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Leise, jetzt!

Vergangene Woche war der erste Todestag von Michael Jackson. Und die ganze Welt gedachte seiner verwesenden, gebleichten Haut. Irgendwo stand, dass Michael Jackson präsenter ist als jemals zuvor. Er verkauft mehr Alben, sein aktueller Film purzelt wie verrückt in den Media-Märkten über den Kassentresen und im Radio wird er öfter gespielt als an seinem tatsächlichen Todestag.
Es gibt Partys zu seinen Ehren, hier in Berlin in angesagten Szene-Locations, irgendwo in Übersee, in den Hollywood-Hills, ebenso wie in Uptown New-York und auch im kleinen Dorfgemeinschaftszentrum von Köln-Mühlheim. Alle feiern einen, in mehreren Fällen angeklagten Kinderschänder.
„Aber er ist ja nur angeklagt, äh wurde angeklagt. Nichts nachgewiesen. Das ist doch Verleumdung.“ Fuck you, Verleumdung. Der Typ war operierter als Cher, natürlich hatte er ein Rad ab. Und wir feiern ihn als „King of Pop“. Wir geben für den verstorbenen Ex-Schwarzen Michael Jackson mehr Geld aus denn je, gleichzeitig interessiert sich die Welt für Kinderarmut weniger als seit Jahren. Die G8/G20-Clubbrüder und Schwestern treffen sich, nur um zu bemerken: Ui. Da sterben doch tatsächlich wieder mehr Kinder an Unterernährung auf der Welt als noch vor ein paar Jahren. Und niemand juck’s. Und bei den vielen toten schwarzen Kindern sind bestimmt einige dabei die das gleiche, wenn nicht mehr Rhythmus-Gefühl, die gleiche Stimme und so weiter und so weiter entwickelt hätten, wie Michael Jackson. Und die sind dann auch noch ECHT schwarz. Ich meine: wären!

Aber mit solchen Vergleichen sollte man vorsichtig sein, sprengt man damit doch jede Thriller-Motto-Party, oder vergrätzt die Leute am Tresen und verscheucht sich von den Gratis-Erdnüssen. Als würden Zombies oder Werewölfe Erdnüsse essen. Ein paar Schaumgummi-Menschenaugen, ist das zuviel verlangt?!
Kleiner „Fun-Fact“ nebenbei: Heidi Klum ist 96% aller Deutschen bekannt, bekannter als Jesus. Mal raten wie viele Menschen Michael Jackson kennen.
Ob sich nicht auch ein paar „Schäfchen“ vom alten „J“ abgewandt hätten, hätte er mit kleinen Jungs in einem Bett geschlafen? Seiner Nachfolgeorganisation, wenn wir mal davon ausgehen dass seine paar Jahre Wanderschaft so was wie eine einvernehmliche, aber vertragslose GbR darstellen, laufen genau deswegen ja gerade die Kunden weg.

Eine andere Nachfolgeorganisation, die PDS … ich meine die Linke (warum kann ich mir das nicht merken?) … schließt ja gerade wieder an die Erfolge ihrer Vorgängerorganisation an, und zwar: Absolut keine Bedeutung in was für einer Weise auch immer zu haben. Vielen Dank fürs mitmachen, aber Demokratie ist nicht Olympia. Dabei sein ist nicht alles. Nur wer auf dem Treppchen steht bekommt eine Medaille und nur wer eine Medaille hat, findet auch Einzug in den Medaillenspiegel. Aber wie ein weißer Sprinter beim 100m-Finale der Herren, kreuzt die PD-Linke chancenlos und nach zwei Sekunden schon achtzig Meter hinten die Bahn und hofft darauf jemanden mit umzureißen, damit wenigstens das Bild in die Zeitung kommt und Mama-Gysi was zum Rumzeigen beim Soljanka-Abend im betreuten Wohnen hat.

Abschließend noch ein paar Worte zu BP. Nein, eigentlich reicht es nicht sich nur an BP zu richten. Ich richte mich also an alle die im Energiegeschäft etwas zu sagen haben. Merkel, Obama, Putin, Schröder, Hayward …
Wir haben alles. Wirklich alles. Unsere Welt ist bestens ausgestattet. Es gibt „intelligente Raketen“, die Sperlingen die Rotze aus der Nase schießen können, ohne einen Zivilisten dabei zu gefährden. Es gibt Fernsehen aus der Steckdose und bald soll es Funkstrom geben. Jaha! Fucking Funkstrom! Damit der Jute-Beutel-Träger auch ohne Steckdose im Mauerpark sein iPad aufladen kann.
Are you fucking kidding me???
Erzählt mir nie wieder: Das geht nicht. In Kalifornien sitzen sie an einem Fusionsreaktor. Kalte Fusion! Der Break-Even-Point sei bald erreicht, man bekommt dann mehr Energie raus als man rein steckt. Aber für ein Kraftwerk reicht das noch nicht. Wirklich?
Wenn auch nur ein verschwitzter Power-World-of-Warcraft-User äußern würde, dass er ein paar Euro für ein nach Bärlauch-Pesto riechendes iPad ausgeben würde: Es würde Geruchshüllen fürs iPad an jeder Straßenecke geben. Ach was: Man würde Trikotwerbung für Geruchshüllen in der Bundesliga sehen.
Aber wir kriegen kein bescheuertes Ölleck geflickt? Hallo? Das ist nicht wie bei einem kleinen Riss in einem Fahrradschlauch. MAN SIEHT WO DAS ÖL RAUSKOMMT. Eine Webcam zeigt das Öl in Echtzeit ausströmen! Wenn da Unten eine Webcam aufgebaut ist: Baut einen Sanitärfachhandel daneben.
Und dann noch was: Ich will fliegende Autos und die Versorgung der gesamten Erde mit erneuerbaren Energien innerhalb der nächsten zehn Jahre.
Und wehe jemand holt dafür James Cameron. Holt die Leute die Möbelgeschäfte oder Bettenlager bauen. Innerhalb von zwei Jahren standen davon zehntausende in Ostdeutschland.
So wie man die Bevölkerung … nein. So wie wir uns selbst auf der Erde behandeln … da fällt mir tatsächlich eine Zeile aus einem Michael Jackson – Song ein:
„all i wanna say is that, they don’t really care about us”
Nur das “they” ist wohl eher ein “we”! Und „we“ scheinen kein Problem damit zu haben. Arme „we“.

Mein innerer Reichsparteitag

Da saß ich also Sonntagabend vor dem Fernseher. Ziemlich glücklich, elektrisiert, geradezu begeistert vom Spiel der deutschen Mannschaft in der ersten Halbzeit. Ich will gerade aufstehen und mein Kaltgetränk nachfüllen, da höre ich diese folgenreichen Worte: „Es muss ihm doch ein innerer Reichsparteitag gewesen sein“. Katrin Müller-Hohenstein, neben sich den Titan, über das Tor von Klose und seine Bedeutung für den bald Rekord-WM-Schützen. Und ich dachte gleich: Da wird sich jemand aufregen.
Nicht das ich es schlimm fand, was sie gesagt hat. Aber nach 29 Jahren öffentlich-rechtlicher political correctness weiß man was beim zweiten deutschen Fernsehen erlaubt ist und was eher nicht. Und so spurten auch gleich die Zeitungen, berichteten über den Fauxpas, darüber dass sich Katrin entschuldigt hat, oder der Intendant für sie, dass irgendein Verbund der Reinigungskräfte-Nürnberg, oder so ähnlich, sich empört gezeigt hat, eben über all die typischen Dinge, die passieren wenn eigentlich nichts passiert ist.
Und wenn wir mal ehrlich sind: Es ist nichts passiert. „Innerer Reichsparteitag“. Das ist ja schon fast ne Redewendung. So wie „Bimbos klatschen“ oder „Juden schubsen“ … oder gilt das nur für den Wedding? Ich bin verwirrt.
Aber so ist das mit den Sportmoderatorinnen. Karen Thomas hat sich versprochen und „Schalke 05“ gesagt, durfte dann nie wieder ran ans Leder, Monica Lierhaus halten sie nach Anfragen vom Playboy im Koma und jetzt wird Katrin Müller-Hohenstein rausgeschubst … ich meine geklatscht. Wenn Günther Jauch sich mit Frank Plasberg den Sarkasmus um die Ohren haut, sagt auch keiner was, sondern stellt die alte Medienhure auch noch für die Talk-Prime-Time der ARD ein. Es wird mir ein innerer Reichsparteitag sein, wenn er damit auf die Fresse fliegt. Aber für so was wird man ja mittlerweile ans Hakenkreuz genagelt. Übrigens hat Olli Kahn auch so nen Bock geschossen und während der gleichen Übertragung von „Hygiene im Tor gesprochen“, allerdings war er natürlich so cool, dass er gleich selber merkte: „komisches Wort“. Aber mehr doch nicht … oder?

