Nach dem Holozän

Man stelle sich also vor auf dieser Party zu sein: Und da trifft man sie…
Ehrlich gesagt: Man stelle sich vor es wäre meine Party. Mein Geburtstag.
Das heißt also: Alles beginnt bei mir zuhause. In der Dusche.

Würde man diesen Teil des Abends mit einem Teil der Erdgeschichte vergleichen, es wäre das Hadaikum. Hadaikum ist das erste Äon, oder die vorgeologische Ära, ungefähr viereinhalb Milliarden Jahre her.
Ich steh’ also unter der Dusche und muss mich entscheiden: Welches Duschgel man nimmt, kann einen fundamentalen Einfluss auf den Verlauf des Abends haben.
Ähnlich dem … genau, dem Hadaikum. In dieser Zeit wurde aus der zähflüssigen Magmakugel, die um die noch junge Sonne kreiste, die Erde. Noch wichtig war dabei: Theia.
Theia war ein marsgroßer Protoplanet, der wie ein Meteor auf der Erde einschlug und durch heraus gebrochenes Magma den Mond bildete, außerdem die Eigenrotation der Erde ankurbelte und für eine deutliche Abkühlung sorgte, wodurch Leben erst möglich wurde. So ähnlich wie ein Deo, oder ein gutes T-Shirt … Hemden sollen auch wirken.
Ich entschied mich für Parfüm. Nicht das normales Deo nicht auch ausreicht … Ich bin der Meinung, gut zu riechen ist unabdingbar. Jeden Tag. Ich weiß natürlich: Man kann mir vorwerfen dadurch unnatürlich zu sein, aber ehrlich gesagt: Ich riech lieber gut und bin unnatürlich, als zu stinken und mich meiner herrlich nasekräuselnden Natürlichkeit zu erfreuen. Also Parfüm. Davidoff (es ist eine Party und mein Geburtstag, etwas Luxus muss sein!). Darüber ein Hemd. Weiß, aber mit hochgekrempelten Ärmeln, Easy-Iron (ich wollte nicht spießig daherkommen). Etwas das sagt: Ich habe Stil, aber kann auch zugreifen. Sozusagen, bestimmt sein ohne ein Fehlen von Klasse.

Nach den Vor-Vorbereitungen, der Dusche, dem Anziehen und zur Party fahren, kam die eigentliche Vorbereitung im Partyraum.
Ich hatte eine Kneipe gemietet. Nicht zu groß (für etwa 80 Leute) und nicht zu gestylt (ich wollte das sich alle wohlfühlen). Dort angekommen beginnt das Herrichten: Musik aufbauen, Buffet installieren (mit Buffet meine ich Chips, Tortillas, Dips) und die richtige Beleuchtung finden. Beleuchtung, so denke natürlich nur ich, ist auf Partys geradezu kritisch bis lebensbedrohlich (für die Party, nicht für mich):
Wenn das Licht zu hell ist … niemand tanzt, weil sich keiner (und keiner die anderen) dabei ertragen kann. Zu dunkel … irgendwann knutscht man mit der Falschen … es ist ein Minenfeld!!!
So ein bisschen wie das Archaikum.
Wenn wir uns also immer noch im Präkambrium des Abends, der Vorphase, befinden, ist die Einrichtung der „Location“ ein eigenes Äon der Erdgeschichte. Es ist der Augenblick wenn es Makromoleküle, durch die Anlagerung anderer Moleküle, schaffen sich zu vergrößern und dann selbst zu reproduzieren. Leben entsteht … wenn alles richtig läuft. Richtiges Licht, richtige Temperatur … auf einer Party darf es nicht zu kühl sein, ebenfalls darf man nicht so sehr schwitzen das jemand beim Tanzen umkippt.
Im Archaikum bildet sich zudem die Atmosphäre und erstmals wird Sauerstoff freigesetzt, der für die folgenden Jahrmillionen und für alle Lebewesen unabdingbar ist.

Was uns zum Proterozoikum des Abends bringt: Der Sauerstoffgehalt der Atmosphäre steigt und erstmals (mittlerweile durch Fossilen nachgewiesen) kann man von tierischem Leben sprechen. Die ersten Gäste kommen.
Es sind die Frühstarter, keine Frage. Viele von ihnen sind die, die schon um halb elf wieder gehen, aber einige halten es bis ganz zum Schluss durch (meistens weil sie sowieso niemand zum Tanzen auffordert, oder sich keiner mit ihnen unterhält, weswegen sie irgendwann einfach in einer Ecke einschlafen).

Und dann geht es los: Kurzes Durchatmen … Das Paläozoikum, oder Erdaltertum ist erreicht. Vor 542 Millionen Jahren, im ersten Paläozoischen-Systems des Kambriums, gibt es einen Einschnitt in der weltweiten Verteilung des Kohlenstoff-Isotops C-13. Globale Erwärmung (damals ohne Probleme und Al Gore) setzt ein und der Meeresspiegel steigt. Plötzlich findet man (besser gesagt man findet heute, damals tauchten sie nur erstmals auf) die Trilobiten, und zwar ganze Schwärme. Das besondere: Sie sind zwei klein und unscheinbar, sehen aus wie Kakerlaken, haben aber ein Kalkskelett. (Außen zwar, nicht sehr schicklich, aber immerhin!)
Irgendwas hat sie angelockt, irgendwas aus ihren Höhlen getrieben und auf einmal sind sie da.
Ob es die besten Verbindungen mit dem ÖPNV an diesem Abend sind, oder ein abstinenter Kumpel der eine große Gruppe von Freunden zur Party fährt, oder die Happy-Hour die ich mit dem Besitzer der Kneipe vereinbart habe (und die Kindl für Einsfünfzig rausgibt) … man weiß es nicht, aber: Plötzlich füllt sich der Raum und die Party beginnt.
Was folgt sind die berüchtigten Phasen (Systeme): Ordovizium, Silur, Devon, Karbon … immer mehr und mehr Arten tummeln sich (Hip-Hop wird gespielt, kurz mal Rock, Drum-and-Base, Elektro …). Fische bilden sich heraus, Korallen … und dann passiert der Gau: 50% der Arten sterben aus. Das Perm ist erreicht und damit das letzte System des Paläozoikums. Hier folgt das größte Massensterben der Erdgeschichte.
Wissenschaftler meinen: Durch eine Absenkung des Sauerstoffgehaltes im Wasser wurde ein Sterben provoziert und gleichzeitig die Herausbildung der Amphibien beschleunigt.
So auch auf der Party. Die ersten Gäste gehen. Besser gesagt: All jene die mir gratulieren wollten, und auch wirklich nur gratulieren wollten (oder Pärchen sind und schnell wegmüssen), sie gehen. Irgendwann, einfach so. Irgendwas ist passiert, ich weiß nicht was: Das Bier ist wieder teurer, die Bahnen fahren gleich nicht mehr … was auch immer. Sie sind auf jeden Fall weg.
Was dann noch kommt: Nachtschwärmer & Nachzügler.
Willkommen im Mesozoikum.

