Die Samstagmorgen-Einsicht-Phase

Parfümiertes Toilettenpapier. Klingt erstmal nach viel Spaß. Sozusagen: Die Duft-Industrie tilgt auch die letzten Zweifel an menschlicher Reinlichkeit.
(Oh. Das klang sehr überraschend nach Kapitalismus-Kritik…?)
Aber so neu ist das ja auch nicht. Parfümiertes Toilettenpapier gibt es jetzt … wie lange?
Neu für mich war Toilettenpapier mit akzentuiertem Sommerduft. Ehrlich. Akzentuiert. Steht so auf der Packung. (Ich hätte genauer lesen sollen. Nichts was „akzentuiert“ ist, kann auch nur irgendwie gut enden …) Aber ich mal wieder, als preisbewusster Jung-Konsument und mit dem geschulten Blick für die Durchschnittspreise:
Wenn Sommerduft Ein Euro Neunundachtzig für acht Rollen kostet. Dabei die Rollen Drei Lagen dick sind … daneben normales „Servus“-Papier Drei Euro Neunundzwanzig für zehn Rollen, aber mit vier Lagen … dann … sind es cirka … jap! Sommerduft im Angebot gewinnt! … Da entscheidet Floris sich auch gleich mal drei Packungen Sommerduft zu kaufen. Super gemacht! Und nicht mal probegerochen!
„Hm“ denk’ ich mir zuhause: Gespart und dann riecht es jetzt auch noch – – – uuuuhh! Zu früh gefreut!
Sommerduft, pah! Vonwegen! Was heißt das überhaupt? „Sommerduft“? Wie riecht denn der Sommer? Nach Chemie-Toilette und penetrant wie ein Rudel nasser Frettchen? – Wenn er so riecht, dann: Mission Accomplished!
So riecht nämlich jetzt mein Bad, dem parfümierten Toilettenpapier sei dank!
Das ist so eklig, dass man sogar zögert sich damit – ihr wisst was ich meine! – abzuwischen. Und überhaupt: Wie kriegen die den komischen Geruch eigentlich aufs Papier? Kann sowas gut für meine – ihr wisst schon welche – Haut sein?
Argh … Ich hasse diese Samstagmorgen-Einsicht-Phase.

Noch was eingesehen habe ich eigentlich schon am Vorabend. Aber es war nach Zwölf, also … technisch gesehen … Samstagmorgen!
Wenn ich das nächste Mal von einem bezaubernden Mädchen auf einer – gar nicht so schlechten Party – gefragt werde: „Hey … komm’ doch mit tanzen … mit mir und meinen beiden dänischen Freundinnen.“ (Ihr müsst euch den bezaubernden Ton dazu denken!) … dann sage ich „Ja!“, oder „Kann losgehen!“, oder „Super! Gerne.“, oder wenigstens „Hm … mal nachdenken … tudidum … sicher warum nicht.“ … aber bitte auf gar keinen Fall:
„Hm … meine Mitfahrgelegenheit … hm … und sowieso … tanzen … hm … weiß nicht … mein Kumpel, der in der Küche sitzt … und … tjaja … lieber nicht … so spät …“. (Hier müsst ihr euch keinen Ton dazu denken. Das klang genauso abgehackt wie ihr es gelesen habt!)
Wie dumm kann man sein? Ich stehe kurz davor meinen Potenz-Horizont zu überschreiten … und mir passieren solche Sachen nicht sehr oft … eigentlich nie! Gott!
Ich hatte mir ja eigentlich geschworen dass dies kein Blog werden würde, in dem ich nur über mich – mich – und wieder mich (!) schreibe. Aber: Jetzt mal ehrlich. Wie bescheuert!
[Übrigens: Das Lied zur Stunde ist Brendan Benson mit „What“. Anlage voll aufdrehen. Nach dem lahmen Intro kommt der gute Teil!]
Zurück zu mir … wie dumm war ich noch mal? Ach ja: Komplett bescheuert!

So. Damit ist das raus. Ich versuch’ jetzt mal die Rotweinflecken aus dem Sofa zu bekommen … wie die wohl dahin gekommen sind? Hab’ ich etwa versucht betrunken eine Flasche zu öffnen? (Das ist schon nüchtern nicht gerade meine Stärke!) … dazu wahrscheinlich Sexy-Sport-Clips … irgh … ich will gar nicht weiter denken …
Oder ich bau ne Pyramide aus Sommerduft-Klorollen … natürlich auf dem Balkon, damit die Nachbarn auch was davon haben.
Bis später. 😉

