Wenn ich nicht in den Achtzigern geboren wäre, sondern vielleicht … in den Fünfzigern, dann wäre ich in den Sechszigern zehn Jahre alt gewesen. Jaha, die Sechziger.
Die Zeit der wirklich guten Baseballkarten. Die Karten mit Mickey Mantle, mit Ernie Banks, mit Pete Rose und Sandy Koufax. Ja, Sandy Koufax. Das war ein Spieler. Pitcher, um genau zu sein. Kam aus Brooklyn, spielte für die Dodgers, in Brooklyn und Los Angeles. Spielte nie für ein anderes Team. Besonders nicht für die New York Giants.
Ja. Was für ein Spieler.
Wäre ich in den Fünfzigern geboren, dann hätte ich meine Sandy Koufax-Baseballkarte geliebt. Zu meinem zehnten Geburtstag, zusammen mit seinem alten Baseballhandschuh, hätte mein Vater mir die Sandy Koufax-Karte geschenkt. Er kaufte sie für sechs Dollar einem Kollegen in der Fabrik für Schuhcreme ab. Zusätzlich musste mein Vater dann auch noch an vier Samstagen den Rasen vor dem kleinen Bungalow des Kollegen mähen, aber es lohnte sich: Nie wieder strahlten meine Augen so, wie an meinem zehnten Geburtstag als ich Sandys Karte in der Hand hielt.
Wie wäre es schön gewesen. Und wie kitschig.
Gäbe es heutzutage Baseballkarten, sagen wir, nicht von Baseballspielern (weil die sind mittlerweile überbezahlt und ihren Vereinen mehr als untreu) sondern von … Politikern. Welche wären dann die guten Karten?
Welche Karten würde man tauschen und welche würde man unter Glasglocken verschließen und erst auf einer Sotheby’s-Auktion für ein Vermögen abtreten?
Welche Karten hätte ich? Mal sehen.
Im Starter-Pack gleich zu Anfang die große Enttäuschung: Die Erwin Huber -Karte zeigt in einer zackig gepinselten Annäherung an das Original ein diabolisches Grinsen. Hua. Nein. Einen Huber tauscht mir niemand. Weiter: Natürlich ist, wie in jedem Starter-Pack, eine Merkel-Karte dabei. Die brauch’ ich nicht mal aufheben, die wandert gleich in den Mülleimer. Weiter: Ha! Die erste SPD-Karte. Neues Team, neues Glück. Aber Obacht!
Hubertus Heil auf der goldumrandeten Generalsekretär-Sonderkarte. Die sticht, leider nur die Staatsminister der eigenen Partei. So gut wie wertlos. Na, vielleicht krieg’ ich ihn auf eBay bei nem kurzsichtigen Alt-Juso los, wenn ich nur schreibe: Ehemaliger Bezirksvorsitzender, Braunschweig (das beeindruckt mich nicht, aber … wer weiß).
Nächste Karte: Franz Müntefering. Ups. Da hab’ ich wohl ein altes Starter-Pack erwischt. Weiter! Jetzt kommen wir zu den Linken. Ha! Ein beidseitig bedruckter Fehldruck mit Bisky und Lafontaine auf einer Karte. Kurios! Wenn man die Karte Oben und Unten mit jeweils einem Finger festhält und dann schnell dreht hat man „Lasky“, den Doppel-Vorsitzenden. Okay. Dafür gibt es ordentlich Schotter. Behalten? Ne! Niemals. Die ist sofort an einen Sammler abgetreten … ich weiß auch schon wen.
Wer mir eine Freude mit einer Politikerkarte machen will, muss schon lange suchen und tief ins Portemonnaie greifen. Da sind Recherche und umkämpfte Auktionsstunden bei eBay nötig. Wie zum Beispiel um die kaum erhältliche Tarek Al-Wazir-Karte. In einigen Safes japanischer Großunternehmen bereits unter optimalen Bedingungen eingeschweißt und lichtgeschützt verpackt, kriegt man diese Karte eigentlich gar nicht mehr. Natürlich. Nicht jeder ist ein Sandy Koufax. Leichter hat man es da schon mit der Ole von Beust-Karte. Rar, aber nicht so rar. In der etwas abgegriffeneren Ausgabe, noch aus der Zeit vor der Bürgerschaftswahl 2001, kriegt man diese Karte allerdings auch kaum noch. Mittlerweile zwei Mal wiederaufgelegt, ist Ole allerdings auch ne recht gute Geldanlage für die Zukunft. Ähnliche Zuwächse hat da eine Klaus Wowereit-Karte, in Preis und Ansehen (natürlich).
Ansonsten? Was ist mit der Ypsilanti-Karte? Eher mäßig. Oder Steinbrück, oder Steinmeier? Hm, nicht so. Sehen auch nicht schick aus, auf dem Sideboard. Egal in welchem neuen Design dort auch was raus gebracht wird: Irgendwie sieht das immer gleich langweilig aus. Lustig war natürlich die Echthaar-Ausgabe der Kurt Beck-Karte, mit angeklebtem Bart. Aber nach dem ersten Hype: Nischt mehr zu hören. Das war wie mit den Tamagochis. Irgendwann ist man es einfach Leid sie zu füttern und lässt sie sterben.
Im nächsten Pack wünsch’ ich mir vielleicht mal eine der Retro-Karten. Einen Fischer, oder einen Brandt.
Komisch finde ich, dass sie fast jeden Monat den Schmidt wieder neu raus bringen. Der kriegt eine Auflage nach der nächsten. Wer kauft den?
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Die reinigende Kraft des Pokalfinales
Der letzte Kommentar hat mich schwer getroffen. Ich gebe das unumwunden zu, trauere (oder: hab’ getrauert) und stelle mich meinen Dämonen.
Besser gesagt: Ich habe mich Gina-Lisa bei Stefan Raab gestellt. War furchtbar. Aufgeregt wie ein tollwütiger Iltis saß die da rum und kriegte kaum einen geraden Satz raus. Und wenn sie in ganzen Halbsätzen sprach, dann versicherte sie dem sprachlosen Publikum das sie eigentlich bereit wäre alles zu machen. (Puh! Dit war anstrengend.)
