Das besondere: Sie sind zwei klein und unscheinbar, sehen aus wie Kakerlaken, haben aber ein Kalkskelett. (Außen zwar, nicht sehr schicklich, aber immerhin!)
Irgendwas hat sie angelockt, irgendwas aus ihren Höhlen getrieben und auf einmal sind sie da.
Ob es die besten Verbindungen mit dem ÖPNV an diesem Abend sind, oder ein abstinenter Kumpel der eine große Gruppe von Freunden zur Party fährt, oder die Happy-Hour die ich mit dem Besitzer der Kneipe vereinbart habe (und die Kindl für Einsfünfzig rausgibt) … man weiß es nicht, aber: Plötzlich füllt sich der Raum und die Party beginnt.
Was folgt sind die berüchtigten Phasen (Systeme): Ordovizium, Silur, Devon, Karbon … immer mehr und mehr Arten tummeln sich (Hip-Hop wird gespielt, kurz mal Rock, Drum-and-Base, Elektro …). Fische bilden sich heraus, Korallen … und dann passiert der Gau: 50% der Arten sterben aus. Das Perm ist erreicht und damit das letzte System des Paläozoikums. Hier folgt das größte Massensterben der Erdgeschichte.
Wissenschaftler meinen: Durch eine Absenkung des Sauerstoffgehaltes im Wasser wurde ein Sterben provoziert und gleichzeitig die Herausbildung der Amphibien beschleunigt.
So auch auf der Party. Die ersten Gäste gehen. Besser gesagt: All jene die mir gratulieren wollten, und auch wirklich nur gratulieren wollten (oder Pärchen sind und schnell wegmüssen), sie gehen. Irgendwann, einfach so. Irgendwas ist passiert, ich weiß nicht was: Das Bier ist wieder teurer, die Bahnen fahren gleich nicht mehr … was auch immer. Sie sind auf jeden Fall weg.
Was dann noch kommt: Nachtschwärmer & Nachzügler.
Willkommen im Mesozoikum.

In der Zeitspanne zwischen 251 und 65 Millionen Jahren (vor heute) befinden wir uns im Erdmittelalter. Auf unerklärliche Art und Weise starben vor dem Mesozoikum mehr als drei Viertel aller Arten aus. Die Erde, die Kneipe ist verwaist. Große Lücken auf der Tanzfläche.
Und die Welt wird wie wir sie kennen. (Wüst & leer? Nein! Überschaubar und wunderschön.) Die ersten Blütenpflanzen entstehen, die ersten Bäume und die ersten größeren und kleineren Säugetiere. Und auch sie. Das Mädchen meiner Träume.
Dort ist sie und neben ihr entstehen die Dinosaurier.
Fast das gesamte Erdmittelalter hindurch dominieren die Dinosaurier die Tanzfläche. Passend unpassend wird von Queens of the Stone Age bis zu Metallica alles gespielt. Als ich zum zehnten Mal angeschrien werde doch endlich JBO zu spielen, beschließe ich dann die Erdneuzeit einzuläuten:

War am Anfang des Mesozoikums noch alles eine Gruppe, ein Superkontinent (nennen wir ihn des spaßeshalber „Pangaea“), driften die Kontinente bis zur Erdneuzeit, dem Känozoikum, auseinander. Klimazonen richten sich ein, dass Wetter stabilisiert sich und der Atlantik wird geschaffen.
Viele sagen: Es war ein Meteorit, der auf Yucatán einschlug, und zum Aussterben der Dinosaurier führte … ich sage: Mit der Erdneuzeit kam die Chill-Out-Mucke.
Zu Massive Attack, Kruder & Dorfmeister und Portishead sitzen nun alle – die vom zweiten Massenaussterben der Erdgeschichte übrig geblieben sind und sich weiterentwickelt haben – auf den verteilen Sofas und Bänken herum. Einzeln werden Colas bestellt, weil man schon nicht mehr gerade gucken kann.
Die Alpen falten sich auf, dass heutige Europa (vielleicht ohne die Grenzen) beginnt in seiner Gestalt uns nun ziemlich bekannt vorzukommen und mit der letzten Eiszeit vor 2,8 Millionen Jahren kühlt sich alles auf normal runter und der Nordpol entsteht. (Der Südpol entstand schon 35 Millionen Jahre früher, aber sprechen Sie ihn nicht darauf an: Er ist da empfindlich.)

