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Nachtgespräch

Alleine stand ich am Bahnhof. Mein Atem deutlich sichtbar.
Für eine Weile wartete ich, fragte mich die Dinge, die man sich in kalten Nächten eben so fragt, und irgendwann begann ich auf dem Bahnsteig auf und ab zu gehen.
Oft frage ich mich: Wie sieht das wohl von Außen aus, was ich gerade mache?
Was denken die Anderen über mich? Man hat so gar keine Ahnung wie man auf Wildfremde wirkt.
In dieser Nacht war mir das egal. Nicht weil es mir egal war, sondern weil ich nicht dran dachte. Ich ging einfach. Ganz selbstverständlich einen Schritt nach dem nächsten machend.
Plötzlich stand sie vor mir:
„Hi.“
Für einen Moment wich jeder Ausdruck aus meinem Gesicht. Hätte ich einen Lolli im Mund gehabt, dies wäre die Szene in der er mir rausgefallen wäre.
„Hi.“, antwortete ich erstaunt und fasste mich erst langsam wieder.
„Kalt, oder?“, sagte sie und es war nicht als Frage gemeint. Es war auch keine Feststellung, kein hilfloser Versuch die Stille zu überbrücken, es war ein Ausblick. Ein Einblick, vielleicht. Etwas das gesagt werden musste. Klar: Es war kalt. Aber wie sie es sagte: Jetzt war es offensichtlich. Nun brauchte man sich nicht mehr damit beschäftigen. Sie hatte einen Punkt gemacht. Es ging weiter. Damit war das Thema abgehakt.
„Ja.“, sagte ich tonlos und versuchte ein Lächeln. Sie nahm es auf und lächelte zurück.
Eine blonde Locke fiel ihr über die Stirn und pulsierte wie eine Sprungfeder auf und ab. Ihre dunkelgrünen Augen fixierten mich und dann lächelte sie noch etwas breiter. Normalerweise fallen mir Augenfarben nicht auf. Nicht mal das blonde Locken wie pulsierende Sprungfedern aussehen, so was sage und denke ich nicht. Aber bei ihr: Ihre Haut war zart rosa, beinahe strahlend weiß. Mir fiel ein, dass Günther Grass mal seitenlang die Konsistenz von Kartoffelsuppe beschrieben hat.
„Wartest Du in die eine oder in die andere Richtung?“
Mit ausgestrecktem Arm zeigte sie auf die eine und auf die andere Bahnsteigkante. Ich folgte ihrer Bewegung und nickte dann links neben mich.
„In diese Richtung.“
„Ah. Dann warten wir also nicht zusammen.“
„Scheinbar nicht.“
„Findest Du es nicht komisch dass man zusammen warten, aber doch nicht zusammen warten kann?“
„Nein.“
Ich hätte Ja sagen können, aber Nein schien mir passender. Ich wusste nicht mal ansatzweise wovon sie redete.
„Nein?“
Sie rümpfte die Nase.
„Nein. Finde ich nicht komisch.“, sagte ich und forderte mein Glück heraus.
Für einen Augenblick sah sie mich durchdringend an, dann grinste sie wieder.
„Du hast nicht den blassesten Schimmer wovon ich rede, stimmt’s?“
Ich nickte.
„Kein Problem.“, sagte sie.
„Okay.“, antwortete ich.
„Wusstest Du, dass ‚okay’ zwar das bekannteste Wort der Welt ist, aber niemand genau weiß wo es herkommt?“
„Nein. Wusste ich nicht.“
„Ist aber so.“
„Ich bin kein großer Fan von Allgemeinwissen. Sorry.“, sagte ich und vergrub meine Hände noch tiefer in den Taschen.
„Muss Dir nicht Leid tun. Ich arbeite in einer Bibliothek, deswegen. Wovon bist Du ein großer Fan?“, fragte sie und atmete einmal tief durch ihre leicht gerötete Nase ein.
„Ich weiß nicht: Fußball vielleicht.“
„Ja? Welche Mannschaft.“
„Berlin.“
„Du meinst Hertha?“
„Und Du weißt bestimmt was ‚Hertha’ bedeutet?“
„Weiß ich wirklich, aber jetzt sag ich’s Dir nicht mehr.“
„Warum nicht?“
„Du warst zu frech.“
„Sorry.“
„Niemand sagt heutzutage noch ‚Entschuldigung’. Alle sagen ‚Sorry’. Eine Schande ist das.“
In diesem Moment fuhr auf der anderen Seite des Bahnsteigs eine S-Bahn ein und sie drehte sich um. Zwei Türen wurden geöffnet und auch nur zwei Personen stiegen aus.
Sie wandte sich wieder zu mir:
„War nett Dich zu treffen.“
Ich wollte etwas cleveres, etwas passendes erwidern. Irgendwas, was nicht so klang als hätte ich einen begrenzten Wortschatz. Stattdessen sagte ich: „Okay.“
Sie grinste, huschte schnell quer über den Bahnsteig, stieg in die wartende Bahn und weg war sie.
Es wurde noch kälter bis meine Bahn endlich kam. Auf dem Weg nach Hause fiel mir ein woran mich all das erinnerte:
Ein paar Tage vorher hatte ich auf dem Bürgeramt am Empfang meine Wartenummer abgeholt. Hinter dem verglasten Schalter saß eine ältere Frau und hörte Radio über einen alten Weltempfänger. Es lief ein Lied das ich noch nie gehört hatte. Ich nahm meine Wartenummer entgegen und bekam dabei knapp eine Strophe mit. Das Lied war unglaublich gut. Nicht besonders eingängig, aber trotzdem: Unglaublich gut. Überraschend, nicht unanspruchsvoll und trotzdem von wunderschöner Klarheit.
Als ich mich im Warteraum des Bürgeramtes hinsetzte war das Lied nicht mehr zu hören, und als mir die Idee kam, neben dem Empfang auf die Titelnennung des Radiosprechers (welche heutzutage leider keine Selbstverständlichkeit mehr ist) zu warten, waren schon zehn Minuten vergangen und es liefen die Nachrichten. Ich könnte alle Bibliotheken in Berlin … ich meine: Alle neuen oder alten Alben im Plattenladen durchhören, aber irgendwie wäre das nicht richtig.
Man trifft sich doch immer zwei Mal im Leben und man kann zusammen warten, auch wenn man nicht zusammen wartet.