Was ich auch komisch fand war Nord-Korea gegen Brasilien. Hat da außer mir noch jemand in der ersten Halbzeit gedacht: Cool. Die können vielleicht sogar ein Null zu Null halten, oder gewinnen. Und dann aber gleich:
Äh … was passiert eigentlich wenn Nord-Korea gewinnt?
Ich meine ich bin immer für die Underdogs, aber Nord-Korea?
Das geht doch nicht, oder? Aber was kann Nord-Korea für seine Regierung?
In der „Peoples Republic“ (genau!) werden die WM-Spiele nur zeitversetzt und bei positivem Ergebnis übertragen. Vielleicht zeigen die einfach zweimal die erste Halbzeit … allerdings: Woher sollen die Nordkoreaner wissen das ein Null zu Null gegen Brasilien gut ist? Wenn man nichts von der Welt weiß?
Und wenn Nord-Korea dann doch vielleicht ins Achtelfinale kommt, dann ins Viertelfinale, ins Halb- und anschließend ins Finale? Kommt Kim Jong-il dann nach Südafrika?
Aber wie gesagt: Was hat ein Land mit seiner Regierung zu tun.
Ist bei uns ja nicht anders.

Das sehen wir an Angela Merkel. Wer mag die noch? Nicht mal der Nicolas.
Dabei war doch die letzten fünfzig Jahre alles so schön. Okay, davor vielleicht … wo wir wieder beim Reichsparteitag wären.
Jedenfalls holt sich Angie jetzt den Wulff nach Berlin. Gegen den Wunsch von knapp 80 Millionen. Das nenne ich mal Arsch in der Hose.
Hier ist der „innere Reichsparteitag“ nurnoch Reichsparteitag. Ausdruck für etwas, dass groß und laut und furchtbar ist. Eben unsere Regierung. Und leider kann man nichts dagegen machen. Die SPD-Spitzen wollten immer geliebt werden. Haben Vertrauensfragen gestellt und sich damit regelmäßig selbst ruiniert.
Nicht so Frau Merkel und vor ihr der Dicke auch nicht. Regieren bis nichts mehr geht und dann noch ein Stück.
Da passt natürlich Schisser Wulff ganz gut dazu. Der hat soviel Angst vor der Bedeutungslosigkeit, dass er seinen Landesvaterposten – den er durch Ausharren über Jahrzehnte erstritten hat – erst nach der Wahl aufgeben will. Berufspolitiker eben. Sympathisch ist anders. Aber wo gibt es überhaupt noch „sympathisch“. Selbstvermarker Grinsebacke-Gauck ist wedernoch. Was heutzutage wohl reichen muss.
Aber anstatt das die SPD oder die Grünen es ordentlich anstellen: Allerfeinste Oppositionspolitik. Kein Verhandeln, Verbarrikadieren. Damit man „gut“ aussieht. Interessiert doch sowieso niemanden mehr. Und die Linken? Ganz großes Damentennis. Anstatt der CDU/CSU und FDP ein Bein zu stellen, stellen sie ihre eigene Kandidatin auf. Großartig. Eins mit Sternchen für blödeste Aktion der Welt. Und warum? Irgendwas vonwegen „nee, ich mag den Gauck nicht, der hat was gegen die DDR, und die war doch so gut“. Spacken! So rutscht man von „unwählbar“ auf „unglaublich dumm“. Links will nicht gestalten, sondern meckern und gefällt sich im Outfit des Vorzeige-Rentner-Wendeverlierer-Daseins. Das ist mir KEINE innere Montagsdemo.

Vor ein paar Tagen klebte da ein Zettel an unserer Wohnhaustür (sagt man das „Wohnhaustür“? Wohl eher nur Haustür … egal).
Auf den Zettel war ein Foto eines jungen Neonazis kopiert, dazu Name, Anschrift und ein paar „Infos“ zur Person: Er lebe in der Nachbarschaft und seine Wohnung diene als Ort der Planung von Neonazi- … Kram. Wow.
So weit ist es jetzt schon wieder, ja? Wir diffamieren, wir prangern öffentlich für Gedankengut und Einstellungen an? Wie wäre es mit kleinen Aufnähern mit der politischen Gesinnung? Damit wir die Kommunisten gleich erkennen?
Dann erkennen wir auch gleich die Antifa-Anhänger, oder welche bekloppte Organisation mit hässlichem schwarz-rot-weißem Logo auch immer hinter den Aushängen steckte.
Hey, ich hatte bisher nichts gegen eine gesunde Haltung gegen Neonazis. Irgendwo links auf dem Spektrum finde ich gut. Nicht zu links und nicht zu weit ab vom Spektrum, damit man bei den „Linken“ landet, aber links. Doch das jetzt? What the fuck?
Erstmal ist „Neonazi sein“ noch kein Verbrechen. Es zeugt vielleicht nicht von allzu großer Intelligenz, vielleicht auch von fehlendem Geschichtsbewusstsein oder Geschichtsverständnis oder allgemein von fehlendem Verständnis. Aber das scheint ja ansteckend zu sein.
Und überhaupt: Wir sind hier doch nicht in den USA, wo verurteilte Sexualstraftäter sich (wie in The Big Lebowski) in der Nachbarschaft vorstellen müssen und an Halloween das Haus nicht verlassen dürfen.
Ich will natürlich auch nicht unbedingt neben einem Nazi wohnen. Wer will das schon. Dauernd stolpert man über die Springerstiefel im Treppenhaus und dann immer das Gesinge und der Gestank, wenn der von seinen Fackelmärschen zurückkommt. Ich möchte das sich in meinem Haus eine Model-WG ist, wo all die hübschen jungen Mädchen „total“ politisch sind und man sich mit ihnen stundenlang über die Beziehungen zu China und den Franzosen auf der gemeinsamen Dachterrasse unterhalten kann. Ich will einen freakigen World-of-Warcraft-Nachbarn, der mir eine superschnelle Internetverbindung für lau einrichtet und dann noch Premiere … äh, Sky … ich will ein Italiener im ersten Stock, der gerne mal ne selbstgemachte Pizza vorbei bringt, die er so „über“ hat und ich will im absoluten In-Bezirk wohnen, beneidet werden aber dafür nichts zahlen und mir aber gleichzeitig nicht dauernd die „Szene“ vor der Haustür angucken müssen. All das will ich, wenn ich mal wieder zuviel Zeit zum Nachdenken haben … aber was ich wirklich will ist:
In diesem Land scheißenochmal meine Meinung frei äußern können. Und damit ich das kann, damit ich sagen kann was ich will und denken kann was ich will, muss das jeder andere auch dürfen. Ohne dafür belangt zu werden. Es geht nicht um gewalttätige Neonazis, es geht nicht um Straftäter und potentielle Gefahrenquellen in der Nachbarschaft. Aber jeder muss in seiner Wohnung denken dürfen was er will, ohne dass es den Nachbar einen Scheiß angeht. Und solange man dieser Typ nur Nazikram „plant“ … (woher weiß man das überhaupt?) … solange man nur plant … darf man dafür auch nicht belangt werden. Sonst sind wir hier bald bei Minority Report. Ups. Sind wir schon … und Kurnaz hat nicht mal geplant … der ist nur verreist. Fuck. Eingeholt von der Realität.
Und wenn die Antifa oder wer auch immer wirklich mal etwas gegen Rechts unternehmen will … dann sollen die 7000 Leute auftreiben die in die NPD eintreten, oder in die Reps oder die DVU. Die haben gerade mal 6000 Mitglieder. Dann einfach in der Partei eine Abstimmung über Auflösung verlangen, alle dafür stimmen, Mehrheit und fertig.
In diesem Land unterliegt nämlich auch die NPD dem Parteiengesetz. So tut man was.
Aber vielleicht ist es mit der Antifa genauso wie mit der Linken: Es geht ums meckern ums agitieren. Man will was zutun haben, aber bloß nichts Konstruktives.
Es wäre ihnen wahrscheinlich ein innerer Reichsparteitag, wenn jener denunzierte Neonazi am Ende von einem wütenden Mob verprügelt und aufgeknöpft würde. Da ist man dann ganz schnell in einer Liga mit dem KKK. Und das ist etwas, was man doch unbedingt erreichen will, oder?

Niemals Ich

Kevin-Prinz Boateng. Abgesehen vom „Kevin“ ist das ein wirklich schöner Name. Geradezu niedlich. Das der dazugehörige Fußballer neuerdings nur noch als böse guckendes, Hanteln stemmendes Monster in allen regionalen und überregionalen Buntblättern zu sehen ist, macht aus dem Prinz dann allerdings eher den „bösen Mohr“.
Im Internet wird dann sogar noch eine Schippe drauf gelegt. Die wunderbare Anonymität des Netz hilft jedem, aber auch wirklich jedem dahergelaufenen Arschgesicht seine Hassfantasien und damit wohl in erster Linie Frust abzubauen.
Es ist geradezu typisch-freudianisch (freudsch?) wie man im WWW an jeder zweiten Blog-Ecke (!!!) oder unter jedem „News“-Artikel mit bestialisch bis primatenhaft-primitiven Beleidigungen konfrontiert wird. Ich nehme mich da nicht raus. Zwar hab ich Kevin-Prinz nie weniger als das Beste gewünscht, aber Andere mussten trotzdem leiden:

Das Internet habe ich im zarten Alter von 18 im wöchentlichen I-Café des Jugendtreffs Fulda kennen gelernt. Zwar hatten wir auch zuhause ein Modem, aber … na ja … die Geschwindigkeit machte daraus eher etwas für lange und verregnete Sonntagnachmittage. Also fuhren ein Kumpel und ich jeden Freitag einen dritten Kumpel in eben diesem I-Café besuchen (der Name „I-Café kam übrigens schon lange vor iPods und iPads auf. Suck it, Steve!). Dort loggten wir uns, während wir auf das Ende der Spätschicht warteten, in diverse Chatrooms ein. Jedes Mal unter einem anderen Namen und mit einer anderen, fiktiven Identität. Ich würde mich gerne immer noch selbst davon überzeugen das wird sonderbar kreativ waren und wir das „in eine andere Rolle schlüpfen“ nur ausprobieren wollten. Fakt ist aber: Was wir taten unterschied sich nur durch eine einzige Tatsache vom Annehmen alternativer Identitäten, wie wir es vorher schon in tausenden von Computerspielen getan hatten: Diesmal glaubten wir an die Echtheit, die fleischliche Wahrheit unserer virtuellen Gegenüber. Und so stürzten wir uns, wie zuvor in Duke Nukem 3D, diesmal in das Spiel „Chatroom“. Emails checken brachte damals nichts, Adressen waren noch so rar gesät wie Burkas im jüdischen Museum und das Wort „Profil“ brachte man nicht mit Facebook sondern mit Scherenschnitt in Verbindung (ach ja, es waren simplere Zeiten … und – gegeben die uncoole 60er-Referenz „Scherenschnitt“ – auch sehr viel langweiligere Zeiten).
Allerdings, gemessen an der Einfachheit der Zeit, war unser Einsatz des Chats nicht weniger unmoralisch, nicht naiver als der beleidigende Nutzen den heutzutage hunderttausende von Menschen jeden Tag gesichts- und identitätslos aus den Kommentarfunktionen des Netz ziehen. (Puh. Das war ein langer und viel zu umständlicher Satz. Aber was würde das jetzt für Arbeit bedeuten den zu zerteilen und dadurch lesbarer und verständlich zu machen, hm? Ich mach da nichts mehr dran. Merkt sowieso keiner.)
Leute die als „CrazyEddie77“ oder als „Unknown“ YouTube-Videos bewerten und kommentieren, Spiegel-Online-Artikel durch namenlose Diskussionen in Foren gewichten: So wie diese Leute wollten wir damals auch nur was loswerden, wollten austesten wo und wie man den maximalen Effekt erzielt (in den aufgeregten Antworten des Gegenübers) und wo man am Ende selbst die Grenze zieht. Eigentlich nirgendwo. Wir machten uns lustig, spotteten und beschimpften. Wichtig für den Kick war und ist: Echt muss der Gegenüber sein (das muss man glauben), dann lässt man alles raus, alles los.

Ein paar Jahre später, jetzt schon mit eigener eMail-Adresse, wohnte ich bereits in Berlin und studierte so vor mich hin, als ich mich – wieder zusammen mit einem Kumpel (man sieht, meine adoleszenten Versuche das Internet zu begreifen, zu beherrschen und zu erobern waren durchaus stets gruppendynamisch) – auf eine Rammstein-Fanseite verirrte.
Heute noch zitiere ich gerne aus unserer, vermeintlich cleveren Parodie eines schwul-ergebenen Fans im Gästebuch. Unser erfundener Fan berichtete dort in einem langen Eintrag und in – wie wir fanden – für das Gästebuch ungewöhnlich wortgewandter und gleichzeitig erschreckend eindrücklicher Manier, wie er sexuell vom Rammstein-Sänger bedrängt wurde und es ihm gefiel. Ein Sturm der Entrüstung ließ sich in den Folgetagen auf der Fanseite und unter unserem Eintrag lesen. Etwas Besseres hätte man uns nicht antun können. Es war großartig zu sehen was für einen Eindruck man auf das Leben Anderer – jedenfalls virtuell – haben kann, gerade in einer Zeit, in der man ansonsten das Gefühl hat überhaupt keinen Eindruck irgendwo zu hinterlassen.

Neulich hat man mir dann ein YouTube-Video eines jungen Mädchens gezeigt, welches vor der UN auftrat um dort an die Anwesenden und an die Welt zu appellieren und viele gute Gründe nannte, warum man sich für besseren und für mehr Umweltschutz einsetzen sollte. Das Mädchen sprach ohne Furcht zu den mächtigsten Menschen auf diesem Planeten und bat diese, sich für ihre Welt, die immerhin mal ihre Kinder erben sollen, stärker einzusetzen. Der Auftritt war beeindruckend und das Video fesselte tatsächlich auf jene 10-YouTube-Minuten die unsere Aufmerksamkeitsspanne definieren, wie es früher die Buchdeckel der Gebrüder Karamasow taten. (Wow. Ich kippe einfach immer wieder in den technikhassenden Jargon eines Ende-Achtzig-Jährigen. Vielleicht hab ich Alzheimer oder so was, oder das Raider war nicht mehr gut … )
Jedenfalls: Wie ein entfesseltes ES, ein triebgesteuertes und ohne moralisches oder rationales Denken gezügeltes Tier hatten unter dem Video dutzende „User“, nicht Personen, nur „User“ – gelöste Benutzer, einzig existent im Internet – … hatten also „User“ die übelsten Beschimpfungen und zeilenweise grenzdebilen Schwachsinn gespostet. Vielen war das, was das Mädchen im Video gesagt hatte, entweder zu langweilig oder überhaupt viel zu „unmachbar“ (ich zitiere mal frei). Anstatt allerdings in eine Diskussion einzusteigen, wurde nur abwertend beschimpft oder mit den typischen Kürzeln Verachtung ausgedrückt.
Kaum noch erschüttert hat mich dann die Tatsache, dass neben dem UN-Mädchen-Video, mit 2000 Hits, ein Video eines Hundebabys angeboten wurde, mit 9 Millionen Hits. God save cute little Hundebabys!

Vielerorts ist es im Internet möglich sich lang und breit und gern beachtet und von Meinungsforschern (oder was sich so was heutzutage schimpft) zitiert, zu einem Thema zu äußern. Dies passiert absolut anonym. Meistens ist es für einen Kommentar nicht mal mehr nötig ein Profil zu erstellen oder gar einen Namen oder eine eMail-Adresse anzugeben: So gesehen entkoppelt sich so besonders leicht das Es vom Über-Ich, welches beim Erstellen eines, jedenfalls für kurze Zeit, Profils bei (z.B.) Facebook durchaus oft noch anwesend ist (jedenfalls in Teilen. Hasst ihr eigentlich auch diese vielen Einschränkungen und Kompromisse?). Das Über-Ich wägt hier nach gesellschaftlichen Konventionen ab, erlaubt oder verwehrt die Angabe gewisser Neigungen und Präferenzen, sanktioniert Äußerungen über Andere, Kritik und auch schon mal ein Foto, von sich und von anderen, aber öfter dann schon von sich und nicht von anderen.
Das Über-Ich kontrolliert das Es im Beisein des Ich. Dagegen wird die Freiheit des Internets gerade dafür besungen. Der große Vorteil sei doch, dass das WordWideWeb endlich für den Menschen die maximale Freiheit bedeute, die Möglichkeit sich auszuleben, GANZ MAN SELBST zu sein. Danke Piraten-Partei, dass man das Internet und dadurch die grenzenlose Freiheit jetzt auch wählen kann. (das war ironisch gemeint, falls ihr es nicht gemerkt habt: NERDS! Fucking Retards! Zieht euch mit ner Staffel Xena aufs Klo zurück und überlasst Politik den Leuten die im Politikunterricht auch mal den Mut besaßen sich zu melden. Apropos: Wenn Xena, dann Staffel 1, Episode 8: Gastauftritt Kevin „Hercules“ Sorbo. Rockt der, oder was?)
Wo war ich? Ah ja: Bullshit ihr verkappten Ches des WWWs. So!
Ohne die Kontrolle des Über-Ich ist man nicht MAN SELBST, ebenso wenig wie man ohne Es MAN SELBST sein kann. Über-Ich und Es bedingen einander und sind für das GANZE SELBST absolut notwendig.
Aber die meisten Anbieter von Portalen, Foren oder Blogs, auf denen man Kommentare, Bewertungen oder Meinungen hinterlassen kann, wissen das Hits und Traffic die Währung des Internets sind. Und Hits und Traffic lassen sich leichter „erwirtschaften“, wenn man das Kommentieren ohne Profil möglich macht, also die Anonymität für Bewerter und „Poster“ gewährt. Das Über-Ich bleibt Draußen. Es darf rein. So einfach ist das.
Für solche Trennungen der Summanten des GANZEN SELBST gibt es und gab es, schon bevor ich mit 18 in Chatrooms mit wahrscheinlich ebenso alten und verkorksten Idioten Beleidigungen austauschte, Computerspiele. Davor gab es Rollenspiele mit Stift und Papier und davor gab es schon immer die Möglichkeit sich als Sprayer (oder im alten Rom als „Kohlestiftmaler“) nachts an eine wehrlose Hauswand anzuschleichen und ihr mit einem hastig geschriebenen „Fickt euch alle“ sein Es aufzudrücken.
Was sich geändert hat, fragt ihr? Ehrlich? Das fragt ihr euch? Hat wirklich niemand verstanden worauf ich hinaus will? Hm? Die Präsenz, mensch! Die Präsenz! Die Möglichkeit und die Leichtigkeit die das Internet für so etwas bereithält. Jetzt kapiert?
Nirgendwo ist die Gemeinschaft so wenig vom Über-Ich geprägt wie im Internet. Die absolute Freiheit lässt nicht die absolute Gemeinschaft zu, sie schafft die absolute Trennung. Wie man das lösen kann und was das alles – tiefergehend meine ich – bedeutet … muss wann anders diskutiert werden. Und das werde ich, ohhh ja … keine Sorge.
Es scheint vielleicht sowieso etwas paradox, dass ich dies in einem anonymen Blog schreibe. Also will ich zum Schluss für eine Sekunde aus meiner paltonischen (platonikischen?) Höhle herauskommen:
Mein Name ist Floris. Ja, so heiße ich. Ich bin 29, lebe in Berlin und zwar im Wedding. Mein Vorname und sein uneindeutiges Geschlecht hat mich vor dem Wehrdienst bewahrt. Ich fresse viel zu viel Süßigkeiten und komme nur schwer mit dem Sport hinterher. Ich liebe Autofahren, egal was das mit dem Planeten anstellt, habe im Zoo mal über ne Stunden interessiert den Affen beim Sex zugesehen (aus rein wissenschaftlichem Interesse natürlich … was mir die alarmierten Wärter auch nicht geglaubt haben) und ich trage manchmal rosa Hemden.