In der Zeitspanne zwischen 251 und 65 Millionen Jahren (vor heute) befinden wir uns im Erdmittelalter. Auf unerklärliche Art und Weise starben vor dem Mesozoikum mehr als drei Viertel aller Arten aus. Die Erde, die Kneipe ist verwaist. Große Lücken auf der Tanzfläche.
Und die Welt wird wie wir sie kennen. (Wüst & leer? Nein! Überschaubar und wunderschön.) Die ersten Blütenpflanzen entstehen, die ersten Bäume und die ersten größeren und kleineren Säugetiere. Und auch sie. Das Mädchen meiner Träume.
Dort ist sie und neben ihr entstehen die Dinosaurier.
Fast das gesamte Erdmittelalter hindurch dominieren die Dinosaurier die Tanzfläche. Passend unpassend wird von Queens of the Stone Age bis zu Metallica alles gespielt. Als ich zum zehnten Mal angeschrien werde doch endlich JBO zu spielen, beschließe ich dann die Erdneuzeit einzuläuten:

War am Anfang des Mesozoikums noch alles eine Gruppe, ein Superkontinent (nennen wir ihn des spaßeshalber „Pangaea“), driften die Kontinente bis zur Erdneuzeit, dem Känozoikum, auseinander. Klimazonen richten sich ein, dass Wetter stabilisiert sich und der Atlantik wird geschaffen.
Viele sagen: Es war ein Meteorit, der auf Yucatán einschlug, und zum Aussterben der Dinosaurier führte … ich sage: Mit der Erdneuzeit kam die Chill-Out-Mucke.
Zu Massive Attack, Kruder & Dorfmeister und Portishead sitzen nun alle – die vom zweiten Massenaussterben der Erdgeschichte übrig geblieben sind und sich weiterentwickelt haben – auf den verteilen Sofas und Bänken herum. Einzeln werden Colas bestellt, weil man schon nicht mehr gerade gucken kann.
Die Alpen falten sich auf, dass heutige Europa (vielleicht ohne die Grenzen) beginnt in seiner Gestalt uns nun ziemlich bekannt vorzukommen und mit der letzten Eiszeit vor 2,8 Millionen Jahren kühlt sich alles auf normal runter und der Nordpol entsteht. (Der Südpol entstand schon 35 Millionen Jahre früher, aber sprechen Sie ihn nicht darauf an: Er ist da empfindlich.)

Die jüngste geologische Epoche der Erdgeschichte ist das Holozän. Es dauert von vor 11700 Jahren bis heute an. Der Sonnenaufgang jeder Party.
Man hat all das übrig Gebliebene und die gebrauchten Plastikbecher, jedenfalls die die nicht auf der Tanzfläche platt getreten wurden, in großen Mülltüten eingesammelt und bringt es raus auf die Straße. Über der Stadt hängt dieser kühle Dunst und feucht schimmernde Morgenluft. Man atmet kurz durch und meint: Den letzten Jägermeister hätte ich nicht trinken dürfen. Dann tritt sie aus der Kneipe.
Sie ist extra länger geblieben. Ihre beste Freundin hat schon im Mesozoikum die Flucht ergriffen, sie aber hat getanzt. Mit den Dinosauriern und nachdem diese ausgestorben waren weiter zu „Teardrop“, zu „Roads“ und zum ganzen DJ-Kicks-Album.
Man sieht sie an und lächelt. Ich sehe sie an und lächle.
„Was machst Du nach dem Holozän?“, möchte ich fragen.
Irgendein Bäcker hat bestimmt schon auf und es gibt warme Croissants.
Eigentlich mag ich keine Croissants, aber sie mag die bestimmt und man ist ja nur einmal jung.
Sie lächelt zurück.