Mein Advent, Dein Advent. Teil 4: Beidseitig

Grundsätzlich gehe ich davon aus das man die Welt & sein kurzes Leben darin auf zwei Arten betrachten kann: Entweder von Unten nach Oben oder von Oben nach Unten. Aus dem Kleinen ins Große oder umgekehrt, aus dem Großen ins Kleine.
Danach geht also entweder die Ordnung der Dinge von einem allgemeinen Prinzip aus, einem höheren Prinzip als das der betroffenen Einzelteile, oder die Formation der Dinge, ihre Ordnung, erfolgt alleine aus den betroffenen Einzelteilen. Diese Spaltung ist für mich grundlegend und die „richtige“ Betrachtungsweise, wenn es eine solche gibt, lässt sich wohl nie ausmachen. Wichtig ist: Es gibt ein Unten und ein Oben (nicht im religiösen Sinn natürlich! Hu. Knapp an einem Glaubensbekenntnis vorbeigeschrammt.)
Dies ist, zum Teil, nicht nur meine Wahrnehmung: Die physikalische Realität kennt Ordnungsstrukturen (komplex und beständig) ebenso wie das zu Grunde liegende Element, die Einzelteile.

So.

Ein geschätzter Bekannter machte mich mal auf folgenden Sachverhalt aufmerksam, der eines meiner Lieblingsvorurteile (und ich liebe meine Vorurteile wirklich) in ganz neuem Licht erscheinen ließ:
Zeit meines Lebens wies ich der Bild-Zeitung stets den verabscheuungswürdigen Charakter eines widerlichen Boulevardblattes zu. Allen Entscheidern, die für eben so ein Boulevardblatt auswählen, Meinung machen und agitieren, brachte ich nur Missgunst und Hohn entgegen. Außerdem war ich der Ansicht: Die Bild-Zeitung wird von Arschgesichtern für das Volk gemacht (um es klein zu halten, es gar nicht erst auf dumme Gedanken kommen zu lassen).
Mein geschätzter Bekannter jedoch erzählte mir, dass in den Radaktionen der Bild meist (von der Fachwelt) geschätzte Journalisten sitzen, die sich wohl zu den Besten ihres Fachs zählen lassen. Viele der Redakteure arbeiteten vorher bei Zeitungen, denen sogar ich etwas abgewinnen kann. Immerhin, so mein Bekannter weiter, braucht es einen guten Journalisten um aus einem komplexen Sachverhalt jene drei Zeilen verständlich rauszuquetschen, die die Bild-Zeitung jedem Thema nur zur Verfügung stellt.
Auf eine gewisse Art, und auch weil jener Bekannter eben von mir so geschätzt ist, stimmte ich stumm-nickend zu. Wahrscheinlich, so dachte ich mir, existiert über den einzelnen Ausgaben der Bild, über den Einzelteilen also, eine ordnende Struktur. Eine Struktur, die man begreifen und schätzen kann, ohne die Einzelteile zu lieben (und wer liebt schon eine Bild-Schlagzeile wie „Ufo-Sekte will Hitler klonen!“).
