Die Brücke

Beschwingt setzte ich mich auf die Balustrade. Das dunkle Gewässer spülte in tief-seufzender Einsilbigkeit unter mir her. Noch immer klang „Go with the flow“ in meinen Ohren. Hatte die Stimme, die so sehr meinen Freunden glich, wirklich Recht? War dies wirklich die Nacht der Entscheidungen?
Ich goss mir etwas mehr des kurz-vor-kühl-Getränks aus der schimmernd-grünen Flasche in meinen Hals. Sinne und Motorik gehorchten mir schon seit geraumer Zeit nur eingeschränkt. Betrunken, schoss es mir durch den Kopf, es muss doch nicht jeden Abend betrunken sein. Aber ich war betrunken, wie jeden Abend.
Lieber hätte ich mich selber ins eigene Bett getragen, mir die vertraute Decke über das unvertraute Antlitz gezogen, hätte für ein paar kurze Wimpernschläge ganz nah die Fasern betrachtet, ihr Gewebe halb-halluzinierend bewundert, dann wäre ich eingeschlummert, entschlafen zurecht, aber nein.
Ich saß auf gemeißelter Stadtverschönerung, mit der Absicht mich selbst zu verunstalten. Was hatte ich noch vor wenigen Augenblicken vorgehabt? Eine Schlägerei? Mit wem? Gott stand nicht zur Verfügung, obwohl ich mit ihm mehr als eine Rechnung zu begleichen gehabt hätte. Vielleicht gab es woanders eine Projektionsfläche.
Ich richtet mich auf, spürte wie meine Beine zitterten, zitterten und bebten. Wie die Erde der Steppe bebt, bevor eine Horde Wild unaufhaltsam und ohne Einsicht stürmt. Ich vergesse immer wieder wie ich auf Afrika-Metaphern komme. „Grüßt mir die Sonne!“, rief ich ein paar verschlungenen Paar-Touristen zu, die nicht mehr als ein Abwenden für mich übrig hatten. Dann sprang ich. Hätte ich gewusst, dass dies tatsächlich mein letzter Sprung war, hätte ich versucht eine Schraube, vielleicht einen Salto oder gar eine Drehung mit Standbeinwechsel hinzu bekommen. Stattdessen plumpste ich wie ein schwerer Sack Kartoffeln ins Wasser. Beim Aufschlag schon versagte mir der Atem. Die Luft wurde aus meinen Lungen gepumpt wie nur ein Vorschlaghammer sie pumpen kann. Dann war Stille, ein weites Rauschen, vielleicht auch ein weit entferntes Rauschen. Dunkelheit, natürlich, war es doch Nacht. Ich versuchte zu atmen, Wasser rann zwischen Zähnen bis in mein Inneres. Obwohl mir die Tragweite der Situation bewusst war, war mir zu gleichen Teilen die Ironie bewusst: Student der Ozeanologie ertrinkt. Was hatte mich nur geritten mein Leben an so etwas zu verschwenden. Schlampe!

Ein Gedanke zu „Die Brücke

  1. frank

    floris, muss ick mir sorgen machen ? =)
    ich freu mich immer, wenn ich morgens in der bahn feeds abrufe und ich was von dir lesen kann! sehr kurzweilig! danke!

    bis die tage!

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