HARLEKIN POST (035) And the Oscar goes to … Captain Kirk!

Die Oscars 2013 sind vergeben, und ich hab nicht eine Wette, sondern gleich zwei gewonnen. Können wir jetzt nicht alle zufrieden sein?
Okay: Am Anfang war Seth MacFarlane unbeholfen, später aber echt witzig. (Nicht so witzig wie er sein kann, aber die Schuhe von Billy Crystal und Jon Stewart hat er ganz gut gefüllt.) Es wurde gesungen und getanzt, und der beste Schauspieler aller Zeiten hat erneut seinen Preis bekommen. So sollte es sein. Oder nicht?

Nein. Wenn es z.B. nach Spiegel-Online geht.
In der Oscar-Nacht hatte der hochmoderne Nachrichtendienst (hüstel) einen Twitter-Ticker und sonst noch so einiges eingerichtet, was man – wenn es ein Dutzend Live-Streams im Internet gibt – auf keinen Fall braucht. Hier wurde sich, in bester Boulevard-Manier, zum Beispiel über die zerzausten Haare von Robert DeNiro lustig gemacht. (Wow. Die journalistische Qualität einer Horde zwölfjähriger Mädchen. Was kommt als Nächstes: Ein Foto-Blog darüber, dass John Goodman so dick ist?)
Und dann, am nächsten Morgen, folgten die Nachbesprechungen und Kommentare und Bewertungen: Es gab zu viele Busenwitze von MacFarlane, zu wenig Zeit für die Dankesreden und sowieso waren alle Entscheidungen der Academy falsch und feige und doof! (Buah … echt jetzt: Könnt ihr das Meckern nicht den unbezahlten Bloggern überlassen?)

Erstmal: Jeder hat eine Meinung zu den Oscars. Das ist normal. Meine Oma, die keinen der Filme gesehen hat, hat eine Meinung. Aber dafür braucht man doch nicht einen Seite-Eins-Platz, auf der frequentiertesten Nachrichtenseite Deutschlands, verschwenden. „Triumph der Feigheit“, wirklich? Geht’s vielleicht ein bisschen kleiner? Wie wäre es mit: „We Love you, we hate you!“ Das spiegelt wenigstens die manisch-depressive Qualität wider, die die pseudo-liberalen, deutschen Leitmedien mittlerweile zu amerikanischer Kultur einnehmen. Wie ein Heroinabhängiger, der von seinen Eltern zur Ausnüchterung ins Kinderzimmer gesperrt wird. „Bitte. Ich will hier raus. Ich liebe euch, ich bin brav. – Ich hasse euch! Fuck you! Arrrrh!“
Da loben Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Rundschau und Spiegel „Zero Dark Thirty“ – ein Film der einen Diskurs anstößt (Und Argo sorgt gerade nicht für international Verwicklungen, oder was???) – und werden dann sauer, weil aber „ZDT“ nicht ausgezeichnet wurde. Er ist doch nominiert. Herrgott!
Gefühlte zweitausend Mal wurden Bilder aus „Zero Dark Thirty“ an diesem Abend gezeigt. Reicht das nicht an Werbung? Wer den Film nach dieser Nacht nicht sehen will: Selbst schuld. Und wer ihn gesehen hat. Der hat ihn gesehen. Mehr kann ein Film nicht verlangen: Gesehen werden.

