Archiv der Kategorie: Über den Bildschirm

Han

Es ist kurz vor Ende Januar. Die Straßen der Hauptstadt, der Länder und sowieso alle stecken im tiefsten Schnee. Bushido bringt einen Film zur Berlinale, oder bringt die Berlinale Bushido ins Kino. Ein Film in dem sich Bushido selber spielt, in einer Geschichte über sein Leben. Bushido wird zitiert und sagt: Du brauchst Respekt, sonst bist Du ein Opfer, oder so ähnlich. Kurze Begriffsklärung: Opfer ist ein momentaner Zustand. Man wird Opfer eines Gewaltverbrechens oder einer unfähigen Regierung. Die FDP hofiert die Opfer des Schneechaos, die Hoteliers. Hoteliers in Spanien, gerade die auf dem Land, werden bald ein weiteres Gimmick auf ihre Websites und auf ihre Flyer schreiben können: Mit tollem Blick auf das atomare Endlager. 500 Millionen kriegt das Dorf, welches am Ende den Zuschlag erhält, wenn es in der Nähe von Kinderspielplätzen, Sporthallen und Schwimmbädern strahlendes Material hinter Stahlbetontüren verschließt. Und es bewerben sich viele. Ein kleines hessisches Dorf, ja genau, hat vor ein paar Jahren 5 Millionen für ein Gefängnis bekommen. Beworben haben sich da auch viele andere Dörfer. Billig die Hessen. Gefängnisse, Endlager und Stahlspitzen in Dubai werden gebaut. Ein neues World Trade Center haben sie noch nicht mal angefangen. Eine Brücke zwischen Italien und Sizilien bauen sie auch. Berlin wollte ein Riesenrad, oder haben die das schon? Schulen, Kindergartenplätze, Vorurteile über Minarette ab oder weniger subventionierte Sojabohnen anbauen … Gene Hackman ist Achtzig geworden. Sein letzter Film war vor sechs Jahren, eine Komödie mit dem Typen von „Alle lieben Raymond“. Ein paar Jahre vorher hat er „Runaway Jury“ gemacht. Dort begegnet sein Charakter dem Gegenspieler auf der Toilette des Gerichtsgebäudes, beide streiten dann lächelt Gene abfällig und sagt: „Oh. I get it now. You are a moral man, living in a world of moral relativity.” Hackmans Gegenspieler spielt sein alter Kumpel Dustin Hoffman. Am Ende gewinnt natürlich nicht Hackman. Immer wieder hat er Opfer gespielt, Loser. Mit Respekt hat Verlieren nichts zu tun. Ich hab’ nicht automatisch Respekt für Bushido, warum auch, ich kenne ihn ja gar nicht. Ich hab’ auch keinen Respekt vor der schwarz-gelben Regierung, jedenfalls jetzt nicht mehr: Einfach uralte Atommeiler weiterlaufen lassen? Ihr seid echt taub nach Stockholm gefahren!
Spanien kann dann bald zu wirtschaftsfördernden Preisen den Atommüll für uns einlagern. Wenn dann mutierte Zombiehorden aus dem Südwesten einfallen, brauchen Viele von uns keinen VHS-Kurs mehr um sie zu verstehen: Spanisch ist die beliebteste Fremdsprache unter den 18 bis 27jährigen. Nach Spanien selber will ich jetzt nicht mehr.
Ich will das Bernd Eichinger wieder einen Film wie „Im Namen der Rose“ produziert, von mir aus können dann auch Moritz Bleibtreu und Hannelore Elstner wie einst Sean Connery und Christian Slater zusammen spielen, Regie bitte nicht Uli Edel, oder doch, aber dann der Uli Edel der „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ gemacht hat.
Ich will auch kein Opfer sein. Natürlich nicht. Ich will sagenhaft gute Kritiken kriegen, egal für was. Respekt von den Mächtigen, von mir aus. Aber wenn nicht: Auch nicht schlimm. Ralph Nader hat, glaube ich, drei Mal kandidiert um Präsident der USA zu werden. Er hat nie gewonnen (2 komma irgendwas war wohl sein bestes Ergebnis). Ich habe großen Respekt für ihn. Richtig großen sogar. Wenn Du verlierst, und Du glaubst an Deine Sache, dann sorg dafür das es auffällt. Ich kann nicht beeinflussen ein Opfer zu sein, ich versuche es zu vermeiden, manchmal handle ich wider besseren Wissens und schalte nicht um wenn „Wetten dass…?“ läuft, aber die meiste Zeit ist man ja doch klar im Kopf. Aber wenn man Opfer wird, hat das nichts mit fehlendem Respekt zu tun. Sowieso kümmern sich alle immer viel zu sehr um den Respekt, dieses männlichste und brachialste aller Wörter, na ja nicht aller Wörter, Waffen-SS klingt immer noch deutlich brachialer …
Apropos Wörter die klingen: Im Koreanischen gibt es das Wort „Han“. Das ist schwer zu übersetzen, allgemein bedeutet es Schwermut, Geschlagenheit, Traurigkeit und eine Last auf den Schultern. Aber dann ist da noch eine gewisse Hoffnung, etwas keimt auf und das Wort scheint seine eigene Melodie zu haben, die am Ende doch zuversichtlicher wird.
Ich verliere vielleicht, vielleicht schaffe ich es nicht mich aus der Opferrolle gegenüber der neuen Regierung heraus zu klauben, aber ich muss nicht Opfer der Bushido-Biografie werden und Respekt verdiene ich mir auf meine eigene Art. Ich hab’ hier lange nichts mehr geschrieben, genau damit fange ich an. Ich ändere mich.
2010 hat gerade begonnen. Das wird ein gutes Jahr, ich weiß es, ich mache es dazu.