Jene Struktur ist, so meine Gedanken weiter, vielleicht genau das was wir Aufklärung, Volksbildung und Information durch die freie Presse nennen. Jene Struktur ist, neben all den Einzelteilen, wahrscheinlich die vierte Gewalt im Staat. Selbst die einzelnen Redakteure sind nicht mal ausschlaggebend. Es ist eine übergeordnete Komplexität, die durch die Bild-Zeitung auf die Leser wirkt und damit mitverantwortlich für Inhalt und Auswahl.
Leider wurde ich bitter enttäuscht. Die vierte Gewalt ist eine Farce. Jedenfalls was die Bild-Zeitung angeht, und verarschen wir uns nicht selbst: Das ist das Blatt für den Großteil der Nation. Jene kurz angebundenen Statements zur Innen- und Außenpolitik sind das Brot (was die Butter ist, ist klar) für die wählende Bevölkerung.
Und genau dieses Brot wird gebacken von wenigstens einem Arschloch.
Ich sag’ das mal so ganz geradeaus. Er ist ein Arschloch. Ich kenne ihn nicht, aber nach nur zwei Absätzen die er nachweislich geschrieben hat kriegte ich buchstäblich das Kotzen.

Kurzer Einschub:
Meine Mutter meinte gerade neulich, wie schwierig sie die Freiheit des Internets und der Meinungsäußerung im Zusammenhang, zum Beispiel, mit Rating-Sites für Lehrer findet. Diese Seiten nennen Lehrer mit vollem Namen, Fächerkombination und Schule, und erlauben den Schülern anonym diffamierende Sprüche zu hinterlegen.
Ungeachtet meiner leichten hasenfüssigkeit kann ich mir nicht vorstellen, dass ich solch eine Seite zu meiner Zeit besucht hätte, geschweige denn einen abwertenden Kommentar hinterlassen. Vor allem anderen ist die Privatsphäre wohl eines der höchsten Güter, und sinnlose Diffamierung ist nicht nur blöd, sondern auch unkreativ und langweilig.
Aber irgendwie greift das nicht für Personen des öffentlichen Lebens.
Diesen Begriff gibt es ja nicht ohne Grund und wenn man ehrlich ist: Ein (oder mehrere) Enfant Terrible hat sich jedes Land und wohl auch jede Staatsform immer schon geleistet. Das schöne ist: In einer Demokratie knüpft man niemanden für Herrschafts- oder sonstige Kritik auf.
Uwe Boll, der (nicht von mir) fremdbestimmte „schlechteste Filmemacher der Welt“, hat mal Kritiker seiner Filme zu einem Boxkampf herausgefordert. Welcher Kritiker so blöd ist da hinzugehen: Selber schuld.
Ich persönlich habe nur ein Anliegen: „Uwe, versau’ die Max-Schmeling-Biographie, für die Du Dir gerade die Rechte gekauft hast, nicht! Und falls Du merkst: Es geht schief, ruf mich bitte vorher an. Ich kann nicht viel, aber was ich kann setzte ich für eine (wenigstens) passable Max-Schmeling-Biographie gerne ein. Solltest Du’s allerdings versauen und mich nicht anrufen, Uwe: Dann helfen Dir nicht mal Boxhandschuhe.“ Ich hab’ das zwar noch nie gemacht, aber es soll anatomisch möglich sein einer Person eine Ananas rektal …