Die jüngste geologische Epoche der Erdgeschichte ist das Holozän. Es dauert von vor 11700 Jahren bis heute an. Der Sonnenaufgang jeder Party.
Man hat all das übrig Gebliebene und die gebrauchten Plastikbecher, jedenfalls die die nicht auf der Tanzfläche platt getreten wurden, in großen Mülltüten eingesammelt und bringt es raus auf die Straße. Über der Stadt hängt dieser kühle Dunst und feucht schimmernde Morgenluft. Man atmet kurz durch und meint: Den letzten Jägermeister hätte ich nicht trinken dürfen. Dann tritt sie aus der Kneipe.
Sie ist extra länger geblieben. Ihre beste Freundin hat schon im Mesozoikum die Flucht ergriffen, sie aber hat getanzt. Mit den Dinosauriern und nachdem diese ausgestorben waren weiter zu „Teardrop“, zu „Roads“ und zum ganzen DJ-Kicks-Album.
Man sieht sie an und lächelt. Ich sehe sie an und lächle.
„Was machst Du nach dem Holozän?“, möchte ich fragen.
Irgendein Bäcker hat bestimmt schon auf und es gibt warme Croissants.
Eigentlich mag ich keine Croissants, aber sie mag die bestimmt und man ist ja nur einmal jung.
Sie lächelt zurück.