Ach ja, und ich finde Kevin-Prinz Boateng sollte in der Nationalmannschaft spielen und dieser arrogante Pisser Michael Ballack ist sowieso zu alt.

Nicht Fünf, Nicht Sieben

Stellen wir uns für einen Moment vor wir schweben. Nicht über der Bettdecke, sondern im freien Raum. Wir verlieren die Orientierung. Die unzähligen Sterne um uns, sind zu weit weg und zu zahlreich um an ihnen Höhe, Länge oder Lage festzumachen. Wir schweben. Ein einzelner Stern leuchtet uns an. Warmes, weiches Licht.
Wir atmen ganz ruhig. Strecken die Arme aus, alle Glieder von uns. Wir schließen die Augen, öffnen sie wieder: Um uns ist Licht. Ein Lächeln umspielt unsere Lippen. Dann: Bam!
Ein schwitzender, schleimiger Priester hält uns in seinen Klauen. Wir sind vielleicht sechs, oder sieben. Er benutzt uns, flüstert dabei, gierig ist seine Stimme, sein Atmen an unserer Kehle, feucht und hechelnd. Er kommt uns näher und näher. Wir wollen zurück ins Weltall. Wir wollen schweben. Er hält uns hier, es dauert lange. Sehr lange. Es passiert oft. Viel zu oft. Irgendwann ist es vorbei. Wir versuchen es zu verdrängen. Zwanzig Jahre. Immer wenn die Bilder von seiner Pranke, die uns am Boden hält, wieder vor unserem inneren Auge auftauchen, flüchten wir uns in den leeren Raum. Ins Schweben. Alleine. Dort wo er nicht hinkommt. Den Glauben haben wir schon längst verloren. Die Angst vor Magie, vor allem was mit tieferer Bedeutung beladen wurde. Sie macht uns furchtsam, lässt uns weichen. Wir leben in der ständigen Anwesenheit dieser Angst. Sie sitzt mit uns im Zimmer, lugt kalt grinsend mit feuerroten Augen in unsere Richtung. Nur das Schweben lässt uns stille Momente der Ruhe. Dann kehren wir wieder vor das Erlebte zurück. An einen Ort an dem das nicht existiert. Nie existiert hat. Und ich noch lebe.

Meine Mutter ruft mich vor dem Start der Maschine an. Sie klingt nervös und ihre Stimme ist ein bisschen belegt. Sie hat mir noch ein Buch am Flughafen gekauft. „Phillip Roth, den liest Du doch auf Englisch, oder?“ Sie ist unruhiger als früher, meint es wäre nichts, ich schiebe es auf das Alter. Ich versuche ihr Mut zu machen, habe nicht viel Zeit, wünsche ihr einen guten Flug und lege auf. Am Nachmittag erscheint mein Vorgesetzter in meinem Büro. Zuerst verstehe ich nicht was er von mir will. Eine Explosion? Über Philadelphia? Meine Mutter?
Spiegel-Online spricht von einem „Feuerregen über Philadelphia“, dann bin ich schon aus der Tür. Im Büro meines Vorgesetzten steht ein Fernseher. Dann sagen sie die Flugnummer durch. Meine Kehle schnürt sich zu. Was hat meine Mutter gesagt? LH … und weiter? Der Reporter sagt: Philadelphia nach München. Ich versuche zu schlucken, es geht nicht. Zuerst rufe ich meine Schwester an. Die Flugnummer? Ich reiße sie aus einer Vorlesung. Sie wird hysterisch, dann warten. Die Bilder auf dem Fernsehschirm scheinen so irreal. So weit weg. So etwas beeinflusst mein Leben nicht. Nein. Hat nichts mit mir zu tun.
Vier Tage später ist die Beerdigung. Ich habe noch nicht geweint. Ich kann nicht. Ein leerer Sarg. Das ist sie nicht. Ein Mann hatte Plastiksprengstoff unter seinem Hodensack versteckt. Am Bahnhofskiosk sehe ich eine Überschrift „Genital-Bomber“. Jemand lacht. Ich kriege keine Luft mehr. Ich will schreien aber es geht nicht. Ein Bekenner-Video wird nach einer Woche Al-Jazira zugespielt. Ich weine nicht, ich kotze.
Einhundertsechsundvierzig Insassen, zweihundertachtundneunzig Bewohner von Philadelphia. Ich sehe einen Moslem auf der Straße einen Turban tragen. Ich will ihn schlagen, stattdessen weine ich.

Mein Vater war ein stolzer Mann. Mein Großvater war Bibliothekar, also war mein Vater auch Bibliothekar. Er hat in seinem Leben mehr als zweitausend Bücher gelesen, hat er mir einmal erzählt. Sein Lieblingsbuch war das eines Juden, wie er dann flüsternd hinzufügte. Niemand wusste davon. Er behielt es für sich. Sagte es niemandem. Außer mir. Wir waren auf einem Spaziergang, von dem kleinen Laden meiner Eltern zum Meer. Mein Vater wollte nie dass ich im Gazastreifen bleibe. Er wollte auch nicht dass ich Bibliothekar werde. Ich wurde Lehrer für Englisch und Geschichte an einer Gesamtschule in Hamburg. Offiziell bin ich ägyptischer Staatsbürger, mit Aufenthaltsgenehmigung. Am 28. Dezember 2008 starb mein Vater durch einen herab gestürzten Stützpfeiler in seinem eigenen Laden. Die Israelis nannten die Offensive „Operation Gegossenes Blei“. Im Internet habe ich gelesen das der Name an ein Kinderlied angelehnt ist. Mein Vater litt sechs Stunden. Er lag unter dem Pfeiler, während die Luftangriffe vermeintliche Schmugglertunnel von Rafah nach Ägypten zerstörten. Er verblutete. Meine Mutter war bei Verwandten in Port Said, sie lebt jetzt dort.
Israelis haben meinen Vater getötet. Meinen Vater der im Laden seines Vaters, meines Großvaters, starb. Meinen Vater, der mehr als zweitausend Bücher in seinem Leben gelesen haben will. Ich versuche die Mörder meines Vaters nicht zu verabscheuen. Ich hasse sie, aber ich versuche sie nicht zu hassen. Neulich bin ich in Hamburg in einem Buchladen gewesen. Er wirkte groß und hell, zwei Etagen. Ich fragte die Verkäuferin wie viele Bücher hier stehen. Über Viertausend. Mein Vater hätte noch so einiges zu lesen gehabt. Ich griff mir Der Process, schlug es auf. Beinahe wütend. Ein Geistlicher sagt darin: „Die Schrift ist unveränderlich, und die Meinungen sind oft nur ein Ausdruck der Verzweiflung darüber.“