Protostern

Es gibt ein allgemeines Gesetz, welches beschreibt das in einer Gaswolke immer ein innerer Druck besteht, der versucht das Gas auseinander zu treiben. Dieser Druck sorgt dafür, dass sich Gase in einem Raum immer gleich verteilen. Das heißt: Wenn ich mir eine Hand aus diesem Raum nehme, werde ich – egal wohin ich greife – immer die gleiche Anzahl von Gas-Molekülen erwischen.
So kommt es auch, dass man einen Luftballon nicht einseitig aufblasen kann. Der Luftballon, also die Luftwolke im Ballon, folgt der Form des Raumes (des Ballons). Egal ob diese Form rund, lang gezogen oder eckig ist. (Und: Nein, ich habe auch noch nie einen eckigen Luftballon gesehen. Bleiben wir beim Thema.)
Das Gesetz des inneren Drucks gilt auch für interstellare Gaswolken. In diesen Gaswolken herrscht aber auch noch eine weitere Kraft, neben dem inneren Druck: Gravitation. (Gravitation wirkt natürlich auch im Luftballon, sagen wir aber einfach mal: Die Auswirkungen in einer riesigen, interstellaren Gaswolke sind … eindrucksvoller.)
Gravitation, also die gegenseitige Anziehung aller Atome in der Gaswolke, hält sich mit dem inneren Druck lange die Waage. Allerdings kann es dazu kommen, dass unsere interstellare Gaswolke so groß (und/oder dicht) wird, dass die Gravitation überwiegt.
Nun passiert etwas Grandioses: Die Gaswolke fällt in sich zusammen.
Klingt erstmal öde, aber man stelle sich das so vor: Auf einem Kindergeburtstag bläst ein Clown (oder der Vater, der die Kinder bespaßen muss) einen Luftballon so weit auf, dass dieser irgendwann mit soviel Luft (und Spucke) gefüllt ist und in sich zusammenbricht. Hat dies einmal begonnen, ist es nicht mehr aufzuhalten. Es geht weiter und weiter: Der Luftballon, äh die Luft im Ballon – also unsere interstellare Gaswolke – konzentriert sich um einen immer kleinen werdenden Punkt. Die Gravitation wird immer stärker, weil: Wenn mehr Masse dazu kommt, sich auch die Anziehungskraft erhöht.
Der Ballon (wahrscheinlich mit Vater-Schrägstrich-Clown, der gesamten Kindergeburtstagsgesellschaft und mindestens dem halben Wohnzimmer) fällt, in rasendem Tempo (und da große Masse auch Auswirkung auf die Zeit hat, wirklich rasend!) immer weiter in sich zusammen. In diesem Kollaps kommt es zu Turbulenzen, ganz wie auf einem echten Kindergeburtstag. Die Turbulenzen sorgen dafür, dass der Ballon (unsere Gaswolke) nicht gleichmäßig in sich zusammenfallen kann. Es bilden sich Verdichtungen, die wiederum in sich zusammenfallen, neue Turbulenzen bilden, wiederum Verdichtungen und so weiter und so weiter: In diesem Towabo entstehen schon die ersten Sterne, die wiederum mit ihrer Strahlung andere Verdichtungen und Wolken anstecken und so auch deren Kollaps provozieren. In Windeseile ist nicht nur der Ballon, die Kindergeburtstagsgesellschaft und das Wohnzimmer, sondern mit ihr auch der ganze Block gravitationsinstabil geworden und in sich zusammengefallen.
So ein Ballon-Kollaps ist aber eine vertrackte Angelegenheit: Zuerst, wenn die Gaswolke noch sehr groß und die Teilchen weit voneinander entfernt sind, fallen sie beim Kollaps noch ungehindert nebeneinander her. Problem ist nur: Alle fallen auf einen Punkt.
Beim Fallen geben die Wolken-Teilchen zudem Strahlung ab – sind ja schließlich auch schnell unterwegs, so im freien Fall. Zuerst kann die Strahlung gut entweichen, sobald sich die Teilchen allerdings immer weiter annähern, hitzt sich die ganze Schose immer weiter auf. Im Inneren, also auf dem Punkt, bildet sich ein heißer Kern. Der Kern ist wiederum mit einer ausgedehnten Hülle umgeben, die allmählich auf den Kern herunterfällt. Die Strahlung, die vom heißen Kern ausgeht, wird von der Hülle absorbiert und bei rund 500° Celsius fängt sie selbst an im Infrarotbereich zu strahlen. Das erste Mal ist ein Stern zu erkennen, den man logischerweise Infrarotstern nennt. Da sich aus der ehemaligen Gaswolke viele Sterne bilden, sieht das ganze dann wie eine Batterie roter Luftballons aus, die wie Mamis Wärmelampe glühen (nur um im Beispiel zu bleiben).
Nun bleibt es aber nicht beim Infrarotstern, sondern die Hülle wird immer dünner und irgendwann durchsichtig. Man kann bis auf den Kern gucken und hier spricht man nun endlich von einer jungen Protosonne.
Diese Protosonne ist allerdings viel größer als später der stabile Zustand sein wird: In unserem Sonnensystem war die Protosonne 60mal größer als heute und die Leuchtkraft war sogar 100mal größer, was zu erheblich dunklerem Teint für uns Mitteleuropäer geführt hätte (auch ohne Bräunungscreme), hätte es damals schon eine Erde gegeben.
Was die Protosonne dann macht ist einfach: Sie schrumpft. Gleichzeitig steigen natürlich die Temperaturen im Inneren, sie wird weiter kleiner und heißer und irgendwann ist es so weit: Bei mehreren Millionen Grad (mehr oder weniger, so hoch misst kein Thermometer) zündet der Wasserstoff. Uh, moment: Ist natürlich klar das auch in der Protosonne hauptsächlich Wasserstoff vorkommt, schließlich kommt der auch sonst überall am häufigsten vor.
Nun verbrennt also der Wasserstoff zu Helium und das Schrumpfen hat ein Ende. Der Druck im Inneren kann der Schwerkraft das Gleichgewicht halten.
Im Zentrum bildet sich ein Heliumkern und der Wasserstoff verbrennt nach Außen. Blöd nur, dass der Heliumkern nichts zu tun hat, er wird von der eigenen Schwerkraft wieder zusammengedrückt, und Energie wird frei, der Druck steigt und wird wieder größer als die Schwerkraft: Der Stern bläht sich wieder auf. Die Protosonne kriegt einen Spitznamen: Roter Riese. Dies passiert – kosmisch gesehen – relativ schnell. In nur 500000 Jahren stoppt die Expansion wieder und im zusammengedrückten Kern sind Temperaturen erreicht, die aus dem Helium Kohlenstoff brennen. Man kann raten was passiert: Natürlich, nun brennt das Helium nach Außen durch (so wie vorher der Wasserstoff).
Wenn nun alle Kernprozesse und alle Verbrennungsprozesse und eben das Ganze „Brennen-Kern-bilden-zusammenfallen“ abgeschlossen ist, gibt es manche Sterne die eine explosive Phase durchmachen und am Ende ihres Sternenlebens zur Supernova werden. Ich hab’ zwar selbst noch keine Supernova gesehen, aber es muss ein unvergleichbarer Anblick sein: Wahrscheinlich wird es auch der letzte sein den man hat. Die Explosion einer Supernova ist nämlich für kurze Zeit hundertmillionen Mal heller als der Stern jemals vorher war.
Was danach passiert hängt ganz von der ursprünglichen Masse des Sterns ab:
Entweder der Stern war sowieso nie sehr groß, fällt am Ende einfach in sich zusammen und bildet wieder ein Gleichgewicht (und wird dann ganz treffend „Weißer Zwerg“ genannt, was dem entspricht was er ist: Das verschrumpelte Überbleibsel einer Sonne.), oder die Protonen und Elektronen falten sich zu ladungsneutralen Neutronen zusammen. Neutronensterne und Pulsare entstehen, die dann durch sehr dichtes Teilchenpacken Magnetfelder bilden und Signale auf Radiofrequenzen senden (ohne Scheiß! Die Jungs von SETI haben schon oft gedacht endlich meldet sich jemand, dabei war es nur wieder ein neuer Pulsar!). Das beste Ende haben aber Sterne die besonders massereich waren:
Hier wird beim Zusammenfalten der Protonen und Elektronen die Schwerkraft so stark, dass selbst das Licht nicht mehr gegen sie ankommt. Und nun ist auch kein Stern mehr da, weil wir auch nichts mehr sehen können: Das Licht kann nicht entweichen, ein schwarzes Loch ist entstanden. Wobei „schwarz“ eher ungenau ist, und man eigentlich auch einfach „Löcher“ sagen kann.
Dort eben, wo nichts ist.
Und alles nur, weil jemand einen Luftballon zu weit aufgeblasen hat.

März

Warum hat man eigentlich den Februar ausgesucht um kürzer zu sein als die anderen Monate? Zwölf Monate, damit man auf ein Dutzend kommt? Oder zwölf Apostel? Nein.
Und dann gemerkt: Huch. Passt nicht mit ner gleichen Anzahl von Tagen für alle. Okay, machen wir Dreißig/Einunddreißig. Warum nicht elf Monate mit dreißig Tagen und im Dezember fünfunddreißig Tage? Würde sich keiner beschweren. „Zwischen den Jahren“ wäre definitiv länger. Mehr Zeit um Geschenke nach Heiligabend umzutauschen, bevor man wieder Böller kaufen muss.
Aber was soll das mit dem Februar? Wirkt wie ein „Behelfs“-Monat. Zu kurz um wirklich zu zählen. Sagt ja auch keiner: Ach, ich mach’ den nächsten Monat frei. Oh. Das ist Februar. Nee, dann warte ich noch bis März.
Undankbarer Monat, wirklich. Ich will jetzt gar nicht anfangen mit Geschichten über Schaltjahre.

Womit ich anfangen will, ist der März. Aus persönlichen Gründen steht mir der Monat ziemlich nahe. Außerdem fängt in diesem Monat der Frühling an. Jetzt nicht dass sich irgendjemand dran hält, schon gar nicht die äußeren Umstände. Auch Osterkram gibt es bereits im Februar. Aber der März ist schon besonders. Wie die zehntausend Kilometermarke eines Autos. Dann, wenn es richtig eingefahren ist. Wenn schon ein paar Spuren im Lack sind, oder man das erste Mal durch den TÜV muss. Der März ist ein Bewährungsmonat. Das neue Jahr hat sich eingependelt. Meistens früher als man denkt.

Das liegt natürlich auch daran das im März die wichtigen Achtelfinals des UEFA-Cups sind. Ich sag’ nicht das es die wichtigsten Spiele sind, nur: Immerhin steckt schon „Finals“ im Titel … irgendwas muss das ja bedeuten.
Und im Februar wird die „Zwischenrunde“ ausgetragen. Platzhalter eben. Ich wette wenn man sich das genauer anguckt, werden im Februar auch weniger Kinder geboren als in allen anderen Monaten … nein, natürlich nicht nur weil es weniger Tage gibt … auch weil alle Mütter versuchen noch länger auszuhalten:
„Nein, nein. Ich schaff’ das. Ich will das es ein März-Kind wird!“

Viele Kinder wurden auch im August geboren. Im August 1969. Woodstock. Ich persönlich war nicht dabei, aber mir wurde erzählt: Es soll fan-tastisch gewesen sein. Menschen, wohin man sah. Arme, Beine … alle nackt. Na ja, die Arme & Beine wahrscheinlich sowieso. Immerhin war es August.
Es war der „Sommer der Liebe“. Wieder mal hat der Februar, und mit ihm der Winter, total abgestunken. Ich hab’ noch nie gehört: Hey, lasst mal ein Festival der „Freien Liebe“ im Februar machen. Klingt auch nicht. „Frühjahr der Liebe“? Tz.
Und „Winter der Liebe“ klingt nach nem apokalyptischen Film.