Die Weltuntergangsfamilie

Aufblende im Büro des Programmchefs eines großen amerikanischen Kabelsenders.
Der Mann hinter dem Schreibtisch trägt italienische Maßarbeit und einen kleinen Bauch. Die Sprechanlage summt und man hört die Stimme seiner Sekretärin:
„Ihr Zwei-Uhr-Termin ist da.“
„Schicken Sie ihn rein.“
Es dauert keine Minute da stehen ein ständig nickender Produzent, ein aufgeregter Jungregisseur und der Autor im Büro. Ihnen werden Plätze zugewiesen und man setzt sich. Der Programmchef sieht die Drei an und setzt dann seine übliche „ich kaufe nichts“-Miene auf.
„Gut. Also, meine Herren, was haben sie für mich?“
„Den nächsten Hit für Ihre Primetime.“, platzt es aus dem Jungregisseur heraus und zum vierten Mal in zehn Sekunden rutscht er auf seinem Stuhl von einer auf die andere Seite. Bei dem Versuch den Kopf auf dem Arm auf zu stützen, verpasst er die Stuhllehne.
„Aha.“ Der Programmchef sieht den Produzenten an, der um den Pitch gebeten hat.
„Es sieht folgendermaßen aus“, beginnt der Produzent. „Alle Sender kämpfen momentan mit aufwendigen Science-Fiction-Serien, Action oder Krimi in der Primetime um die Zuschauer. Sie aber nicht und Sie verlieren.“
„Tun wir das?“
„Ja. Aber wir haben die Lösung.“
„Familie Armageddon.“
Der Programmchef sieht den Autoren mit halboffenem Mund an. Der Autor greift sich kurz an die Brille, Schweiß läuft unter seiner ungekämmten Frisur hervor, über die gefaltete Stirn bis in die buschigen Augenbrauen. Der Programmchef fragt sich kurz, warum er nicht mal an normale Leute geraten kann oder sich wenigstens die landläufige Meinung von Autoren ändern würde.
„Familie Armageddon?“, wiederholt er mit einem deutlichen Fragezeichen am Ende.
„Ja. Genau. Ihr bestes Marktsegment sind Familienprogramme. Bei Action oder Science-Fiction treten sie gar nicht an, deswegen verlieren sie. Wir holen mit unserer Serie die Apokalypse, Action und Science-Fiction in das Spielzimmer einer Familienserie.“
„Aha.“
„Genau“, ergänzt der Autor. „Familie Armageddon ist DIE Science-Fiction-Action-Crime-Drama-Serie des Jahres. Es ist alles drin: Action, Spannung …“
„Lassen Sie mich raten: Science-Fiction und Apokalyptische-Szenarien?“
„Und der Look wird alle umhauen.“ Der Jungregisseur schürzt die Lippen und nickt dazu, als wollte er Vertrauen herbeiwinken, tatsächlich sieht es wie die zu oft ausgeführte Geste eines Wackeldackels aus.
„Aber es gibt schon alle Weltuntergangsszenarien … als große Blockbusterfilme, mit riesigen Effekten. Da mitzuhalten wird unglaublich teuer.“
„Deswegen haben wir uns etwas ausgedacht.“ Der Produzent reibt symbolisch die Hände. Es sieht weniger vertrauenserweckend als mehr linkisch und unseriös aus.
„Ich. Ich habe mir da etwas ausgedacht.“
Der Autor beugt sich nach Vorne und ein Schweißtropfen fällt auf den polierten Holztisch des Programmchefs. Er kann sich sekundenlang nicht vom Anblick des kreisrunden Körpersekrets lösen. Ertappt lehnt sich der Autor wieder zurück:
„Alles spielt in einem Haus.“
Der Programmchef sieht den Autoren fragend an:
„In einem Haus? Die ganze Serie?“
„Ja. Da wir eine Weltuntergangs-Familienserie machen, spielt alles im Haus der Handersons.“, sagt der Produzent und der Jungregisseur ergänzt: „So heißt die Familie.“
Der Programmchef weiß nicht was er sagen soll, aber der Autor:
„Es ist eine fünfköpfige Familie. Typisch amerikanisch. Vater, Mutter, eine ältere Tochter, ein pubertierender Sohn und eine süße Kleine. Alles dabei. Sie leben in einem Haus im ländlichen Iowa.“