Trotzdem gestehe ich meine Fehler nicht ein, sondern gehe noch einen Schritt weiter: Die Welt braucht Gina Lisa. Mehr denn je! Warum? Warum überhaupt sich aufregen. In einer Zeit, in der Kai Pflaume bei Sat.1 durch die UEFA-Cup Nachspielberichterstattung mit der Eloquenz von luftleerem Raum führen darf und sich niemand beschwert. Hofnarren wurden im Mittelalter, bei mangelndem Unterhaltungswert, aus dem Schloss gejagt. Für Kai Pflaume zählt weiter die Liebe.
(Da fällt mir ein: Haben die noch diesen silbernen Wohnwagen? Wenn man ihn darin einschweißt … den hört doch keine Sau. Dann einfach an eine Steilküste fahren … aber … na ja.)
Zurück zu Gina-Lisa (mir wird mit jedem Mal, da ich diesen Doppelnamen schreibe, deutlicher: Es liest sich und klingt komisch): Warum also sie?
Die Antwort schenkte mir das DFB-Pokalfinale. (Und die Antwort ist nicht leicht nachzuvollziehen, also: „FOCUS!“)
Da saß ich. Samstagabend und die Bayern führen mal wieder Eins zu Null. Natürlich durch Luca Toni. Aber mein Seewolf Thomas Doll gibt sich nicht geschlagen. Bringt in der zweiten Halbzeit Klimowicz, Buckley und Valdez, alles Stürmer. Das ist Fußball. Ein Schuss aufs Tor, noch ein Schuss. Kahn hält. Dann die einundneunzigste Minute. Ecke. Tor! Petric kriegt es irgendwie, mit Lucio und Lahm als Anspielstationen, hin das Ding rein zu machen. Und ich stehe auf dem Sofa! Freudentanz wäre untertrieben. Gäbe es die alten Götter noch, es hätte sofort angefangen zu regnen. (Ganz kurz: Ich bin natürlich kein Dortmund-Fan. Nein, überhaupt nicht. Waren die nicht mal ne Aktiengesellschaft, oder sind es noch? Nein. So einen Verein kann man nicht lieben. Und nur mit einer generellen, deutschlandweiten Aversion gegen die Bayern meine Gefühle zu erklären … geht auch nicht. Aber weiter: ) Dann die Verlängerung. Sie kicken, kämpfen, rennen und irgendwann ist wieder Luca Toni da. Geschlagen trotten die Gelb-Schwarzen – stehend K.O. – über das Feld. Aber ich bin nicht sauer. Ich bin traurig, ja. Seit Mighty Ducks sind wir doch alle für die Underdogs. Aber enttäuscht bin ich nicht. Die Borussia war gut. Die Bayern waren nur besser. Und allen voran Luca Toni.
Luca Toni, der wie ein großer Bruder ist. Ein großer Bruder den sich Alle wünschen. Von dem will man das Fußballspielen beigebracht bekommen und ihn dann hinterher auf dem Bolzplatz in der eigenen Mannschaft haben. Weil: Mit Luca gewinnt man immer. Er ist ein Held. Und ein Strahlender dazu!
[Wer in diesem Moment einen CD-Player und die geniale Platte „Hot Fuss“ von The Killers zur Hand hat, möge Lied Fünf starten. Es folgt die Moral.]
Raymond Chandler hat mal geschrieben: Er ist der Held. Er ist alles! (Im Englischen klingt das noch besser: „He is the Hero. He is everything.“)
Es stimmt. Was wir brauchen, so dringend wie eine gute Rentenversicherung, sind Helden. Und wenn es Helden sind, die blutverschmiert und völlig zerrissen, wie Bruce Willis, aus dem brennenden Nakamoto-Tower kriechen: Wir brauchen sie. Wir brauchen eine Gina-Lisa die unkend und lauthals aus dem brennenden TV-Hochaus rennt. Wir brauchen sie. Weil sie unsere Freundin sein könnte. Die beste Freundin, die eben ein bisschen „porno“ ist und mit dem man trotzdem Einen saufen gehen will. Die beste Freundin, die nicht Nietzsche mag, sondern Mark Oh! Und wir bewundern sie dafür. (Natürlich finden wir es auch ein bisschen schade, aber: Wir können doch nicht alle Atomphysiker sein, oder?)
Nirgends sterben so viele Helden wie in der deutschen Öffentlichkeit: Harald Schmidt hat sich mit Pocher schwindelig geulkt und Polylux hat – außer den durchsichtigen Moderationskarten – auch nix mehr was lustig ist oder das Abschalten verhindern könnte. Kurt Beck lässt die einst so angenehme Gemütlichkeit vermissen und Happe Kerkeling … na ja …
Deswegen: Sucht euch neue Helden. Sucht euch wen ihr braucht. Die Welt braucht Gina-Lisa. Sie braucht überspitzte Künstlichkeit in einer künstlichen Welt um darin einen echten Helden zu erkennen. Wie es weitergeht und ob der Held am Ende vielleicht doch vom Monster verspeist wird: Das zeigt sich immer erst am Schluss.
In diesem Sinne: Es hat begonnen. In einem Jahr ist wieder Pokalfinale. Ick freu’ mich!
Lauft nicht bei Chinesen
Der Hesse kennt die Abkürzung VR nur allzu gut. Zum Beispiel von seiner EC-Karte. Da heißt es in den Hosentaschen und den Geldbeuteln „Volks- und Raiffeisenbank NordRhoen eG“ … zum Beispiel. Bei mir heißt es so und ich schäme mich nicht dafür. Nein, gar nicht. Die „VR Bank“ gehört zu meinem Leben wie Klopapier und Haarwachs. (Über die tiefere Bedeutung und Einordnung dieser Utensilien will ich mich nicht weiter auslassen … das Thema wird ernst … vielleicht später)
Es gibt noch viele andere VRs auf dieser Welt. Die virtuelle Realität wird so abgekürzt, „vermeintliche Rechte“ besitzt der Bürger eine Scheindemokratie. Und dann gibt es da noch die Volksrepublik, kurz VR!
Um den SendungMitDerMaus-Ton voll zu machen: Eine Volksrepublik besteht aus einem, meist ziemlich großen, Volk (also ner ganzen Menge Menschen), die in einer Republik leben. Die Republik bedeutet dem französischen république nach auch „öffentliche Angelegenheit“ (God save my wiki!). In einer Republik orientieren sich alle Entscheidungen am Gemeinwohl. [Jetzt war’s das erstmal mit dem Logo-Beitrag, versprochen!]