Apropos Film: 2009 kommt ein Film in die Kinos (wahrscheinlich eher in Amerika, als bei uns) der „Miss March“ heißen wird. Irgendwie geht’s da um ein Mädel aus dem Playboy…bla,bla,bla … der Punkt ist: Der „working title“ lautete „Miss February“. Haben sie aber geändert, in „Miss March“. Muss ich noch mehr sagen?

Es schneit, immer noch.

Fast Ende Februar und es schneit so stark, ich komme mir vor wie in einem Remake von The Day after Tomorrow (ohne die schlechten Special-Effects natürlich).
Ich bin ja nicht der Typ, der sich über das Wetter aufregt, aber: Come on!
Globale Erwärmung am Arsch.

Mir ist aufgefallen, dass Menschen, die von sich selbst sagen „ich bin ja nicht der Typ“ immer genau der Typ sind. Stehen bei Kaisers an der Fleischtheke und sagen dann: „Eigentlich bin ich ja auch Vegetarier, ich esse nur ganz wenig Fleisch.“
Auch Vegetarier. Als wenn man als Vegetarier ein besserer Mensch wäre.
Jesus war kein Vegetarier. Und hätte es damals ein H&M gegeben, er hätte seine Kutte da gekauft: Vonwegen „nur das Billigste“ und so.

Gerade sind ja auch winzige Netbooks total in. Jeder hat eins. Und „Mensch“ sind die billig. Gerade haben wir die erste Stöpsel-Generation hinter uns, Mittelalte-Walkman-Menschen laufen mit Hörstürzen durch die Gegend, jetzt versaut sich eine weitere Generation das Augenlicht. Jedenfalls sind die neuen Jugendlichen nicht so dumm und quälen sich winzige Ohrhörer in den Hörkanal: Lieber Handy auf volle Lautstärke.
Ich will ja immer was sagen, in der S-Bahn. Trau mich dann aber nicht.

Neulich hab’ ich mich getraut und Tofu gegessen. Jemand hat mir erzählt: Dieses Imitat-Hack, dass aussieht wie echtes Hack, aber aus Tofu ist, schmeckt genauso wie echtes Hack. Ich hab’ das nicht geglaubt. Stimmt auch nicht. Schmeckt viel besser.

Viel besser als Sabine Christiansen ist Anne Will nicht. Sowieso: Am Sonntagabend hat ein normaler Mensch doch besseres zu tun, als sich über die Zukunft unserer Nation Gedanken zu machen. Früher war noch Zeit für Politik. Früher hatten wir auch noch keine Finanzkrise. Chaos, sagen die Zeitungen. Aber die kauft sowieso niemand mehr. Jetzt wollen sie alles per Netz machen. Online-Magazine mit „Micro-Payments“. Ich wundere mich woraus die nächste Generation der Kindergartenkinder dann ihr Pappmaché machen will? Vielleicht aus PDA’s und alten iPhones.

Mir ist ein Klassenunterschied aufgefallen: iPhones sind die neuen Manschettenknöpfe. Früher war es doch so: Die echt wichtigen, die goldenen und feinen Manschettenknöpfe waren so klobig, die guckten immer aus dem Jackettärmel heraus. Man sah dem Träger seinen übergeordneten Status an. Heutzutage legt jeder sein iPhone auf den Tisch. Weils entweder eine Seite der Jacke runterzieht oder zu sperrig für die Hosentasche ist. Und wer trägt schon sein iPhone im Rucksack oder der Handtasche, wenn man es auch auf den Tisch legen kann? Wäre doch witzlos.

Sagenumwogen witzlos sind ja auch Handtaschen für Männer. Und ich meine diese Extra-Handtaschen, also die, die die Industrie … Sekunde: Lustig dieses „die, die die“ … weiter: … die die Industrie für Männer extra entwickelt hat. Nicht etwa die umfunktionierten Bauchtaschen, die einige „Kerle“ wie einen Patronengurt quer über der Brust tragen. Das sieht so gut aus, ich möchte angeekelt, und mit vor Fremdscham verzerrtem Gesicht, ein Stück aus meiner Milka-Weihnachts-Teetasse raus beißen.

Apropos Milka. Nein, mir fällt nichts zu Milka ein. Aber zu Schokolade im Allgemeinen: Biologisch gesehen wird über die Liebe gesagt, sie sei wie große Mengen Schokolade. Schade nur für die Allergiker, oder gilt das auch für Laktosefreie Schokolade? Gibt es Laktosefreie Schokolade überhaupt? Und was ist mit mir? Bei zu viel Schokolade bekomme ich Pickel. Wobei: Ich weiß nicht ob die Schokolade um die Nuss bei m&m’s zählt. Schreit nach einem Selbstversuch.
Es opfern sich sowieso dieser Tage viel zu wenig Wissenschaftler im Dienst der Menschheit. Dieser Typ, der Doku-Soaps erfunden hat …

Gerade fährt vor meinem Fenster so ein kleiner Räumwagen vorbei. Schafft es nicht mal die oberste Kante von all dem Schnee abzutragen. Armes Ding. Und vor ein paar Tagen wollte ich noch eine Geschichte über einen Millionär schreiben, der sein Geld mit einem Schneeräumdienstimperium (schönes Wort) verdient hat. Fand’ ich aber zu absurd. Gerade in Deutschland …
Was haben die gesagt? Temperaturen steigen um 0,1 Grad Celsius im Jahr? Merk’ ich gar nicht. In your face, Al Gore!