„Iowa?“ Der Programmchef runzelt die Stirn.
„Was die Gegend betrifft sind wir flexibel.“, sagt der Produzent. „Macht sowieso nichts, da alles im Haus spielt, brauchen wir keine Außenaufnahmen, wir drehen im Studio.“
„Ja.“, erzählt der Autor weiter. „Jede Woche wird der Planet von einer neuen Katastrophe heimgesucht. In der Pilotfolge ist es die Schweinegrippe.“
„Schweinegrippe?“ Der Programmchef sieht den Produzenten an. Der Produzent grinst breit.
„Gut, oder? Ganz aktuell. Eine globale Pandemie! Unglaublich. Die Leute scheißen sich in die Hose und wir haben die Serie dazu … mit Familienelementen, natürlich.“
„Natürlich!“, springt der Autor wieder mit ein. „Neben den Seuchen, den verschiedenen Weltuntergangsszenarien, haben wir auch die üblichen Familienprobleme: Die Eltern streiten sich, Kinder machen nicht ihre Hausaufgaben, Erwachsenwerden, Verantwortung … die älteste Tochter hat ihren ersten Freund. Solche Sachen.“
„Und währenddessen tobt draußen, vor der Tür der …?“
„Vor der Tür der Handersons.“, wirft der Jungregisseur ein.
„Handersons, danke … tobt vor der Tür der Handersons die Schweinegrippe? Wie soll das erzählt werden? In Nebensätzen?“
„Nein. Viel besser!“ Der Produzent strahlt übers ganze Gesicht. „Übers Radio!“
„Radio?“ Dem Programmchef fällt auf, dass er sehr häufig einfach das letzte Wort seines Vorredners mit einem Fragezeichen danach wiederholt. Er fragt sich kurz ob ihn deswegen seine Frau verlassen hat.
„Genau. Übers Radio. Weil Insert-Fernsehsequenzen teuer und aufwendig sind, haben wir die perfekte Lösung gefunden: Alle Informationen … Tote, Ereignisse aus der ganzen Welt … Maßnahmen, die die Familie zum Überleben ergreifen muss … alles wird über das Radio vermittelt. Und damit es erklärt wird, warum immer nur ein Sender läuft: Es ist ein altes Radio und es ist defekt und auf einer Frequenz eingerastet!“
„Toll.“ Der Programmchef verpasst die richtige Intonation für Ironie.
„Nicht wahr?“ Der Autor strahlt zufrieden. „Und wir haben nicht nur Seuchen … es wird Vulkanausbrüche, Meteoritenregen, Flut … und am Ende der ersten Staffel, zum Cliffhanger … auch Zombies geben!“
„Zombies? Und die belagern dann das Haus?“
„Ja. Belagern, aber kommen nicht rein. Wir wollen das Geld für die Maske sparen, deswegen lassen wir ein paar Praktikanten einfach in den Belagerungsszenen Grunzen und schauerliche Geräusche machen und an den Türen und Fenstern kratzen.“
Der Produzent scheint sich seiner Sache sicher.
„Familie Armageddon, sagten Sie, soll das Format heißen?“
Die Drei gegenüber vom Programmchef nicken geschlossen. Er greift zum Telefon.
„Lassen Sie mich gleich bei unserer Buchhaltung anrufen und Ihnen einen Scheck ausstellen … damit die Vorproduktion beginnen kann.“
„Wirklich!?“ Autor und Produzent springen begeistert auf.
„Nein. Nicht wirklich. Sind Sie bescheuert?“
Der Programmchef steht langsam auf und funkelt seine drei Besucher wütend an.
„Wir sind ein ausgewiesener Familiensender. Wir lassen keine hirnverbrannte Apocalypse-Serie laufen. Und jetzt raus!“
Mit hängenden Schultern und sich kleinlaut über die Borniertheit und den fehlenden Wagemut beschwerend, verlassen Produzent, Autor und Jungregisseur das Büro des Programmchefs. Als sie weg sind lässt er sich zurück in seinen Bürostuhl fallen. Er schüttelt den Kopf, dann greift er nach seinem Blackberry und sucht die Nummer eines Bekannten bei FOX … ihm ist gerade die Idee für eine billige Science-Fiction-Action-Weltuntergangs-Drama und Familienserie gekommen. Vielleicht lässt sich da was machen!