Mittwochnachtkritik I

Ich will nicht schon wieder über einen Schreiber von spiegel-online herfallen, aber ich hätte große Lust dazu. Große Lust auch mal alle Kritiker von „The Happening“ an einen Tisch zu holen und ihnen ordentlich den Kopf zu waschen. Werkimmanenz, meine Herren & Damen, Werkimmanenz!
Die meisten (sehr negativen) Kritiken zu M. Night Shyamalans neuem Film lesen sich mehr wie eine persönliche Abrechnung, als der Versuch sich dialektisch einem Thriller zu nähern. Was hat er euch getan? Irgendwas passiert, was mir mal wieder entfallen ist? Ist M. Night Shyamalan in einem F40 über den Sunset Strip gefahren und hat dabei geschrieen „Ihr könnt’ mich alle mal, ich bin der König der Welt!“? Und wenn schon.
Hat es euch gestunken dass er der „neue Spielberg“ genannt wurde? Ist doch egal … und, nur mal so zum Vergleich: Shyamalan hat in den letzten zehn Jahren „The Sixth Sense“, „Unbreakable“, „Signs“ und „Lady in the Water“ gemacht. Auf die Haben-Seite von Spielberg gehen hingegen Meilenstolpersteine wie „Indiana Jones 4“, „Munich“, „Saving Private Ryan“ und „Artificial Intelligence: AI“. Das ist abstruse Sci-Fi-Fantasy-Abenteueraufguss-Kacke plus übermoralisierter Abrechnungs-Pseudo-Thriller, ein verdrehter Weltkriegs-Schmalz-Epos mit Fahnensalut und außerdem die Grabschändung von Stanley Kubrick auf Crack und diesen leuchtenden Neon-Stäben die Raver immer durch die Luft wirbeln! (Okay, die ersten 10 Minuten von Private Ryan nehm’ ich raus. Die sollten jedem Staatschef bevor er in den Krieg ziehen will mehrmals vorgespielt werden – Aber das war auch ein Unfall, okay? Nicht Spielbergs Schuld! Wahrscheinlich vom Regieassistenten geplante Sequenz, oder sowas … )
Aber ich habe diese Filme Herrn Spielberg vergeben. Immerhin hat er mich mit „War of the World“, „Catch me if you can“ und „Minority Report“ unterhalten. Nicht seine besten Streifen, aber okay. “Terminal” war ein Neutrum. Ebenso hab’ ich die „neunzig Minuten auf eine Pointe“ von „The Village“ Shyamalan verzogen. Was sollte er machen: Alle wollten den plot twist.
Was uns zu „The Happening“ bringt: „Kein plot twist am Ende“ haben viele bemängelt. Immer noch besser, als (wie Spielberg) am Ende von Indy 4 eine (den ganzen Film schon über) offensichtliche Schwäche im Drehbuch als solchen plot twist und UNGLAUBLICHE Enthüllung verkaufen zu wollen (Ja! Ich spreche von den Außerirdischen!).
Und der Rest? Es war bizarr komisch, situationsabhängig lustig, gespielt wie in einem Hitchcock-Film (Mark Wahlberg war immerhin mal für einen Oscar nominiert – „not this time … but“) und manchmal sogar gruselig. Ist doch okay. War’n netter Abend.
Lieber vier Filme wie „The Happening“ machen und insgesamt nur 168 Millionen ausgeben, als für 180 Millionen nur einmal Bullshit mit Harrison Ford obendrauf kriegen.
Tatsächlich ist „The Happening“ nämlich nur der Beweis für die Schritte die ein Regisseur nehmen muss. Alfred Hitchcock, zum Beispiel (ja, ich erlaube mir diesen Vergleich), begann seine Karriere mit Filmen wie „The Man who knew too much“, „39 Steps“ und „Sabotage“. Hatte dann wenig Erfolg mit seinen Zwischenwerken (wie „I Confess“), die aber in der Rückschau zu seinen eigentlichen Zierstücken gemacht wurden. Schließlich folgten dann die immer noch bekanntesten Werke „North by Northwest“, „Psycho“ und „The Birds“. Und überlegen wir mal was eigentlich bekloppter klingt: Das jemand (der vollkommen ängstlich und verwirrt ist) kurz mit einer Topfpflanze unterhält, oder das jemand auf freiem Feld aus einem Bus steigt und plötzlich von einem Flugzeug gejagt wird?
Übrigens wurde auch Hitchcock immer wieder als „überholt“, „ungenügend“ und „unzeitgemäß“ oder „lächerlich“ betitelt (zum Beispiel für sein Spätwerk „Topaz“). Das ändert nichts daran: Egal welchen Film man sich von ihm ansieht, irgendwie rocken die immer noch (und wenn auch nur kurz, oder für eine einzige Szene). Mir reicht das immer vollkommen aus. Wie in „Jaws“ die Stelle an der Roy Scheider „we need a bigger boat“ sagt, oder in „Unbreakable“ der Sohn am Morgen erkennt das Bruce Willis der Unbekannte aus der Zeitung ist. Genau das sind die wichtigen und meine persönlichen Lieblingsstellen, natürlich in einer werkimmanenten Betrachtung.

Be Kind Revote

Wenn ich nicht in den Achtzigern geboren wäre, sondern vielleicht … in den Fünfzigern, dann wäre ich in den Sechszigern zehn Jahre alt gewesen. Jaha, die Sechziger.
Die Zeit der wirklich guten Baseballkarten. Die Karten mit Mickey Mantle, mit Ernie Banks, mit Pete Rose und Sandy Koufax. Ja, Sandy Koufax. Das war ein Spieler. Pitcher, um genau zu sein. Kam aus Brooklyn, spielte für die Dodgers, in Brooklyn und Los Angeles. Spielte nie für ein anderes Team. Besonders nicht für die New York Giants.
Ja. Was für ein Spieler.
Wäre ich in den Fünfzigern geboren, dann hätte ich meine Sandy Koufax-Baseballkarte geliebt. Zu meinem zehnten Geburtstag, zusammen mit seinem alten Baseballhandschuh, hätte mein Vater mir die Sandy Koufax-Karte geschenkt. Er kaufte sie für sechs Dollar einem Kollegen in der Fabrik für Schuhcreme ab. Zusätzlich musste mein Vater dann auch noch an vier Samstagen den Rasen vor dem kleinen Bungalow des Kollegen mähen, aber es lohnte sich: Nie wieder strahlten meine Augen so, wie an meinem zehnten Geburtstag als ich Sandys Karte in der Hand hielt.
Wie wäre es schön gewesen. Und wie kitschig.
Gäbe es heutzutage Baseballkarten, sagen wir, nicht von Baseballspielern (weil die sind mittlerweile überbezahlt und ihren Vereinen mehr als untreu) sondern von … Politikern. Welche wären dann die guten Karten?
Welche Karten würde man tauschen und welche würde man unter Glasglocken verschließen und erst auf einer Sotheby’s-Auktion für ein Vermögen abtreten?
Welche Karten hätte ich? Mal sehen.
Im Starter-Pack gleich zu Anfang die große Enttäuschung: Die Erwin Huber -Karte zeigt in einer zackig gepinselten Annäherung an das Original ein diabolisches Grinsen. Hua. Nein. Einen Huber tauscht mir niemand. Weiter: Natürlich ist, wie in jedem Starter-Pack, eine Merkel-Karte dabei. Die brauch’ ich nicht mal aufheben, die wandert gleich in den Mülleimer. Weiter: Ha! Die erste SPD-Karte. Neues Team, neues Glück. Aber Obacht!
Hubertus Heil auf der goldumrandeten Generalsekretär-Sonderkarte. Die sticht, leider nur die Staatsminister der eigenen Partei. So gut wie wertlos. Na, vielleicht krieg’ ich ihn auf eBay bei nem kurzsichtigen Alt-Juso los, wenn ich nur schreibe: Ehemaliger Bezirksvorsitzender, Braunschweig (das beeindruckt mich nicht, aber … wer weiß).
Nächste Karte: Franz Müntefering. Ups. Da hab’ ich wohl ein altes Starter-Pack erwischt. Weiter! Jetzt kommen wir zu den Linken. Ha! Ein beidseitig bedruckter Fehldruck mit Bisky und Lafontaine auf einer Karte. Kurios! Wenn man die Karte Oben und Unten mit jeweils einem Finger festhält und dann schnell dreht hat man „Lasky“, den Doppel-Vorsitzenden. Okay. Dafür gibt es ordentlich Schotter. Behalten? Ne! Niemals. Die ist sofort an einen Sammler abgetreten … ich weiß auch schon wen.
Wer mir eine Freude mit einer Politikerkarte machen will, muss schon lange suchen und tief ins Portemonnaie greifen. Da sind Recherche und umkämpfte Auktionsstunden bei eBay nötig. Wie zum Beispiel um die kaum erhältliche Tarek Al-Wazir-Karte. In einigen Safes japanischer Großunternehmen bereits unter optimalen Bedingungen eingeschweißt und lichtgeschützt verpackt, kriegt man diese Karte eigentlich gar nicht mehr. Natürlich. Nicht jeder ist ein Sandy Koufax. Leichter hat man es da schon mit der Ole von Beust-Karte. Rar, aber nicht so rar. In der etwas abgegriffeneren Ausgabe, noch aus der Zeit vor der Bürgerschaftswahl 2001, kriegt man diese Karte allerdings auch kaum noch. Mittlerweile zwei Mal wiederaufgelegt, ist Ole allerdings auch ne recht gute Geldanlage für die Zukunft. Ähnliche Zuwächse hat da eine Klaus Wowereit-Karte, in Preis und Ansehen (natürlich).
Ansonsten? Was ist mit der Ypsilanti-Karte? Eher mäßig. Oder Steinbrück, oder Steinmeier? Hm, nicht so. Sehen auch nicht schick aus, auf dem Sideboard. Egal in welchem neuen Design dort auch was raus gebracht wird: Irgendwie sieht das immer gleich langweilig aus. Lustig war natürlich die Echthaar-Ausgabe der Kurt Beck-Karte, mit angeklebtem Bart. Aber nach dem ersten Hype: Nischt mehr zu hören. Das war wie mit den Tamagochis. Irgendwann ist man es einfach Leid sie zu füttern und lässt sie sterben.
Im nächsten Pack wünsch’ ich mir vielleicht mal eine der Retro-Karten. Einen Fischer, oder einen Brandt.
Komisch finde ich, dass sie fast jeden Monat den Schmidt wieder neu raus bringen. Der kriegt eine Auflage nach der nächsten. Wer kauft den?