24. August 2009

Es war ein Montagmorgen, natürlich. Die wirklich wichtigen Dinge passieren nicht am Donnerstagnachmittag, wenn man gut ausgeschlafen und fit ist. Montagmorgen, vor Acht. Mein erstes Gespräch mit der Senderleitung und es musste Montagmorgen vor Acht sein. Ich war nervös. Vor einer Woche hatten es drei meiner Witze in die neue Show von Harald Schmidt „Schmidts Katze“ geschafft und nun saß ich hier.
Mit mir am Konferenztisch des „Raum 1408“, im 14ten Stock des Sendegebäudes von Deutschlands drittgrößtem Privatsender, saßen fünf Männer in Anzügen. Keiner der Männer sagte etwas zu mir. Ich schob das auf meine Frisur. Letzte Nacht hatte ich komplett auf der linken Seite geschlafen und war mit deutlichen Spuren in meinen Haaren aufgewacht. Ohne wirklich Zeit für irgendwas, war ich in T-Shirt und Jeans hergefahren. Und jetzt wartete ich. Na toll!
Ich zog mir eine der geputzten Aluminiumkannen mit Kaffee heran und betrachtete mein verzerrtes Spiegelbild: Irgendwie schien meine Nase größer als mein Kinn, also sollten meine Haare das kleinste Problem sein.
Plötzlich flog die Tür zum Konferenzraum auf und eine Frau in Hosenanzug und ein junger Mann direkt hinter ihr (nicht im Hosenanzug) kamen herein.
„Guten Morgen“, sagte die Frau, die ich mal eben auf Ende Vierzig schätzte. Wobei ich ihr damit nicht zu nahen rücken wollte, sie konnte tatsächlich jünger sein, woher weiß ich schon genau wie eine Frau Anfang Vierzig auszusehen hat?
Die fünf Männer in Anzügen machten Anstallten aufzustehen, hielten aber mitten in der Bewegung inne, als ihnen die Frau mit einer Geste das sitzen bleiben erlaubte. Sie setzte sich ans Kopfende des Tisches, mir gegenüber. Ihr junger Gefolgter setzte sich daneben und zückte gleich einen Notizblock. Ich hatte zwar keine Anstalten gemacht aufzustehen, als die Frau im Hosenanzug rein kam, fand aber die Bewegung und das Innehalten witzig. Irgendwie sah man, oder sahen die Männer in Anzügen, dabei ertappt aus. So als säßen sie auf dem Klo und jemand kommt rein. Voller Scham wollen sie aufstehen, verharren aber, als sie an ihre Entblößtheit denken und versuchen sich schnell noch ihre Hosen hochzuziehen. In Gedanken machte ich mir eine Notiz einen Sketch über einen Chef zu schreiben, der seinen Angestellten bis auf die Toilette begleitet um ihm Anweisungen zu geben, er entlässt den Angestellten dann zwar in die Klokabine, ihm fällt allerdings noch etwas ein und der Rest des Gesprächs findet für den Angestellten in dieser lauernden Wartestellung statt. Natürlich machte ich mir nicht wirklich eine Notiz. Ich kann mir in Gedanken keine Notizen machen. Alles was ich in diesem Moment konnte, war mir den Sketch so lange zu merken bis das Gespräch hier zu ende war, um dann schnellstmöglich einen PC zu finden, oder einen Stift und einen Block (ich war ja kein hirnloser Grobmotoriker). Darauf zu achten auch mal etwas mit Stift und Block zu schreiben, hatte ich mir angewöhnt als eine Exfreundin mir mal einen meiner fein-säuberlich getippt und ausgedruckten Liebesbriefe (mit Datum, Kontaktdaten und dem Vermerk: „Diese Nachricht wurde maschinell erstellt und ist deswegen ohne Unterschrift gültig.“) wutentbrannt zurückgab.
„Hiermit ist die Planungssitzung für das Spielfilmquartal Vier-2009 eröffnet.“, bellte die Frau im Hosenanzug in meine Gedanken hinein. „Ich begrüße auch den jungen Autor, der seit ein paar Wochen so großartige Arbeit bei „Schmidts Katze“ leistet.“
Damit meinte sie mich.
Der erste meiner drei Witze, der es in die letzte Sendung von „Schmidts Katze“ geschafft hatte, war eine einfache Nummer über Verwechslungen:
Ein älterer Mann (gespielt von Schmidt) und trifft eine junge Frau (gespielt von Nora Tschirner, die als Gast auftrat und natürlich um einen neuen Kinofilm vorzustellen) im Park. Der Mann hat eine Rose dabei aber die Frau wird sauer, weil in der Anzeige nichts über graue Haare stand. Der Mann weiß nicht was sie meint, aber die Frau fährt fort das er außerdem nicht mal annähernd wie sein Profilfoto aussieht und sowieso einen ganz krummen Gang hat, was ja wohl kaum geht, wenn er Profisportler sein soll. Der Mann will widersprechen, doch die Frau will nichts hören und regt sich über die
Unverschämtheit auf sie hier unter falschen Voraussetzungen herzubestellen, er sei doch bestimmt schon Siebzig. Nachdem die Frau abgebraust ist und den Mann verdutzt hat stehen lassen, taucht Michael Ballack auf und bedankt sich bei seinem Vater (dem Mann) das er ihn hier trifft und ihm noch schnell eine Rose besorgt hat.
„Was wir zuallererst brauchen ist ein Thema für die romantische Komödie.“, sagte die Frau im Hosenanzug in einem alles andere als kompromissbereiten Ton.
„Romantische Komödie?“, fragte ich über den Tisch hinweg. Noch waren mir die Spielregeln nicht ganz klar. Irgendwas wurde hier entschieden, aber was und inwieweit ich da was zu sagen hatte war doch noch auszumachen, oder?
„Ja. Die romantische Komödie für den Winter. Unser Programmhighlight an einem der vier Adventssonntage. Eine Eigenproduktion, orientiert an internationalen Hits. Sie werden das schreiben.“
Wieder dieser Ton. Scheinbar würde ich das wirklich schreiben. Das war mir zwar neu, aber niemand am Tisch schien es zu bzweifeln.
„Okay …“, war alles was mir einfiel. Romantische Komödien sind ja per se nicht schlecht:
„Wie wäre es mit so etwas wie Keinohrhasen?“
Einer der Männer in Anzügen hatte sich nach vorne gebeugt und lächelte vertrauensvoll die Frau im Hosenanzug an.
„Keinohrhasen 2?“, fragte die Frau.
„Da könnte es rechtliche Probleme geben.“, erwiderte nun ein zweiter Mann im Anzug.