Protostern

Es gibt ein allgemeines Gesetz, welches beschreibt das in einer Gaswolke immer ein innerer Druck besteht, der versucht das Gas auseinander zu treiben. Dieser Druck sorgt dafür, dass sich Gase in einem Raum immer gleich verteilen. Das heißt: Wenn ich mir eine Hand aus diesem Raum nehme, werde ich – egal wohin ich greife – immer die gleiche Anzahl von Gas-Molekülen erwischen.
So kommt es auch, dass man einen Luftballon nicht einseitig aufblasen kann. Der Luftballon, also die Luftwolke im Ballon, folgt der Form des Raumes (des Ballons). Egal ob diese Form rund, lang gezogen oder eckig ist. (Und: Nein, ich habe auch noch nie einen eckigen Luftballon gesehen. Bleiben wir beim Thema.)
Das Gesetz des inneren Drucks gilt auch für interstellare Gaswolken. In diesen Gaswolken herrscht aber auch noch eine weitere Kraft, neben dem inneren Druck: Gravitation. (Gravitation wirkt natürlich auch im Luftballon, sagen wir aber einfach mal: Die Auswirkungen in einer riesigen, interstellaren Gaswolke sind … eindrucksvoller.)
Gravitation, also die gegenseitige Anziehung aller Atome in der Gaswolke, hält sich mit dem inneren Druck lange die Waage. Allerdings kann es dazu kommen, dass unsere interstellare Gaswolke so groß (und/oder dicht) wird, dass die Gravitation überwiegt.
Nun passiert etwas Grandioses: Die Gaswolke fällt in sich zusammen.
Klingt erstmal öde, aber man stelle sich das so vor: Auf einem Kindergeburtstag bläst ein Clown (oder der Vater, der die Kinder bespaßen muss) einen Luftballon so weit auf, dass dieser irgendwann mit soviel Luft (und Spucke) gefüllt ist und in sich zusammenbricht. Hat dies einmal begonnen, ist es nicht mehr aufzuhalten. Es geht weiter und weiter: Der Luftballon, äh die Luft im Ballon – also unsere interstellare Gaswolke – konzentriert sich um einen immer kleinen werdenden Punkt. Die Gravitation wird immer stärker, weil: Wenn mehr Masse dazu kommt, sich auch die Anziehungskraft erhöht.
Der Ballon (wahrscheinlich mit Vater-Schrägstrich-Clown, der gesamten Kindergeburtstagsgesellschaft und mindestens dem halben Wohnzimmer) fällt, in rasendem Tempo (und da große Masse auch Auswirkung auf die Zeit hat, wirklich rasend!) immer weiter in sich zusammen. In diesem Kollaps kommt es zu Turbulenzen, ganz wie auf einem echten Kindergeburtstag. Die Turbulenzen sorgen dafür, dass der Ballon (unsere Gaswolke) nicht gleichmäßig in sich zusammenfallen kann. Es bilden sich Verdichtungen, die wiederum in sich zusammenfallen, neue Turbulenzen bilden, wiederum Verdichtungen und so weiter und so weiter: In diesem Towabo entstehen schon die ersten Sterne, die wiederum mit ihrer Strahlung andere Verdichtungen und Wolken anstecken und so auch deren Kollaps provozieren. In Windeseile ist nicht nur der Ballon, die Kindergeburtstagsgesellschaft und das Wohnzimmer, sondern mit ihr auch der ganze Block gravitationsinstabil geworden und in sich zusammengefallen.
So ein Ballon-Kollaps ist aber eine vertrackte Angelegenheit: Zuerst, wenn die Gaswolke noch sehr groß und die Teilchen weit voneinander entfernt sind, fallen sie beim Kollaps noch ungehindert nebeneinander her. Problem ist nur: Alle fallen auf einen Punkt.
Beim Fallen geben die Wolken-Teilchen zudem Strahlung ab – sind ja schließlich auch schnell unterwegs, so im freien Fall. Zuerst kann die Strahlung gut entweichen, sobald sich die Teilchen allerdings immer weiter annähern, hitzt sich die ganze Schose immer weiter auf. Im Inneren, also auf dem Punkt, bildet sich ein heißer Kern. Der Kern ist wiederum mit einer ausgedehnten Hülle umgeben, die allmählich auf den Kern herunterfällt. Die Strahlung, die vom heißen Kern ausgeht, wird von der Hülle absorbiert und bei rund 500° Celsius fängt sie selbst an im Infrarotbereich zu strahlen. Das erste Mal ist ein Stern zu erkennen, den man logischerweise Infrarotstern nennt. Da sich aus der ehemaligen Gaswolke viele Sterne bilden, sieht das ganze dann wie eine Batterie roter Luftballons aus, die wie Mamis Wärmelampe glühen (nur um im Beispiel zu bleiben).
Nun bleibt es aber nicht beim Infrarotstern, sondern die Hülle wird immer dünner und irgendwann durchsichtig. Man kann bis auf den Kern gucken und hier spricht man nun endlich von einer jungen Protosonne.
Diese Protosonne ist allerdings viel größer als später der stabile Zustand sein wird: In unserem Sonnensystem war die Protosonne 60mal größer als heute und die Leuchtkraft war sogar 100mal größer, was zu erheblich dunklerem Teint für uns Mitteleuropäer geführt hätte (auch ohne Bräunungscreme), hätte es damals schon eine Erde gegeben.
Was die Protosonne dann macht ist einfach: Sie schrumpft. Gleichzeitig steigen natürlich die Temperaturen im Inneren, sie wird weiter kleiner und heißer und irgendwann ist es so weit: Bei mehreren Millionen Grad (mehr oder weniger, so hoch misst kein Thermometer) zündet der Wasserstoff. Uh, moment: Ist natürlich klar das auch in der Protosonne hauptsächlich Wasserstoff vorkommt, schließlich kommt der auch sonst überall am häufigsten vor.
Nun verbrennt also der Wasserstoff zu Helium und das Schrumpfen hat ein Ende. Der Druck im Inneren kann der Schwerkraft das Gleichgewicht halten.
Im Zentrum bildet sich ein Heliumkern und der Wasserstoff verbrennt nach Außen. Blöd nur, dass der Heliumkern nichts zu tun hat, er wird von der eigenen Schwerkraft wieder zusammengedrückt, und Energie wird frei, der Druck steigt und wird wieder größer als die Schwerkraft: Der Stern bläht sich wieder auf. Die Protosonne kriegt einen Spitznamen: Roter Riese. Dies passiert – kosmisch gesehen – relativ schnell. In nur 500000 Jahren stoppt die Expansion wieder und im zusammengedrückten Kern sind Temperaturen erreicht, die aus dem Helium Kohlenstoff brennen. Man kann raten was passiert: Natürlich, nun brennt das Helium nach Außen durch (so wie vorher der Wasserstoff).
Wenn nun alle Kernprozesse und alle Verbrennungsprozesse und eben das Ganze „Brennen-Kern-bilden-zusammenfallen“ abgeschlossen ist, gibt es manche Sterne die eine explosive Phase durchmachen und am Ende ihres Sternenlebens zur Supernova werden. Ich hab’ zwar selbst noch keine Supernova gesehen, aber es muss ein unvergleichbarer Anblick sein: Wahrscheinlich wird es auch der letzte sein den man hat. Die Explosion einer Supernova ist nämlich für kurze Zeit hundertmillionen Mal heller als der Stern jemals vorher war.
Was danach passiert hängt ganz von der ursprünglichen Masse des Sterns ab:
Entweder der Stern war sowieso nie sehr groß, fällt am Ende einfach in sich zusammen und bildet wieder ein Gleichgewicht (und wird dann ganz treffend „Weißer Zwerg“ genannt, was dem entspricht was er ist: Das verschrumpelte Überbleibsel einer Sonne.), oder die Protonen und Elektronen falten sich zu ladungsneutralen Neutronen zusammen. Neutronensterne und Pulsare entstehen, die dann durch sehr dichtes Teilchenpacken Magnetfelder bilden und Signale auf Radiofrequenzen senden (ohne Scheiß! Die Jungs von SETI haben schon oft gedacht endlich meldet sich jemand, dabei war es nur wieder ein neuer Pulsar!). Das beste Ende haben aber Sterne die besonders massereich waren:
Hier wird beim Zusammenfalten der Protonen und Elektronen die Schwerkraft so stark, dass selbst das Licht nicht mehr gegen sie ankommt. Und nun ist auch kein Stern mehr da, weil wir auch nichts mehr sehen können: Das Licht kann nicht entweichen, ein schwarzes Loch ist entstanden. Wobei „schwarz“ eher ungenau ist, und man eigentlich auch einfach „Löcher“ sagen kann.
Dort eben, wo nichts ist.
Und alles nur, weil jemand einen Luftballon zu weit aufgeblasen hat.

