Medienkritik 1

Heute stand im Berliner Fenster eine Nachricht.
Wie sich das anhört: Eine Nachricht.
Das Wort klingt doch schon falsch. „Nachricht“
Würde bedeuten, man soll sich danach richten. So geht das aber leider nicht.
Nicht nach den Nachrichten im Berliner Fenster.
Das Berliner Fenster mit seinen eingeschrumpften Meldungen aus der Unterhaltungsretorte.
Erste Nachricht war: Eine archäologische Ausgrabung hat einen Aztekentempel aus dem Jahr 1100 gefunden. 1100.
Erstmal: Wann „1100“?
Vor oder nach? Nicht der Ansatz einer korrekten Zeitangabe.
Naja … normalerweise weiß jeder: Azteken … war „nach“. Aber was ist schon normal bei den BZ-gesponsorten Berliner Fenster Nachrichten. Also „1100“. Und nun?
Was sagt mir das? Wie soll ich mich danach richten?
Hätten sie gesagt: Haben außerirdische Knochen in Aztekenpyramide gefunden. Na dann. Also hatte Erich von Däniken doch nicht ganz Unrecht. Aber so?
Sind die alten Azteken eben schon etwas früher über den Boden des Urwalds getanzt. Bitte. Mir doch egal. Interessiert mich nicht. Wie soll es auch. Azteken haben mit der Zukunft und der Gegenwart eines End-Zwanzigers in Mitteldeutschland soviel zu tun wie Schäuble mit gesunder Innenpolitik. Nischt.
Natürlich interessiere ich mich für Geschichte. Ist schon wichtig. Aber doch nicht die Azteken von „Über dem Teich“, die niemand vor 1492 kannte und auch nicht kennen wollte. Also: Mal schön scheißegal. Trotzdem in der Dauerschleife alle zwanzig Minuten für mindestens dreißig Sekunden als „Nachricht“ im Berliner Fenster der U-Bahn.
Schön. Neben den scheißegalen „Nachrichten“ über Stars on Ice mit Schreckschrauberin Kati Witt und der Belanglosigkeit der Frage „Ist Eva Herman rechts?“ müllt nun auch diese Banalität der Oberklasse zusätzlich das Erinnerungszentrum in meinem Hirn voll. Vielen Dank. Dankeschön, BZ!
Ich will ja nicht sagen: Wer BZ liest „IST“ blöd, aber er wird es bestimmt noch.
Die nächste BZ/Berliner Fenster Nachricht war mal wieder über den beknackten Eisbären Knut! Jetzt soll er für eine Million in einem Hollywoodfilm mitspielen.
Da sollte man doch sagen: Sehr gut. Dann nimmt man das Geld, steckt es in den Landeshaushalt und fertig. Aber so leicht macht sich Berlin das nicht. Nein.
Hier wird darüber diskutiert. Scheiße noch mal. Zuerst rotten wir zehntausende Eisbären in jahrhundertelanger Tradition am Pol aus und jetzt lamentieren wir über den Einsatz eines einzigen Bären bei einem beschissenen Film. Eine Million ist das drin für die Berliner Kassen. Wenn man uns den, ehemals knuffigen „Kevin allein zuhaus“-Darsteller Macaulay Culkin, jetzt gebeutelt durch Drogen und Abstoßung, für ne Million abnehmen würde. Sofort. Natürlich: Ohne zu zögern. Sofort.
Für ne Million Dollar oder auch Euro können wir auch genug Eisbären-Stammzellen kaufen um zwanzig Knuts zu zeugen. Oder funktioniert unsere moderne Verwertungslogik á la großer Koalition nicht so?
Hm? Aber die große Koalition ist doch sowieso das Lieblingsthema der Medien. Hier wird, wie sonst kaum, fehlberichterstattet ohne Grenzen!
Schäuble gibt vor: Es sind 40% gewaltbereite Islamisten in Deutschland.