Kommst Du zu meiner virtuellen Beerdigung?

Moment mal! Wir haben „zweitausend Jahre Varusschlacht“ und keiner hat was gesagt?
Ich hätte mir nen Anzug angezogen oder wenigstens das Hemd gebügelt.
Ach … Erst im Herbst? Gut, kann ich noch was aufholen.
Mal sehen: Angeblich hat damals … im Herbst 9 nach Christus … also dieser Arminius (den wir heute der Einfachheit halber Hermann nennen) ein Achtel des römischen Heeres vernichtet. Ein Achtel. Klingt erstmal nicht viel.
Aber wer schon mal versucht hat sich mit einem Achtel des A-Teams anzulegen (was ungefähr zwei Goldketten und die Faust von Mr.T ist), der weiß es besser.
In diesem Fall waren es 20 tausend Mann. Okay, es waren Römer, aber immerhin …
Hermann versteckt sich also, mit einer unbekannten Anzahl von Germanen (die damals zusammengewürfelt aus einer Vielzahl von wirklich beschissen klingenden Stämmen wie Marser und Chauken kamen), irgendwo im Gebirge. Varus – ein römischer Stadthalter, der nach Germanien geschickt worden war um es zu befrieden und Steuern zu erheben (was so dumm ist wie es klingt: War ja klar das sich da jemand wehrt!) – war auf dem Weg zurück aus dem Norden ins Winterlager. Irgendein Idiot erzählt Varus also, dass es Aufstände in einer relativ unbekannten Region Germaniens gibt. Varus nimmt – römisch überheblich – einen Umweg und Baam! (Der Idiot hat sich bestimmt nicht nach Rom getraut!)
Die gut durchmischten Germanen, vom Aussehen wohl irgendwo zwischen Kelly Family und Wildecker Herzbuben, stürzen sich auf die ungelenken Römer, die vorher mit „Weg frei räumen“ und „Bäume fällen um weiterzukommen“ beschäftigt waren. Man kreist den gemeinen Legionär in kleinen Gruppen ein und nimmt Männer und Pferde gepflegt auseinander. Varus, die feige Nuss, nahm sich, bevor man ihn gefangen nehmen konnte schön das Leben und als Kaiser Augustus später Varus Kopf präsentiert bekam rief er:
„Varus, Varus! Gib mir meine Legionen wieder!“
Was für mich persönlich zum geflügelten Wort wurde, weil es ein alter Geschichtslehrer von mir in geradezu inbrünstiger Art immer wieder und wieder ausrief (selbst als wir im Unterricht längst bei Hitler waren).
Was ich mich bei allen Berichten über die Varusniederlage oder Hermannschlacht (wie man sie in Detmold nennt, wo man gleich übereifrig das Hermannsdenkmal aufgestellt hat) irritiert, ist: Eigentlich weiß niemand einen Scheiß was damals passiert ist.
Fakt ist: Keiner der Typen (Ovid, Tacitus, Cassius Dio und wie die alle hießen) die drüber geschrieben haben war dabei.
Fakt ist auch: Keiner weiß genau wo die Bambule wirklich abging. Einige sagen in Detmold und im östlichen Teutoburger Wald (was der echt beschissenste Ort für ne Keilerei ist, ich meine: Verklicker mal deiner Truppe am Wochenende beim Grillen: „Hey, ich hab’ im Herbst bei Detmold den Römern eins auf die Nuss gegeben und dafür gesorgt, dass die langfristig ihre Bemühungen nördlich des Rheins Fuß zu fassen aufgeben.“ Klingt doch nach gar nichts!), andere sagen südlich vom Teutoburger Wald, bei Beckum (was nicht viel besser als Detmold klingt) und wieder andere meinen das sich alles bei Kalkriese abspielte (was der wenig belebten Gegend bei Osnabrück ein bisschen zu viel Ehre zuteil werden lässt, wenn man mich fragt).
Das heißt also: Im Grund hat vor zweitausend Jahren ein Deutscher nem Italiener und seiner 20tausend Mann Bande irgendwo mit was-weiß-ich-wievielen Kumpels richtig eins reingewürgt.
Und da es damals noch kein Twitter gab, gibt es auch keinerlei Berichte aus erster Hand und wie es wirklich abging, was die Jungs so genau trieben oder wo sie dabei eigentlich rumhingen.

Apropos Twitter:
Der Trend geht ja nun eindeutig in die Richtung sich überhaupt nicht mehr persönlich zu treffen, trotzdem aber alle Welt über jeden Scheiß auf dem Laufenden zu halten.
Bald schon heiraten wir bestimmt virtuell … ach: Dat gibt’s schon?
Na dann … dann will ich wenigstens virtuell zur letzten Ruhe gebettet werden. Mit Gästebuch und dem Button „Would you like to share this Funeral on Facebook?“. Ich will dass meine “Freunde” sich meine Beerdigung auf ihrer MySpace-Seite “embedden” können und einen Livestream aus dem Sarg will ich auch. Ich will ein Voting zum Thema „Einäschern oder Vergraben“ und anschließend „Urne oder Asche auf dem Meer verstreuen / ins All schicken“. Ich will Werbebanner auf meiner MyFuneral-Seite für das neue Miley Cyrus-Album und ich will ein Haufen Weiterleitungen unter dem Titel „Wenn sie diese Beerdigung mochten, mögen sie vielleicht auch die folgenden Beerdigungen:“
Und ganz Unten, ganz weit Unten auf der Seite. In dem winzigen Text den jede Webseite mittlerweile hat und der die meisten Anbieter von der Haftung für ihren abscheulichen Inhalt ausschließt, irgendwo in diesem winzigen Text steht der Name Joe Blitz. Und man kann auf den Namen klicken und wenn man das tut, dann öffnet sich ein neues Fenster und das neue Fenster ist absolut leer. Und man muss wieder ganz weit nach Unten scrollen um überhaupt was zu sehen. Und da steht dann:
„Joe Blitz ist L. Ron Hubbard.
Ein unterdurchschnittlicher Science-Fiction-Autor, der es tatsächlich geschafft hat eine eigene Religion zu gründen, die heute größer ist als jemals zuvor. (Und das mit dem Vornamen Lafayette!) Eine eigene Religion, die nicht weniger Religion wird, nur weil wir sie Sekte nennen. Eine Religion, verdammte Scheiße! Von einem Science-Fiction-Autor! Wer hat wohl die Bibel geschrieben?“
Und unter diesem Text ist ein winziger Button und darauf steht:
„Computer runterfahren, dann aufstehen, mal wieder rausgehen und nen klaren Kopf bekommen, weil diese Welt das echt nötig hat!“
Und ich wette: Wer diesen Button, diesen Knopf dann drückt, der textet im Rausgehen seinen Kumpels via Twitter:
„Hab’ diesen Knopf auf ner Funeral-Page gefunden. OMG Muss meinen Computer neu starten. Geh’ mal eben raus und seh’ nach ob jemand da ist.“
Zwei Minuten später folgt dann:
„War draußen. War ganz alleine. LOL Keiner hat’s gehört!“

Chartgestöber

Auf Platz Fünf der meist verkauften Sachbücher in Deutschland steht diese Woche Sonya Kraus mit „Baustelle Body“ Untertitel: „Sonya’s Secrets“. Ehrlich gesagt: An dieser Stelle fallen mir so viele Seitenhiebe ein, ich bin geradezu genötigt nichts zu schreiben. Nur soviel: Auf Platz Neun steht der Rechtschreibduden.