Was uns zurück zu Kai Diekmann bringt: Kai Diekmann ist Jahrgang 1964. Vielleicht ist es als Frühgeborener und von Vor-Achtundsechzigern aufgezogen per se schwieriger Akzeptanz und Vertrauen auszuüben, ich weiß es nicht. Ich bin Jahrgang 1981, meine Eltern sind gewaltloser als Gandhi und teilweise nachsichtiger als Jesus (teilweise!).
Kai Diekmann war Chefredakteur der „Welt am Sonntag“ (Ja. Das sind die mit dem Globus im Titel und mit genug Geld, um die Titelseite immer ganz doll farbig auszustatten!) und wurde dafür mit der „Goldenen Feder“ ausgezeichnet. Das ist so ein Medienpreis, den Johannes B. Kerner moderiert. Keine Angst: Hab’ ich auch noch nie gesehen.
Jedenfalls wurde Kai Diekmann dann Chefredakteur der Bild, und ist es immer noch. Kai Diekmann schreibt allerdings auch Bücher, jedenfalls wenn man die Definition Buch nach „Papier zwischen Buchdeckeln“ abbricht. Sein „Der große Selbstbetrug“ ist so konservativ, man fragt sich seit wann wir wieder einen Reichskanzler haben. Außerdem, so Kai Diekmann, seien die Hippies an allem und besonders an unserem fehlenden Nationalstolz schuld. Und wir können doch stolz sein. Können wir doch, oder? Natürlich. Aber diese ungewaschenen, verweichlichten Alt-Achtundsechziger, mit den Kinderläden und Krippen und der Gleichberechtigung von Mann und Frau und der Liebe (besonders der freien), die haben uns unseren Stolz abgekauft. Was lustig ist, wenn das jemand behauptet, der auf eine taz-Satire, in der steht er habe sich erfolglos seinen Penis verlängern lassen, eine Unterlassungsklage formuliert und Schmerzensgeld fordert. Sollte man da nicht stolz drüber stehen?
Lieber Kai Diekmann: Ich möchte nicht wieder die Ananas ins Spiel bringen, aber vielleicht sollte man den Kopf aus dem Arsch ziehen, bevor man sich ans Keyboard setzt … nur so ein Gedanke.
Da fällt mir ein: Die „Goldene Feder“ haben noch so ein paar Knallschargen gewonnen. Sven Hannawald, für seine sympathische Art (hä?) und die „Du bist Deutschland“- Kampagne für … ja? Wofür?

Von Oben betrachtet hat sich also eine Ordnung als reaktionäres Einzelteil mit zu viel Macht über andere Einzelteile entpuppt. Schade. Ich hätte gerne an einen Konsens der vierten Gewalt geglaubt. Darauf gehofft dass, trotz titelbringenden Meldungen über die Ex von Boris Becker, am Ende vielleicht doch so ein unsichtbares Prinzip, eine Ordnung – unberührt und alleingelassen von den Einzelteilen – weit Oben steht. Ganz weit. Unerreicht. So wie andere Ordnungen.
Wie fundamentale Ordnungen. Wie Ordnungen, die wirklich wichtig sind.
Wie die Ordnung, die Kühe auf einer Weide immer in die gleiche Richtung gucken lässt.
Wie die Ordnung, die viele Menschen vergessen lässt das es ja bald Weihnachten ist und dann am letzten Tag panisch in die Geschäfte treibt.
Wie die Ordnung, die eher zum Weinen bringt, als zum Lachen.
Die Ordnung, die einen näher an die Menschen zieht, mit denen man die starken Emotionen teilt, als an die Menschen die einen sprichwörtlich kalt lassen.
Lachen ist so eine starke Emotion. Nichts ist so schwierig für die Gesichtsmuskeln, wie Wangen, Mund, Nase und selbst Stirn zu einem Lächeln zu formen. Sehr viel schwieriger als Weinen.
Eine Ordnung, ein übergeordnetes Prinzip, lässt uns aber gerade eine komplexe Aufgabe viel lieber, viel leidenschaftlicher bewältigen, als einfach nur zu reagieren. Lachen ist ein Reflex auf Zugänglichkeit, auf Bestimmtheit. Bestimmtheit, die an uns gerichtet ist. Weinen ist eine mitfühlende, eine beinahe ausschließlich egoistische Reaktion.
Komischerweise wollen wir aber die schwierigere Aufgabe, die Aufgabe die Akzeptanz und „Zulassen“ voraussetzt. Wir wollen lachen. Unbedingt.
Und wenn es hundert Jahre dauert oder sogar unmöglich erscheint: Wir warten auf die schweren Aufgaben. Wir wollen die schweren Aufgaben, weil uns eine Ordnung als Einzelteil zu jenen anderen Einzelteilen treibt. Jenen Einzelteilen, die uns vor die schwersten Aufgaben stellen. Weil wir irgendwie wissen: Sie sind es wert.
Von Unten auf die Ordnung Oben zu blicken. Ich find das beruhigend.
Und von Oben, von der Ordnung aus, zu wissen: Sie ist da, über den Einzelteilen. Das ist noch viel beruhigender.
Anders als Reaktionismus, Zurückgezogenheit, Stolz und Ignoranz, ist Einsicht, Beständigkeit, Wille und Zuversicht viel schwerer, passt aber viel besser ans Happy End.
Und damit wünsche ich:

Frohe Weihnachten.

Mein Advent, Dein Advent. Teil 3: Ein Kuchenstück Glück

Warum ist man dick? Warum ist man nicht dick? Was sind die Risikofaktoren?
Eine aktuelle Studie zum Thema „Diäten“ besagt: Wenn man mit 16 Jahren eine Diät gemacht hat, stehen die Chancen besser mit 30 an Adipositas (was soviel heißt wie: Fettleibig zu sein) zu leiden (siehe: Viner & Cole).
Darüber hinaus macht es keinen Unterschied ob man ausgeglichene Diäten (fettarme Ernährung, Gemüse & Obst, etc.) bevorzugt oder sich einfach dünn hungert, also traditionell fastet (siehe: Neumark-Sztainer).
Abnehmen macht also dick? So gesehen sind all die ganzen Fettzellen-Konglomerate, die unglaublich unattraktiven, schwitzenden und keuchenden, dicken Kindern nur ein Opfer der Diätsucht ihrer Eltern? Ja? Wirklich? Bestimmt, und wenn man ganz fest dran glaubt bringt man auch ne Melone zum explodieren. Ganz sicher …
Dicke Kinder sind genauso daran schuld das sie dick sind, wie ich am Sonntagmorgen daran schuld bin das ich nicht aus dem Bett komme.
Der Grund ist doch: Ich hab’ alles dafür getan nicht aus dem Bett zukommen, so wie die kleinen, fetten Kinder alles dafür tun dick zu bleiben. In meinem Fall, hab’ ich zuviel gesoffen, wieder mal Wein und Bier und irgend so einen Gewürzlikör (den Florian weißgott wo aufgetrieben hat) durcheinander getrunken und jetzt muss ich dafür büßen. Und so müssen es auch die fetten Kinder.
Süßigkeiten, Schokolade, Joghurtpaste, Geleebonbons … all jene „Nahrungsmittel“ (wobei ich mir nicht mal sicher bin, ob diese Dinge einen solchen Status überhaupt verdienen) … all das, was man aus nem Automaten am S-Bahnhof (alleine da müsste man schon stutzig werden) ziehen kann … all das hilft dabei dick zu werden, zu bleiben und sowieso nur einem Zweck: Befriedigung.
Ja. Ganz genau. Was haben nämlich alle Süßigkeiten gemein: Zucker. Saccharose.
Eine Zahl dazu: In den letzten 150 Jahren ist der Zuckerkonsum um das 20fache gestiegen. 40 kg Zucker nehmen wir jedes Jahr zu uns. 40 Kilo!
1850 waren es noch 2 Kilo. (Soviel ist mittlerweile in einer Kiste Cola drin … na ja, grob’ geschätzt.) Was doof war für die Leute im neunzehnten Jahrhundert, weil Zucker – neben ein paar anderen Wirkungen – auch für kurze Zeit Serotoninbildung im Gehirn provoziert. Heißt also: Zu Bismarcks Zeiten mussten die Menschen mit weniger „Glückshormon“ im Jahr auskommen als heute. Womit der weitreichende Erfolg der Spiderman-Trilogie erklärt wäre: Nur gedopt kann man so einen Schwachsinn gut finden.