and vice versa

Niemand kennt Wolfgang Höbel. Ich kannte ihn bisher jedenfalls nicht. Das ist nicht schlimm für Wolfgang Höbel. Schlimmer wär’ das für Johanna Moosdorf, schließlich war sie eine berühmte Schriftstellerin und erst kürzlich wurde nach ihr die Stadtbibliothek Neu-Westend benannt. Aber weg von meiner Irritation darüber und zurück zu Wolfgang Höbel. Genau weiß ich immer noch nicht wer er ist, aber ich weiß jetzt: Ich mag ihn nicht. Das sag’ ich einfach mal so, er kann es halten wie er will, ich mag ihn trotzdem nicht. Auch wenn er mich einladen sollte eine Kolumne für spiegel-online zu schreiben, es würde nichts daran ändern. Was nicht heißen soll: Er kann es nicht einfach versuchen, ich sag’s halt nur.
Jedenfalls ist Wolfgang Höbel schon ziemlich alt. Nicht so alt wie einige andere Personen die bei spiegel-online schreiben dürfen, aber auch nicht so jung wie ich. Damit will ich nicht sagen: Ich könnte seine glossenhafte Sparte für die Kultursektion übernehmen, auch wenn ich (durch mein noch sehr knabenhaftes Alter) einen frischen Wind, junge Ideen und viel Ausdauer in die Kultursektion bringen würde. Aber weiter.
Wolfgang Höbel ist Jahrgang 62 (viel älter als ich, um das nur mal so zu erwähnen). Wolfgang Höbel hat für die Süddeutsche Zeitung geschrieben, ein Blatt das ich sehr verehre (nur um das klar zu stellen), und schrieb soeben einen Artikel für den Kulturteil von spiegel-online über Oliver Pocher.
Das ist ja nicht schlimm. Da soll man mich auch nicht falsch verstehen. Ich toleriere Oliver Pocher, jedenfalls auf einer rein humanistischen Mensch-Mensch-Ebene. Soll soviel heißen: Ich würde mir zweimal überlegen ob ich ihn, während er vor meinem Kühlergrill einen Zebrastreifen überquert, überfahre. Vorrangig weil mir mein Kühlergrill zu schade wäre, dann natürlich auch weil ich überhaupt kein Auto habe (ich könnte also wirklich diesen Job bei spiegel-online gebrauchen) und zuletzt aus ganz banalen, pazifistischen Aspekten. (Aber da lässt sich bestimmt noch was machen … )
Meiner Toleranz gegenüber Pocher steht die vollkommene Abscheu gegenüber, die ich jedes Mal empfinde wenn er seine Fresse in eine Kamera hält oder (noch schlimmer) den Mund aufmacht. Keine Ahnung woher das kommt.
Es könnte Neid sein, oder auch nicht. Es könnte vorhandenes Schambewusstsein sein, oder auch nicht. Es könnte Anspruch an Unterhaltungssendungen sein … (und dazu gibt es kein „oder“).
Jedenfalls teilt Wolfgang Höbel (oder wie ich ihn im Folgenden nennen werde: „Höbli“) meine Auffassung nicht. Nein, er vergleicht Pochers Entgleisungen gar mit dem steilen Medienabstieg von Martin Walser.
Wenn irgendwann rauskommt das Pocher vor seinem Leben als „Comedian“ (und ich muss mich hier wieder auf den Humanismus berufen um „Comedian“ überhaupt schreiben zu können) … wenn also rauskommt das Pocher vor seiner Arbeit beim Fernsehen den Georg-Büchner-Preis bekommen hat, bitte teilt es mir mit. Dann ist es nämlich definitiv nur noch Neid (ohne „oder“).
Bis dahin bleibt als unkommentiertes Beispiel, für das was ich an Oliver Pocher nicht mag, die gestrige (29. Mai 2008) Ausgabe von „Schmidt & Pocher“.
Ahhh … wen will ich hier verarschen: Natürlich werde ich die Sendung kommentieren.
Vorher aber noch ein kurzes Zitat. So zum Warmwerden! Höbli schrieb also über Pocher:

„Pochers größte Momente sind aber gerade die, in denen er jede Leistung verweigert. Wie in jenem Moment, als Schmidt gerade von Martin Walser redete und Pocher mit absolut unbewegter, super ahnungsloser Miene sagte: „Was macht der?“ Ein Glanzlicht deutscher Fernsehunterhaltung.” (spiegel-online, 29.05.2008: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,556296,00.html)