Es schneit, immer noch.

Fast Ende Februar und es schneit so stark, ich komme mir vor wie in einem Remake von The Day after Tomorrow (ohne die schlechten Special-Effects natürlich).
Ich bin ja nicht der Typ, der sich über das Wetter aufregt, aber: Come on!
Globale Erwärmung am Arsch.

Mir ist aufgefallen, dass Menschen, die von sich selbst sagen „ich bin ja nicht der Typ“ immer genau der Typ sind. Stehen bei Kaisers an der Fleischtheke und sagen dann: „Eigentlich bin ich ja auch Vegetarier, ich esse nur ganz wenig Fleisch.“
Auch Vegetarier. Als wenn man als Vegetarier ein besserer Mensch wäre.
Jesus war kein Vegetarier. Und hätte es damals ein H&M gegeben, er hätte seine Kutte da gekauft: Vonwegen „nur das Billigste“ und so.

Gerade sind ja auch winzige Netbooks total in. Jeder hat eins. Und „Mensch“ sind die billig. Gerade haben wir die erste Stöpsel-Generation hinter uns, Mittelalte-Walkman-Menschen laufen mit Hörstürzen durch die Gegend, jetzt versaut sich eine weitere Generation das Augenlicht. Jedenfalls sind die neuen Jugendlichen nicht so dumm und quälen sich winzige Ohrhörer in den Hörkanal: Lieber Handy auf volle Lautstärke.
Ich will ja immer was sagen, in der S-Bahn. Trau mich dann aber nicht.

Neulich hab’ ich mich getraut und Tofu gegessen. Jemand hat mir erzählt: Dieses Imitat-Hack, dass aussieht wie echtes Hack, aber aus Tofu ist, schmeckt genauso wie echtes Hack. Ich hab’ das nicht geglaubt. Stimmt auch nicht. Schmeckt viel besser.