Ich stehe vor der alten Kommode im Schlafzimmer. Der Fensterladen vor dem Badfenster knarrt etwas. Ich habe ihn am Morgen nicht ordentlich befestigt. Der Wind von der Küste spielt mit ihm. Ich öffne die oberste Schublade der Kommode, schlage die kleine Decke zurück, dort liegt die Pistole. Jetzt werde ich mich töten.
Ich bin Theologe, dass bin ich noch. Ich war Pfarrer. Für eine kurze Zeit. Ich glaube an etwas, an etwas das größer ist als ich, als die Menschen. Ich nenne es Gott.
Ich glaube dass Glaube etwas Großartiges ist, etwas Persönliches und etwas eigentlich Unbeschreibliches. Ich habe mein Leben damit zugebracht es zu beschreiben: Es geht nicht. Soll wahrscheinlich nicht gehen. Dessen bin ich mir sicher.
Was geht, ist aus Glaube Religion zu machen. Religion ist, sich bei einem Konzert mit nur einer Note zufrieden geben.
Nehmen wir die Zauberflöte von Mozart. Das ist der Glaube den ein einzelner Mensch hat. Jeder hat seine eigene Zauberflöte. Nun ist Religion als würde man aus der genialen Komposition von Mozart nur eine einzige, vielleicht eine hohe, eine schrille und laute Note herausnehmen und jedermann verkaufen, dies sei die wahre Zauberflöte, die musst du hören.
Religion ist organisiert, gesponnen wie ein Teppich, verknüpft und arrangiert zur besseren Lenkung. Ein Konzern. Zu groß um komplex zu sein. Es werden Regeln aufgestellt, den „Gläubigen“ wird ihr Glaube genommen und durch Religion ersetzt. In der Gruppe fühlt sich ein Mensch immer wohler als alleine.
Ich bin jetzt siebzig Jahre alt. Ich habe meine Erfahrung gemacht. Mein Leben lang habe ich das studiert, Religion und Glaube. Als ich die starren Regeln der Kirche kritisierte, wurde ich exkommuniziert. Ich glaube immer noch. Religiös bin ich nicht. Mein Glaube ist stark, er hilft und führt mich. Weil es mein Glaube ist, kann mich nichts erschüttern. Keine Karikatur von Jesus verärgert mich, ich lache oft darüber. Da niemand weiß wie mein Glaube aussieht und ich selbst kaum Worte finde, wie soll sich jemand darüber lustig machen?
Zuflucht, Nächstenlieben und Hilfsbereitschaft sind die Aushängeschilder der Kirche. Aber was ist sie anderes als Benzin. Sie treibt dich an, gibt dir Kraft, aber zu welchem Preis? Sie frisst auf, vernichtet und verzerrt, weil sie es muss. Sie muss sich erhalten, muss wachsen, dass Kapital sind die Gläubigen. Sie sind der Marktwert. Ein Unternehmen. Mächtig und groß.
Ich habe einen Sohn. Er ist jetzt etwas älter als ich war, als ich aus meiner Pfarrei entlassen wurde. Er ist nicht religiös, nicht einmal getauft, aber er glaubt. Er glaubt nicht das gleiche wie ich, aber er glaubt.
Das was ich nun vorhabe verbietet die Religion. Mein Glaube tut es nicht.
Ich bin einfach zu schwach um weiter zu machen. Ich habe versucht die Kirche zu reformieren, habe geschrieben, gebellt, an die Mauern geschlagen und geschrieen. Es nützte nichts. Nun will ich es beenden.
Wieder höre ich das Knarren des Fensterladens im Wind. Ich bedecke die Pistole wieder und schließe die Schublade. Noch bin ich nicht fertig. Noch nicht schwach und feige genug.

Wie Tupac, Falco & Johnny Cash

Kürzlich kam eine Studie raus, die statistisch nachzuweisen versucht, dass treue Männer intelligenter als untreue Männer sind. Oder andersrum. Außerdem sind intelligente Menschen öfter ungläubig, also nicht „ungläubig“-ungläubig, sie glauben eben nicht an Gott. Da dies gesagt ist, sage ich nur noch das: Ich bin treu und Gott gibt es nicht!

Und an Wiedergeburt glaube ich auch nicht. Da bin ich aber wohl der Einzige: Drei neue Alben sind draußen. Von drei Künstlern die tot sind. Nachgewiesenerweise. Drei Künstlern, na ja nennen wir sie Musiker, also von Musikern die ich sehr bewundere, bewundert habe. Als sie noch lebten, und bevor die grabräuberische Plattenindustrie sich ihrer B-Seiten-Überreste bemächtigte. Nicht jeder Pop-Star gehört nachinterpretiert wie Beethoven oder Mozart, von denen immerhin im Jahr gefühlte tausend neue CDs rauskommen. Und wer will schon das „Rock me Amadeus“ in hundert Jahren noch von flinkfingrigen Chinesen, deren Vorname genauso ‚lang’ wie ihr Nachname ist, am Piano nachinterpretiert wird? Oh Herrgott, vergib mir dieses Wortspiel … ehm, hab’ ich Herrgott gesagt? Ich meinte … niemand.

Erfreulicher ist da die Nachricht dass der Papst jetzt doch was gegen Missbrauch der „so called“ ‚Schutzbefohlenen’ hat. Oh, wie ich die Kirchen liebe. Gerade wenn man als liberaler, sozialdemokratisch erzogener und die Basisdemokratie anstrebender Häretiker denkt, endlich haben wir alle Gnostiker vertrieben und sind vollkommen säkular … dann donnern die Kleriker mit 1,5 (oder wie viel auch immer) Promille zurück in die Öffentlichkeit, erklären dem Staat mit donnernder Faust und Gischt vor den schiefgebeteten Zähnen, sich raus zuhalten und richten die ihren und sich selbst nach eigenem Ermessen. „Talk about“ Parallelgesellschaften!
[Anmerkung in eigener Sache: Ich muss das wirklich lassen mit diesen englischen Redewendungen, außerdem sollte ich mal an Fremdwörtern sparen, so krieg ich das Diplom auch nicht schneller.]

Eine andere Parallelgesellschaft ist der Feuilleton. Ich meine „das“ Feuilleton. Fuck you, Word 2007! Rote und grüne Zickzacklinien, seit wann lass ich mir eigentlich von so was mein Schriftbild diktieren?
Also „das“ Feuilleton. Das Feuilleton? Ich finde nur wirklich wichtige Dinge sollten „das“ heißen, und sollten so den Ritterschlag der Sächlichkeit bekommen. So wie „das“ Kino. Das Brandenburger Tor. Das Ekzem. Na ja, war gut das ich mit Linguistik aufgehört habe. Zurück zum (danke) Feuilleton:
Jemand im „Business“ hat mir mal erzählt das nur 11% der Zeitungsleser den ‚Kulturteil’ überhaupt aufschlagen. Meistens sind es Leute die selber im Kulturbetrieb arbeiten oder an dessen schattenhaftem Rand. Diese liefern sich nun, was im Fachjargon eine „Schlammschlacht“ heißt über Axolotl. Ich musste es erstmal wikipedien … wikipediaen … erstmal bei Wikipedia eingeben … (Google, diese Schweine, den perfekten Namen für das perfekte Verb): Es ist ein Lurch.
Für mich sieht das Wort aus wie eine Abkürzung für „Hugs and Kisses“ und jemanden der laut auflacht, aber scheinbar ist es ein Lurch (was den „Roadkill“ auch verständlicher macht).
Keine Ahnung was das mit einer überprivilegierten Göre aus Berlin zu tun hat, aber es hat. Jedenfalls sind irgendwie alle für die junge 17-Jährige … manche auch nicht, die werden dann aber ganz schnell runter gemacht, mit Argumenten wie „auch Bertold Brecht hat abgeschrieben“ oder so was. Wahrscheinlich hat er das sogar. Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass Brecht mehrere junge – ich nenn sie mal – Schreibsklavinnen / Schrägstrich / Sexsklavinnen hatte, also keine echten Sklavinnen, die er im Keller seines Hauses, nein, dass machen nur Österreicher, nein, ich meine willige und freiwillige junge Literaturstudentinnen oder andere Schreiberinnen, die alles für ihn getippt haben, was er wollte und er, also Brecht, konnte dann, was er wollte, unter seinem Namen veröffentlichen. Bestimmt war es so, die haben doch sowieso nur getippt und gefickt im Osten (uhoh!), hatten ja nichts, jedenfalls kann ich mir das gut vorstellen, schließlich war der olle Berthold so was wie Robert Pattinson heute, nur das er geschrieben hat und nicht halb so weibisch aussah.
Wo war ich: Ah ja, Helene. Ach, nein.
Das Ding ist, und ich fasse es nicht das ich einen geschriebenen Satz mal so beginnen würde, aber bei mir ändert sich ja sowieso der Stil gerade, also egal: Das Ding ist, das Abschreiben, Gedanken, Worte, ganze Sätze oder gar Absätze zu klauen, bestimmt nichts neues ist. Es gibt sogar eine Diskussion darum, ob nicht Darwin der Erfinder des „Darwinismus“ ist, sondern ein Typ namens Alfred Russel Wallace, was Darwin dann zum Erfinder des „Wallaceismus“ gemacht hätte, was wiederum dumm klingt und irgendwie ist es ja auch egal.
Es ist der spezielle Gedanke der zählt. Viele Leute reden dieser Tage, oder schreiben in den eckigen Klammern die „das“ Feuilleton ist, über Urheberschaften und das alle bei allen abschreiben. Aber wie von alleine finden große Werke, große Ideen immer zum richtigen Namen, selbst wenn die Namen die Patente abgeben, wie Tesla zum Beispiel. Am Ende geht es nämlich nicht ums Abschreiben, es geht um die herausragende, die neue Idee. Das einzigartige Element, welches man nicht vortäuschen kann, welches man hat. Die Tatsache dass über das Lurch-Buch nicht anders, als im Streit über die Urheberschaft berichtet wird, lässt mich zweifeln dass dort so ein einzigartiges Element versteckt ist. Es ist nur ein Buch unter vielen Büchern. Von einer nicht mal ganz post-pubertierenden, mittlerweile und unter den Augen von hunderten Journalisten erst kürzlich, achtzehn Jahre alt gewordenen Autorin geschrieben.
Ich geh’ davon aus, gäbe es nur einen interessanten, einen neuen Gedanken (und ja, die gibt es. Nicht alles ist schon mal da gewesen, dass merkt man allein daran wie Ideen einen ansprechen), gäbe es also auch nur eine unikäre Seite im Lurch-Buch, niemanden würde es interessieren von wem sie den Rest abgeschrieben hat.
Ein Beispiel? Ihr fragt nicht, ich antworte trotzdem. Die Geschichte von Matrix, all der Auserwählte und künstliche-Intelligenzen-übernehmen-die-Welt-Kram, all das war schon lange vorher da. Auch dieser Bullet-Time-360-Grad-Kamera-Bullshit sieht heutzutage blöd und altbacken aus. Trotzdem hat dieser Film etwas Einzigartiges. Und deswegen dürfen diese beiden Freak-Brüder jetzt jeden Scheiß ins Kino bringen, eben deswegen. Genauso wie Günter Grass, der nach Waffen-SS plötzlich von der Stasi verfolgt wurde und sich so in den Gehirnen rehabilitieren will: Warum geben wir einen Dreck? Weil die Blechtrommel nun mal eines der besten Bücher in deutscher Sprache ist. Das merkt man übrigens bis in den Film hinein.
Und so geht es hunderten und tausenden anderen Werken auch. Sie sind einzigartig, besonders und deswegen lesens-, guck- oder hörwert. So wie Johnny Cashs letzten fünf Alben. Country in Schwarz. So wie Falco, jedenfalls als er noch lebte und so wie Tupac. Den würde doch niemand unzählige Male wieder auflegen und sampeln, wenn er nicht einzigartig gewesen wäre. Bücher, Filme, Lieder, Bilder, Comics … Natürlich klauen die Menschen wie wild, aber wer klaut ist selber schuld. Weil das Level einer geklauten Idee kannst Du nie halten.
Und wenn man doch von Diebstahl redet: Dann ist das Neid. So wie mein Neid auf den Feuilleton.
Gott, würde ich gerne dazugehören.
Und Gott sei Dank tu ich es nicht.
Ach ja, es gibt ja keinen Gott.