Und dann gibt es China. Ohh, wie mag ich die Filme aus dem Land der Dreimilliarden (oder sind es schon mehr … ach: Diese fleißigen Reisbauern! Knick-Knack!). In der alten Geschichte vom großen Kaiser, der alle chinesischen Völker (zum Wohle Aller – sprich: zum Gemeinwohl) zusammenführen will, um sie stark gegen Feinde zu machen und um eine lange Mauer zu bauen. In dieser Geschichte, in der Geschichte der Attentäter dieses Kaisers, in der Geschichte der Attentäter die schließlich doch nicht ihren Job ausführen, weil sie begreifen: Der Einzelne muss leiden um dem Großen-Ganzen zu helfen, also dem Gemeinwohl, in dieser Geschichte … in dieser Geschichte erfährt jeder Europäer, jedenfalls jeder aufgeklärte und vom Individualismus überzeugte Europäer, eine schmerzhafte Parallelrealität. (Puh!)
Keine virtuelle Realität (ungeachtet der Nähe zum VR), nein: Diese Realität ist unsäglich nicht-virtuell. Die Idee der Unterordnung von Einzelinteressen, ja gar Einzelschicksalen und dem Leben von Einzelnen (den freiheitlichen Rechten gar nicht gerechnet), unter das Wohl und das Überleben der Gemeinde ist ziemlich verstörend. Interessant, aus geschichtlicher Sicht, aber verstörend. Diese Idee lebt im größten Volk auf dieser Erde (dem zahlenmäßig größten Volk aller Zeiten!) immer noch weiter. Mit dieser Idee begründet, nicht zuletzt, die chinesische Regierung zurzeit den „Volkskrieg gegen den Separatismus“.
Grundsätzlich ist das allerdings auch nicht neu. China kontrolliert, unterdrückt und verwaltet Tibet seit Jahrzehnten. Vor unseren aufgeklärten Augen fleht ein geistiges Oberhaupt aus Indien machtlos weiter und weiter und weiter. Nichts passiert. Die BILD druckt mal eben ein paar Seiten aus seinem neuen Buch ab, uns egal: Was können wir schon machen. (?!)
Jetzt schickt sich China allerdings an, respektable Weltmacht und Wirtschaftsmacht zu werden. Und so was beginnt gerne bei olympischen Spielen. Komisch, oder?
So ein Typ mit Charlie Chaplin-Bart hat 36 so auch der Welt seine Glaubhaftigkeit und Ehrbarkeit einimpfen wollen. Damals hat er sogar (komisch so ähnlich läuft es in China auch) das Bauprojekt „Reichssportfeld“ in Berlin mit dem Satz „Wenn man 4 Millionen Arbeitslose hat, muss man Arbeit schaffen“ begründet. Vielleicht wäre in Deutschland mal wieder Zeit für eine Olympiade – kleiner Scherz.
Nun ringt also China, mit elefantösen Bauprojekten in Peking, um internationale Stellung. Überall, in den Ecken der Wirtschaft vor allem, hören wir „mit China muss man in Kontakt treten, sonst laufen die uns weg“. Aber warum? Damit wir mehr Gemeinwohl und weniger Person sehen?
Klingt doch auch gar nicht schlecht. Okay, in China sperrt die Partei Internetseiten weg und verfolgt politische Aktivisten. Hey, Schwamm drüber. Nicht das Boeing bald Turbinen in Itschang baut. Ah! Da fällt mir noch ein Film ein. Diesmal kein Film aus China, sondern ein Film über China: Red Corner. Okay, Kintopp, aber: Eindrucksvoll wird beschrieben, wie der Familie von zum Tode Verurteilten, zum Beispiel Aktivisten gegen die Staatspartei, perverserweise die Rechnung für die gebrauchte Kugel – für den Mord am Sohn oder der Tochter – ausgestellt wird. Nice!
Vielleicht kann ich nicht verhindern dass in China die wirtschaftliche Zukunft liegt. Vielleicht kommt da auch in hundert Jahren die wichtigste und fortschrittlichste Kultur her. Aber im Moment würde ich sagen: An alle Sportler und Sportvereine. An alle Mitglieder des IOC: Kein Sport in China. (Und damit stehe ich echt alleine. Wie vertraut!)
Lauft woanders euren Marathon. In Hessen gibt es tonnenweise kaum genutzte Bundesstraßen. Ein oder zwei BGS-Busse und alles ist abgesperrt. Die Rhönkampfbahn im beschaulichen Hünfeld hat eine Weitsprunggrube, eine Tartanbahn und so ne Stange für Stabhochsprung zimmer ich euch noch selbst zusammen. Ach: Die Organisation? Hm, mal sehen. Der Bürgermeister (gerade wieder gewählt und diesmal wohl „for life“) hier in Hünfeld freut sich bestimmt einen Kullerkeks. Der stellt glatt alle Insassen der neu gebauten JVA für das Errichten eines olympischen Dorfes ein. Alles kein Problem. Hessische Handarbeit!
Wenn jetzt also alle ihre Nokia-Handys wegwerfen, warum nicht einen Schritt weitergehen. Schmeißt die Flugtickets weg, kommt nach Hessen. Oder woanders hin, mir egal. Ich zahl auch gern den Sprit wenn wir nach (keine Ahnung …) Stellingen (?) oder Elmshorn (?) fahren. Im alten Kinderzimmer bei meinen Eltern bring’ ich auch gut und gerne die gesamte Sprinter-Crew aus Trinidad & Tobago unter. Außerdem: Wir sind doch gastfreundschaftlich, oder? Vielleicht häng‘ wir auch einfach was im HaWeGe aus. Wir kriegen das schon hin. Alles kein Problem. Olympische Spielen in mitteldeutschen Kleinstädten.
Zwei, drei, vier Wochen erweiterte Bundesjugendspiele … hey: Mit ner Kiste Licher wird das richtig lustig. Wir können sogar die ganzen Trikots mit „Peking 08“ drauf behalten. Ist den Leuten hier egal. Hauptsponsor des Sportvereins SV Nüst war mal das örtliche Klärwerk, also … dit juckt hier niemanden.
Dabei sein ist alles. Oder heißt das jetzt fürs IOC: Einstreichen ist alles?