„Finden Sie mir das raus“, befahl die Frau. „Falls wir Keinohrhasen als Titel kaufen können, kaufen wir ihn und machen einen zweiten Teil. Nicht mit Til Schweiger und dieser MTV-Moderatorin, aber schon irgendwie. Und einen netten Untertitel müssen wir finden, so was wiiiieeee …“
Beim lang gezogenen „wie“ schien die Frau im Hosenanzug nicht wirklich nachzudenken, vielmehr wartete sie auf etwas. Ein dritter Mann im Anzug sprang ein:
„Die Rückkehr der Mümmler.“
Der Frau im Hosenanzug gelang es tatsächlich begeistert auszusehen.
„Sehr gut. Und wenn wir die Namensrechte nicht kaufen können, dann müssen wir etwas Vergleichbares finden. Etwas das zündet.“
„Meine Frau, die Hasen und ich.“, sagte nun ein vierter Mann im Anzug. Wenn so was ginge, hätte ich mir gern in Gedanken mit der Hand vor den Kopf geschlagen.
„Sehr gut. Wunderbar. Was sagen Sie?“
Alle Aufmerksamkeit war plötzlich auf mich gerichtet und meine Stirn tat weh.
Der zweite meiner drei Witze, der es in die letzte Sendung von „Schmidts Katze“ geschafft hatte, war ein Kalauer aus den Nachrichten:
Im Segment „Diese Woche in Schmidts Welt“ las Schmidt vom Telepromter Zwei- bis Dreizeiler vor und bekam dazu jeweils ein, mehr oder minder, lustiges Bild eingeblendet.
Mein Dreizeiler war: „Der katholische Linzer Weihbischof Gerhard Maria Wagner fiel durch seine Äußerung auf, dass Homosexualität „heilbar“ sei. Auf die Frage hin, wie man einen Homosexuellen denn erkenne, antwortet er: Das sei leicht. Schwule haben meistens unmännliche Vornamen, tragen gerne hübsche Gewänder, arbeiten nur mit Männern zusammen und haben keinen Sex mit Frauen.“
Ohne genau zu wissen worauf ich mich hier einließ, wagte ich dann doch die Frage:
„Ehm … Sie wollen wirklich dass ich für sie Keinohrhasen 2 schreibe?“
Die Antwort fiel kurz aus: Ein Nicken, mehr bekam ich nicht.
„Und sorgen Sie dafür, dass Tiere drin vorkommen. Eine Katze vielleicht.“
„Wie wär’s mit einem Hasen…“, meinte ich als Witz.
„Was Sie wollen. Sie sind der Kreative. Aber Tiere müssen sein. Das zieht. Außerdem fand ich diese Katze in „Meine Frau, die Schwiegereltern und ich“ zum schießen. Vielleicht können Sie was Ähnliches machen. Ein Hase der alleine auf Klo geht, zum Beispiel. Brüllend komisch.“
„Ich denke nicht das…“, versuchte ich zu sagen, wurde aber vom fünften Mann im Anzug übertönt. Er sah nicht mich an, sondern hielt Blickkontakt mit der Frau im Hosenanzug.
„Ein Mann der betrunken nicht mehr weiß welche Tür die Tür zum Klo ist und dann in den Wandschrank pinkelt. Eine großartige Szene. Das Publikum wird ausrasten.“
„Ja. Sehr gut.“, nickte die Frau im Hosenanzug. „Bauen Sie so was ein.“
Das war wieder an mich gerichtet. Ich wusste nicht ob irgendjemand erwartet dass ich Notizen machte, griff aber vorsorglich in meinen Rucksack und zog meinen Laptop heraus. Eine halbe Stunde später hatte ich zwanzig Stichpunkte, die von „Liebesszene im Auto und am nächsten Morgen von Polizist geweckt werden“ bis „Held spielt mit kleinem Jungen, der ihm Fußball in die Eier schießt – Brüller“ reichten.
Der dritte meiner drei Witze, des es in die letzte Sendung von „Schmidts Katze“ geschafft hatte, war eine Nummer über den aktuellen Kinofilms „Star Trek“:
Schmidt spielt den gealterten Kirk-Darsteller William Shatner, der sich über die fehlende Einladung zum Dreh der Neuauflage von „Star Trek“ beschwert, als man ihm gesteht man hätte ihn ersetzt. Oliver Pocher kommt rein und übernimmt.
Um kurz nach Neun war die Besprechung vorbei. Ich saß alleine im Konferenzraum und packte meinen Laptop wieder ein, während die Männer in Anzügen und die Frau im Hosenanzug (mit ihrem jungen Gefolge) wahrscheinlich schon längst andere wichtige Entscheidungen trafen. Mit hängenden Schultern, wenn so was anatomisch überhaupt geht, verließ ich das Sendegebäude und machte mich, mitsamt meiner Deadline, der Mindestanzahl von Witzen und der Vorgabe einen Gastauftritt von Jeanette Biedermann rein zu schreiben, auf den Heimweg. In der S-Bahn hörte ich aus den Ohrstöpseln meines Sitznachbarn die entfernte Melodie von „Wolf like me“ von TV on the Radio.
Ich erinnerte mich an die Witze die es nicht in die letzte Sendung von „Schmidts Katze“ geschafft hatten:
Da war die melancholische Nummer über den Jungen, mit dem gerade Schluss gemacht wurde und der einfach nur mit einem Walkman durch den Regen gehen will. Aber es es ist Hochsommer und auf jeder Kassette die er in seinen Walkman einlegt sind die absolut unpassensten Lieder (so was wie „Beautiful Day“ von U2).
Oder der nonverbale Sketch, indem ein Mann in einem Büro ein ganz bestimmtes Buch sucht. Als er merkt dass es unter einem Tischbein eines Kollegen klemmt, fragt er nicht, sondern schleicht sich an und versucht es auszutauschen. Natürlich geht das schief.
Und dann die Geschichte wie sich ein Junge und ein Mädchen kennen lernen. Allerdings sitzen sie in zwei unterschiedlichen Zügen, die nur kurz nebeneinander herfahren. Sie schreibt schnell ihre Telefonnummer auf einen Zettel und hält diesen dann an die Scheibe. Der Junge grinst und die Züge trennen sich. Als sich das Mädchen den Zettel ansieht, merkt sie dass dort „08100880810 ONIW“ steht. Sie kann ihre Dummheit nicht fassen. Da ruft er aber trotzdem an und will wissen wofür Mino die Abkürzung ist.
Solche Witze durfte ich nicht wieder schreiben. So etwas passt nicht in Keinohrhasen 2.
Zuhause angekommen stieg ich erstmal unter die Dusche. Mein Spiegel verriet, dass meine Nase doch nicht größer als mein Kinn war und schon bald lag ich im Bett um dringend benötigten Schlaf nachzuholen. Vielleicht würde ich am Donnerstagnachmittag mit Keinohrhasen 2 anfangen.
Kurz bevor ich wegdämmerte fiel mir noch etwas ein: War da nicht noch ein Sketch gewesen? Irgendeine Nummer die ich aufschreiben wollte?
Dann war ich eingeschlafen.

