HARLEKIN POST (019) Schönheit

Drei Herzen nebeneinander. Nackt, zerbrechlich. Sie sehen gleich aus, gleich eklig. Über einem steht „WHITE“, über dem nächsten „BLACK“ und über dem dritten Herz steht „YELLOW“.
Eines von vielen Benetton-Werbeplakaten. Auf anderen sieht man fickende Pferde (natürlich ein Schimmel und ein schwarzes Pferd: Es ist wohl klar, wer hier wen fickt!), eine Ente im Öl-Sumpf oder ein weißes Baby an einer schwarzen Brust. Genauso oft wie diese Plakate besprochen, kommentiert, gelobt und verdammt wurden, wurden sie auch verboten.
Nun wurde wieder Werbung verboten, diesmal allerdings nicht von Benetton. L’Oreal ist die Firma die für eine neue Kampagne Julia Roberts als Aushängeschild nutzen wollte. Doch in England hat eine Parlamentsmitglied die Kampagne verbieten lassen. Doch Julia Roberts ist auf den L’Oreal-Plakaten nicht etwa nackt, oder wird von einem Pferd bestiegen, und man sieht nicht mal ihr offenliegendes Herz. Nein. Sie wurde gephotoshopt (kann man das so schreiben? Ist doch mittlerweile ein Verb, oder?). Perfektes Gesicht, perfekte Haut. Oder wie man es in Werbekreisen wohl sagt: Stinknormal.
Man muss nicht in der Werbebranche arbeiten um zu wissen: Werbung hat nichts mit der Realität zu tun. Hier springen Autos von Häusern und Männer werden dank Coke-Zero unwiderstehlich … Ich hab’s versucht. Alles was ich davon hatte, war ein Cola-Bauch und das ich dauernd aufs Klo musste. Nichts unwiderstehliches dran, glaubt mir.
Acht Jahre meines Erwachsenenlebens hab ich an AXE verschwendet. Ich gab im Monat mehr für Deos und Duschgel aus, als für Nudeln oder Reis. Und im Club roch ich wie der Rest aller Typen. Und obwohl ich diesen Ben-Affleck-Clicker hatte (erinnert ihr euch an die Werbung?) … es brachte rein gar nichts. Ich sah nur bescheuert aus. Den ganzen Abend dieses blöde Teflon-Grinsen nachmachen und mit einem Clicker in der Hand auf dem „0000“ stand. Wie peinlich.
Wie dem auch sei: Ich kam drüber weg. Ich bin drüber weg. Jedenfalls was Clicker angeht. Man kauft, was man sieht. Man benimmt sich wie Filmfiguren (Neulich stand ich mit nem Einkaufswagen in einem engen Gang im Supermarkt, und eine Frau wollte mit Kinderwagen vorbei. Es war aber nicht genug Platz. Alles was mir einfiel, war mit einem Baguette auf den Boden zu stampfen und laut zu brüllen „Du … kannst nicht … vorbei!“) und man spricht, wie das was man liest. (Jedenfalls machen das die Menschen so, die noch lesen. Der Rest unterhält sich in Dialogschnipseln aus Honey 2 … „Wenn der Battle beginnt … brauchst Du Deine ganze Power“ … Es ist zu putzig ein paar minderjährigen Deutsch-Türkinnen und nur Deutschen dabei zuzusehen, wie sie mit Schwarze-Ghetto-Frau-Gesten um sich werfen. Dieser erhobene Zeigefinger, den sie wie einen Zauberstab wirbeln …)
Der Punkt ist: Wenn man Werbung verbietet, die Fältchen oder Pickel retuschiert, kann man auch gleich die Korrekturpfanne einer Zeitung verbieten, von wegen Ungereimtheiten beseitigen … oder was ist mit Filmen wie „Cars“ oder … „Cars 2“ (Wirklich? Davon gibt es eine Fortsetzung? Wie wärs mit „Boats“ zur Abwechslung? Oder „Toaster“ … ), glauben die Kids dann jetzt: Hui. Autos können sprechen. Verbieten wir also auch Knight Rider oder MacGyver: Ich meine, niemand glaubt das man mit Schokolade einen Reaktor versiegeln kann. Wo war Richard Dean Anderson eigentlich, als Fukushima passierte?
Das Argument ist: Immer mehr Jugendliche wollen eine Schönheits-OP oder sind magersüchtig. Okay. Damit kann man was anfangen. Aber es hat nichts mit der Werbung zu tun. Wenn Eltern so dumm sind und ihren Kindern vermitteln: Oh ja, Du kannst alles werden was Du willst … auch Supermodel. Was glauben die kleinen Scheißer dann? Sie glauben es. Und langsam löst sich die Grenze zwischen Realität und Kunst (ja, ich zähle Werbung mal für diesen Punkt zur Kunst) auf. Und es ist nicht die Werbung die in die Realität kommt, soviel ist klar.
Im Mittelalter ließen sich Herzöge, Könige und Grafen gerne porträtieren. Weil die meisten Herrscher aber aus Inzest-Familien kamen und dementsprechend wie ein buckliger Kartoffelsack mit Armen aussahen, mussten Diener oder Bauern die Gewänder tragen, wurden gemalt und anschließend wurde das Gesicht des Königs drauf gesetzt.
Unsere Faszination für Royals und Gewänder ist bis heute geblieben. Und wir denken, dass L’Oreal Schuld an der verkorksten Jugend ist.

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