What the fuck ist „super ahnungslos“? Soll das gut sein?
Heißt das, wenn in einem Drehbuch steht „Hans sieht Monika ahnungslos an. Monika schluckt und setzt an Hans zu beichten das sie eine Affäre mit Günther hat.“ es dafür noch eine Steigerung gibt? Wenn also Hans Monika „super ahnungslos“ ansieht, denkt er sich dann insgeheim: „Oh! Jetzt wird sie mir alles beichten, alles aber nicht das sie eine Affäre mit Günther hat!“ Hä? Was soll das?
Macht nicht eigentlich die Überhöhung wieder eine Erniedrigung aus? Hat Hans dann nicht eigentlich – – – Ach! Da kriegt man ja Kopfschmerzen!
Und was soll das mit „größte Momente“ wenn er „jede Leistung verweigert“? Gutes Vorbild. Ganz toll.
„Warum bist Du nicht zur Bundestagswahl gegangen?“
„Ich dachte ich provoziere einen großen Moment, indem ich jede Leistung verweigere!“
„Danke. Jetzt wird Oettinger Außenminister!“
Ja, ja: Ganz tolles Glanzlicht.
Höbli kritisiert, es wäre ja soo einfach auf Pocher einzudreschen. Natürlich ist es einfach, aber nur weil es einfach ist muss es doch nicht schlimm sein?
Als Al Gore den Oskar für den besten Dokumentarfilm bekommen hat war das auch einfach, aber es war nicht schlimm.
Okay. Der Vergleich hinkt jetzt wirklich. Da muss noch mal anders argumentiert werden. Sekunde.
Höbli schreibt im gleichen Artikel auch:

„Es sind frisurproblembeladene Oberlehrer und durch gefühlte tausend Jahre ARD-„Scheibenwischer“-gestählte Schreckenslangeweiler, die Oliver Pocher aus Schmidts Show verbannen möchten.“

Erstmal: Scheibenwischer gibt es keine gefühlten tausend Jahre. Hundert, höchstens. Und Zweitens: „Schmidt & Pocher“ ist schon unter Scheibenwischer-Niveau angekommen.
Tatsache.
Während der schon angesprochenen, gestrigen Ausgabe von „Schmidt & Pocher“ gab es mehrfach minutenlang keine Reaktion vom Publikum. Nicht mal Husten. Bei Scheibenwischer klatschen die wohlerzogenen Zuschauer wenigstens nach jeder noch so unlustigen Pointe. (Was übrigens das größte Unding von Kabarett und Comedy (irghh) geworden ist: Klatschen statt Lachen!)
Im Mittelalter wurden Hofnarren die niemanden zum Lachen brachten aus dem Schloss gejagt oder gesteinigt (in einigen amerikanischen Open-Mic-Clubs wird das, glaube ich, immer noch so gemacht). Im deutschen Fernsehen klatschen wir die peinliche Stille nach einem vergeigten Witz einfach weg. Und diese peinliche Stille wird mit Pocher immer länger und länger.
Man kann jetzt sagen „Wie innovativ. Der will doch provozieren!“, man kann es aber auch lassen.
Und da liegt die Gefahr von Pocher: Die Harald Schmidt Show war vorher, auch wenn nicht immer brüllend komisch, auf jeden Fall unterhaltsam. Jetzt ist es nur noch peinlich. Finde mal die Glanzlichter darin, Höbli!
Es kann natürlich auch sein, dass Schmidt einfach spontan beschlossen hat alt zu werden. So wie Chevy Chase, der eines Morgens aufwachte und einfach nicht mehr lustig war. Kann ja sein. Trotzdem bleibt der Eindruck: Vor Pocher war Schmidt ein Gewinn, jetzt hat er höchstens einen einzigen guten Moment in der Show. Von Glanzlichtern ganz zu schweigen. (Und die Relation ein einziger „guter Moment“ zu 60 Minuten Sendung: Das ist nicht nur betriebswirtschaftlich ungenügend.)
Ne andere Sache ist natürlich: Vielleicht wünsche ich mir auch einfach nur Manuel Andrack zurück.
Wie wäre das schön: Hain Saban kommt plötzlich, während einer Live-Aufzeichnung, ins Studio, Schmidt springt auf, die beiden Männer umarmen sich und Hain verspricht eine Sat.1-Programmrevolution (man will das Pest-Leichen-Schiff Pro7 abstoßen und Claus Kleber abwerben um mit ihm eine ganz neue Nachrichtenredaktion aufzubauen). Dann kommt Manuel Andrack auf einem Fahrrad herein, schlägt Helmut Zerlett mit einem Saxophon K.O., Tita von Hardenberg und Katrin Bauerfeind stürmen hinzu und überwältigen Oliver Pocher. Während sie ihn zu Boden drücken setzt sich, der von Hain Saban zum neuen Kulturressortleiter gewählte, Jörg Thadeusz auf Pochers Rücken. Nach einer kleinen Keilerei und als sich der Dunst verzogen hat, läuft man (beziehungsweise Manuel Andrack fährt) Hand-in-Hand in den Sonnenuntergang.
Abspann.

Höbli, sowas kannst Du Dir mit Pocher natürlich an den Hut stecken. Was natürlich schon sehr traurig ist. Hm?
Vielleicht entwickelt man ja bald einen Dimensionstransporter und ich kann mich in eine parallele Welt begeben, wo es noch Fernsehen mit Perspektive und Niveau gibt.
Ich frag mich, ob in der Dimension dann Chevy Chase auch noch Filme machen darf …

– – –

Dieser Eintrag wurde nicht – anders als wahrscheinlich erwartet – unter dem Einfluss von starken Psychopharmaka geschrieben. Obwohl ich zurzeit eine leichte Sommergrippe aussitze und man dies als Grund heranziehen könnte, warum ich nach dem Durchlesen einfach meinte „Ah … What the Hack!“ und die Eingabe-Taste drückte.