Auf Platz Drei der Bundesliga steht, seit diesem Samstag, Bayern München. Mit hängenden Gesichtern und Schultern und was weiß ich noch allem, haben Rummenigge, Hoeneß und der Rest des ewig grantig wirkenden Bayern-Vorstands auch gleich Klinsmann entlassen. Ich will das ja nicht auf die Vereinsführung schieben, und Gott weiß: Ich kann den FC Bayern nicht ausstehen, aber denken diese dauerhaft schmollenden War-einmal-Fußballlegenden wirklich das Jupp Heynckes in fünf Spielen irgendwas ändern kann? Vor der Saison sagte man noch: Die Ziele gehen über die Spielzeit 08/98 hinaus. Was ist passiert? Hat die Fußreflexzonenmassage, die Luca Toni nun jeden Morgen kriegt, kein Vertrauen mehr erzeugt? Ich meine: Gegen Barcelona habt ihr doch nur ganz knapp – – – Ach, nee: Ziemlich deutlich verloren. Und immerhin: Ihr verliert vielleicht gegen Barcelona, Schalke und Wolfsburg, aber gegen Frankfurt, Bielefeld, Karlsruhe, Bochum und Hannover habt ihr gewonnen. Das ist doch schon mal was. Teilweise sogar mit mehr als mit einem Tor … außer gegen Bielefeld und Karlsruhe. Also: Kopf hoch. Vergesst eure Depressionen, sagt ja zum Leben und zum UEFA-Cup … (so nebenbei: Hat schon mal jemand Uli Hoeneß lachen gesehen? Und wenn: War es so ein echtes lachen, so eins wie sein Bruder hat … oder eher so eine Art Gesichtsentgleisung … anders kann ich mir das nämlich nicht vorstellen.).

Auf Platz Eins der meistgesehenen Kinofilme in Deutschland steht in dieser Woche Crank 2. Was super ist: Bedenkt man, dass sich über 300tausend Deutsche eine geisteskranke Klamotte angesehen haben, die aussieht als wäre sie für lau gedreht worden, dabei aber 20 Millionen Dollar gekostet hat. Eine Summe, die der Film (Gott sei Dank – sehr viele Gott-Verweise in diesem Eintrag, oder?) noch nicht eingespielt hat. Was bedeutet: Nach dem erfolgreichen ersten Teil (12 Mio. Budget – mehr als 44 Mio. weltweit eingespielt) wird es keinen dritten Teil geben. Puh!
Eine Frage bleibt: Crank 2 hat in Deutschland keine Jugendfreigabe bekommen, was heißt: Er ist für Jugendliche unter 18 nicht zu sehen. Trotzdem führt er die Spitze der Kinocharts in seiner ersten Woche an. Hm? … Die ausgewiesene Zielgruppe für Crank, mit seinem eingängigen (und zusehens nervigen) Klingelton, dem Handygame, den Wallpapers und was nicht noch alles, ist die übliche Gruppe von 14 bis 49: Ich hab’ aber keinen 49-Jährigen mit nem Crank-Wallpaper auf seinem iPhone gesehen oder wie er sich auf Facebook als „Freund“ von Crank-Star Chev Chelios verlinkt.
Vielleicht sind es nicht nur Killerspiele, die man dieser Tage härter ins Gericht nehmen sollte. Die Werbung über Internet, Handy und Fernsehen wird selten von einem neuen Teil der „Wolfenstein“-Saga so eingespannt, wie sie es für neue Filme wird. Und obwohl ihre moralische Unzulänglichkeit – wie im Fall von Crank 2 – mit einer Wertung eingestuft wird, werden die Filme beworben wie Hölle. Zigarettenwerbung ist aus dem Fernsehalltag verschwunden, nach Bierwerbung folgen „Don’t drink and drive“-Hinweise … ich hab’ nichts gegen Filme ab 18. Himmel! Die meisten Filme, die ich mag sind ab 18 oder gehören in ihrer FSK-Einstufung unbedingt heraufgesetzt, und – – – Oh! Okay: Ich weiß wie sich das anhört … Nein! Ich spreche jetzt nicht von Pornos! Jedenfalls nicht hauptsächlich … zurück zum Punkt: Es ist die Fokussierung, die mich rasend macht. Passiert eine Schießerei, gehen alle auf die Computerspiele los. Dabei gibt es hier deutlich Fortschritte:

Auf Platz Eins der Spieler-Hitliste für Computerspiele stehen „Die Sims 3“, obwohl das Spiel erst am 4. Juni rauskommt (illegale Raubkopien sind doch ein Segen…). Na gut: Dahinter folgen, auf Platz 2 bis 5, Spiele die „Command & Conquer“ heißen, oder „Hell’s Highway“, „Total War“ oder „Warhammer“ im Namen tragen. Doch auf Platz Sechs folgt der beschauliche „Landwirtschaftssimulator“. Wer will sich beschweren, wenn das eigene Kind – nach einem Tag mit Erniedrigungen und Problemen in einer völlig überfüllten Gesamtschulklasse (und einem überforderten Pädagogen) – nach Hause kommt und anfängt seine eigenen Genmaisfelder virtuell anzulegen, damit er Subventionen durch die EU kassiert.
Wie viel man natürlich von, per Internet-Befragung erzeugten, Benutzer-Hitlisten ableiten kann, ist fragwürdig. Ebenso ist es fragwürdig ob die Internetnutzer, die Lady Gaga mit ihrem Album „Fame“ an die Spitze der deutschen Hitparade gewählt haben, alle auch das Album käuflich erworben haben; oder ob es eine Klingelton-Hitparade geben muss, die mir durch diesen Blog-Eintrag erst wirklich bewusst wurde und deren „Scheiße, ich liebe Dich“ vom schlecht animierten Bieber „Mauli“ mich bis ans Ende aller Tage in Alpträumen verfolgen wird.
Fakt ist: Wir lieben Hitlisten. Gerade am Wochenende hab’ ich wieder meine Lieblingsfilme aufgelistet. Ohne das jemand nachgefragt hat, einfach so. Dabei ist mir aufgefallen: Für all die guten Filme die es gibt, reichen fünf Plätze … reichen nicht mal zehn Plätze aus. Eventuell ist was falsch an meiner Herangehensweise.
Die meisten Filme die ich mag sind so unterschiedlich – und ich meine nicht nur die Pornos (Girl on Girl, Boy on Girl, Boy on Boy, Animal Erotica …) – man kann die gar nicht vergleichen.
Okay: „Heat“ mit Al Pacino kann man mit „Der Duft der Frauen“ mit Al Pacino vergleichen, immerhin ist es beide Male Al Pacino und er ist beide Male unglaublich gut, aber ansonsten?

Beim Frühlingsfest in Weißensee (fragt mich nicht wie ich darauf komme), welches an diesem Sonntag stattfand, traten 16 Talente auf. Darunter war ein behindertes Mädchen das Mundharmonika spielte. Am Ende gab irgend so ein Penner mit Mikrofon, der scheinbar die Jury anführte, den Kontrahenten eine Wertung und Verbesserungsvorschläge (Und wir dachten: Castingshows hätte keine Auswirkungen auf unsere Gesellschaft!). Verbesserungsvorschläge für Behinderte und Dreijährige Kinder, die nacheinander aufgetreten sind. Drei der „Talent-Acts“ waren mit Erwachsenen besetzt, oder was ich in diesem Zusammenhang mal Erwachsene nennen will. Eines waren irgendwelche schwergewichtigen Schotten, dann noch ein übermotivierter Alleinunterhalter und zwei Jungs mit Gitarren. Gewonnen haben die zwei Jungs mit Gitarren. Gegen ein behindertes Mädchen mit Mundharmonika.
Selbst wenn ich der fucking beste Mundharmonikaspieler der Welt wäre, der mit seinem Mund, diesem kleinen Metallinstrument und seiner Zunge [Und meine Zunge ist nicht untrainiert!] „The Age of Aquarius/Let the Sunshine In“ (in der Version von „Hair“ und in voller orchestraler Besetzung) spielen könnte, selbst dann würde ich nicht gegen ein behindertes Mädchen antreten. Und ich wollte nicht bewertet werden. Ich weiß, man soll Rollstuhlfahrer und Downies (Ja, ich hab’ „Downies“ geschrieben für Menschen mit Down-Syndrom.) behandeln als wären sie so wie alle.
Hey! Newsflash! Wenn ich Zwei Meter und Vierzig groß wäre, würde ich auch nicht bei H&M nach Hosen fragen, oder?
Was ich machen würde, wenn ich saugut Mundharmonika spielen könnte? Ich würde mit dem behinderten Mädchen zusammen spielen, ich würde ihr zuhören und zusehen wie sie das Instrument spielt. Ich würde lernen, weil sie anders spielt als ich.
Ich würde mich nicht von einem dahergelaufenen Penner mit Mikrofon auf einem Frühlingsfest bewerten und verbessern lassen und ich würde Filme, Musik und Bücher die ich mag, nicht in kleine Top-5-Listen in meinem Kopf packen. Moment… irgendwas davon müsste auch gehen, ohne das ich saugut Mundharmonika spiele. Oder ich fang gleich an zu üben.