Im neunzehnten Jahrhundert dagegen gab es einfach nicht genug Zucker, in keinem der Rezipienten, um Nietzsche eine heitere Seite abzugewinnen. Heutzutage wäre das durchaus möglich, allerdings lässt sich Nietzsche an die Jugend so schlecht vermitteln. Zwischen Digimon und Pokémon und noch zehntausend anderen geisteskranken, japanischen Stop-Motion-Anime-Serien hat der „Fall Wagner“ soviel Platz wie ein Handvoll Pommes zwischen zwei fetten Kindern.
Der Punkt ist: Man wählt sich sein glückliches Verließ selber.
Und wenn man gewählt hat, dann sollte man wenigstens dabei bleiben. Den Ausgang aus der selbst gewählten Unkenntlichkeit, den muss erst noch jemand proklamieren.
Dick sein ist wie in der PDS sein, oder in der katholischen Kirche: Es zwingt einen niemand dazu.
Aber hat man sich einmal dafür entschieden, man findet allerorts irgendeinen Verein der die „Rechte der Dicken“ schützen will. Moralversessene und meistens Elternbeirats-Medienwächter beschweren sich über die vorrangige Darstellung von Dünnen und die Unterrepräsentation von dicken Kindern. Allgemein seien ja die Vorbilder in Funk- und Fernsehen so unrealistisch dünn und aufgetakelt.
Natürlich sind die alle dünn und aufgetakelt! Schon mal einen Film gesehen in dem auch der Hauptdarsteller nicht geschminkt ist? Hm? Nein? Hätte ich auch nicht gedacht.
Es gibt eben die, die den schnellen Weg zum Glück wählen, über Schokokuchen und Karamellbonbons und die, die bei MacFit auf dem Stepper schwitzen. (oder altmodisch zum Curling gehen, oder wo auch immer richtigen „Sport“ machen!)
Ich nehm’ mich da gar nicht raus. Körperlichkeit ist nichts mit dem ich so einfach umgehe, zusammen mit dem Rest der Menschheit (schätze ich mal). Wir möchten uns die absolute Gleichberechtigung einreden, aber gesteuert von Abermillionen Faktoren (äußere & innere), werden wir klein, groß, dick, dünn und doof oder schlau.
Nur die Einstellung dazu, die wählen wir selbst. Wir kaufen Salzstangen oder Sacher-Torte, Plateau-Schuhe oder Sneakers, Nietzsche oder Tommy Jaud.
Was mir dabei einfällt: Wetten dass…? lief wieder. Angeblich soll es nicht „sooo“ die bescheuerte Sendung gewesen sein. Der „sexiest man alive“ trug die Familienministerin durch die Halle.
Nachdem mir erklärt wurde, dass man mit der Fähigkeit ein Handtuch „aufzurichten“ (mit dem entsprechenden Körperteil) seine Potenz messen kann, fiel mir folgende Saalwette ein: Alle achtundzwanzig Brockhaus-Bände, ohne die Arme oder Beine zu benutzen, in der richtigen Reihenfolge in ein Regal heben. Mal ne Wette mit Substanz.
Ich schmeiß‘ jetzt zwei ben-u-ron ein und kill dann ne Prinzenrolle, mit Anstand. Gute Nacht.