Leiterwagen in den Galgenhimmel

Um platzsparend zu argumentieren: Ich bin natürlich für Obama.
Nicht nur weil mir das der SPIEGEL-Wahl-O-mat empfiehlt, sondern auch aus rein gesellschaftspolitischen Gründen. Und außerdem stört mich noch etwas anderes:
Ist irgendjemandem mal aufgefallen wie scheinbar wenig Menschen es in Amerika geben muss? Ja. Die haben nicht mal genug Leute um alle acht Jahre einen Präsidenten aus einer anderen Familie zu berufen. Ist doch furchtbar für die Amerikaner.
Sollte jetzt, also gerade im Nominierungswahlkampf der Demokraten, ein Außerirdischer in Amerika laden … der denkt doch die haben noch ne Monarchie.
Da geht es ab wie bei Karl Mantell und Otto dem Ersten. Zuerst gab’s da Papa-Bush. Der wurde abgewählt weil … na ja: Er es nicht ganz bis nach Bagdad geschafft hat … wahrscheinlich hat ihn auf halber Strecke sein damaliger Verteidigungsminister Dick Cheney (der dann auch in der Familie wie ein abgewetztes Schnuffeltuch weiter gereicht wurde) angerufen und gesagt: „Scheiße, George. Lass mal schnell wieder abziehen. Am Ende müssen wir noch über Jahrzehnte Truppen im Irak lassen.“ Nach Papa-Bush kam dann der Saxophonspieler Bill. Über Bill möchte ich an dieser Stelle keine abfälligen Praktikantinnen-Witze machen, nur soviel: Ich bewundere einen Mann der zwei Grammys gewinnt und den Zweiten für seine Hörspielversion von „Peter und der Wolf“ zusammen mit Michail Gorbatschow. (Und das ist tatsächlich wahr. Nicht mal mit vierundsechzig Stunden Schlafentzug und auf zwölf Nasen Koks kann ich mir so was ausdenken!) Etwa zwei Wochen bevor Bill als Präsident abdankte hievte sich seine Gattin Hillary als Senatorin des Bundesstaates New York ins Amt und ist bis dato dort geblieben. Nun will sie auch Präsident werden, aber ich greife der Geschichte vor: Zuerst kam George Double „U“. Nachdem sich nämlich Papa-Bush zum Präsidenten hatte küren lassen und im Irak beschäftigt war, kaufte sich sein Sohn, nennen wir ihn Klein-Bush, ein Baseballteam und wurde Gouverneur in Texas. Gute Ausgangslage: Nachdem Klein-Bush, dem 1976 mal der Führerschein wegen Trunkenheit abgenommen worden war, 152 Begnadigungsgesuche von Todeszelleninsassen abgelehnt hatte (was man als blutrüstig beschreiben kann, von den Amerikaner – gerade den Leuten in Florida – aber als richtungsweisend aufgefasst wurde) wurde er 2001 auch Präsident. Und wie beim Vater so fand auch beim Sohn Dick Cheney einmal mehr einen Job. Diesmal als Vize-Präsident. Tada! Ob sich Dick wohl an Papa-Bush erinnert fühlte, als jüngst mal wieder amerikanische Soldaten im Irak starben?
Man weiß es nicht. Sicher ist nur: Der Außerirdische, der sich dieses Amerika ansieht, kommt ziemlich ins Grübeln. Zuerst Papa, dann Sohn. Zuerst Bill und dann Frau Hillary? Das klingt doch alles nach englischer Monarchie und den Heinrichs, Elisabeths und Maria Stuarts unserer Geschichte. Dabei ist der große Vorteil einer Demokratie doch: Scheißegal woher du kommst, jeder kann man König sein. Oder Präsident, oder Kanzler.
Im Zweifelsfall sogar Kanzlerin. Aber vielleicht geh’ ich da auch zu naiv ran. Schon die Kennedys waren mehr Hofstab als großbürgerliche Familie mit Kontakten in die Politik. Was wäre eigentlich wenn Herr Merkel nach den vierzehn Jahren Amtszeit die Angela noch vor sich hat kandidiert? Ist der überhaupt in der CDU? Hat jemand von dem schon mal ein Foto gesehen? Oder ist nach Angie erstmal Doris Schröder-Köpf dran? Doris war 2004 immerhin Frau des Jahres (wenn man die Bunte fragt). Hillary hat dagegen 2004 nur den Deutschen Medienpreis in Baden-Baden verliehen bekommen und ist 2007 auf Platz 25 der 100 mächtigsten Frau der Welt abgerutscht (laut Forbes). Dort war Angela auf Platz Eins. Oprah war immerhin auf Platz 21 und die macht jetzt immer mehr Wahlkampf für Obama. Den braucht er eigentlich nicht mehr, jedenfalls nicht gegen Hillary. Obwohl sie es noch nicht zugibt: Es wird noch mindestens fünf Jahre dauern bis eine Frau amerikanischer Präsident ist. Bis dahin kann man nur hoffen das Barack im Nominierungswahlkampf nicht zu viele Federn gelassen hat. Mal sehen was wohl aus seinen Töchtern wird … die Klein-Obamas. Ein Baseballteam kaufen die sicher nicht und 152 Leute in die Nadel laufen lassen … traut man ihnen auch nicht zu. Vielleicht werden die ja mal was ganz anderes: Lehrer, zum Beispiel. Irgendwas mit Substanz. Da freut sich der Außerirdische.