Mein Advent, Dein Advent. Teil 1: Rasieren

Bildschirm eingefroren. Zurücklehnen. Da kann ich mich auch mal eben rasieren. Auf dem Weg ins Badezimmer fällt mir die Szene aus dem „Sommermärchen“ ein … und Xavier Naidoo trällert „Dieser Weg“. Verdammt da war die Welt noch rund. Gesternabend hat Florian Silbereisen doch tatsächlich Vater Abraham mit den Worten „Und Sie kennen ihn alle!“ angekündigt. Anschließend hat der designierte Dompteur der Schlümpfe zu Eberhard Hertels 70ten Geburtstag im Voll-Playback „Freunde sind dafür Freunde“ gestammelt. Oder war es „Freunde sind da für Freunde“? Ach, und wer ist noch mal Eberhard Hertel? Sie kennen ihn alle! 22,2 Prozent Marktanteil hatte der Silbereisen. Wer sich über Volksmusik aufregt, hat ja bekanntermaßen keine Argumente mehr. Dieter Bohlen hatte zur gleichen Zeit 20,6 Prozent. Stefan Raab hat dann noch 8,6 Prozent mit Stock-Car-Scheiß begeistert und auf Sat Eins lief die Lego-Show für 6,1 Prozent. Macht, summa summarum: 57,5 Prozent haben nachweislich Scheiße geguckt. Nicht irgendwelche Scheiße. Richtige Scheiße. 57,5 Prozent kann man so, mit gutem Gewissen, aufgrund instabiler Geisteslage einweisen. Wow. Würde mich mal interessieren was das am nächsten Wahlergebnis schrauben würde. Allgemein: Wahlen. Während ich mir die erste Schicht Gesichtshaar mit der groben Rasierstufe abtrage, kommen mir wunderbare Gedanken zur aktuellen Sonntagsfrage. Nein, damit meine ich nicht Anne Wills aktuelle Talkrunde unter dem Banner „Terror in der Luft“, was genauso wie der Untertitel eines aktuellen Kiefer Sutherland-Films klingt. Nein, ich meine die echte Sonntagsfrage: Fünf Parteien über zehn Prozent. Ich bin ja schon basisdemokratisch erzogen, aber soviel Indifferenz macht mir Angst. Um sich heutzutage im politischen Schmuddelwetter (oh Gott, ich klinge wie ein überambitionierter Redenschreiber für Guido Westerwelle) … wer sich da also noch absetzen will, der muss doch zwangsläufig Problemfelder wie Abtreibung oder Sterbehilfe wieder auf den Plan rufen. Würde ich auch. Gerade an Weihnachten, wenn wir doch alle Kinderaugen brauchen die wir kriegen können. Gerade in Bayern. Da wo man noch ans Christ“kind“ glaubt. Ob Josef seine Maria damals vielleicht auch zum „Wegmachen“ getrieben hätte? War schließlich nicht sein Kind. Damals war das doch undenkbar? Und die ganzen Erbkrankheiten, hat ja noch niemand den Vater von dem Kleinen gesehen. 90% aller Down-Syndrom-Kinder werden abgetrieben, fällt mir ein als ich den Rasierer auf zwei Stufen kleiner einstelle und mich ans Kinn und vorsichtig auch an den Leberfleck am Hals mache. Ist der vielleicht größer geworden? (Der Leberfleck!) Krebs ist heutzutage doch das Thema Nummer Eins, wenn es um Gesundheit geht. Irgendwo kam vor kurzem die Frage auf, warum man nicht einfach – wie damals beim Manhattan-Projekt – einen Haufen Ärzte, Forscher und Experten für zwei, drei Jahre irgendwo einsperrt und was gegen Krebs oder Aids findet. Das ist doch mal ein Vorschlag den man sich auf die Wahlkampffahnen schreiben könnte. Krebs heilen. Tada! Das wollen alle. Auch, oder gerade, die die Silbereisen am Samstagabend seine Milli-Vanilli-Variante abnehmen. Vielleicht gibt’s dann eine Silbereisen/Bohlen-Kombi-Sendung zur Auswahl der entsprechenden Ärzte. Okay: Kusch fliegt in der ersten Runde raus! Und nur die Buddhisten glauben an den „Recall“. Stattdessen beschäftigen weltweit die Pharmakonzerne und staatliche Forschungseinrichtungen mehr Wissenschaftler zu den Themen Diät-Pillen, Potenzmittel & naturreines Make-Up, als für Krebs- oder Aids-Forschung. Wer das nicht glaubt, braucht nur mal vor Weihnachten in eine Apotheke gehen. Ich seh da keine Pappaufsteller mit Pelé oder Erol Sander stehen, die für Pillen gegen Krebs werben. Aber: Achthundert neue Mittelchen gegen Schnupfen oder Husten. Am wirksamsten bleiben doch sowieso weiterhin warme Socken und Pfefferminztee. Gerade was die Reizhustenbekämpfung angeht: Die Mittel dagegen sollen sich wie ein „Film“ Innen an die Seiten der Luftröhre und der Schleimhäute legen. Großartig animiert in jedem zweiten Werbespot. Das Problem ist nur: Husten ist entweder berechtigt, dass heißt Fremdkörper sollen aus den Atemwegen befördert werden (dann braucht man auch keinen „Film“) oder der Reiz kommt alleine aus dem Gehirn (und dann hilft ein „Film“ ebenso wenig). Aber alles was sirupartig, blau und nach Menthol schmeckt, wird konsumiert wie Zimtsterne. Aber was reg’ ich mich auf: Fertig und frisch rasiert, schmier’ ich mir genauso die Creme ins Gesicht. Als würde meine großporige Nase nach zwei Anwendungen Peeling und „Hautentspannungscreme“ irgendwie besser aussehen. Auch da hilft nur das Hausmittel: Kerzenlicht, statt Neonröhre.
Zurück am PC starte ich neu und wähle mich, nachdem ich siebzig Anti-Spyware und Firewall-Programme aktiviert habe, wieder ins Internet ein. Innere Sicherheit und die Kontrolle meiner eMails ist auch so ein Wahlkampfthema. Das über moderne Probleme immer die unmodernsten Menschen entscheiden.
Übrigens lief am gestrigen Samstag, unbemerkt von der Mehrheit der deutschen Fernsehzuschauer, auf 3 Sat ein Gala-Konzert – zeitgleich mit Silbereisen, Bohlen, Raab und Lego. Ich weiß nicht genau wie viele Menschen das Konzert gesehen haben, aber VOX lag mit 3,6 Prozent Marktanteil noch davor. Das Gala-Konzert hatte sogar einen guten Zweck: Es war zugunsten der Deutschen AIDS-Stiftung.

Jason Segel – Dracula’s Lament

[transilvanischer Akzent]
It’s getting kind of hard to believe things are going to get better.
I’ve been drowning too long to believe that the tide’s going to turn.
I’ve been living too hard to believe things are going to get easier now.
I’m still trying to shake off the pain from the lessons I’ve learned.
And if I see Van Helsing I swear to the lord I will slay him.
… AH-HAH-HAH-HAH!
He’d take you from me, but I swear I won’t let it be so.
… AH-HAH-HAH-HAH!
Blood will run down his face when he is decapited.
… AH!
His head on my mantle is how I will let this world know: how much I love you.