Vielleicht reg‘ ich mich auch nur unnötig auf. Völkermord passiert jeden Tag. Olympia nur einmal alle vier Jahre.
Alles so und noch nicht mal 15 Tage 2008!
Streiten wir nicht über Günni Grass.
Nein. Bitte. Ich bitte Sie. Lassen wir das. Einfach nicht drüber reden.
Was? Er hat schon wieder auf einer SPD Klausur geschimpft? Was ist überhaupt eine Klausur in der SPD? Ist das im wörtlichen Sinn zu nehmen? Warum wissen wir dann davon? Warum sprechen alle drüber … über Günni und die Demagogen? Und warum benutzt einer, der selber gerne frei spricht, das böse Wort aus Karlsbad … Was haben die da 1819 doch gleich beschlossen? Genau: Demagogen gehören zensiert und verboten. Und welche Demagogen? Die liberalen Demagogen. Nein. Liberale sind Demagogen. Genau. Deswegen verbietet man sie. Wenn das mal so leicht wäre mit der FDP. Schade drum. Schade dass wir nicht 1819 haben und niemand mehr genau weiß wo Karlsbad überhaupt liegt. Ganz am Anfang … so beim alten Perikles … war der Demagoge noch ein Ehrenmann. Es war sozusagen der Ritterschlag für den Philosophen Demagoge zu werden. So in Richtung: Ehrendoktor. Vielleicht auch Nobelpreis … ahhh … Stopp. Dann ist Gunni ja auch … gleich zwei Mal … ein Doppel-Demagoge. Ist das dann so was wie ein Doppelagent?
Aber reden wir nicht drüber. Nein, wir wollen nicht drüber reden. Lassen wir das.
Warum lassen wir eigentlich Günni noch reden? Hm? Warum?
Harald Juhnke haben sie auch irgendwann mit dem Gesicht zur Wand im Rollstuhl in die Ecke geschoben und einfach nicht mehr zugehört.
Geht schlecht, wenn die SPD mittlerweile jeden aus der Ecke wieder rausholt um gegen Kaltschale Koch einen Punkt in Sachen Sozial zu gewinnen und dann aber auch wieder einen Punkt in Sachen Relevanz (oder besser: „Who cares?“) zu verlieren.
Reden wir einfach nicht drüber. Reden wir nicht übers Inland, reden wir übers Ausland.
Reden wir über Arnold Schwarzenegger. Reden wir übers White House. Reden wir über die Möglichkeit für einen Österreicher Reichskanzler … ähhh … Präsident der Vereinigten Staaten zu werden. Ja, genau: Die Anwälte vom Terminator arbeiten schon dran. Irgendwann wird Schwarzenegger wählbar. Wählbarer noch als bisher.
Ein Mann, der gegen den Teufel mit einem Raketenwerfer angetreten ist … kann vielleicht bald der „so called“ mächtigste Mann der Welt werden. Einzig Chuck Norris kann ihn dann noch aufhalten, aber das ist eine andere Geschichte.
Doch der Kindergarten Cop kann sich noch vier Jahre Zeit lassen, bis dahin knallen nämlich die Demokraten erstmal den Karren gegen die Wand. Die Frage ist nur: Wer darf? Und jetzt nischt gegen die Frauen, aber ich bin absolut für Obama. Nicht zuletzt weil Will Smith auch für ihn ist. Eigentlich eher zuerst weil Will Smith für ihn ist.
Jetzt aber Achtung! Die Bild-Zeitung hat berichtet: Will Smith liebäugelt mit Scientology.
Ui. Das ist ungefähr so spannend, wie die Bekenntnisse von Rollenspielern J.R.R. Tolkien anzubeten.
Verdammt noch mal, was ist das für eine Obsession mit Scientology?
In tausenden von Kinderläden in Deutschland basteln alternativ erzogene Tagesstättenkinder Mandalas und Traumfänger. Wenn jemand an Außerirdische und das Ungleichgewicht von Thetan glauben will … Lass ihn doch! Was kümmert es euch?
Hm? Und dann diese Hetze gegen Tom Cruise. Himmel noch mal. Das Einzige was er getan hat, war auf einem Sofa rumzuhopsen! Mehr nicht. Das war alles. Und kaum jemand hat diese Sendung live gesehen. Jedenfalls nicht in Deutschland. Also: Was wollt ihr? Schließlich steht der nicht mit ner Ausgabe von L.Ron.Hubbards furchtbar öden Science-Fiction Romanen in der Hand bei euch in der Fußgängerzone. Und wenn ihr was gegen die Filme habt: GUCKT SIE NICHT!
Niemand beschwert sich über die Verdummung der Kinder mittels Harry Potter. Hunderte und noch mehr Heranwachsende kommen mir an S-Bahn-Gleisen und in Bahnhofsunterführungen panisch entgegen und wollen wissen wo das Gleis 9¾ ist. Da frag ich mich doch: Musste das sein?
Warum schreit niemand: Hexe und zeigt auf Miss Rowling, die jetzt doch noch einen achten Band Potter bringen will. Niemand hätte das Christentum ernst genommen, hätten die zu Beginn des Mittelalters – als die Apostel gerade der trendy „Hot Shit“ waren – „The Bibel, 2nd Story“ rausgebracht hätten. Aber verehrt wird Rowling trotzdem wie ein Heilsbringer. Tom Cruise dagegen kriegt Drehverbot angedroht. Ein bisschen mehr christliche Nächstenliebe bitte!