Die reinigende Kraft des Pokalfinales

Der letzte Kommentar hat mich schwer getroffen. Ich gebe das unumwunden zu, trauere (oder: hab’ getrauert) und stelle mich meinen Dämonen.
Besser gesagt: Ich habe mich Gina-Lisa bei Stefan Raab gestellt. War furchtbar. Aufgeregt wie ein tollwütiger Iltis saß die da rum und kriegte kaum einen geraden Satz raus. Und wenn sie in ganzen Halbsätzen sprach, dann versicherte sie dem sprachlosen Publikum das sie eigentlich bereit wäre alles zu machen. (Puh! Dit war anstrengend.)
Trotzdem gestehe ich meine Fehler nicht ein, sondern gehe noch einen Schritt weiter: Die Welt braucht Gina Lisa. Mehr denn je! Warum? Warum überhaupt sich aufregen. In einer Zeit, in der Kai Pflaume bei Sat.1 durch die UEFA-Cup Nachspielberichterstattung mit der Eloquenz von luftleerem Raum führen darf und sich niemand beschwert. Hofnarren wurden im Mittelalter, bei mangelndem Unterhaltungswert, aus dem Schloss gejagt. Für Kai Pflaume zählt weiter die Liebe.
(Da fällt mir ein: Haben die noch diesen silbernen Wohnwagen? Wenn man ihn darin einschweißt … den hört doch keine Sau. Dann einfach an eine Steilküste fahren … aber … na ja.)
Zurück zu Gina-Lisa (mir wird mit jedem Mal, da ich diesen Doppelnamen schreibe, deutlicher: Es liest sich und klingt komisch): Warum also sie?
Die Antwort schenkte mir das DFB-Pokalfinale. (Und die Antwort ist nicht leicht nachzuvollziehen, also: „FOCUS!“)
Da saß ich. Samstagabend und die Bayern führen mal wieder Eins zu Null. Natürlich durch Luca Toni. Aber mein Seewolf Thomas Doll gibt sich nicht geschlagen. Bringt in der zweiten Halbzeit Klimowicz, Buckley und Valdez, alles Stürmer. Das ist Fußball. Ein Schuss aufs Tor, noch ein Schuss. Kahn hält. Dann die einundneunzigste Minute. Ecke. Tor! Petric kriegt es irgendwie, mit Lucio und Lahm als Anspielstationen, hin das Ding rein zu machen. Und ich stehe auf dem Sofa! Freudentanz wäre untertrieben. Gäbe es die alten Götter noch, es hätte sofort angefangen zu regnen. (Ganz kurz: Ich bin natürlich kein Dortmund-Fan. Nein, überhaupt nicht. Waren die nicht mal ne Aktiengesellschaft, oder sind es noch? Nein. So einen Verein kann man nicht lieben. Und nur mit einer generellen, deutschlandweiten Aversion gegen die Bayern meine Gefühle zu erklären … geht auch nicht. Aber weiter: ) Dann die Verlängerung. Sie kicken, kämpfen, rennen und irgendwann ist wieder Luca Toni da. Geschlagen trotten die Gelb-Schwarzen – stehend K.O. – über das Feld. Aber ich bin nicht sauer. Ich bin traurig, ja. Seit Mighty Ducks sind wir doch alle für die Underdogs. Aber enttäuscht bin ich nicht. Die Borussia war gut. Die Bayern waren nur besser. Und allen voran Luca Toni.
Luca Toni, der wie ein großer Bruder ist. Ein großer Bruder den sich Alle wünschen. Von dem will man das Fußballspielen beigebracht bekommen und ihn dann hinterher auf dem Bolzplatz in der eigenen Mannschaft haben. Weil: Mit Luca gewinnt man immer. Er ist ein Held. Und ein Strahlender dazu!
[Wer in diesem Moment einen CD-Player und die geniale Platte „Hot Fuss“ von The Killers zur Hand hat, möge Lied Fünf starten. Es folgt die Moral.]
Raymond Chandler hat mal geschrieben: Er ist der Held. Er ist alles! (Im Englischen klingt das noch besser: „He is the Hero. He is everything.“)
Es stimmt. Was wir brauchen, so dringend wie eine gute Rentenversicherung, sind Helden. Und wenn es Helden sind, die blutverschmiert und völlig zerrissen, wie Bruce Willis, aus dem brennenden Nakamoto-Tower kriechen: Wir brauchen sie. Wir brauchen eine Gina-Lisa die unkend und lauthals aus dem brennenden TV-Hochaus rennt. Wir brauchen sie. Weil sie unsere Freundin sein könnte. Die beste Freundin, die eben ein bisschen „porno“ ist und mit dem man trotzdem Einen saufen gehen will. Die beste Freundin, die nicht Nietzsche mag, sondern Mark Oh! Und wir bewundern sie dafür. (Natürlich finden wir es auch ein bisschen schade, aber: Wir können doch nicht alle Atomphysiker sein, oder?)
Nirgends sterben so viele Helden wie in der deutschen Öffentlichkeit: Harald Schmidt hat sich mit Pocher schwindelig geulkt und Polylux hat – außer den durchsichtigen Moderationskarten – auch nix mehr was lustig ist oder das Abschalten verhindern könnte. Kurt Beck lässt die einst so angenehme Gemütlichkeit vermissen und Happe Kerkeling … na ja …
Deswegen: Sucht euch neue Helden. Sucht euch wen ihr braucht. Die Welt braucht Gina-Lisa. Sie braucht überspitzte Künstlichkeit in einer künstlichen Welt um darin einen echten Helden zu erkennen. Wie es weitergeht und ob der Held am Ende vielleicht doch vom Monster verspeist wird: Das zeigt sich immer erst am Schluss.
In diesem Sinne: Es hat begonnen. In einem Jahr ist wieder Pokalfinale. Ick freu’ mich!

Gina-Lisa, die Maske des Bösen & Ich

Jetzt hat also auch ProSieben uns betrogen. Letztendlich zeigt der Moloch seine Abgründe. Publikumsliebling Gina-Lisa ist raus!
Wovon ich spreche? Natürlich „Germany’s next Topmodel“.
Ach, das gucken Sie nicht? Okay. Ja. Verstehe. Was? Unterschichtenfernsehen?
What the frack?
Schon was anderes als Unterschichtenfernsehen gesehen? Irgendwo? Gibt es nicht! Nein. Keine Widerworte! Gibt es nicht! Anne Will, Sandra Maischberger & Maybrit Illner. Scheiß auf die Öffentlichen. Stefan Raab war am Donnerstagabend so peinlich, selbst meiner Schuppenflechten wurde ganz übel.
Es ist ein Kreuz mit dem Fernsehprogramm aber neuerdings ist es ein absoluter Scheiß!
Wie kann ein Geile-Kotze-Sender wie ProSieben die einzige Figur mit Unterhaltungswert aus ihrer Donnerstagabendsendung kippen? Auf einmal haben die den fairen und freien Wettbewerb entdeckt, oder was?
Wollt ihr mich verarschen?
Bei ProSieben gibt es nicht mal fair wenn es um die Farbe der Sofa-Garnitur bei Taff geht. Haben die da überhaupt Sofas?
Hier wird geherrscht. Jetzt hat man sich klar verherrscht! Ficken, eben! (So sagt man das neudeutsch!)
Heidi Klum am Arsch! Vonwegen „Entscheidung“. Rausgeschmissen wird der, der keine Quote bringt. Tja. Das haben die jetzt davon! Sich selbst ins lahme Bein geschossen. Gina-Lisa aus „Germany’s Next Topmodel“ zu schmeißen ist wie Thomas Gottschalk gegen Petra Pau tauschen. Dann guckt Wetten dass? auch niemand mehr!
„An meiner Wand hängt ein japanisches Holzwerk
Maske eines bösen Dämons, bemalt mit Goldlack.
Mitfühlend sehe ich
Die geschwollenen Stirnadern, andeutend
Wie sehr es anstrengt, böse zu sein.“
Die letzte Konstante ist aus dem Gleichgewicht der öffentlichen Ordnung gewichen. ProSieben steht nicht mehr für Konsum. Es steht für Chaos. Wahnsinniges Chaos. Eine Scheiße sondergleichen vor dem Herrn! Zahnschwitzende Scheiße!
Jetzt brechen alle Dämme!
Demnächst gibt es eine neue Popstars-Staffel. Ob dann wohl die Kandidaten einfach nach Losverfahren weiterkommen? Macht auch keinen Unterschied mehr. Wenn man sich nicht mal auf die kapitalistische Verwertungslogik verlassen kann … worauf dann? Vielleicht erschießen sie diesen Tanzbären direkt auf der Bühne und lesen dann in seinen Eingeweiden die Zukunft den Privatfernsehens. Ein Fortschritt wär’s!