Die.

Die.

Die.

I can’t.

Mittwochnachtkritik I

Ich will nicht schon wieder über einen Schreiber von spiegel-online herfallen, aber ich hätte große Lust dazu. Große Lust auch mal alle Kritiker von „The Happening“ an einen Tisch zu holen und ihnen ordentlich den Kopf zu waschen. Werkimmanenz, meine Herren & Damen, Werkimmanenz!
Die meisten (sehr negativen) Kritiken zu M. Night Shyamalans neuem Film lesen sich mehr wie eine persönliche Abrechnung, als der Versuch sich dialektisch einem Thriller zu nähern. Was hat er euch getan? Irgendwas passiert, was mir mal wieder entfallen ist? Ist M. Night Shyamalan in einem F40 über den Sunset Strip gefahren und hat dabei geschrieen „Ihr könnt’ mich alle mal, ich bin der König der Welt!“? Und wenn schon.
Hat es euch gestunken dass er der „neue Spielberg“ genannt wurde? Ist doch egal … und, nur mal so zum Vergleich: Shyamalan hat in den letzten zehn Jahren „The Sixth Sense“, „Unbreakable“, „Signs“ und „Lady in the Water“ gemacht. Auf die Haben-Seite von Spielberg gehen hingegen Meilenstolpersteine wie „Indiana Jones 4“, „Munich“, „Saving Private Ryan“ und „Artificial Intelligence: AI“. Das ist abstruse Sci-Fi-Fantasy-Abenteueraufguss-Kacke plus übermoralisierter Abrechnungs-Pseudo-Thriller, ein verdrehter Weltkriegs-Schmalz-Epos mit Fahnensalut und außerdem die Grabschändung von Stanley Kubrick auf Crack und diesen leuchtenden Neon-Stäben die Raver immer durch die Luft wirbeln! (Okay, die ersten 10 Minuten von Private Ryan nehm’ ich raus. Die sollten jedem Staatschef bevor er in den Krieg ziehen will mehrmals vorgespielt werden – Aber das war auch ein Unfall, okay? Nicht Spielbergs Schuld! Wahrscheinlich vom Regieassistenten geplante Sequenz, oder sowas … )
Aber ich habe diese Filme Herrn Spielberg vergeben. Immerhin hat er mich mit „War of the World“, „Catch me if you can“ und „Minority Report“ unterhalten. Nicht seine besten Streifen, aber okay. “Terminal” war ein Neutrum. Ebenso hab’ ich die „neunzig Minuten auf eine Pointe“ von „The Village“ Shyamalan verzogen. Was sollte er machen: Alle wollten den plot twist.
Was uns zu „The Happening“ bringt: „Kein plot twist am Ende“ haben viele bemängelt. Immer noch besser, als (wie Spielberg) am Ende von Indy 4 eine (den ganzen Film schon über) offensichtliche Schwäche im Drehbuch als solchen plot twist und UNGLAUBLICHE Enthüllung verkaufen zu wollen (Ja! Ich spreche von den Außerirdischen!).
Und der Rest? Es war bizarr komisch, situationsabhängig lustig, gespielt wie in einem Hitchcock-Film (Mark Wahlberg war immerhin mal für einen Oscar nominiert – „not this time … but“) und manchmal sogar gruselig. Ist doch okay. War’n netter Abend.
Lieber vier Filme wie „The Happening“ machen und insgesamt nur 168 Millionen ausgeben, als für 180 Millionen nur einmal Bullshit mit Harrison Ford obendrauf kriegen.
Tatsächlich ist „The Happening“ nämlich nur der Beweis für die Schritte die ein Regisseur nehmen muss. Alfred Hitchcock, zum Beispiel (ja, ich erlaube mir diesen Vergleich), begann seine Karriere mit Filmen wie „The Man who knew too much“, „39 Steps“ und „Sabotage“. Hatte dann wenig Erfolg mit seinen Zwischenwerken (wie „I Confess“), die aber in der Rückschau zu seinen eigentlichen Zierstücken gemacht wurden. Schließlich folgten dann die immer noch bekanntesten Werke „North by Northwest“, „Psycho“ und „The Birds“. Und überlegen wir mal was eigentlich bekloppter klingt: Das jemand (der vollkommen ängstlich und verwirrt ist) kurz mit einer Topfpflanze unterhält, oder das jemand auf freiem Feld aus einem Bus steigt und plötzlich von einem Flugzeug gejagt wird?
Übrigens wurde auch Hitchcock immer wieder als „überholt“, „ungenügend“ und „unzeitgemäß“ oder „lächerlich“ betitelt (zum Beispiel für sein Spätwerk „Topaz“). Das ändert nichts daran: Egal welchen Film man sich von ihm ansieht, irgendwie rocken die immer noch (und wenn auch nur kurz, oder für eine einzige Szene). Mir reicht das immer vollkommen aus. Wie in „Jaws“ die Stelle an der Roy Scheider „we need a bigger boat“ sagt, oder in „Unbreakable“ der Sohn am Morgen erkennt das Bruce Willis der Unbekannte aus der Zeitung ist. Genau das sind die wichtigen und meine persönlichen Lieblingsstellen, natürlich in einer werkimmanenten Betrachtung.