Und wenn nicht christliche, dann doch wenigstens indianische oder buddhistische, die man mit Mandalas und Traumfängern doch gelernt haben müsste. Oder?
like a real good girl
Wenn ich mich an sie erinnere, dann verschwimmt für einen Moment das Bild. Wie in einer Traumsequenz aus dem Fernsehen. Für einen kurzen Blur (seit wann benutzt man solche Worte überhaupt?) verwischt alles, dann taucht sie auf. In Kunstnebel stehend, neben einem Whirlpool, alles geschmückt mit Kerzen. Dabei hatte ich nie einen Whirlpool und sie auch nicht. Aber in meiner Erinnerung trägt sie einen geklauten Bademantel aus dem Hilton in Aspen (und ich weiß nicht mal ob es da ein Hilton gibt). Langsam streift sie ihn ab, je nach Tageszeit trägt sie nichts oder kaum was. Dann haucht sie meinen Namen. In Echt hat sie ihn zuletzt nur noch geschrieen. Es war kaum auszuhalten. Dein Zeug liegt im Weg rum. Warst du immer schon so unordentlich? Pass doch auf, du reißt mir noch die Knöpfe von der Bluse! Das kriegt man also für einen zaghaften Versuch von Romantik. Nein. Nicht mit mir. Und dann hat sie es beendet. Einfach so. Nicht mal diskutiert haben wir. Ich hab’ meine Sporttasche gepackt, die Socken vergessen, und weil es ein Samstagabend war, musste ich den ganzen Sonntag mit den Socken vom Vortag rumlaufen. Sie schien doch so perfekt. Ich dachte es wäre was für Immer. Und jetzt? Jetzt scheint sie wieder perfekt. In meiner Vorstellung.
Als ich sie das erste Mal sah, spielte ein Coldplay-Song im Radio. Es war bei H&M. Sie stand da einfach so an einem Kleiderständer, drehte durch die Pullover und suchte sich langsam durch 100%-Baumwolle. Dann, als glaubt sie allein zu sein, popelte sie sich in der Nase. Ich wäre beinahe vor Lachen zusammengebrochen. Es war kein männliches, kein suchendes Popeln. Es war feingliedrig und schön. So wie eben nur wunderschöne Mädchen popeln können. Als ich mich beruhigt hatte, stand sie vor mir. Ihr schiefes Grinsen lag leicht auf und hätte auch zu einem Grummeln werden können. Ich entschuldigte mich und bat sie um ihre Telefonnummer. Sie stemmte ihr Hände in die Hüften und sah mich prüfend an, dann griff sie nach meiner Hand und zückte einen Kuli. Sekunde mal! Oder hab’ ich mir das nur eingebildet? War das bei H&M oder Peek & Cloppenburg? Hat sie gepopelt, oder? … es ist schwierig die Erinnerungen von den Phantasien zu trennen. Bei ihr fiel mir das nie leicht. Einmal wachte ich morgens auf und sie lag schnarchend neben mir. Ich war mir sicher, am Abend vorher über ihren Einzug bei mir gesprochen zu haben. Als sie aufwachte und ich fragte, ob wir uns dann auch einen neuen Kleiderschrank kaufen, lachte sie nur und meinte ich sei nicht ganz dicht. Sie würde ihre Wohnung auf jeden Fall behalten und niemals in meiner winzigen Höhle wohnen. Sie hätte Stil. Hatte sie. Ungelogen.
Unser erstes Date (wie man das ja so schön sagt) fand bei Pizza Hut statt. Am Telefon hatte ich wohl zu bedürftig geklungen, also wollte sie einen belebten Ort, an dem viele Menschen eventuell zu ihrer Rettung hätten herbei eilen können. Mich schreckte das nicht ab. Um cool zu sein, bestellte ich eine extra-scharfe Chilli-Peperoni-Pizza. Zwei Tage hat mein Magen an dem Blech verdaut. Aber sie war es wert. Im Grund war sie alles wert. Die Streitereien. Die beleidigten Seitensprünge die meistens noch vor meinen Augen anfingen… aber warum war sie es wert? Weil ich ein normalerweise ungelenker Freak bin? Wahrscheinlich.
Wir haben nur ein einziges Mal zusammen getanzt. Wobei „zusammen“ schon übertrieben ist. Sie hat getanzt und ich stand daneben und hab’ abwechselnd die Füße gehoben und mit den Armen Bewegungen gemacht, als wollte ich ein flatterndes Hühnchen imitieren. Schließlich beugte sie sich zu mir rüber und fragte: „Kannst du mir was zu trinken holen?“
Als ich wieder kam, tanzten vier Jungs um sie herum und ich musste die Bionade weiterreichen lassen. Ja. So war sie. Etwas Besonderes.
Zu meinem Geburtstag schenkte sie mir Gutscheine. Keine Gutscheine die man bei Media Markt oder Saturn einlösen kann. Es waren handgeschriebene, weiß-karierte Zettel mit solch tollen Inhalten wie: „Einmal mit mir duschen.“
Zuerst fand’ ich das ja ganz schön. Meistens musste ich warten bis sie mit dem Duschen fertig war, bis ich ins Bad konnte. Dann aber, als sich ein kleiner Stapel mit Gutscheinen angesammelt hatte und ich tatsächlich mal einen „Einmal Sex vor dem Frühstück“ einlösen wollte, drehte sie sich nur von mir weg und meinte ich solle es morgen noch mal probieren.
Jetzt wo es vorbei ist, hab’ ich mich auf einer Online-Dating-Seite angemeldet. Ich bin sogar schon ein paar Mal mit Mädels von dort ausgegangen. Aber die sind nichts für mich. Mit Einer war ich beim Chinesen und sie wollte mir allen Ernstes überlassen was für sie zu bestellen. Wer bin ich denn? Ihr Papa? Meine Ex-Freundin hat immer für sich alleine bestellt. Manchmal, wenn es schnell gehen musste und sie Hunger hatte, sogar für mich mit. Sie meinte dann, ich würde doch ohnehin immer die gleiche Pampe bestellen.
Sie war eben ein wirklich gutes Mädchen. Ich vermisse sie. Oh Gott, wie ich sie vermisse.
Hoffentlich ist Mutter bald mit dem Essen fertig. Vielleicht guck ich in der Küche mal nach wie lange es noch dauert …
Tatsächlich schon vier Jahre?
