Da saß ich also Sonntagabend vor dem Fernseher. Ziemlich glücklich, elektrisiert, geradezu begeistert vom Spiel der deutschen Mannschaft in der ersten Halbzeit. Ich will gerade aufstehen und mein Kaltgetränk nachfüllen, da höre ich diese folgenreichen Worte: „Es muss ihm doch ein innerer Reichsparteitag gewesen sein“. Katrin Müller-Hohenstein, neben sich den Titan, über das Tor von Klose und seine Bedeutung für den bald Rekord-WM-Schützen. Und ich dachte gleich: Da wird sich jemand aufregen.
Nicht das ich es schlimm fand, was sie gesagt hat. Aber nach 29 Jahren öffentlich-rechtlicher political correctness weiß man was beim zweiten deutschen Fernsehen erlaubt ist und was eher nicht. Und so spurten auch gleich die Zeitungen, berichteten über den Fauxpas, darüber dass sich Katrin entschuldigt hat, oder der Intendant für sie, dass irgendein Verbund der Reinigungskräfte-Nürnberg, oder so ähnlich, sich empört gezeigt hat, eben über all die typischen Dinge, die passieren wenn eigentlich nichts passiert ist.
Und wenn wir mal ehrlich sind: Es ist nichts passiert. „Innerer Reichsparteitag“. Das ist ja schon fast ne Redewendung. So wie „Bimbos klatschen“ oder „Juden schubsen“ … oder gilt das nur für den Wedding? Ich bin verwirrt.
Aber so ist das mit den Sportmoderatorinnen. Karen Thomas hat sich versprochen und „Schalke 05“ gesagt, durfte dann nie wieder ran ans Leder, Monica Lierhaus halten sie nach Anfragen vom Playboy im Koma und jetzt wird Katrin Müller-Hohenstein rausgeschubst … ich meine geklatscht. Wenn Günther Jauch sich mit Frank Plasberg den Sarkasmus um die Ohren haut, sagt auch keiner was, sondern stellt die alte Medienhure auch noch für die Talk-Prime-Time der ARD ein. Es wird mir ein innerer Reichsparteitag sein, wenn er damit auf die Fresse fliegt. Aber für so was wird man ja mittlerweile ans Hakenkreuz genagelt. Übrigens hat Olli Kahn auch so nen Bock geschossen und während der gleichen Übertragung von „Hygiene im Tor gesprochen“, allerdings war er natürlich so cool, dass er gleich selber merkte: „komisches Wort“. Aber mehr doch nicht … oder?
Was ich auch komisch fand war Nord-Korea gegen Brasilien. Hat da außer mir noch jemand in der ersten Halbzeit gedacht: Cool. Die können vielleicht sogar ein Null zu Null halten, oder gewinnen. Und dann aber gleich:
Äh … was passiert eigentlich wenn Nord-Korea gewinnt?
Ich meine ich bin immer für die Underdogs, aber Nord-Korea?
Das geht doch nicht, oder? Aber was kann Nord-Korea für seine Regierung?
In der „Peoples Republic“ (genau!) werden die WM-Spiele nur zeitversetzt und bei positivem Ergebnis übertragen. Vielleicht zeigen die einfach zweimal die erste Halbzeit … allerdings: Woher sollen die Nordkoreaner wissen das ein Null zu Null gegen Brasilien gut ist? Wenn man nichts von der Welt weiß?
Und wenn Nord-Korea dann doch vielleicht ins Achtelfinale kommt, dann ins Viertelfinale, ins Halb- und anschließend ins Finale? Kommt Kim Jong-il dann nach Südafrika?
Aber wie gesagt: Was hat ein Land mit seiner Regierung zu tun.
Ist bei uns ja nicht anders.
Das sehen wir an Angela Merkel. Wer mag die noch? Nicht mal der Nicolas.
Dabei war doch die letzten fünfzig Jahre alles so schön. Okay, davor vielleicht … wo wir wieder beim Reichsparteitag wären.
Jedenfalls holt sich Angie jetzt den Wulff nach Berlin. Gegen den Wunsch von knapp 80 Millionen. Das nenne ich mal Arsch in der Hose.
Hier ist der „innere Reichsparteitag“ nurnoch Reichsparteitag. Ausdruck für etwas, dass groß und laut und furchtbar ist. Eben unsere Regierung. Und leider kann man nichts dagegen machen. Die SPD-Spitzen wollten immer geliebt werden. Haben Vertrauensfragen gestellt und sich damit regelmäßig selbst ruiniert.
Nicht so Frau Merkel und vor ihr der Dicke auch nicht. Regieren bis nichts mehr geht und dann noch ein Stück.
Da passt natürlich Schisser Wulff ganz gut dazu. Der hat soviel Angst vor der Bedeutungslosigkeit, dass er seinen Landesvaterposten – den er durch Ausharren über Jahrzehnte erstritten hat – erst nach der Wahl aufgeben will. Berufspolitiker eben. Sympathisch ist anders. Aber wo gibt es überhaupt noch „sympathisch“. Selbstvermarker Grinsebacke-Gauck ist wedernoch. Was heutzutage wohl reichen muss.