Lauft nicht bei Chinesen

Der Hesse kennt die Abkürzung VR nur allzu gut. Zum Beispiel von seiner EC-Karte. Da heißt es in den Hosentaschen und den Geldbeuteln „Volks- und Raiffeisenbank NordRhoen eG“ … zum Beispiel. Bei mir heißt es so und ich schäme mich nicht dafür. Nein, gar nicht. Die „VR Bank“ gehört zu meinem Leben wie Klopapier und Haarwachs. (Über die tiefere Bedeutung und Einordnung dieser Utensilien will ich mich nicht weiter auslassen … das Thema wird ernst … vielleicht später)
Es gibt noch viele andere VRs auf dieser Welt. Die virtuelle Realität wird so abgekürzt, „vermeintliche Rechte“ besitzt der Bürger eine Scheindemokratie. Und dann gibt es da noch die Volksrepublik, kurz VR!
Um den SendungMitDerMaus-Ton voll zu machen: Eine Volksrepublik besteht aus einem, meist ziemlich großen, Volk (also ner ganzen Menge Menschen), die in einer Republik leben. Die Republik bedeutet dem französischen république nach auch „öffentliche Angelegenheit“ (God save my wiki!). In einer Republik orientieren sich alle Entscheidungen am Gemeinwohl. [Jetzt war’s das erstmal mit dem Logo-Beitrag, versprochen!]
Und dann gibt es China. Ohh, wie mag ich die Filme aus dem Land der Dreimilliarden (oder sind es schon mehr … ach: Diese fleißigen Reisbauern! Knick-Knack!). In der alten Geschichte vom großen Kaiser, der alle chinesischen Völker (zum Wohle Aller – sprich: zum Gemeinwohl) zusammenführen will, um sie stark gegen Feinde zu machen und um eine lange Mauer zu bauen. In dieser Geschichte, in der Geschichte der Attentäter dieses Kaisers, in der Geschichte der Attentäter die schließlich doch nicht ihren Job ausführen, weil sie begreifen: Der Einzelne muss leiden um dem Großen-Ganzen zu helfen, also dem Gemeinwohl, in dieser Geschichte … in dieser Geschichte erfährt jeder Europäer, jedenfalls jeder aufgeklärte und vom Individualismus überzeugte Europäer, eine schmerzhafte Parallelrealität. (Puh!)
Keine virtuelle Realität (ungeachtet der Nähe zum VR), nein: Diese Realität ist unsäglich nicht-virtuell. Die Idee der Unterordnung von Einzelinteressen, ja gar Einzelschicksalen und dem Leben von Einzelnen (den freiheitlichen Rechten gar nicht gerechnet), unter das Wohl und das Überleben der Gemeinde ist ziemlich verstörend. Interessant, aus geschichtlicher Sicht, aber verstörend. Diese Idee lebt im größten Volk auf dieser Erde (dem zahlenmäßig größten Volk aller Zeiten!) immer noch weiter. Mit dieser Idee begründet, nicht zuletzt, die chinesische Regierung zurzeit den „Volkskrieg gegen den Separatismus“.
Grundsätzlich ist das allerdings auch nicht neu. China kontrolliert, unterdrückt und verwaltet Tibet seit Jahrzehnten. Vor unseren aufgeklärten Augen fleht ein geistiges Oberhaupt aus Indien machtlos weiter und weiter und weiter. Nichts passiert. Die BILD druckt mal eben ein paar Seiten aus seinem neuen Buch ab, uns egal: Was können wir schon machen. (?!)
Jetzt schickt sich China allerdings an, respektable Weltmacht und Wirtschaftsmacht zu werden. Und so was beginnt gerne bei olympischen Spielen. Komisch, oder?
So ein Typ mit Charlie Chaplin-Bart hat 36 so auch der Welt seine Glaubhaftigkeit und Ehrbarkeit einimpfen wollen. Damals hat er sogar (komisch so ähnlich läuft es in China auch) das Bauprojekt „Reichssportfeld“ in Berlin mit dem Satz „Wenn man 4 Millionen Arbeitslose hat, muss man Arbeit schaffen“ begründet. Vielleicht wäre in Deutschland mal wieder Zeit für eine Olympiade – kleiner Scherz.
Nun ringt also China, mit elefantösen Bauprojekten in Peking, um internationale Stellung. Überall, in den Ecken der Wirtschaft vor allem, hören wir „mit China muss man in Kontakt treten, sonst laufen die uns weg“. Aber warum? Damit wir mehr Gemeinwohl und weniger Person sehen?
Klingt doch auch gar nicht schlecht. Okay, in China sperrt die Partei Internetseiten weg und verfolgt politische Aktivisten. Hey, Schwamm drüber. Nicht das Boeing bald Turbinen in Itschang baut. Ah! Da fällt mir noch ein Film ein. Diesmal kein Film aus China, sondern ein Film über China: Red Corner. Okay, Kintopp, aber: Eindrucksvoll wird beschrieben, wie der Familie von zum Tode Verurteilten, zum Beispiel Aktivisten gegen die Staatspartei, perverserweise die Rechnung für die gebrauchte Kugel – für den Mord am Sohn oder der Tochter – ausgestellt wird. Nice!
Vielleicht kann ich nicht verhindern dass in China die wirtschaftliche Zukunft liegt. Vielleicht kommt da auch in hundert Jahren die wichtigste und fortschrittlichste Kultur her. Aber im Moment würde ich sagen: An alle Sportler und Sportvereine. An alle Mitglieder des IOC: Kein Sport in China. (Und damit stehe ich echt alleine. Wie vertraut!)
Lauft woanders euren Marathon. In Hessen gibt es tonnenweise kaum genutzte Bundesstraßen. Ein oder zwei BGS-Busse und alles ist abgesperrt. Die Rhönkampfbahn im beschaulichen Hünfeld hat eine Weitsprunggrube, eine Tartanbahn und so ne Stange für Stabhochsprung zimmer ich euch noch selbst zusammen. Ach: Die Organisation? Hm, mal sehen. Der Bürgermeister (gerade wieder gewählt und diesmal wohl „for life“) hier in Hünfeld freut sich bestimmt einen Kullerkeks. Der stellt glatt alle Insassen der neu gebauten JVA für das Errichten eines olympischen Dorfes ein. Alles kein Problem. Hessische Handarbeit!
Wenn jetzt also alle ihre Nokia-Handys wegwerfen, warum nicht einen Schritt weitergehen. Schmeißt die Flugtickets weg, kommt nach Hessen. Oder woanders hin, mir egal. Ich zahl auch gern den Sprit wenn wir nach (keine Ahnung …) Stellingen (?) oder Elmshorn (?) fahren. Im alten Kinderzimmer bei meinen Eltern bring’ ich auch gut und gerne die gesamte Sprinter-Crew aus Trinidad & Tobago unter. Außerdem: Wir sind doch gastfreundschaftlich, oder? Vielleicht häng‘ wir auch einfach was im HaWeGe aus. Wir kriegen das schon hin. Alles kein Problem. Olympische Spielen in mitteldeutschen Kleinstädten.
Zwei, drei, vier Wochen erweiterte Bundesjugendspiele … hey: Mit ner Kiste Licher wird das richtig lustig. Wir können sogar die ganzen Trikots mit „Peking 08“ drauf behalten. Ist den Leuten hier egal. Hauptsponsor des Sportvereins SV Nüst war mal das örtliche Klärwerk, also … dit juckt hier niemanden.
Dabei sein ist alles. Oder heißt das jetzt fürs IOC: Einstreichen ist alles?
Vielleicht reg‘ ich mich auch nur unnötig auf. Völkermord passiert jeden Tag. Olympia nur einmal alle vier Jahre.