Wie war das noch mal mit dem Sex? Was muss ich noch mal bedenken? Was kommt zuerst, was später und was hinterher? Nervös zuppel ich an dem Kondom in meiner Hosentasche herum und versuche es, ohne die rechte Hand von der Brust der Frau unter mir zu nehmen, aus meiner Hosentasche zu ziehen. Aber das Kondom klemmt. Verdammt. Mein Hosenstall ist schon offen und gleich verschwindet die Hose, zusammengefaltet wie eine Ziehharmonika, irgendwo am Fußende des Bettes. Wenn ich bis dahin das Kondom nicht rausbekommen habe, gibt es diesen langen Moment des „Innehaltens & nervös nach dem Kondom suchen“ kurz vor dem eigentlichen Akt selbst. Nein. Bitte nicht. Der sanfte Übergang ist doch alles, oder? Ehrlich gesagt kann ich mich nicht genau erinnern. Das letzte Mal Sex scheint zu lange her zu sein. Es erscheint mir wie eine Ewigkeit. Bin ich tatsächlich schon seit vier Jahren Single? Vier lange Jahre kein Sex? Wie konnte das passieren und warum hab’ ich nie zuvor ein One-Night-Stand gehabt? Oder irre ich mich? War da nicht mal dieses Mädchen, als ich betrunken im Magnet-Club … nein, nein … da war zwar ein Mädchen aber ich war definitiv zu betrunken und hab’ mir hinterher nur auf … auch egal! Jedenfalls jetzt dieses Mädchen. Nein. Diese Frau. Diese Frau hier. Claudia. Was für ein Glück hab’ ich gehabt? War das überhaupt Glück? Ganz alleine in einem Café sitzend und an nichts als das Wochenende denkend, setzte sich Claudia einfach zu mir. Eben ging ich noch die Liste der DVDs durch, die ich am Sonntagnachmittag mal wieder gucken müsste, und dann lächelt mich diese Frau an. Fragt nach einem Feuerzeug und wundert sich dann, dass ich keines habe. Was soll ich schon mit einem Feuerzeug, frage ich zurück. Seit zwei Jahren haben sie bei uns im Haus von Gasherd auf Elektro umgestellt. Claudia lächelt und sagt: Sie findet mich süß.
Oh, dieses Lächeln.
Dieses Lächeln. Sie lächelte auf dem Weg zu ihrer Wohnung. Sie lächelte auf den Stufen im Treppenhaus, in ihrer Küche und im Wohnzimmer.
Eine Bewegung bringt mich zurück in die Gegenwart: Claudia beginnt mir die Hose herunter zu schieben und mein Daumen und mein Zeigefinger sind immer noch in der kleinen Tasche meiner Jeans eingeklemmt. Warum hab’ ich mir auch das Kondom in die kleine Tasche und nicht in die normale Jeanstasche gesteckt? Warum haben Jeans überhaupt eine kleine Tasche? Ist die für Kleingeld, oder für diese Chip-Marken, mit denen man die Einkaufswagen im Supermarkt kriegt? Und warum ist die kleine Tasche immer nur auf der rechten Seite der Jeans und nie auf der linken Seite? Für Kondome kann die Tasche nicht sein, da wär’ doch längst jemand auf ne bessere Aufbewahrungsmöglichkeit gekommen.
So, ich probier mal was:
Vorsichtig rolle ich mich zur Seite und verlagere mein Gewicht auf nur ein Bein. Jetzt hat Claudia es schwerer mir die Hose auszuziehen. Ob ich kurz mit dem Küssen aufhören soll und vielleicht weiter runter wandere? Über den Hals zur Brust und zum Bauchnabel? Dann hab’ ich auch mehr Zeit wegen der Hose und dem Kondom?
Ich probier’ das mal.
Langsam löse ich meine Zunge aus Claudias Mund und wandere bis zum Kinn. Ein kurzes Stöhnen lässt mich zaudern. Nein, dass klang nach Vergnügen, also weiter. Auf Brusthöhe merke ich: Ich hab’ meine rechte Hand immer noch auf Claudias linkem Busen. Sieht nicht gerade sehr anmutig aus, wie ich da halbseiden zudrücke. Kurz denke ich über eine Massagetechnik nach, die ich bei Kronzuckers Kosmus auf N24 in einem Beitrag über Kobe-Rinder in Japan gesehen habe. Da massieren die doch tatsächlich Schlachtvieh, damit das Fleisch … Nein! Jetzt ist nicht die Zeit dafür. Kurzentschlossen schiebe ich meine rechte Hand weiter runter und kreise, in fast schon schamanenhafter Manier um den Bauchnabel. Oft, wenn ich morgens aufstehe und unter die Dusche klettere, fällt mir beim Ausziehen auf, dass ich so kleine Fussel im Bauchnabel habe. Das sind nicht direkt Staubfusseln, eher Flusen, also eine Art abgeriebene Baumwollelemente vom T-Shirt. Ob Claudia auch … nach kurzer Kontrolle sind die Flusen vergessen. Claudia hat ein Bauchnabelpiercing. Wow.
Die letzte Frau mit Bauchnabelpiercing war gar keine Frau, sondern ein fünfzehnjähriges Mädchen, dass ich aus einer Tram heraus unverschämte zwei Minuten angeglotzt habe, als sie im Hochsommer mit ihren Freundinnen aus der Schule kam. Wow. Ein Bauchnabelpiercing. Bin ich schon so alt? Ist das so ungewöhnlich für mich? Oder liegt es einfach daran, dass ich das letzte Mal Sex vor vier Jahren hatte? Vor vier Jahren, verdammt. Damals war noch ein Mann Kanzler und ich … Sind es tatsächlich schon vier Jahre? Hilfe!
Abgelenkt durch das Bauchnablepiercing hab’ ich doch tatsächlich das Küssen vergessen. Mein Mund klebt irgendwo zwischen Claudias Brüsten und bewegt sich nicht. Sie merkt es zuerst:
„Eingeschlafen?“, fragt sie neckisch. Im Fernsehen fallen den Jungs auf solche Fragen immer so schlagfertige Antworten ein. Mir hängt beim Aufschauen nur ein Spuckefaden von der Unterlippe und ich grinse verlegen. Mein linkes Ohrläppchen beginnt zu pochen. Bestimmt bin ich schon ganz rot im Gesicht. Was für ein Anblick.
„Nein. Noch nicht.“, antworte ich viel zu spät und ich vergesse auch den ironischen Unterton. Soweit ich es aus meiner Perspektive erkennen kann, schaut Claudia einigermaßen überrascht zu mir herunter. Wie komme ich da jetzt nur wieder raus? Ich schiebe mich ein Stück nach Oben und gebe ihr einen Kuss. Viel zu feucht natürlich. Ich hätte die Spucke vielleicht mal runterschlucken sollen. Claudia übergeht das freundlich.
„Na? Hast du das Kondom endlich aus deiner Hose gefummelt?“, fragt sie grinsend.