Fast Erwachsen seit fast zehn Jahren (in Berlin) [verfasst am 4. Februar]

Zum Aufwärmen ein wenig Alltagspoesie:
Der Zeitgeist in Berlin scheint dieser Tage das Knirschen unter den Schuhen zu sein, welches bis in die hintersten Regalgänge bei Kaisers den Streusplitt trägt. Schneeweiß wird zu Matschbraun, nur um dann als Dreckschwarz zu verklumpen. In Festungsstärke umrankt so die Schmutz gewordene Wintererinnerung Stromkästen und Laternenpfeiler. Einzig die Gewissheit das es irgendwann weg sein wird, dass trübe Zeug, einzig das erhält den Kampfgeist. Aber: Genug der Trauermär.

Ich lebe, atme, laufe und arbeite auch ab und an nun seit knapp 10 Jahren in Berlin. Na ja, bald sind es neun, doch das Aufrunden gefällt mir: Mit fast 29 bin ich knapp 30 und mit 1 ½ Zimmern und raus aus der WG bin ich schon fast erwachsen.
Es ist anders, als es vor knapp zehn Jahren war. Wohnungen sind beinahe immer noch gut zu kriegen, aber eben nur beinahe. Und das obwohl man beinahe die gleichen Ansprüche wie vor 10 Jahren hat, beinahe jedenfalls.

Vor knapp 10 Jahren hab ich auch deutlich mehr ferngesehen, soweit die gute Nachricht. In der WG, am Sonntagmorgen die Spiegel-TV-Dokumentationen oder Samstagnacht MTV. Heute guckt man kein MTV mehr, was nicht zuletzt daran liegt das dass „M“ schon lange für alles nur nicht für „Musik“ steht. Aber darüber haben sich schon schlauere Menschen als ich aufgeregt. Was mir allerdings neulich spanisch vorkam, war die MTV-Werbung für den sendereigenen Teletext, ganz so als wäre das eine brandneue iPhone-App. „Alle Tourdaten, Deiner Lieblingsband, ab Text-Seite 800!“ Jetzt muss MTV nur noch rauskriegen wie man über Teletext die Konzertkarten direkt kaufen, dass Konzert bewerten, sich Samples der Lieblingsband anhören und mit anderen Fans chatten kann, schon ist das Internet wieder geschlagen.

Vor knapp 10 Jahren war ich deutlich öfter draußen. Also nicht nur vorm Fernseher. Glaub ich jedenfalls. Gehört ja auch zum Erwachsenwerden, ein Drinnenmensch werden. Genauso wie sich einen Decanter zulegen. Leider passt der, mit seinem bescheuert-breiten Auswülstungen in kein Ikea-Regal. Immer steht er ein Stück raus. Und erwachsener als Ikea ist man dann doch nicht. Aber erwachsener als StudiVZ, oder Facebook, oder Xing, oder Twitter oder: Nein. Jeder ist bei Facebook. Und jeder ist im Stress. Gerade in Berlin. Und gerade auch, wenn man so viele Jobs in den „Neuen Medien“ auf so viel mehr Leute verteilt. Und die Leute leben dann auch alle noch in der gleichen Stadt und dort oft auch in der gleichen Straße. Also wird die Aufmerksamkeit, die „soziale Netzwerke“ (irgh, diese Wort!) erfordern, ungeheuerlich. Man ist nur mit „checken“, verlinken und Status-updaten beschäftigt. Wer nicht teilnimmt, der existiert nicht. Und wer nicht existiert, der nutzt Berlin nicht. Irgendwann gibt es dann auch ein Fach „Social-Network-Science“, und … ach. Wahrscheinlich gibt es das schon längst. Wie lange hab ich schon nicht mehr ins KVV gesehen. Aber beenden wir die neo-mediale-pseudo-wissenschaftliche Beredsamkeit:

Erwachsenwerden, erwachsen sein und das seit nunmehr fast einem Jahrzehnt war das Thema. Nun: Ich reg mich nicht mehr so sehr über schlechte „Wetten dass …?“ – Sendungen auf. Die sind aber auch sehr viel besser geworden. Ja, wirklich.
Vor knapp zwei Wochen ist J.D. Salinger gestorben. Im „Fänger im Roggen“ wird nur sehr wenig über Thomas Gottschalk philosophiert. Aber über den Wunsch immer Kind zu bleiben. Ich wollte dagegen immer Erwachsener sein. Und das nicht erst, seit ich wusste das man dann in die Ab-18-Abteilung der Videothek darf. (Natürlich die Ab-18-Abteilung in der die Horrorfilme stehen, nicht die Pornos.)
Ich wollte erwachsen sein, weil meine Eltern und die Erwachsenen im Allgemeinen, alles so viel besser im Griff zu haben schienen. Es sah leicht aus, so leicht. So wie No-Look-Pässe bei LeBron James leicht aussehen.
Ähnlichen Erfolg wie mit den No-Look-Pässen hatte ich dann auch mit dem Erwachsensein. Es ist scheiße-schwer, ehrlich gesagt. Gerade in Berlin. Die Kultur die man sich eingerichtet hat und in die man gerne abtaucht, mit Kneipen, Kinos, WG-Partys und viel, viel, viel Ablenkung, machte das Kind-bleiben so unglaublich einfach. Dabei alterte man aber ganz von alleine. Jetzt hab’ ich schon graue Haare an den Schläfen. Echte graue Haare und Geheimratsecken. Nicht viele, aber sie stechen heraus wie Singles beim Tanzkurs. Die grauen Haare, meine ich, nicht die Geheimratsecken.

Ich mag Berlin. Ich mag es im Winter, auch mit Matsch und Knirschen, und ich mag es im Sommer, wenn ich mich über Flip-Flops aufregen kann. Ich mag die Stadt die jetzt meine Stadt ist, ohne das ich auch nur eine familiäre Bindung zu ihr hätte. Die Stadt ist mein Freund und als solcher drängt er mich nicht irgendwas zu erreichen, er ist einfach da. Das ist Berlin.
Endlich hab’ ich nun auch mein erstes Weihnachten hier verbracht, und bin nicht zu meinen Eltern (nach Hause) gefahren. Ein großer Schritt.
Ja, ich bin ein Zugezogener, aber ein Glücklicher und einer der auch Bezirke wie Charlottenburg oder Wilmersdorf schätzt. Ich würde da nie hinziehen, aber ich schätze die Bezirke. Ich mag Leute die da herkommen. Es sind eben ein paar Leute mehr, die Berlin so zur Metropole machen.

Und ich mag Berlin weil ich hier machen kann was ich liebe. In vielen Teilen des Landes wäre ich unbeschäftigt, bis uneinstellbar. Wer braucht schon einen wie mich. Berlin braucht mich nicht nur, hier darf ich sein. Ich bin eine rare Spezies, hier ist mein Habitat. Das ist vielleicht arrogant und eingebildet und vielleicht belüge ich mich selbst, aber mal ehrlich: Auch ein Kapitän würde niemals in die Berge ziehen.