Mein Advent, Dein Advent. Teil 2: Panik (in acht Punkten)

Jemand hat mir neulich das Konzept des Weihnachtsmanns als „doch irgendwie anarchistisch“ verkaufen wollen: Der Weihnachtsmann fährt durch die Welt und verteilt selbstlos seine Geschenke, jeder bekommt was er will.
Ich halte das für ausgemachten Bullshit. Humbug, um germanisch zu bleiben.
Der Weihnachtsmann ist alles, aber kein Anarchist.
Er ist vielmehr wie ein Kaufhaus, in dem man mit Karma-Punkten einkaufen kann. Vielleicht ist er auch ein zuverlässiger Paketdienst, wobei mein „Weltfrieden“, den ich sechsundneunzig bestellt habe, immer noch nicht da ist.
Menschen geraten ja unglaublich schnell in Panik, gerade wenn etwas nicht da ist was eigentlich da sein sollte. Zum Beispiel: Sicherheit.
Und plötzlich rufen alle „Feuer!“
„Droht jetzt die Brutal-Rezession?“, stand vor kurzem auf der Bild-Zeitung. Die SZ verlangte nach der Feuerwehr, glaubte aber dass die Koalition dem nötigen „Rettungspaket“ misstraut. Gleichzeitig führte der Spiegel eine neue Rubrik unter dem Titel „Desolate Wirtschaftslage“ ein.
Irgendwie erinnert mich das an die Geschichte von dem Jungen, der vor der Stadt aufpassen soll dass der Wolf nicht kommt … oder sollte er auf die Schafe aufpassen? Egal: Jedenfalls ruft der Junge irgendwann aus Langeweile „Wolf!“ und alle kommen angerannt. Kein Wolf da, Dorfbewohner sauer, der Junge macht das noch einmal und beim dritten Mal kommt der Wolf wirklich … bla, bla … man weiß wie das ausgeht. Gemetzel, tot: Wie ein Eli Roth-Film. (Übrigens: Hostel 2 war ja so unendlich schlecht!)
Der Punkt ist: Diesmal ruft der Junge-Schrägstrich-„Die Medien“ „Wolf“ und die Dorfbewohner-Schrägstrich-„Die Bevölkerung“ glauben ihm. Einfach so. Und wenn man dran’ glaubt, auch ohne Beweise, dann wird der Wolf irgendwann Wirklichkeit. Tada!
Fertig ist die Panik.
Aber seit wann soll die Wirtschaftslage denn „desolat“ sein? Hab ich irgendwas verpasst?
Wir hatten im September ein Außenhandelssaldo (Ausfuhr minus Einfuhr) von 15 Milliarden Euro. Das ist so gut (oder schlecht) wie durchschnittlich in den letzten zwei Jahren [Zahlen vom statistischen Bundesamt].
Wo liegt also das Problem? Aber allerorts hören wir die Gründe für Feiglinge nicht zu investieren: „Oh, nein. Tut mir leid. Honda muss sich aus dem Motorsport zurückziehen. Die allgemeine, schlechte Weltwirtschaftslage … sie wissen schon.“
Ach, hau’ doch ab! Statt vor Jahrzehnten einfach mal zu sagen „Nein, 390 Millionen im Jahr um die Luft zu verpesten und dann auch noch immer hinterherzufahren … lieber nicht“, jetzt über die Generalentschuldigung dieses Weihnachtsfestes austreten.
Panik. Panik. Panik.
Man möchte beinahe glauben: Die Panik hat Methode.
Ganz so, als würde der gesamte Nachrichtenzirkus momentan nach dem altbewährten Acht-Punkte-Plan vorgehen: „Wie zieh’ ich eine PR-Kampagne auf?“
Punkt Eins: Definiere Deine Ziele.
Das ist leicht. Panik.
Punkt Zwei: Führe Forschungen durch.
Ha. Umfragen, Ergebnisse, Statistiken: Kein Vertrauen in die Wirtschaft und die Politik und sowieso alles andere auch. Die Linken sind zu Links, die Rechten zu Rechts und die Tagesschau führt uns jeden Abend vor: So frustriert sind sie. Aha! Was? Sie sind nicht frustriert? Dann wird es aber Zeit. Alle anderen sind es ja schließlich auch …
Punkt Drei: Verändere Deine Ziele auf Basis Deiner Forschung.
Alle sind in Panik? Gut. Dann heißt das neue Ziel … ehm … Sicherheit!
Punkt Vier: Lege eine Strategie fest.
Eine neue Sicherheitsstrategie, zum Beispiel.
Für innere, äußere, soziale und alle andere Sicherheit: Das in Amerika nach der Obama-Wahl ein paar mehr Gewehre in Iowa verkauft wurden, lief bei uns zur Prime-Time auf allen Kanälen! Angst haben sie. Und wir auch und sowieso und jetzt: Jetzt brauchen wir Rettungsprogramme. Und e-Mail-Überwachung und einen neuen Knut und dann noch ein Musical zum Schuh des Manitu und Christkindlmarkt und Gottesdienste im Fernsehen und mehr Qualität mit Gottschalk und und und …
Aber richtig. So mit Ad-hoc-Kommissionen. Milliardengeldern. Programmänderungen und Eingreiftruppen. Mit Soldaten gegen böse Piraten und einem Störtebekerfilm im Kino. Volksbefriedung und Militäreinsatz vor Afrika. Juhu!