Viel besser als Sabine Christiansen ist Anne Will nicht. Sowieso: Am Sonntagabend hat ein normaler Mensch doch besseres zu tun, als sich über die Zukunft unserer Nation Gedanken zu machen. Früher war noch Zeit für Politik. Früher hatten wir auch noch keine Finanzkrise. Chaos, sagen die Zeitungen. Aber die kauft sowieso niemand mehr. Jetzt wollen sie alles per Netz machen. Online-Magazine mit „Micro-Payments“. Ich wundere mich woraus die nächste Generation der Kindergartenkinder dann ihr Pappmaché machen will? Vielleicht aus PDA’s und alten iPhones.

Mir ist ein Klassenunterschied aufgefallen: iPhones sind die neuen Manschettenknöpfe. Früher war es doch so: Die echt wichtigen, die goldenen und feinen Manschettenknöpfe waren so klobig, die guckten immer aus dem Jackettärmel heraus. Man sah dem Träger seinen übergeordneten Status an. Heutzutage legt jeder sein iPhone auf den Tisch. Weils entweder eine Seite der Jacke runterzieht oder zu sperrig für die Hosentasche ist. Und wer trägt schon sein iPhone im Rucksack oder der Handtasche, wenn man es auch auf den Tisch legen kann? Wäre doch witzlos.

Sagenumwogen witzlos sind ja auch Handtaschen für Männer. Und ich meine diese Extra-Handtaschen, also die, die die Industrie … Sekunde: Lustig dieses „die, die die“ … weiter: … die die Industrie für Männer extra entwickelt hat. Nicht etwa die umfunktionierten Bauchtaschen, die einige „Kerle“ wie einen Patronengurt quer über der Brust tragen. Das sieht so gut aus, ich möchte angeekelt, und mit vor Fremdscham verzerrtem Gesicht, ein Stück aus meiner Milka-Weihnachts-Teetasse raus beißen.

Apropos Milka. Nein, mir fällt nichts zu Milka ein. Aber zu Schokolade im Allgemeinen: Biologisch gesehen wird über die Liebe gesagt, sie sei wie große Mengen Schokolade. Schade nur für die Allergiker, oder gilt das auch für Laktosefreie Schokolade? Gibt es Laktosefreie Schokolade überhaupt? Und was ist mit mir? Bei zu viel Schokolade bekomme ich Pickel. Wobei: Ich weiß nicht ob die Schokolade um die Nuss bei m&m’s zählt. Schreit nach einem Selbstversuch.
Es opfern sich sowieso dieser Tage viel zu wenig Wissenschaftler im Dienst der Menschheit. Dieser Typ, der Doku-Soaps erfunden hat …

Gerade fährt vor meinem Fenster so ein kleiner Räumwagen vorbei. Schafft es nicht mal die oberste Kante von all dem Schnee abzutragen. Armes Ding. Und vor ein paar Tagen wollte ich noch eine Geschichte über einen Millionär schreiben, der sein Geld mit einem Schneeräumdienstimperium (schönes Wort) verdient hat. Fand’ ich aber zu absurd. Gerade in Deutschland …
Was haben die gesagt? Temperaturen steigen um 0,1 Grad Celsius im Jahr? Merk’ ich gar nicht. In your face, Al Gore!