Aber anstatt das die SPD oder die Grünen es ordentlich anstellen: Allerfeinste Oppositionspolitik. Kein Verhandeln, Verbarrikadieren. Damit man „gut“ aussieht. Interessiert doch sowieso niemanden mehr. Und die Linken? Ganz großes Damentennis. Anstatt der CDU/CSU und FDP ein Bein zu stellen, stellen sie ihre eigene Kandidatin auf. Großartig. Eins mit Sternchen für blödeste Aktion der Welt. Und warum? Irgendwas vonwegen „nee, ich mag den Gauck nicht, der hat was gegen die DDR, und die war doch so gut“. Spacken! So rutscht man von „unwählbar“ auf „unglaublich dumm“. Links will nicht gestalten, sondern meckern und gefällt sich im Outfit des Vorzeige-Rentner-Wendeverlierer-Daseins. Das ist mir KEINE innere Montagsdemo.
Vor ein paar Tagen klebte da ein Zettel an unserer Wohnhaustür (sagt man das „Wohnhaustür“? Wohl eher nur Haustür … egal).
Auf den Zettel war ein Foto eines jungen Neonazis kopiert, dazu Name, Anschrift und ein paar „Infos“ zur Person: Er lebe in der Nachbarschaft und seine Wohnung diene als Ort der Planung von Neonazi- … Kram. Wow.
So weit ist es jetzt schon wieder, ja? Wir diffamieren, wir prangern öffentlich für Gedankengut und Einstellungen an? Wie wäre es mit kleinen Aufnähern mit der politischen Gesinnung? Damit wir die Kommunisten gleich erkennen?
Dann erkennen wir auch gleich die Antifa-Anhänger, oder welche bekloppte Organisation mit hässlichem schwarz-rot-weißem Logo auch immer hinter den Aushängen steckte.
Hey, ich hatte bisher nichts gegen eine gesunde Haltung gegen Neonazis. Irgendwo links auf dem Spektrum finde ich gut. Nicht zu links und nicht zu weit ab vom Spektrum, damit man bei den „Linken“ landet, aber links. Doch das jetzt? What the fuck?
Erstmal ist „Neonazi sein“ noch kein Verbrechen. Es zeugt vielleicht nicht von allzu großer Intelligenz, vielleicht auch von fehlendem Geschichtsbewusstsein oder Geschichtsverständnis oder allgemein von fehlendem Verständnis. Aber das scheint ja ansteckend zu sein.
Und überhaupt: Wir sind hier doch nicht in den USA, wo verurteilte Sexualstraftäter sich (wie in The Big Lebowski) in der Nachbarschaft vorstellen müssen und an Halloween das Haus nicht verlassen dürfen.
Ich will natürlich auch nicht unbedingt neben einem Nazi wohnen. Wer will das schon. Dauernd stolpert man über die Springerstiefel im Treppenhaus und dann immer das Gesinge und der Gestank, wenn der von seinen Fackelmärschen zurückkommt. Ich möchte das sich in meinem Haus eine Model-WG ist, wo all die hübschen jungen Mädchen „total“ politisch sind und man sich mit ihnen stundenlang über die Beziehungen zu China und den Franzosen auf der gemeinsamen Dachterrasse unterhalten kann. Ich will einen freakigen World-of-Warcraft-Nachbarn, der mir eine superschnelle Internetverbindung für lau einrichtet und dann noch Premiere … äh, Sky … ich will ein Italiener im ersten Stock, der gerne mal ne selbstgemachte Pizza vorbei bringt, die er so „über“ hat und ich will im absoluten In-Bezirk wohnen, beneidet werden aber dafür nichts zahlen und mir aber gleichzeitig nicht dauernd die „Szene“ vor der Haustür angucken müssen. All das will ich, wenn ich mal wieder zuviel Zeit zum Nachdenken haben … aber was ich wirklich will ist:
In diesem Land scheißenochmal meine Meinung frei äußern können. Und damit ich das kann, damit ich sagen kann was ich will und denken kann was ich will, muss das jeder andere auch dürfen. Ohne dafür belangt zu werden. Es geht nicht um gewalttätige Neonazis, es geht nicht um Straftäter und potentielle Gefahrenquellen in der Nachbarschaft. Aber jeder muss in seiner Wohnung denken dürfen was er will, ohne dass es den Nachbar einen Scheiß angeht. Und solange man dieser Typ nur Nazikram „plant“ … (woher weiß man das überhaupt?) … solange man nur plant … darf man dafür auch nicht belangt werden. Sonst sind wir hier bald bei Minority Report. Ups. Sind wir schon … und Kurnaz hat nicht mal geplant … der ist nur verreist. Fuck. Eingeholt von der Realität.
Und wenn die Antifa oder wer auch immer wirklich mal etwas gegen Rechts unternehmen will … dann sollen die 7000 Leute auftreiben die in die NPD eintreten, oder in die Reps oder die DVU. Die haben gerade mal 6000 Mitglieder. Dann einfach in der Partei eine Abstimmung über Auflösung verlangen, alle dafür stimmen, Mehrheit und fertig.
In diesem Land unterliegt nämlich auch die NPD dem Parteiengesetz. So tut man was.
Aber vielleicht ist es mit der Antifa genauso wie mit der Linken: Es geht ums meckern ums agitieren. Man will was zutun haben, aber bloß nichts Konstruktives.
Es wäre ihnen wahrscheinlich ein innerer Reichsparteitag, wenn jener denunzierte Neonazi am Ende von einem wütenden Mob verprügelt und aufgeknöpft würde. Da ist man dann ganz schnell in einer Liga mit dem KKK. Und das ist etwas, was man doch unbedingt erreichen will, oder?