Plop. Es ist tatsächlich frei. Meine zitternde Hand umklammert triumphal das verpackte Stück Latex. Ich präsentiere Claudia die weiß-verschweißte Kondom mit dem blauen Aufdruck des Herstellers und sie nickt anerkennend.
„Gut. Dann können wir ja weitermachen.“
Ich weiß nicht wie und ich weiß nicht warum, aber scheinbar wird man – wenn man häufiger Sex hat – einfach lockerer mit diesen Situationen. Claudia sieht wie eine Frau aus, die häufiger Sex hat und sie verhält sich auch so. Ich dagegen … na ja … ich bleibe wohl mein ganzes Leben eher ein … Amateur in diesen Situationen.
Als Claudia und ich tatsächlich drei Minuten später beide nackt sind, schwitze ich vor Aufregung so stark, dass sich unter meiner Nasenspitze kleine Tropfen bilden. Ruhig und auf meinen Herzschlag konzentriert, versuche ich mir ein paar Regeln ins Gedächtnis zu rufen:
Es ist okay beim Sex zu schwitzen. Du machst nichts Anderes als alle Anderen, sage ich mir. Dann allerdings:
„Hui. Du schwitzt aber ganz schön.“ Scheiße. Soviel zu „wie alle Anderen“!
Ohne auf Claudias Kommentar einzugehen, versuche ich jetzt das Kondom überzuziehen. Sowas hab’ ich schließlich schon mal gemacht. Früher hatte ich viel Sex. Viel, gemessen an den letzten vier Jahren. Kann doch nicht so schwer sein. Wie Fahrradfahren.
Ein bisschen Luft drin lassen und dann einfach abrollen. Ganz einfach.
Wie? Einfach abrollen? Wie rum muss ich das abrollen? Die Rolle nach Oben oder nach Unten. Rein technisch betrachtet muss die Rolle doch nach Oben um …
„Soll ich dir helfen?“ Und schon hat sich Claudia das Kondom gegriffen, dreht es herum, setzt es auf und schwups! Haha, ganz schön kalte Finger.
Kalte Hände sind das Resultat von Gefäßverengung und mangelnder Durchblutung, hab ich gelesen. Das kann zu Taubheit und … Huar! Was war das?
„Wie fühlt sich das an? Gut?“ Wow. Jedes Kobe-Rind das so massiert wird, stirbt glücklich auf der Schlachtbank. Aber wie antwortet man auf so eine Frage? Soll ich nicken? Im Anbetracht meiner momentanen Körperspannung, könnte ich Claudia gut und gerne bei einem plötzlichen Nicken die Nase blutig schlagen. Also, was soll ich sagen? ‚Super`? Nein. Super klingt nicht. ‚Toll’? Toll klingt nach meiner Mathelehrerin. ‚Genial’ geht auch nicht, zu technisch, genauso wenig wie ‚wunderbar’, hört sich gehaucht wie ‚Wonderbra’ an.
Ich rücke also mit meinem Mund an Claudias Ohr und flüstere mit bebender Stimme: „unglaublich … du … bist … wirklich unglaublich“.
„Danke. Du bist dran.“
Genau! Jetzt fällt es mir wieder ein! Vorspiel. Es geht alles ums Vorspiel. Verdammte Zucht. Wie konnte ich das vergessen. Was für ein Idiot bin ich nur. Vorspiel. For christs sake! Nachdem ich den trockenen Geschmack im Mund herunter geschluckt habe, bewege ich meine rechte Hand abwärts. Ob das mal gut geht. Die erste Berührung ist entscheidend. Nicht zu tollpatschig. Bloß nicht direkt ins Schlachtfeld vorstoßen. So eine Angelegenheit muss taktisch angegangen werden. Schrittweise Infiltration und … Mein Gott. Ich rede schon wie mein Vater. Liebe Güte. Ist es schon so weit? Mein Vater, der alle Dinge im Leben mit Militärmetaphern auflöste, sprach genauso. Na ja, nicht ganz genauso, schließlich sprach er nicht über Sex. Jedenfalls glaube ich, dass er nicht über Sex sprach, bei all den Metaphern kann man das natürlich nicht so richtig sagen.
Als ich Acht war, meinte er vor einem Fußballspiel zu mir, ich solle jetzt da raus gehen und ohne Rücksicht auf Verluste auf der eigenen Seite die Gegner gnadenlos an jedem Raumgewinn hindern, auch wenn es das Letzte sei was ich jemals täte. Glück für den Gegner war an diesem Sonntag: Ich war mal wieder zu klein und schmächtig um überhaupt eingesetzt zu werden.
Nun aber Claudia. Wie komme ich dazu hier in die Sprache meines Vaters zu fallen? Immerhin ist Claudia nicht eine Landzunge in der Normandie oder eine Häuserblock in Stalingrad. Hier geht es um Gefühle und … Himmel! Das Bauchnabelpiercing ist also nicht das einzige Piercing. Was wohl passiert, wenn …
„Hach.“ Oh! Okay. So geht das also. Na dann. Auch irgendwie praktisch.
Eine halbe Stunde später sind wir fertig. Oder: Ich bin fertig. Diesmal nicht nur mit den Nerven. Claudia schwitzt jetzt auch. Jedenfalls hoffe ich dass sie schwitzt. Sollte die gesamte Flüssigkeit auf ihrer Haut von mir kommen … das wäre mir schon sehr peinlich.
Vorsichtig drücke ich mich etwas hoch und schmatzend meinen Oberkörper von ihrem Oberkörper.
Jetzt kommt nur noch die Sache mit dem gebrauchten Kondom. Oder sagt man „volles Kondom“? Also richtig voll ist es noch nicht, obwohl ich glaube die handelsübliche Menge erreicht zu haben und … na ja … ich hab’ nirgendwo eine Füllmarke gesehen. Wie auch immer. Erstmal das Ding überhaupt runterkriegen.
„Ehm … das Bad?“, frage ich und versuche dabei so cool wie möglich zu wirken.
„Willst du nicht zuerst mal rausziehen?“
Oh. Richtig. Fast vergessen. Ich hatte tatsächlich sehr lange keinen Sex mehr. Dafür, dass es die schönste Sache der Welt ist, ist es verdammt anstrengend und es gibt überall diese kleinen Fallen und Tricks und Dinge die man beachten muss.