Oder waren es 40% gewaltbereite, türkische Fundamentalisten? Egal. Araber mit Gewehren. So sieht es aus. Und dann noch 40%! Das ist beinahe die Hälfte. Und statistisch gesehen ist beinahe die Hälfte eine Koalition. Also regierungsfähig! Deswegen ist es eigentlich die Mehrheit! Also: Alle!
So gesehen steht auf den Titelblättern: Alle Araber sind böse!
Danke, Wolfgang, vielen Dank! Jetzt haben wir es. Alle die nicht deutsch sind, sind gewaltbereit. Weil, man weiß ja nie wer nicht noch alles Araber ist. Den Chinesen kann man sowieso nicht trauen, die klauen ohnehin nur unser nicht vorhandenes Know-How, von dem weiß ja auch – seit der Pisa-Studie – jeder! Also: Gewaltbereit.
Und gewaltbereit ist auch gleich gewalttätig. Das wissen wir seit den RAF-Sympathisanten. Scheiß doch auf. Sagen wir einfach: Jeder der nicht strikt dagegen ist, ist dafür. Deswegen sind alle Araber auch böse. Alle die nicht ausdrücklich sagen: Wir sind nicht gewaltbreit und nicht-nicht deutsch: Sind böse! So sieht es doch aus. Oder?
Sagt jedenfalls der Schäuble. So hab’ ich das gelesen.
Und so wird es berichtet und direkt in die Wohnzimmer der deutschen Familien hinein kommuniziert. Kein Wunder das man beim Türken um die Ecke nur noch ungerne den Brotaufstrich fürs Fladenbrot kauft. Da muss einem ja mulmig werden. Alle Araber sind also böse. Verdammt. Dabei war der Mohammed vom Döner-Laden doch immer so freundlich.
Aber wenn der Schäuble, der alte Rennfahrer, es sagt: Dann stimmt das.
Schließlich hat Der ganz andere Erfahrungen mit Attentätern gemacht. Der weiß wovon er brabbelt. Der weiß wie man Angst verbreitet. Und die Medien verbreiten mit.
Ursprünglich war ja mal angedacht, dass Medien auch Informationen auswählen. Sozusagen eine redaktionelle Arbeit leisten und alles im Kontext und reflektiert betrachten. Das ist vorbei. Auch auf Spiegel-Online wird genutzt und gehetzt was das Zeug hält, dabei sollten die Augstein-Jünger doch auf unserer Seite sein. Sind sie aber nicht mehr. Gehört doch alles längst dem Springer. Und wenn es nicht Springer gehört, gehört es dem Profit. Dem Profit des besten Verlegers. Mit den meisten Auflagen und den ängstlichsten Lesern.
Auflagen verkauft man mit Titten oder Angst. Weiß die BZ genau. Im Berliner Fenster sind zwar noch nicht genug Titten zu sehen, aber Angst gibt es auch im Kurz-Text-Format. Angst in dreißig Sekunden, sozusagen. In kleinen Einheiten.
„Arbeitslosenquote in Berlin am höchsten.“ Dass sie trotzdem gesunken ist, interessiert die Angst doch nicht. „Berliner produzieren am meisten Müll.“ Heißt noch lange nichts, wenn die Statistik die unbekannten Variablen wie „überwiegende Industrieabfälle in Ballungsräumen“ oder „Möglichkeiten zur Kompostierung“ nicht rausrechnet.
Aber Das interessiert die Angst doch alles nicht. Hier geht es nur um die Angst an sich. Und die, wissen wir ja, ist es die wir eigentlich fürchten sollen. Vielleicht sollten wir die BZ fürchten. Dann schlagen ein paar mehr gewaltbereite Jugendliche, wie es wieder einmal verkündet wurde, ein paar mehr von diesen Berliner Fenstern ein. Wäre ein Anfang. Das wäre auch mal ne Nachricht.

Ein Gedanke zu „Medienkritik 1

  1. Marius

    Mensch Floris! Wer soll denn das alles lesen? 🙂 Hast du eigentlich ICQ? Oder ähnliches zum Zwecke der kurzlebigen Kommunikation? Sag jetzt bitte nicht Skype……

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