Niemand kennt Wolfgang Höbel. Ich kannte ihn bisher jedenfalls nicht. Das ist nicht schlimm für Wolfgang Höbel. Schlimmer wär’ das für Johanna Moosdorf, schließlich war sie eine berühmte Schriftstellerin und erst kürzlich wurde nach ihr die Stadtbibliothek Neu-Westend benannt. Aber weg von meiner Irritation darüber und zurück zu Wolfgang Höbel. Genau weiß ich immer noch nicht wer er ist, aber ich weiß jetzt: Ich mag ihn nicht. Das sag’ ich einfach mal so, er kann es halten wie er will, ich mag ihn trotzdem nicht. Auch wenn er mich einladen sollte eine Kolumne für spiegel-online zu schreiben, es würde nichts daran ändern. Was nicht heißen soll: Er kann es nicht einfach versuchen, ich sag’s halt nur.
Jedenfalls ist Wolfgang Höbel schon ziemlich alt. Nicht so alt wie einige andere Personen die bei spiegel-online schreiben dürfen, aber auch nicht so jung wie ich. Damit will ich nicht sagen: Ich könnte seine glossenhafte Sparte für die Kultursektion übernehmen, auch wenn ich (durch mein noch sehr knabenhaftes Alter) einen frischen Wind, junge Ideen und viel Ausdauer in die Kultursektion bringen würde. Aber weiter.
Wolfgang Höbel ist Jahrgang 62 (viel älter als ich, um das nur mal so zu erwähnen). Wolfgang Höbel hat für die Süddeutsche Zeitung geschrieben, ein Blatt das ich sehr verehre (nur um das klar zu stellen), und schrieb soeben einen Artikel für den Kulturteil von spiegel-online über Oliver Pocher.
Das ist ja nicht schlimm. Da soll man mich auch nicht falsch verstehen. Ich toleriere Oliver Pocher, jedenfalls auf einer rein humanistischen Mensch-Mensch-Ebene. Soll soviel heißen: Ich würde mir zweimal überlegen ob ich ihn, während er vor meinem Kühlergrill einen Zebrastreifen überquert, überfahre. Vorrangig weil mir mein Kühlergrill zu schade wäre, dann natürlich auch weil ich überhaupt kein Auto habe (ich könnte also wirklich diesen Job bei spiegel-online gebrauchen) und zuletzt aus ganz banalen, pazifistischen Aspekten. (Aber da lässt sich bestimmt noch was machen … )
Meiner Toleranz gegenüber Pocher steht die vollkommene Abscheu gegenüber, die ich jedes Mal empfinde wenn er seine Fresse in eine Kamera hält oder (noch schlimmer) den Mund aufmacht. Keine Ahnung woher das kommt.
Es könnte Neid sein, oder auch nicht. Es könnte vorhandenes Schambewusstsein sein, oder auch nicht. Es könnte Anspruch an Unterhaltungssendungen sein … (und dazu gibt es kein „oder“).
Jedenfalls teilt Wolfgang Höbel (oder wie ich ihn im Folgenden nennen werde: „Höbli“) meine Auffassung nicht. Nein, er vergleicht Pochers Entgleisungen gar mit dem steilen Medienabstieg von Martin Walser.
Wenn irgendwann rauskommt das Pocher vor seinem Leben als „Comedian“ (und ich muss mich hier wieder auf den Humanismus berufen um „Comedian“ überhaupt schreiben zu können) … wenn also rauskommt das Pocher vor seiner Arbeit beim Fernsehen den Georg-Büchner-Preis bekommen hat, bitte teilt es mir mit. Dann ist es nämlich definitiv nur noch Neid (ohne „oder“).
Bis dahin bleibt als unkommentiertes Beispiel, für das was ich an Oliver Pocher nicht mag, die gestrige (29. Mai 2008) Ausgabe von „Schmidt & Pocher“.
Ahhh … wen will ich hier verarschen: Natürlich werde ich die Sendung kommentieren.
Vorher aber noch ein kurzes Zitat. So zum Warmwerden! Höbli schrieb also über Pocher:
„Pochers größte Momente sind aber gerade die, in denen er jede Leistung verweigert. Wie in jenem Moment, als Schmidt gerade von Martin Walser redete und Pocher mit absolut unbewegter, super ahnungsloser Miene sagte: „Was macht der?“ Ein Glanzlicht deutscher Fernsehunterhaltung.” (spiegel-online, 29.05.2008: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,556296,00.html)
What the fuck ist „super ahnungslos“? Soll das gut sein?
Heißt das, wenn in einem Drehbuch steht „Hans sieht Monika ahnungslos an. Monika schluckt und setzt an Hans zu beichten das sie eine Affäre mit Günther hat.“ es dafür noch eine Steigerung gibt? Wenn also Hans Monika „super ahnungslos“ ansieht, denkt er sich dann insgeheim: „Oh! Jetzt wird sie mir alles beichten, alles aber nicht das sie eine Affäre mit Günther hat!“ Hä? Was soll das?
Macht nicht eigentlich die Überhöhung wieder eine Erniedrigung aus? Hat Hans dann nicht eigentlich – – – Ach! Da kriegt man ja Kopfschmerzen!