Wachstum, Reife, Erwachsenwerden ist aber nicht nur sein, es ist werden. Es ist eine Sendung. Ganz so, als hätten einen die eigenen Eltern mit einer art Programmierung versehen: Irgendwann kommt die durch. Die Rebellen, die Selbstverwirklicher, euch meine ich: Irgendwann kommt die Programmierung durch, kommt die Elternerwartung auch bei euch an. Und es ist eine Elternerwartung, im Teekässelchen-Sinn des Wortes. Älter werden und Eltern werden. Jetzt ist es da, so wie der Frühling, aber noch hab’ ich Winterschuhe an. Ich wünsch mir für dieses Jahr ein bisschen Wachstum. Einen erwachseneren Umgang mit Berlin, einen erwachseneren Umgang von Berlin mit mir. Und das ist keine Metapher. Sei ein bisschen weniger Kumpel, Berlin. Ich brauch’ das jetzt. Danke Dir, bis bald.
Dein Floris.

Mein subjektives Empfinden

Mir ist aufgefallen: Der Eintritt in die Neue Nationalgalerie ist teurer als der Eintritt in die Alte Nationalgalerie. Was mich zum Vergleich brachte: Das ist so, als wenn „Die Gefährten“ auf DVD billiger ist als „Die Rückkehr des Königs“ oder „Episode I“ teurer als „Die Rückkehr der Jedi“, was zu bedauern wäre. Allerdings: Es ist nicht wahr. Kein „Herr der Ringe“-Teil ist teurer als ein anderer. Und am allerbilligsten sind die sowieso in der 3-Teile Vorratspackung. Und der Grund warum ich in der Neuen Nationalgalerie mehr bezahlt habe ist: Ich hatte meinen Studentenausweis vergessen. Das ich ohne den eigentlich gar nicht hätte BVG fahren dürfen … na ja.
Der Punkt ist: Ich war in der Neuen Nationalgalerie. Ist schon ne Weile her, aber ich war da. Und es war toll.
Was soll ich auch anderes sagen. Mag man keine Kunst, oder das was alle für Kunst halten, wird man mit einem Lächeln und als dumm abgespeist. Mag man Kunst, reicht das noch lange nicht. Alles zu mögen geht sowieso nicht. Man muss schon eine eigene Meinung haben. Newman, Braque, Dix oder Beckmann. Auf keinen Fall Picasso, auch Dalí ist viel zu schnöde, so was schickt sich auf WG-Toiletten, aber als Kunstgeschmack … und schon gar nicht Werke verschiedener Künstler mögen und auf keinen Fall was schön ist. Besonders nicht weil es schön ist. Schön ist eben nicht schön, wenn die Leute die entscheiden ob es schön ist, niemals Worte wie „schön“ oder „chic“ gebrauchen, sondern etwas stets nur „inspirierend“ oder „dramatisch die junge Szene aufrüttelnd“ finden.
Ich kann mit aufrüttelnd die meiste Zeit nichts anfangen. Manchmal muss es eben Law & Order sein und nicht Dexter.
Ich mag kubistisch verschlungene Gesichter neben einem Bild voller Uhren dem Aussehen nach, sonst aus keinem anderen Grund. Ich mag auch eine Skulptur aus Badekugeln, wenn sie mein ästhetisches Empfinden anspricht. Aber ich kann eben nicht sagen was ich mag, ohne es zu sehen. Ich weiß ich mag Explosionen im Film, aber den zweiten Rambo fand ich trotzdem beschissen. Ich mag gute Dialoge, aber bei Eric Rohmer krieg ich Angstzustände. Manchmal mag ich große Gemälde, wie den „Mönch am Meer“, manchmal kleine Zeichnungen, nicht mehr als drei Striche, ganz der späte Picasso. Und Museen, Museen mag ich.
Das ist keine Frage von Empfinden, es ist eine Frage von Sendungsbewusstsein. Ich will dass alle Menschen in Museen gehen und gehen können.
Wenn in Falludscha wieder die Straßen befestigt sind, jeder Trinkwasserzugang hat, ein Dach über dem Kopf und die Kinder wieder zur Schule gehen, dann muss da als nächstes ein Museum hin. Irgendwas mit viel Kunst. Die muss ich nicht mal mögen, kann auch ein Militärmuseum sein. Wappen & Wimpel, von mir aus. Aber in einem Museum eben. Dort predigt keiner, niemand wird angeklagt, von niemandem wird Ablass verlangt oder zum Mord an den Ungläubigen aufgerufen. Kunst muss gefördert werden und wieder erreichbar sein, muss vorgeführt werden. Und wenn man eine Kooperation zwischen Madamme Tussauds und dem MoMa hinkriegt und dadurch vielleicht ein Germany’s Next Topmodel-Fan auch mal an ein paar dadaistischen Montagen vorbeiläuft und dann vielleicht, nur für eine Sekunde, stehen bleibt und denkt: „Cool.“ Das ist es wert.
Es wird immer Kreise von Experten geben, Logen, Lobbys und Gespräche in Hinterzimmern. Kritiker und Fachleute werden sich immer außerhalb der Gesellschaft treffen, bezahlt vom Jedermann. Und das ist auch gut so. Die Bücher die die schreiben muss niemand verstehen, es reicht wenn ein paar Studenten das lesen, und genauso wenig verstehen. So lange Museen da sind und wir gezeigt bekommen was dort drinnen ist, und es so unterschiedlich wie Pepsi und Cola ist: Das reicht. Kunst muss in die Schulen, es muss über die Deutung des letzten Abendmahls genauso geredet werden, wie über den sterbenden Genitiv. Deutung muss erklärt und beigebracht werden, wozu ist Kunst sonst gut. Wer deutet schießt nicht auf Leute die eine andere Meinung haben, er argumentiert, mal werkimmanent, mal historisch oder biografisch.
Dann hab’ ich auch keine Angst mehr vor der Verrohung der Gesellschaft durch zu extreme Horrorfilme (mag ich doch selber), wenn in Museen gezeigt wird was Schönheit ist, was Kunst ist, da geht das schon klar.
Jugendliche und Querdenker werden sich immer unverstanden und ausgeschlossen fühlen, sowohl in der Pubertät wie auch im Leben sonst. Aber wenn sie „Der arme Poet“ sehen, sehen sie sich verstanden. Es gibt tausend Filme die es zeigen wollen, aber keiner zeigt es so genau wie dieses Bild. Das Los der Einsamkeit in Hingabe zum Wort, zum Gedanken, auf 36 mal 45 Zentimeter in Öl. Und wenn dann ein pubertierender Jugendlicher, der tausend und ein Liebeslied für eine unerreichte Schönheit geschrieben hat, kurz vor der Aufgabe, dieses Bild sieht: Ich bin mir sicher, das Verständnis (die Erkenntnis!) reicht um durchzuhalten. Naja, nicht um durchzuhalten, aber vielleicht um den einen oder anderen tief traurigen Roman zu schreiben (vielleicht nicht unbedingt abschreiben: Hörst Du, Helene, ja Dich meine ich. Ein bisschen mehr Einfallsreichtum bitte, da hilft auch der Haassche-Zuspruch nichts, klar?!). Und irgendwann wird der tief traurige Jugendliche, mit einem frischen Ullstein-Preis unterm Arm, eine Literaturstudentin treffen (die Groupies des hadernden Texters), sich neu verlieben und glücklich werden. Danke, Carl!
Aber es muss nicht immer ein Spitzweg sein: Ein Mann in einer Midlife-Crisis kann, bei einer Live-Performance auf der Kastanienallee, bei der durch die Ausscheidung von Kot und Urin in einen gewöhnlichen Aluminium-Eimer von der Darstellerin direkt und live die Vergänglichkeit und die unbedingte Konzentration allen Seins auf Stoffwechsel vorgeführt wird, bei dieser Performance kann unserem Midlife-Mann klar werden: „Haha. War alles umsonst. Ich muss leben um nicht tot zu sein.“ Und wieder jemand glücklich, oder glücklicher. Alles durch Kunst.
Wer bin ich, dass ich mein subjektives Empfinden und meine Abneigung gegenüber Live-Performance jemandem aufdrücke. Ich will die Freiheit für „Family Guy“, also gibt es auch Freiheit für Fäkal-Performance. Und es gibt Fördermittel. Oh, ja. Fördermittel. Zieht den Stecker von Großprojekten wie „24h Berlin“. Doku-Soaps gibt es genug. Das Geld ist besser investiert in weit gestreuten Kultur- und Kunstfonds. Aber, und das bleibt noch zu begreifen, die Diversifikation – schweres Wort, auch zu schreiben – muss überall hin, nicht nur dort wo am Ende der gemeine Förderheini die Jugend sucht und den Mammon vermutet. Ja, auch der Bushido-Film wurde gefördert, und nicht zu knapp. Vielleicht werden die Förderer aber auch einfach nur müde das Geld nicht mehr wieder zu sehen. Könnte man meinen. Andererseits: Bei Bushido wär doch jeder gerne eingestiegen. Geld-Zurück-Garantie, mit Gewinnmarge inklusive.
Aber wo war ich? Mein subjektives Empfinden. Ich mag Museen, weil ich mich dort wieder finden kann, genauso wie im Horror A bis K Regal in der Videothek und in der Science-Fiction und Thriller Ecke bei Dussmann. Für dieses Jahr will ich lernen niemanden, der vor mir an der Kasse von Saturn eine Schlagerhits-CDs kauft, naserümpfend mit Kopfschütteln zu betrachten. Für alle anderen gilt das gleiche. Und, ach ja: Museen sollten umsonst sein, ich fordere die Kunststeuer. Guten Abend.