BaLi

„Geäst“ war das Allererste woran er denken konnte. Obwohl es bereits frühlingte, brach sich die tiefstehende Sonne nur trüb im Geäst der vorbeirauschenden Bäume. Die enge rhoener Landstraße war gesäumt von Buchen, Birken und Borken. Jedenfalls dachte er es wären Buchen, Birken und Borken. Eigentlich hatte er gar keinen rechten Schimmer wie Bäume aussahen die Buchen, Birken und Borken hießen. Er kannte die Begriffe lediglich aus elterlichen Erzählungen, aus naturalistischen Büchern des weiterführenden Gymnasiums und aus Tolkiens Herr der Ringe. Allgemein glich hier Vielerlei dem Auenland. Nicht nur die Bewohner.
Das nächste Ortsschild sauste heran und der wortkarge Busfahrer bremste routiniert aber ruppig ab: „Merkers“
Das ausgestorbene Dorf diente, zu Lebzeiten, wohl nur einem einzigen Zweck: Bergbau. Welchen Sinn sollte es haben, in Zeiten von Lasertechnologie und wieder beschreibbaren Blue-Ray-Rohlingen, unter der Erde nach schmalen Brocken Erz zu suchen? Er schüttelte beinahe körperlich den Kopf.
Die Hauptstraße schien ungewöhnlich schattig, als hätten die Risse im Asphalt eine kränkliche Flüssigkeit auf die Straße gespuckt und damit weite Teile der Fahrbahn schmutzig bis beißend unansehnlich gemacht. Er rümpfte die Nase und ließ sich zurück in seinen Sitz fallen. Zwischen den frierenden Fingern – der Busfahrer hatte wohl auf den Dienst der Heizung an diesem Morgen verzichtet – taumelte die Fahrkarte mit der verheißungsvollen Aufschrift „BaLi Bhf.“. Bali. Er wiederholte das fremd und vertraut klingende Wort in Gedanken. Nirgends würde er sich nun falscher fühlen als auf einer Insel. Er war doch seine eigene Insel. Wie konnte das gehen? Eine Insel konnte keine andere Insel besuchen. Eilande zu vereinigen brachte nur eins: Ein neues Eiland. Wer sollte das wollen? Brauchte man nicht so viele Inseln wie möglich?
Die kuriosen Gedanken davontreibend griff er nach seinem Musikspieler und sprang ein paar Lieder weiter voraus. Er erwischte ein elektronisches, so genanntes „Low Tempo“ Stück. Die Welt rauschte jetzt zu einem wabernden Klangteppich aus synthetisierten Beckenanschlägen eines verzerrten Schlagzeugs vorbei. Er mochte komplizierte Sätze wie diesen. Sie machten ihn glauben seine Gedanken bedeuteten etwas.
Der Anblick von BaLi ließ ihn daran wieder zweifeln. Die Häuserfassaden waren, wenn verputzt, grau oder beige. Hängende Schultern wohin sein Auge sah. Parkplätze waren nicht geteert, Parkbuchten durch das „an den Rand der Fahrbahn abstellen“ ersetzt. Diese Insel war kein Paradies, sie glich vielmehr einem Bohrturm. Hässlich, verletzend und hineingeworfen aber standhaft.
Er versuchte die Hauptstraße in gedeuteter Richtung leise hinunter zu laufen. Der Splitt unter seinen Schuhen verriet ihn. Hier war er fremd und ein Jeder wusste es. Der Griff um die Fahrkarte in der Hosentasche wurde fester, doch die vier Buchstaben – zwei klein, zwei groß – hatten ihre magische Kraft verloren. Es war ein Witz. Ein bescheidener Witz. Er schloss die Augen und ging weiter.

Alles ist drin.

Gedämpft fällt das Licht durch die schon lange nicht mehr geputzten Fenster. Ein schwacher Schein, aber er kündet von etwas Großem. Der Winter ist vorbei. Der Sommer lugt um die nächste Hausecke.
An einem Sonntagmorgen, wenn irgendjemand für die Welt auf „Pause“ gedrückt hat, füllt sich alles noch sehr viel schöner, sehr viel realer an. Man braucht diesen Sonntag. Man braucht die geschlossenen Geschäfte, Menschen die sich langsamer fortbewegen, als hätten sie einfach etwas mehr Zeit. Etwas mehr Zeit weil alle mehr Zeit haben. Sonntage sind wie das Durchatmen nach einem Zwischenspurt, wie die kleine Verschnaufpause beim Seitenwechsel.
Und Sonntagmorgen ist die Freiheit in Reinform. Nirgendwann anders hat der zivilisierte Mensch, normalerweise gekettet an Termine und Schichtbeginn, so viel Freiheit wie am Sonntagmorgen.
Einmal durchatmen, noch mal umdrehen, weiterschlafen oder aufstehen. Alles ist drin.