Und was soll das mit „größte Momente“ wenn er „jede Leistung verweigert“? Gutes Vorbild. Ganz toll.
„Warum bist Du nicht zur Bundestagswahl gegangen?“
„Ich dachte ich provoziere einen großen Moment, indem ich jede Leistung verweigere!“
„Danke. Jetzt wird Oettinger Außenminister!“
Ja, ja: Ganz tolles Glanzlicht.
Höbli kritisiert, es wäre ja soo einfach auf Pocher einzudreschen. Natürlich ist es einfach, aber nur weil es einfach ist muss es doch nicht schlimm sein?
Als Al Gore den Oskar für den besten Dokumentarfilm bekommen hat war das auch einfach, aber es war nicht schlimm.
Okay. Der Vergleich hinkt jetzt wirklich. Da muss noch mal anders argumentiert werden. Sekunde.
Höbli schreibt im gleichen Artikel auch:
„Es sind frisurproblembeladene Oberlehrer und durch gefühlte tausend Jahre ARD-„Scheibenwischer“-gestählte Schreckenslangeweiler, die Oliver Pocher aus Schmidts Show verbannen möchten.“
Erstmal: Scheibenwischer gibt es keine gefühlten tausend Jahre. Hundert, höchstens. Und Zweitens: „Schmidt & Pocher“ ist schon unter Scheibenwischer-Niveau angekommen.
Tatsache.
Während der schon angesprochenen, gestrigen Ausgabe von „Schmidt & Pocher“ gab es mehrfach minutenlang keine Reaktion vom Publikum. Nicht mal Husten. Bei Scheibenwischer klatschen die wohlerzogenen Zuschauer wenigstens nach jeder noch so unlustigen Pointe. (Was übrigens das größte Unding von Kabarett und Comedy (irghh) geworden ist: Klatschen statt Lachen!)
Im Mittelalter wurden Hofnarren die niemanden zum Lachen brachten aus dem Schloss gejagt oder gesteinigt (in einigen amerikanischen Open-Mic-Clubs wird das, glaube ich, immer noch so gemacht). Im deutschen Fernsehen klatschen wir die peinliche Stille nach einem vergeigten Witz einfach weg. Und diese peinliche Stille wird mit Pocher immer länger und länger.
Man kann jetzt sagen „Wie innovativ. Der will doch provozieren!“, man kann es aber auch lassen.
Und da liegt die Gefahr von Pocher: Die Harald Schmidt Show war vorher, auch wenn nicht immer brüllend komisch, auf jeden Fall unterhaltsam. Jetzt ist es nur noch peinlich. Finde mal die Glanzlichter darin, Höbli!
Es kann natürlich auch sein, dass Schmidt einfach spontan beschlossen hat alt zu werden. So wie Chevy Chase, der eines Morgens aufwachte und einfach nicht mehr lustig war. Kann ja sein. Trotzdem bleibt der Eindruck: Vor Pocher war Schmidt ein Gewinn, jetzt hat er höchstens einen einzigen guten Moment in der Show. Von Glanzlichtern ganz zu schweigen. (Und die Relation ein einziger „guter Moment“ zu 60 Minuten Sendung: Das ist nicht nur betriebswirtschaftlich ungenügend.)
Ne andere Sache ist natürlich: Vielleicht wünsche ich mir auch einfach nur Manuel Andrack zurück.
Wie wäre das schön: Hain Saban kommt plötzlich, während einer Live-Aufzeichnung, ins Studio, Schmidt springt auf, die beiden Männer umarmen sich und Hain verspricht eine Sat.1-Programmrevolution (man will das Pest-Leichen-Schiff Pro7 abstoßen und Claus Kleber abwerben um mit ihm eine ganz neue Nachrichtenredaktion aufzubauen). Dann kommt Manuel Andrack auf einem Fahrrad herein, schlägt Helmut Zerlett mit einem Saxophon K.O., Tita von Hardenberg und Katrin Bauerfeind stürmen hinzu und überwältigen Oliver Pocher. Während sie ihn zu Boden drücken setzt sich, der von Hain Saban zum neuen Kulturressortleiter gewählte, Jörg Thadeusz auf Pochers Rücken. Nach einer kleinen Keilerei und als sich der Dunst verzogen hat, läuft man (beziehungsweise Manuel Andrack fährt) Hand-in-Hand in den Sonnenuntergang.
Abspann.
Höbli, sowas kannst Du Dir mit Pocher natürlich an den Hut stecken. Was natürlich schon sehr traurig ist. Hm?
Vielleicht entwickelt man ja bald einen Dimensionstransporter und ich kann mich in eine parallele Welt begeben, wo es noch Fernsehen mit Perspektive und Niveau gibt.
Ich frag mich, ob in der Dimension dann Chevy Chase auch noch Filme machen darf …
– – –
Dieser Eintrag wurde nicht – anders als wahrscheinlich erwartet – unter dem Einfluss von starken Psychopharmaka geschrieben. Obwohl ich zurzeit eine leichte Sommergrippe aussitze und man dies als Grund heranziehen könnte, warum ich nach dem Durchlesen einfach meinte „Ah … What the Hack!“ und die Eingabe-Taste drückte.