24. August 2009

Es war ein Montagmorgen, natürlich. Die wirklich wichtigen Dinge passieren nicht am Donnerstagnachmittag, wenn man gut ausgeschlafen und fit ist. Montagmorgen, vor Acht. Mein erstes Gespräch mit der Senderleitung und es musste Montagmorgen vor Acht sein. Ich war nervös. Vor einer Woche hatten es drei meiner Witze in die neue Show von Harald Schmidt „Schmidts Katze“ geschafft und nun saß ich hier.
Mit mir am Konferenztisch des „Raum 1408“, im 14ten Stock des Sendegebäudes von Deutschlands drittgrößtem Privatsender, saßen fünf Männer in Anzügen. Keiner der Männer sagte etwas zu mir. Ich schob das auf meine Frisur. Letzte Nacht hatte ich komplett auf der linken Seite geschlafen und war mit deutlichen Spuren in meinen Haaren aufgewacht. Ohne wirklich Zeit für irgendwas, war ich in T-Shirt und Jeans hergefahren. Und jetzt wartete ich. Na toll!
Ich zog mir eine der geputzten Aluminiumkannen mit Kaffee heran und betrachtete mein verzerrtes Spiegelbild: Irgendwie schien meine Nase größer als mein Kinn, also sollten meine Haare das kleinste Problem sein.
Plötzlich flog die Tür zum Konferenzraum auf und eine Frau in Hosenanzug und ein junger Mann direkt hinter ihr (nicht im Hosenanzug) kamen herein.
„Guten Morgen“, sagte die Frau, die ich mal eben auf Ende Vierzig schätzte. Wobei ich ihr damit nicht zu nahen rücken wollte, sie konnte tatsächlich jünger sein, woher weiß ich schon genau wie eine Frau Anfang Vierzig auszusehen hat?
Die fünf Männer in Anzügen machten Anstallten aufzustehen, hielten aber mitten in der Bewegung inne, als ihnen die Frau mit einer Geste das sitzen bleiben erlaubte. Sie setzte sich ans Kopfende des Tisches, mir gegenüber. Ihr junger Gefolgter setzte sich daneben und zückte gleich einen Notizblock. Ich hatte zwar keine Anstalten gemacht aufzustehen, als die Frau im Hosenanzug rein kam, fand aber die Bewegung und das Innehalten witzig. Irgendwie sah man, oder sahen die Männer in Anzügen, dabei ertappt aus. So als säßen sie auf dem Klo und jemand kommt rein. Voller Scham wollen sie aufstehen, verharren aber, als sie an ihre Entblößtheit denken und versuchen sich schnell noch ihre Hosen hochzuziehen. In Gedanken machte ich mir eine Notiz einen Sketch über einen Chef zu schreiben, der seinen Angestellten bis auf die Toilette begleitet um ihm Anweisungen zu geben, er entlässt den Angestellten dann zwar in die Klokabine, ihm fällt allerdings noch etwas ein und der Rest des Gesprächs findet für den Angestellten in dieser lauernden Wartestellung statt. Natürlich machte ich mir nicht wirklich eine Notiz. Ich kann mir in Gedanken keine Notizen machen. Alles was ich in diesem Moment konnte, war mir den Sketch so lange zu merken bis das Gespräch hier zu ende war, um dann schnellstmöglich einen PC zu finden, oder einen Stift und einen Block (ich war ja kein hirnloser Grobmotoriker). Darauf zu achten auch mal etwas mit Stift und Block zu schreiben, hatte ich mir angewöhnt als eine Exfreundin mir mal einen meiner fein-säuberlich getippt und ausgedruckten Liebesbriefe (mit Datum, Kontaktdaten und dem Vermerk: „Diese Nachricht wurde maschinell erstellt und ist deswegen ohne Unterschrift gültig.“) wutentbrannt zurückgab.
„Hiermit ist die Planungssitzung für das Spielfilmquartal Vier-2009 eröffnet.“, bellte die Frau im Hosenanzug in meine Gedanken hinein. „Ich begrüße auch den jungen Autor, der seit ein paar Wochen so großartige Arbeit bei „Schmidts Katze“ leistet.“
Damit meinte sie mich.
Der erste meiner drei Witze, der es in die letzte Sendung von „Schmidts Katze“ geschafft hatte, war eine einfache Nummer über Verwechslungen:
Ein älterer Mann (gespielt von Schmidt) und trifft eine junge Frau (gespielt von Nora Tschirner, die als Gast auftrat und natürlich um einen neuen Kinofilm vorzustellen) im Park. Der Mann hat eine Rose dabei aber die Frau wird sauer, weil in der Anzeige nichts über graue Haare stand. Der Mann weiß nicht was sie meint, aber die Frau fährt fort das er außerdem nicht mal annähernd wie sein Profilfoto aussieht und sowieso einen ganz krummen Gang hat, was ja wohl kaum geht, wenn er Profisportler sein soll. Der Mann will widersprechen, doch die Frau will nichts hören und regt sich über die
Unverschämtheit auf sie hier unter falschen Voraussetzungen herzubestellen, er sei doch bestimmt schon Siebzig. Nachdem die Frau abgebraust ist und den Mann verdutzt hat stehen lassen, taucht Michael Ballack auf und bedankt sich bei seinem Vater (dem Mann) das er ihn hier trifft und ihm noch schnell eine Rose besorgt hat.
„Was wir zuallererst brauchen ist ein Thema für die romantische Komödie.“, sagte die Frau im Hosenanzug in einem alles andere als kompromissbereiten Ton.
„Romantische Komödie?“, fragte ich über den Tisch hinweg. Noch waren mir die Spielregeln nicht ganz klar. Irgendwas wurde hier entschieden, aber was und inwieweit ich da was zu sagen hatte war doch noch auszumachen, oder?
„Ja. Die romantische Komödie für den Winter. Unser Programmhighlight an einem der vier Adventssonntage. Eine Eigenproduktion, orientiert an internationalen Hits. Sie werden das schreiben.“
Wieder dieser Ton. Scheinbar würde ich das wirklich schreiben. Das war mir zwar neu, aber niemand am Tisch schien es zu bzweifeln.
„Okay …“, war alles was mir einfiel. Romantische Komödien sind ja per se nicht schlecht:
„Wie wäre es mit so etwas wie Keinohrhasen?“
Einer der Männer in Anzügen hatte sich nach vorne gebeugt und lächelte vertrauensvoll die Frau im Hosenanzug an.
„Keinohrhasen 2?“, fragte die Frau.
„Da könnte es rechtliche Probleme geben.“, erwiderte nun ein zweiter Mann im Anzug.
„Finden Sie mir das raus“, befahl die Frau. „Falls wir Keinohrhasen als Titel kaufen können, kaufen wir ihn und machen einen zweiten Teil. Nicht mit Til Schweiger und dieser MTV-Moderatorin, aber schon irgendwie. Und einen netten Untertitel müssen wir finden, so was wiiiieeee …“
Beim lang gezogenen „wie“ schien die Frau im Hosenanzug nicht wirklich nachzudenken, vielmehr wartete sie auf etwas. Ein dritter Mann im Anzug sprang ein:
„Die Rückkehr der Mümmler.“
Der Frau im Hosenanzug gelang es tatsächlich begeistert auszusehen.
„Sehr gut. Und wenn wir die Namensrechte nicht kaufen können, dann müssen wir etwas Vergleichbares finden. Etwas das zündet.“
„Meine Frau, die Hasen und ich.“, sagte nun ein vierter Mann im Anzug. Wenn so was ginge, hätte ich mir gern in Gedanken mit der Hand vor den Kopf geschlagen.
„Sehr gut. Wunderbar. Was sagen Sie?“
Alle Aufmerksamkeit war plötzlich auf mich gerichtet und meine Stirn tat weh.
Der zweite meiner drei Witze, der es in die letzte Sendung von „Schmidts Katze“ geschafft hatte, war ein Kalauer aus den Nachrichten:
Im Segment „Diese Woche in Schmidts Welt“ las Schmidt vom Telepromter Zwei- bis Dreizeiler vor und bekam dazu jeweils ein, mehr oder minder, lustiges Bild eingeblendet.
Mein Dreizeiler war: „Der katholische Linzer Weihbischof Gerhard Maria Wagner fiel durch seine Äußerung auf, dass Homosexualität „heilbar“ sei. Auf die Frage hin, wie man einen Homosexuellen denn erkenne, antwortet er: Das sei leicht. Schwule haben meistens unmännliche Vornamen, tragen gerne hübsche Gewänder, arbeiten nur mit Männern zusammen und haben keinen Sex mit Frauen.“
Ohne genau zu wissen worauf ich mich hier einließ, wagte ich dann doch die Frage:
„Ehm … Sie wollen wirklich dass ich für sie Keinohrhasen 2 schreibe?“
Die Antwort fiel kurz aus: Ein Nicken, mehr bekam ich nicht.
„Und sorgen Sie dafür, dass Tiere drin vorkommen. Eine Katze vielleicht.“
„Wie wär’s mit einem Hasen…“, meinte ich als Witz.