Meiner bescheidenen Meinung nach, waren die Oscars dieses Jahr besonders großartig, weil am Anfang William Shatner auftrat. Und zwar als Captain Kirk.
Shatner hat noch nie einen Oscar gewonnen, war noch nicht mal nominiert. (Zu Unrecht, übrigens!) Trotzdem hat Seth MacFarlane mit seiner Zeitreise-Video-Telefon-Anruf-Nummer bewiesen, dass Star Trek vollkommen im Mainstream angekommen ist. Schon immer war! Jeder hat verstanden worauf er hinaus wollte. Jeder kennt Star Trek. Wirklich jeder kennt Captain Kirk.
Und genau darum geht es: Mainstream.
Die Oscar-Verleihung ist eben nicht das Filmfest in Venedig (mit europäischer Arthaus-Kleinkrämerei), auch nicht Cannes (mit deutlichem Fokus auf möglichst anstößige Filme) oder gar die Berlinale. (Wo dieses Jahr wirklich niemand wusste, was die Berlinale eigentlich war. Was für ein konfuses Programm. Blödelei neben jüdischem Realismus, neben zerreißender, belgischer Tragik und dann noch der Iran … Whaaaat? „Okay, ja. Wir verstehen es: Ihr wollt politisch relevant sein, aber gehört dazu nicht ein gewisser, roter Faden? Also ein durchdachtes Programm?“)
Die Oscars sind eine Show. Eine Show über Filme. Nominiert zu sein, bedeutet: Angekommen zu sein. Gewinnen ist zweitrangig. Deswegen stehen immer wieder in Trailern, über Schauspieler-Namen, auch „Oscar Nominee“. Weil das dann heißt: An diesem Schauspieler kam niemand vorbei. Er ist Mainstream!
Und das ist gut so. Dieses Jahr wurde klar gemacht: Politische Filme („Zero Dark Thirty“ und „Argo“) sind Mainstream. Zuschauer wollen politische Filme sehen. Daneben gab es aber auch eine deutschsprachige Produktion („Liebe“) und einen Indie-Film („Beasts of the Southern Wild“). Großartig. Und die Werbebilder für diese Filme laufen und laufen und laufen den ganzen Abend!

Vierzehn Mal war ein Star Trek-Film schon für einen Oscar nominiert. Vierzehn Mal!
Kein einziger Schauspieler, kein Drehbuchautor und auch kein Regisseur, war unter den Nominierten. Einmal war Jerry Goldsmith für die Musik nominiert (1979, „Star Trek: The Motion Picture“), und einmal ein Kameramann (Don Petermann, 1986 für „Star Trek IV“). Beide gewannen nicht.
2009 gewann Star Trek seinen ersten Oscar. Für die beste Maske. Nominiert war der Film außerdem in den Kategorien „Sound“, „Sound-Schnitt“ und „Visuelle Effekte“, wie die anderen Star Trek-Filme vor ihm.
Bei der gesamtkulturellen Relevanz von Star Trek, müssten die Trekkies … oder Trekker (keine Ahnung wie wir uns offiziell jetzt nennen), doch eigentlich die Wände hochgehen. Wo bleibt der Mut, Chris Pine – in seiner Rolle als junger Captain Kirk – mal einen Oscar zu geben. Hm? Im letzten „Star Trek“, eigentlich der Vorgeschichte zu allen Star Trek-Filmen, ging es um die Unfähigkeit die eigenen Leistungsgrenzen einzugestehen, um mit dieser Einstellung zu wachsen. Kobayashi-Maru.
Während in „Zero Dark Thirty“ die Frage gestellt wird, ob Folter vielleicht notwendig ist, setzt „Star Trek“ dagegen ein klares Nein.
Wir sind begrenzt durch unsere Menschlichkeit, vielleicht durch menschliche Körperlichkeit und Angst. Aber wir werden nicht begrenzt durch unsere Ansprüche an uns. Wir überschätzen uns, und das ist gut so. Sich mehr zuzutrauen, als man in der Lage ist zu leisten: Nur so verschiebt man die Grenzen, auch wenn man an ihnen zerschellt. In „Zero Dark Thirty“ zerschellt die CIA-Agentin an ihrer Regungslosigkeit.
„Zero Dark Thirty“ soll realistisch sein. Realistische, bohrende Fragen stellen.
Stéphane Hessel ist gestorben. Er wurde 95. Ich glaube er hätte, auf die Frage ob man Folter zulassen darf, geantwortet: Empöre Dich! Und verhindere es auf jeden Fall! Sei mehr als man Dir zutraut und als Du selbst für möglich hältst.

Ich bin nicht sauer, wenn der neue „Star Trek – Into Darkness“ nächstes Jahr keinen Oscar gewinnt. Aber eine Nominierung für „Sound“, „Sound-Schnitt“ oder die besten „Visuellen Effekte“ quittiere ich mit einem anerkennenden Nicken.

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