Warum gibt eigentlich keiner mal ad-hoc Milliarden gegen den Klimawandel aus, oder für ein Bildungsprogramm das funktioniert? Zum Beispiel für ausgebildete Lehrer und Engagement und Individualabitur und das dreizehnte Schuljahr, damit unsere jungen angehenden Akademiker ein Jahr mehr Zeit haben sich auszutoben, bevor sie den Planeten retten müssen? Naaaaa? Nein. So viel Angst haben wir dann doch nicht.
Punkt Fünf: Erstelle Themengebiete, Symbole und Anreize.
Ha. Wir brauchen Führer. Weise und alte Männer, mit Taschenuhren und Zigarrenqualm. Zuuum Beispiel … Helmut Schmidt.
Was? Echt? Ja, ja. Auf dem Titel des aktuellen Spiegels steht „Wie ein Bundeskanzler a.D. zur Ikone der Deutschen wurde“. Hey: Herr Blumencron und Herr Mascolo. Betonung liegt auf „a.D.“! Außer Dienst. Wie der ICE-Eins. Oder die Audi-TT-Modelle, die sich bei Tempo 180 einfach überschlagen … hm?
Eine Ikone! Ikone, ich glaube ich spinne. Ikone von Stuyvesant vielleicht.
Der alte Seitenscheitelträger raucht wie ein Schlot, scheißt auf Menschenrechtsverletzungen in China und war mal Bundeskanzler und Außenminister zusammen (Ämterhäufung heißt das, glaube ich): Mir geht ja schon der Hut hoch, wenn einer gleichzeitig Aufsichtsratmitglied der Nordstream AG und Beirat der Rothschild-Investmentbank ist. Ups. T’schuldige Gerd.
Punkt Sechs: Rufe eine Organisation ins Leben, um Deine Strategie auszuführen.
Rufen … so wie Merkel am nächsten Sonntag ins Kanzleramt?
Schritt Sieben: Entscheide über das Timing und Taktiken
So wie der Bundesdatenbeauftragte Schaar gerade jetzt, wenn alle Angst um ihr Geld haben, davon spricht das sämtliche Daten der Bundesbürger im Netz gehandelt werden?
Schritt Acht: Führe Deine Pläne aus
Und dann ist es so weit … Die Anti-Angst-Kampagne.
Was ich mir dieses Jahr vom Weihnachtsmann wirklich wünsche: Perspektive.
Perspektive der Medien und in den Medien. Und ich meine echte Perspektive. (Und ich meine die alten Medien: Zeitungen und Anne Will, ähh … Fernsehen!)
Glatt übersetzt heißt Perspektive nämlich Durchblick. Und wer blickt hier noch durch?
Überall Panikmache, Angst, Furchtsamkeit. Nicht nur das einen die kürzeren Tage und dunkle Nächte, matschiger Halb-Schnee in den Straßengräben und auf jedem zweiten Internetwerbebanner ne bescheuerte Weihnachtsmannmütze um den gesunden Verstand bringen, nein! Auch wenn wir unseren Freund den Fernseher anmachen: Überall nur Angst. Dabei haben wir doch gerade da gelernt, nicht zuletzt von den Simpsons, dass am Ende alles gut wird. Homer fällt hundert Meter tief, aber nächste Woche sitz er wieder auf der Couch. Also bitte: Ein wenig mehr Zuversicht.
Nicht auf jeden Panikmache-PR-Gag reinfallen.
Natürlich ist klar: Diese acht Punkte sind schon ziemlich weit hergeholt. Immerhin sind sie fast hundert Jahre alt. Ein Typ namens Edward Bernays hat sie Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts aufgestellt und damit für die Tabakindustrie, genauso wie für Straßenbau geworben. Unter anderem arbeitete Bernays für die Amerikanische Gesellschaft für Multiple Sklerose und reduzierte den Namen der Krankheit auf „MS“, um sie für die Gesellschaft besser verdaubar zu machen.
Goebbels fand das so gut, dass er nach Bernays Buch die antijüdische Propaganda aufbaute. Jaha. Und jetzt kommt der Brüller: Bernays war Jude.
Oh. Ich liebe es wenn Pragmatismus Moral überholt. Was schrei ich nun? „Wolf“ oder „Feuer“?

Letzte Chance …

Das drückende Gefühl der absoluten Lähmung. Nichts geht mehr. Die Kehle ist zugeschnürt und man wünscht sich nur drei Stunden, drei Tage, drei Monate oder drei Jahre zurück. Um all das Gesagte wieder rückgängig zu machen.
Aber wer kann das schon? Marty MacFly wohnt hier nicht mehr, stattdessen ist hier jetzt Beetlejuice zuhause. Und alles bleibt anders. Nicht gut, anders.
Chancen sind wie gute Abende, erst hinterher weiß man: Der war richtig geil. Besonders, um nicht zu sagen.
Und man ärgert sich, nein: Man schämt sich. Vor sich und vor sowieso allem. Man schämt sich. „Das hab’ ich versaut.“ Shame on me. Verdammte Kacke!