Nachtgespräch

Alleine stand ich am Bahnhof. Mein Atem deutlich sichtbar.
Für eine Weile wartete ich, fragte mich die Dinge, die man sich in kalten Nächten eben so fragt, und irgendwann begann ich auf dem Bahnsteig auf und ab zu gehen.
Oft frage ich mich: Wie sieht das wohl von Außen aus, was ich gerade mache?
Was denken die Anderen über mich? Man hat so gar keine Ahnung wie man auf Wildfremde wirkt.
In dieser Nacht war mir das egal. Nicht weil es mir egal war, sondern weil ich nicht dran dachte. Ich ging einfach. Ganz selbstverständlich einen Schritt nach dem nächsten machend.
Plötzlich stand sie vor mir:
„Hi.“
Für einen Moment wich jeder Ausdruck aus meinem Gesicht. Hätte ich einen Lolli im Mund gehabt, dies wäre die Szene in der er mir rausgefallen wäre.
„Hi.“, antwortete ich erstaunt und fasste mich erst langsam wieder.
„Kalt, oder?“, sagte sie und es war nicht als Frage gemeint. Es war auch keine Feststellung, kein hilfloser Versuch die Stille zu überbrücken, es war ein Ausblick. Ein Einblick, vielleicht. Etwas das gesagt werden musste. Klar: Es war kalt. Aber wie sie es sagte: Jetzt war es offensichtlich. Nun brauchte man sich nicht mehr damit beschäftigen. Sie hatte einen Punkt gemacht. Es ging weiter. Damit war das Thema abgehakt.
„Ja.“, sagte ich tonlos und versuchte ein Lächeln. Sie nahm es auf und lächelte zurück.
Eine blonde Locke fiel ihr über die Stirn und pulsierte wie eine Sprungfeder auf und ab. Ihre dunkelgrünen Augen fixierten mich und dann lächelte sie noch etwas breiter. Normalerweise fallen mir Augenfarben nicht auf. Nicht mal das blonde Locken wie pulsierende Sprungfedern aussehen, so was sage und denke ich nicht. Aber bei ihr: Ihre Haut war zart rosa, beinahe strahlend weiß. Mir fiel ein, dass Günther Grass mal seitenlang die Konsistenz von Kartoffelsuppe beschrieben hat.
„Wartest Du in die eine oder in die andere Richtung?“
Mit ausgestrecktem Arm zeigte sie auf die eine und auf die andere Bahnsteigkante. Ich folgte ihrer Bewegung und nickte dann links neben mich.
„In diese Richtung.“
„Ah. Dann warten wir also nicht zusammen.“
„Scheinbar nicht.“
„Findest Du es nicht komisch dass man zusammen warten, aber doch nicht zusammen warten kann?“
„Nein.“
Ich hätte Ja sagen können, aber Nein schien mir passender. Ich wusste nicht mal ansatzweise wovon sie redete.
„Nein?“
Sie rümpfte die Nase.
„Nein. Finde ich nicht komisch.“, sagte ich und forderte mein Glück heraus.
Für einen Augenblick sah sie mich durchdringend an, dann grinste sie wieder.
„Du hast nicht den blassesten Schimmer wovon ich rede, stimmt’s?“
Ich nickte.
„Kein Problem.“, sagte sie.
„Okay.“, antwortete ich.
„Wusstest Du, dass ‚okay’ zwar das bekannteste Wort der Welt ist, aber niemand genau weiß wo es herkommt?“
„Nein. Wusste ich nicht.“
„Ist aber so.“
„Ich bin kein großer Fan von Allgemeinwissen. Sorry.“, sagte ich und vergrub meine Hände noch tiefer in den Taschen.
„Muss Dir nicht Leid tun. Ich arbeite in einer Bibliothek, deswegen. Wovon bist Du ein großer Fan?“, fragte sie und atmete einmal tief durch ihre leicht gerötete Nase ein.
„Ich weiß nicht: Fußball vielleicht.“
„Ja? Welche Mannschaft.“
„Berlin.“
„Du meinst Hertha?“
„Und Du weißt bestimmt was ‚Hertha’ bedeutet?“
„Weiß ich wirklich, aber jetzt sag ich’s Dir nicht mehr.“
„Warum nicht?“
„Du warst zu frech.“
„Sorry.“
„Niemand sagt heutzutage noch ‚Entschuldigung’. Alle sagen ‚Sorry’. Eine Schande ist das.“
In diesem Moment fuhr auf der anderen Seite des Bahnsteigs eine S-Bahn ein und sie drehte sich um. Zwei Türen wurden geöffnet und auch nur zwei Personen stiegen aus.
Sie wandte sich wieder zu mir:
„War nett Dich zu treffen.“
Ich wollte etwas cleveres, etwas passendes erwidern. Irgendwas, was nicht so klang als hätte ich einen begrenzten Wortschatz. Stattdessen sagte ich: „Okay.“
Sie grinste, huschte schnell quer über den Bahnsteig, stieg in die wartende Bahn und weg war sie.
Es wurde noch kälter bis meine Bahn endlich kam. Auf dem Weg nach Hause fiel mir ein woran mich all das erinnerte:
Ein paar Tage vorher hatte ich auf dem Bürgeramt am Empfang meine Wartenummer abgeholt. Hinter dem verglasten Schalter saß eine ältere Frau und hörte Radio über einen alten Weltempfänger. Es lief ein Lied das ich noch nie gehört hatte. Ich nahm meine Wartenummer entgegen und bekam dabei knapp eine Strophe mit. Das Lied war unglaublich gut. Nicht besonders eingängig, aber trotzdem: Unglaublich gut. Überraschend, nicht unanspruchsvoll und trotzdem von wunderschöner Klarheit.
Als ich mich im Warteraum des Bürgeramtes hinsetzte war das Lied nicht mehr zu hören, und als mir die Idee kam, neben dem Empfang auf die Titelnennung des Radiosprechers (welche heutzutage leider keine Selbstverständlichkeit mehr ist) zu warten, waren schon zehn Minuten vergangen und es liefen die Nachrichten. Ich könnte alle Bibliotheken in Berlin … ich meine: Alle neuen oder alten Alben im Plattenladen durchhören, aber irgendwie wäre das nicht richtig.
Man trifft sich doch immer zwei Mal im Leben und man kann zusammen warten, auch wenn man nicht zusammen wartet.

Mein Advent, Dein Advent. Teil 4: Beidseitig

Grundsätzlich gehe ich davon aus das man die Welt & sein kurzes Leben darin auf zwei Arten betrachten kann: Entweder von Unten nach Oben oder von Oben nach Unten. Aus dem Kleinen ins Große oder umgekehrt, aus dem Großen ins Kleine.
Danach geht also entweder die Ordnung der Dinge von einem allgemeinen Prinzip aus, einem höheren Prinzip als das der betroffenen Einzelteile, oder die Formation der Dinge, ihre Ordnung, erfolgt alleine aus den betroffenen Einzelteilen. Diese Spaltung ist für mich grundlegend und die „richtige“ Betrachtungsweise, wenn es eine solche gibt, lässt sich wohl nie ausmachen. Wichtig ist: Es gibt ein Unten und ein Oben (nicht im religiösen Sinn natürlich! Hu. Knapp an einem Glaubensbekenntnis vorbeigeschrammt.)
Dies ist, zum Teil, nicht nur meine Wahrnehmung: Die physikalische Realität kennt Ordnungsstrukturen (komplex und beständig) ebenso wie das zu Grunde liegende Element, die Einzelteile.

So.

Ein geschätzter Bekannter machte mich mal auf folgenden Sachverhalt aufmerksam, der eines meiner Lieblingsvorurteile (und ich liebe meine Vorurteile wirklich) in ganz neuem Licht erscheinen ließ:
Zeit meines Lebens wies ich der Bild-Zeitung stets den verabscheuungswürdigen Charakter eines widerlichen Boulevardblattes zu. Allen Entscheidern, die für eben so ein Boulevardblatt auswählen, Meinung machen und agitieren, brachte ich nur Missgunst und Hohn entgegen. Außerdem war ich der Ansicht: Die Bild-Zeitung wird von Arschgesichtern für das Volk gemacht (um es klein zu halten, es gar nicht erst auf dumme Gedanken kommen zu lassen).
Mein geschätzter Bekannter jedoch erzählte mir, dass in den Radaktionen der Bild meist (von der Fachwelt) geschätzte Journalisten sitzen, die sich wohl zu den Besten ihres Fachs zählen lassen. Viele der Redakteure arbeiteten vorher bei Zeitungen, denen sogar ich etwas abgewinnen kann. Immerhin, so mein Bekannter weiter, braucht es einen guten Journalisten um aus einem komplexen Sachverhalt jene drei Zeilen verständlich rauszuquetschen, die die Bild-Zeitung jedem Thema nur zur Verfügung stellt.
Auf eine gewisse Art, und auch weil jener Bekannter eben von mir so geschätzt ist, stimmte ich stumm-nickend zu. Wahrscheinlich, so dachte ich mir, existiert über den einzelnen Ausgaben der Bild, über den Einzelteilen also, eine ordnende Struktur. Eine Struktur, die man begreifen und schätzen kann, ohne die Einzelteile zu lieben (und wer liebt schon eine Bild-Schlagzeile wie „Ufo-Sekte will Hitler klonen!“).
Jene Struktur ist, so meine Gedanken weiter, vielleicht genau das was wir Aufklärung, Volksbildung und Information durch die freie Presse nennen. Jene Struktur ist, neben all den Einzelteilen, wahrscheinlich die vierte Gewalt im Staat. Selbst die einzelnen Redakteure sind nicht mal ausschlaggebend. Es ist eine übergeordnete Komplexität, die durch die Bild-Zeitung auf die Leser wirkt und damit mitverantwortlich für Inhalt und Auswahl.
Leider wurde ich bitter enttäuscht. Die vierte Gewalt ist eine Farce. Jedenfalls was die Bild-Zeitung angeht, und verarschen wir uns nicht selbst: Das ist das Blatt für den Großteil der Nation. Jene kurz angebundenen Statements zur Innen- und Außenpolitik sind das Brot (was die Butter ist, ist klar) für die wählende Bevölkerung.
Und genau dieses Brot wird gebacken von wenigstens einem Arschloch.
Ich sag’ das mal so ganz geradeaus. Er ist ein Arschloch. Ich kenne ihn nicht, aber nach nur zwei Absätzen die er nachweislich geschrieben hat kriegte ich buchstäblich das Kotzen.