Vitamine

>>Ich ließ die sonstigen Makel der Welt von mir abfallen wie Blätter im Herbst, ohnehin war vor dem Fenster die Welt in matschgraue und erdtonartige Vielfarbigkeit getüncht. Selbstlos ergaben sich mein Hund und meine Katze in einen Reigen der zu meinem Gemüt passte. Ich hatte sie beide in friedlicher Koexistenz aufgezogen, die Katze übernahm selbstredend die strenge Funktion der Mutter. Der Hund lechzte nach der üblichen Aufmerksamkeit die sonst nur frühlingsfrisch Heranwachsenden zuteil wird. Mir war beides recht.>Lichterloh brannte mein marmorierter Plastilin-Schrank. Mir hatte das Muster nicht gefallen, also hatte ich ein Streichholz bemüht, und dann noch eines und noch eines, bis das Möbelstück in Flammen stand. Annähernd zweitausend Grad Temperatur hat ein solches Zündholz, wenn man es an der phosphorierten Seite der Schachtel anstreicht. Annährend zweitausend Grad. Katalysiert man dieses Anstreichen durch mehrere Zündhölzer in Reihe, so lässt sich für einen kurzen Moment die Hitze spüren, die zum Beispiel ein Verbrennender auf dem Scheiterhaufen erdulden muss, oder auch ein Buch auf demselben. Vor ein paar Jahren wurde in einem Dorf in Sachsen-Anhalt bei einer Sonnenwendfeier das Tagebuch der Anne Frank verbrannt. Ein Tagebuch. Zu wenig Mut den Tanach, den Talmud oder den Koran zu verbrennen, aber sich an den Aufzeichnungen einer Minderjährigen vergehen. Vergewaltiger und Bücherverbrenner sollte man kastrieren, oder vor ihrer Haustür in Zeitungspapier eingewickelte Scheiße anzünden. Ich habe meinen Plastilin-Schrank wieder gelöscht und baue jetzt ein Vogelhaus aus den Überresten. Es wird nicht schön, ein Sozialbau für Stadtmeisen. Den Eingang mache ich extra klein, es müssen ja nicht alle Schmarotzer-Tauben Einlass finden. Ein wenig Arsch muss jeder sein.

Gravitas

Seegurke, schon mal jemand gesehen? Nicht nur ein furchtbarer Name, sie sieht auch noch so aus. Nach der Meinung einiger Wissenschaftler allerdings, gelingt der Seegurke das, wonach wahrscheinlich jeder strebt … jedenfalls jeder, der einen Gott-Komplex mit sich rum trägt oder irgendeine andere Art von Angst vor dem Verschwinden hat: Unsterblichkeit.
Ja, tatsächlich. Theoretische Unsterblichkeit. Hat irgendwas mit fortwährender Zellteilung zu tun und natürlich nur unter optimalen Bedingungen, so ungefähr wie damals Perry Rhodan. Relative Unsterblichkeit.
Und dann gibt’s da noch diese Quallenart, die ist so was wie der Wiederholungs-Benjamin Button der Tierwelt ist. Sie entwickelte sich ganz normal, aber ab einem gewissen Alter kann sie sich zurück in die geschlechtsunreife Jugend entwickeln. Wenn die das immer wieder macht, auch hier: Theoretische Unsterblichkeit.

Gratias tibi ago, domine

Pflanzen sind da auch ziemlich gut drin. Ein Mammutbaum in Kalifornien ist nachgewiesene viertausend Jahre alt. Denke mal nicht dass irgendjemand die Ausweispapiere einer Qualle überprüft hat. Viertausend Jahre. Dann gibt’s noch diese Espe in Utha, 800000 Jahre, die klont sich allerdings auch dauernd selber, deswegen.
Der älteste Mensch ist 1997 gestorben und wurde 122 Jahre alt. Sie war Französin, war ja klar. Man kann jetzt, über ein Tool im Internet, bereitgestellt von der Eduard Aeberhardt-Stiftung, seine persönliche Lebenserwartung berechnen. Oder man hält sich, wie jeder geistig gesunde Mensch, an die statistischen Mittelwerte und harrt der Dinge die da kommen, vielleicht wird man ja überrascht, vielleicht schläft man so auch besser.

Haec credam a deo pio, a deo justo, a deo scito?

Weltweit ist die durchschnittliche Lebenserwartung 65 Jahre. Am ältesten werden Menschen in Macao, in Japan und in Hong Kong, und liegen dabei mehr als fünfzehn Jahre über dem Durchschnitt. Deutsche werden im Schnitt 77,8 Jahre alt. Wenn also der achtundsiebzigste Geburtstag nahe rückt … aber das ist Statistik und ein Wert für die erste Welt. Die dritte Welt weicht ab. In Mozambique wird man durchschnittlich nur 42 Jahre alt. Genauso in Simbabwe, in Sierra Leone und auch in Afghanistan sieht es nicht viel besser aus. Gilt allerdings nur für Einheimische.
Die deutschen Soldaten, die neulich zum ersten Mal in der deutschen Nachkriegsgeschichte in aktive Kampfhandlungen verstrickt waren, zählen deutsch, werden also 77,8 Jahre alt. Sag das mal den zivilen Verlusten. Vielleicht will man in der dritten Welt aber auch einfach nicht älter werden …

Cruciatus in crucem

Die durchschnittliche Lebenserwartung einer Frau in Saudi Arabien ist fast so hoch wie die in Deutschland. Nur das das Leben da nicht recht Spaß machen will.
Woher kommt das eigentlich, dass wir zu fast jedem Land auf der Erde gute wirtschaftliche Beziehungen pflegen? Und fast jedes Land der Erde will Beziehungen zu uns. Saudi Arabien ist nach eigener Aussage sehr interessiert an Deutschland, nicht zuletzt seit der Fußball WM. Man will die deutsche Sprache lernen, über 200 deutsche Unternehmen arbeiten dort. Literatur, Kunst, Musik, Theater? Not so much.
Warum auch. Wenn Bandits in Saudi Arabien im Kino laufen würde, würden sich alle wundern. Frauen dürfen dort nämlich nicht Autofahren. Ja, die absolute Monarchie ist schon einer feiner Platz. Wählen dürfen Frauen da auch nicht, was auch: Es gibt ja keine politischen Parteien. Gäbe es welche, würde sich vielleicht jemand dagegen wehren, dass Frauen dort einen gesetzlichen Vormund brauchen oder dass Homosexualität mit der Prügelstrafe, homosexueller Sex sogar mit dem Tod geahndet wird. Ich hoffe Guido bringt denen dort Brokeback Mountain auf DVD mit. Aber das Auswärtige Amt beschreibt die Beziehungen als freundschaftlich und spannungsfrei. Für uns vielleicht …

uus in terra servus, nuntius fui; officium perfeci

1985 war ich vier Jahre alt. Kohl war noch Kanzler und die Dire Straits brachten Brothers in Arms raus. Vielleicht wäre es Zeit für ein Sisters in Arms.
Auf eBay hat neulich eine junge Brasilianerin ihre Unschuld versteigert um ihrer Großmutter einen neuen Lungenflügel kaufen zu können. Auf Craigslist findet man Variationen davon jeden Tag.
Eine Textzeile aus Brothers in Arms heißt „And we have just one world, But we live in different ones”.

Cruciatus in crucem, eas in crucem

Jemand hat mir mal erzählt, dass junge, frischgebackene Pilot, wenn sie in eine dichte Wolke hinein fliegen, nicht ihren Instrumenten trauen. Sie schauen auf den künstlichen Horizont, er bleibt gleich, aber sie korrigieren die Maschine trotzdem nach Gefühl. Sie schauen auf den Höhenmesser, auf Neigungswinkel und auf alle anderen Anzeigen, trauen diesen Anzeigen aber nicht, und korrigieren. Die Anzahl von jungen, frischgebackenen Piloten, die auf dem Kopf fliegend aus dichten Wolkenbänken herausfliegt, würde jeden umhauen.
Vertrau dem Kurs, Greenhorn!
Und ein bisschen mehr Gravitas.

Like poems about people who are not me

The world is bright and shines on us.
We sit around at tables, starting senseless conversations about women, booze, automobiles and the craftsmanship of the new james bond movie.
We are all alone.
We create these images of ourselves, not for others to watch, but to be look at by ourselves.
We want to be interesting, but we need to be unique.
We need to feel that way; otherwise we feel pain or nothing at all.
This is not the ugly truth.
This is about false information.
False information, we share with others.
False information we give to ourselves, just to be satisfied.

I want to be a russian author, just to put my feelings down in liquorish words for critics to understand and no-one else.
I want to be a firefighter being on call at the morning of 9-11, just to be remembered.
I want to be me again.
Alone, if I can.
But if not, not without you.

Like before
I once stand in front of a movie theatre and had seen all of the movies they showed.
I went to a bar I knew and got drunk. I got drunk before.
Drunk by liquor I like. I know that, because I drank it before.
I then met a girl I’ve met about ten times before.
I kissed her, like about six times before.
I didn’t sleep with her, like I did the last three times. And afterwards I felt bad about it, like I felt before.
I went home, where I lived, and sat down, where I sit.
I called up a random number, just to fell unique, but I heard an automatic message, like unknown times before.