„Was Sie wollen. Sie sind der Kreative. Aber Tiere müssen sein. Das zieht. Außerdem fand ich diese Katze in „Meine Frau, die Schwiegereltern und ich“ zum schießen. Vielleicht können Sie was Ähnliches machen. Ein Hase der alleine auf Klo geht, zum Beispiel. Brüllend komisch.“
„Ich denke nicht das…“, versuchte ich zu sagen, wurde aber vom fünften Mann im Anzug übertönt. Er sah nicht mich an, sondern hielt Blickkontakt mit der Frau im Hosenanzug.
„Ein Mann der betrunken nicht mehr weiß welche Tür die Tür zum Klo ist und dann in den Wandschrank pinkelt. Eine großartige Szene. Das Publikum wird ausrasten.“
„Ja. Sehr gut.“, nickte die Frau im Hosenanzug. „Bauen Sie so was ein.“
Das war wieder an mich gerichtet. Ich wusste nicht ob irgendjemand erwartet dass ich Notizen machte, griff aber vorsorglich in meinen Rucksack und zog meinen Laptop heraus. Eine halbe Stunde später hatte ich zwanzig Stichpunkte, die von „Liebesszene im Auto und am nächsten Morgen von Polizist geweckt werden“ bis „Held spielt mit kleinem Jungen, der ihm Fußball in die Eier schießt – Brüller“ reichten.
Der dritte meiner drei Witze, des es in die letzte Sendung von „Schmidts Katze“ geschafft hatte, war eine Nummer über den aktuellen Kinofilms „Star Trek“:
Schmidt spielt den gealterten Kirk-Darsteller William Shatner, der sich über die fehlende Einladung zum Dreh der Neuauflage von „Star Trek“ beschwert, als man ihm gesteht man hätte ihn ersetzt. Oliver Pocher kommt rein und übernimmt.
Um kurz nach Neun war die Besprechung vorbei. Ich saß alleine im Konferenzraum und packte meinen Laptop wieder ein, während die Männer in Anzügen und die Frau im Hosenanzug (mit ihrem jungen Gefolge) wahrscheinlich schon längst andere wichtige Entscheidungen trafen. Mit hängenden Schultern, wenn so was anatomisch überhaupt geht, verließ ich das Sendegebäude und machte mich, mitsamt meiner Deadline, der Mindestanzahl von Witzen und der Vorgabe einen Gastauftritt von Jeanette Biedermann rein zu schreiben, auf den Heimweg. In der S-Bahn hörte ich aus den Ohrstöpseln meines Sitznachbarn die entfernte Melodie von „Wolf like me“ von TV on the Radio.
Ich erinnerte mich an die Witze die es nicht in die letzte Sendung von „Schmidts Katze“ geschafft hatten:
Da war die melancholische Nummer über den Jungen, mit dem gerade Schluss gemacht wurde und der einfach nur mit einem Walkman durch den Regen gehen will. Aber es es ist Hochsommer und auf jeder Kassette die er in seinen Walkman einlegt sind die absolut unpassensten Lieder (so was wie „Beautiful Day“ von U2).
Oder der nonverbale Sketch, indem ein Mann in einem Büro ein ganz bestimmtes Buch sucht. Als er merkt dass es unter einem Tischbein eines Kollegen klemmt, fragt er nicht, sondern schleicht sich an und versucht es auszutauschen. Natürlich geht das schief.
Und dann die Geschichte wie sich ein Junge und ein Mädchen kennen lernen. Allerdings sitzen sie in zwei unterschiedlichen Zügen, die nur kurz nebeneinander herfahren. Sie schreibt schnell ihre Telefonnummer auf einen Zettel und hält diesen dann an die Scheibe. Der Junge grinst und die Züge trennen sich. Als sich das Mädchen den Zettel ansieht, merkt sie dass dort „08100880810 ONIW“ steht. Sie kann ihre Dummheit nicht fassen. Da ruft er aber trotzdem an und will wissen wofür Mino die Abkürzung ist.
Solche Witze durfte ich nicht wieder schreiben. So etwas passt nicht in Keinohrhasen 2.
Zuhause angekommen stieg ich erstmal unter die Dusche. Mein Spiegel verriet, dass meine Nase doch nicht größer als mein Kinn war und schon bald lag ich im Bett um dringend benötigten Schlaf nachzuholen. Vielleicht würde ich am Donnerstagnachmittag mit Keinohrhasen 2 anfangen.
Kurz bevor ich wegdämmerte fiel mir noch etwas ein: War da nicht noch ein Sketch gewesen? Irgendeine Nummer die ich aufschreiben wollte?
Dann war ich eingeschlafen.