Kurzer Einschub:
Meine Mutter meinte gerade neulich, wie schwierig sie die Freiheit des Internets und der Meinungsäußerung im Zusammenhang, zum Beispiel, mit Rating-Sites für Lehrer findet. Diese Seiten nennen Lehrer mit vollem Namen, Fächerkombination und Schule, und erlauben den Schülern anonym diffamierende Sprüche zu hinterlegen.
Ungeachtet meiner leichten hasenfüssigkeit kann ich mir nicht vorstellen, dass ich solch eine Seite zu meiner Zeit besucht hätte, geschweige denn einen abwertenden Kommentar hinterlassen. Vor allem anderen ist die Privatsphäre wohl eines der höchsten Güter, und sinnlose Diffamierung ist nicht nur blöd, sondern auch unkreativ und langweilig.
Aber irgendwie greift das nicht für Personen des öffentlichen Lebens.
Diesen Begriff gibt es ja nicht ohne Grund und wenn man ehrlich ist: Ein (oder mehrere) Enfant Terrible hat sich jedes Land und wohl auch jede Staatsform immer schon geleistet. Das schöne ist: In einer Demokratie knüpft man niemanden für Herrschafts- oder sonstige Kritik auf.
Uwe Boll, der (nicht von mir) fremdbestimmte „schlechteste Filmemacher der Welt“, hat mal Kritiker seiner Filme zu einem Boxkampf herausgefordert. Welcher Kritiker so blöd ist da hinzugehen: Selber schuld.
Ich persönlich habe nur ein Anliegen: „Uwe, versau’ die Max-Schmeling-Biographie, für die Du Dir gerade die Rechte gekauft hast, nicht! Und falls Du merkst: Es geht schief, ruf mich bitte vorher an. Ich kann nicht viel, aber was ich kann setzte ich für eine (wenigstens) passable Max-Schmeling-Biographie gerne ein. Solltest Du’s allerdings versauen und mich nicht anrufen, Uwe: Dann helfen Dir nicht mal Boxhandschuhe.“ Ich hab’ das zwar noch nie gemacht, aber es soll anatomisch möglich sein einer Person eine Ananas rektal …

Was uns zurück zu Kai Diekmann bringt: Kai Diekmann ist Jahrgang 1964. Vielleicht ist es als Frühgeborener und von Vor-Achtundsechzigern aufgezogen per se schwieriger Akzeptanz und Vertrauen auszuüben, ich weiß es nicht. Ich bin Jahrgang 1981, meine Eltern sind gewaltloser als Gandhi und teilweise nachsichtiger als Jesus (teilweise!).
Kai Diekmann war Chefredakteur der „Welt am Sonntag“ (Ja. Das sind die mit dem Globus im Titel und mit genug Geld, um die Titelseite immer ganz doll farbig auszustatten!) und wurde dafür mit der „Goldenen Feder“ ausgezeichnet. Das ist so ein Medienpreis, den Johannes B. Kerner moderiert. Keine Angst: Hab’ ich auch noch nie gesehen.
Jedenfalls wurde Kai Diekmann dann Chefredakteur der Bild, und ist es immer noch. Kai Diekmann schreibt allerdings auch Bücher, jedenfalls wenn man die Definition Buch nach „Papier zwischen Buchdeckeln“ abbricht. Sein „Der große Selbstbetrug“ ist so konservativ, man fragt sich seit wann wir wieder einen Reichskanzler haben. Außerdem, so Kai Diekmann, seien die Hippies an allem und besonders an unserem fehlenden Nationalstolz schuld. Und wir können doch stolz sein. Können wir doch, oder? Natürlich. Aber diese ungewaschenen, verweichlichten Alt-Achtundsechziger, mit den Kinderläden und Krippen und der Gleichberechtigung von Mann und Frau und der Liebe (besonders der freien), die haben uns unseren Stolz abgekauft. Was lustig ist, wenn das jemand behauptet, der auf eine taz-Satire, in der steht er habe sich erfolglos seinen Penis verlängern lassen, eine Unterlassungsklage formuliert und Schmerzensgeld fordert. Sollte man da nicht stolz drüber stehen?
Lieber Kai Diekmann: Ich möchte nicht wieder die Ananas ins Spiel bringen, aber vielleicht sollte man den Kopf aus dem Arsch ziehen, bevor man sich ans Keyboard setzt … nur so ein Gedanke.
Da fällt mir ein: Die „Goldene Feder“ haben noch so ein paar Knallschargen gewonnen. Sven Hannawald, für seine sympathische Art (hä?) und die „Du bist Deutschland“- Kampagne für … ja? Wofür?

Von Oben betrachtet hat sich also eine Ordnung als reaktionäres Einzelteil mit zu viel Macht über andere Einzelteile entpuppt. Schade. Ich hätte gerne an einen Konsens der vierten Gewalt geglaubt. Darauf gehofft dass, trotz titelbringenden Meldungen über die Ex von Boris Becker, am Ende vielleicht doch so ein unsichtbares Prinzip, eine Ordnung – unberührt und alleingelassen von den Einzelteilen – weit Oben steht. Ganz weit. Unerreicht. So wie andere Ordnungen.
Wie fundamentale Ordnungen. Wie Ordnungen, die wirklich wichtig sind.
Wie die Ordnung, die Kühe auf einer Weide immer in die gleiche Richtung gucken lässt.
Wie die Ordnung, die viele Menschen vergessen lässt das es ja bald Weihnachten ist und dann am letzten Tag panisch in die Geschäfte treibt.
Wie die Ordnung, die eher zum Weinen bringt, als zum Lachen.
Die Ordnung, die einen näher an die Menschen zieht, mit denen man die starken Emotionen teilt, als an die Menschen die einen sprichwörtlich kalt lassen.
Lachen ist so eine starke Emotion. Nichts ist so schwierig für die Gesichtsmuskeln, wie Wangen, Mund, Nase und selbst Stirn zu einem Lächeln zu formen. Sehr viel schwieriger als Weinen.
Eine Ordnung, ein übergeordnetes Prinzip, lässt uns aber gerade eine komplexe Aufgabe viel lieber, viel leidenschaftlicher bewältigen, als einfach nur zu reagieren. Lachen ist ein Reflex auf Zugänglichkeit, auf Bestimmtheit. Bestimmtheit, die an uns gerichtet ist. Weinen ist eine mitfühlende, eine beinahe ausschließlich egoistische Reaktion.
Komischerweise wollen wir aber die schwierigere Aufgabe, die Aufgabe die Akzeptanz und „Zulassen“ voraussetzt. Wir wollen lachen. Unbedingt.
Und wenn es hundert Jahre dauert oder sogar unmöglich erscheint: Wir warten auf die schweren Aufgaben. Wir wollen die schweren Aufgaben, weil uns eine Ordnung als Einzelteil zu jenen anderen Einzelteilen treibt. Jenen Einzelteilen, die uns vor die schwersten Aufgaben stellen. Weil wir irgendwie wissen: Sie sind es wert.
Von Unten auf die Ordnung Oben zu blicken. Ich find das beruhigend.
Und von Oben, von der Ordnung aus, zu wissen: Sie ist da, über den Einzelteilen. Das ist noch viel beruhigender.
Anders als Reaktionismus, Zurückgezogenheit, Stolz und Ignoranz, ist Einsicht, Beständigkeit, Wille und Zuversicht viel schwerer, passt aber viel besser ans Happy End.
Und damit wünsche ich:

Frohe Weihnachten.