Vielleicht bin ich auch einfach nicht für Sex gemacht. Ich hab’ schließlich andere Talente. Ich kann den sechshundert Teile Revell-Bausatz des Leopard-II-Panzers in weniger als vierzig Minuten zusammensetzen. Bei Monopoly gehören mir nach knapp einer halben Stunde alle vier Bahnhöfe und ich kann zu fast jeder Situation im Leben aus Büchern von H.P. Lovecraft zitieren. Nur zu dieser Situation fällt mir nichts ein.
„Klar.“, ist alles was ich herausbringe. Dann gibt es ein komisches Geräusch, gleichzeitig schmatzendes und pfeifendes Geräusch. Es erinnert ein bisschen an diese Quietsch-Hupe aus dem Tabu-Spiel. Letztes Jahr zu Weihnachten haben meine Eltern mir das Spiel geschenkt und wir haben den gesamten Heiligabend mit – – – jetzt sollte ich vielleicht doch nicht dauernd an meine Eltern denken.
Ich stehe auf und Claudia weist mir den Weg zum Badezimmer.
Dort angekommen, bin ich drauf und dran das gefüllte und verschnürte Kondom ins Klo zu werfen. Doch mir fällt etwas ein, das ich entweder vor Urzeiten in der Bravo gelesen habe oder mein Onkel mir erzählt hat. Wie bei den meisten Jungs sind sowohl Onkel, als auch Bravo, für mich immer Aufklärungshilfen Nummer Eins gewesen.
Und eine dieser Hilfe hämmerte mir folgenden Satz ein: Kondome gehören nicht ins Klo. Also wickle ich das Kondom in drei Abschnitte Toilettenpapier und werfe alles zusammen in den Mülleimer. Bevor ich zurück zu Claudia, zurück ins Schlafzimmer und zurück ins Bett gehe, wundere ich mich, ob vielleicht alles etwas einfacher wäre, wenn ich nicht so viel darüber nachdenken würde. Und es wäre doch nicht schlecht, wenn alles etwas einfacher wäre. Ja. Das wäre echt ein Fortschritt. Vielleicht in vier Jahren.
Laizismus, der
but here we are my dear
the world – it seems so cruel
and we are dancin‘ until the music stops
In früheren Zeiten opferten die Menschen zu jeder Gelegenheit.
Wirklich. Zu jeder Gelegenheit. Wenn die Ernte schlecht war: Zack! Rein in den Tempel, drei Gulden in den Opferstock geworfen und Peng! Morgen regnete es.
Dumm war dann nur, wenn ein Jüngling zuvor fünf Gulden für gutes Wetter geopfert hatte, weil er mit seiner Umworbenen am Vormittag rauf auf die Alm und dort dann so richtig … naja:
Es muss ein ziemliches Kreuz gewesen sein, zu dieser Zeit ein Gott … und wie entscheidet man dann so etwas? Geht man nach der Bezahlung, beziehungsweise dem Opfer? Aber dann kriegt man von den anderen Göttern wieder vorgehalten, man sei bestechlich. Beim Regen sind doch wirklich existenzielle Nöte betroffen: Da stirbt dann gleich eine ganze Familie … aber vielleicht zeugen Jüngling und Umworbene ja einen großen Reformer und der Reformer ermöglicht dann den Bau eines Kornspeichers, der dann wiederum Allen in der Region das Leben … ja,ja: Es war schon nicht einfach.
Einige Menschen opferten sogar Gulden für die körperliche Beschaffenheit ihrer Nachkommen – sprich: Sie wollten das die Jungs mächtig stark und gut bestückt und die Mädchen nicht zu hässlich und ein gebärfreudiges Becken … Das mit den Jungs ist klar: Feldarbeit und reich heiraten. Die Mädchen mussten gut aussehen und viele Kinder zeugen, damit die Familie nicht ausstirbt …
Heute wäre das wieder von Vorteil. Bevor diese ganze „Jeder macht Karriere“ Idee aufkam, zeugten wir bis zu 4 Kinder pro Familie … Nachwuchs und Renten gesichert! Peng!
Aber jetzt … nicht das ich was gegen Frauen und Karriere hätte. Nein, wirklich nicht:
Ich hab sogar neulich bei Neun Live angerufen … ja, ja, ja.
Nein. Die Moderatorin war nicht nackt. Es war Sonntagnachmittag. Ich schalte so durch die Programme, plötzlich: 1500 Euro und ein Plasma-Fernseher. Eigentlich war ich schon zwei Sender weiter, bevor ich realisierte … Plasma? Ja, Plasma.
Also zurück. Und da steht es … und das Rätsel scheint auch ganz einfach: Wenn fünf Ochsen in einer Stunde fünf Liter Milch geben, wieviel Milch geben dann zehn Ochsen in einer Stunde?
Soll das ein Witz sein? Nein. Logisch. Ochsen geben keine Milch.
Hätte ich früher gelebt, hätte ich einfach fünf Gulden geopfert … Peng! Und schon gibt der Ochse Milch … tut ja niemandem weh. Aber Heute: Da hab ich dann wieder die ganze Zucht-Bullen-Industrie am Hacken!
Also ran ans Telefon: 49 Cent pro Anruf scheinen gut angelegt. Die nette Karriere-Frau auf dem Bildschirm zählt auch schon runter. Wahrscheinlich denkt sie: Da rufen doch wieder nur Doofies an … aber nicht mit mir. Ich bin schlau, habe Abitur und studiere. Natürlich hab‘ ich die Abzocke durchschaut. An mir verdienen die nur 49 Cent pro Anruf und dann krieg‘ ich „Plasma“ und 1500 Eier!
Schnell die Nummer eingetippt, kurz gewartet. Karriere-Frau sagt: drei, zwei – gedrückt, Schnellwahl und … Leitung zwölf, leider verloren.
Wütend, hauptsächlich auf die Karriere-Frau, unterbreche ich die Verbindung. Kurz kämpfe ich mit mir … „Noch ein Versuch?“ … nein. War beim ersten Mal schon blöd. Wäre ich doch nie aus der WG ausgezogen. Da hätte man mir das Telefon schon weggenommen. Hach.
Doofe Karriere-Frau im Verkaufsfernsehen: Du hast mir den Nachmittag versaut.
Aber mal ehrlich: Plasma! Was für ein Wort. Plasma-TV!
Wenn man Wiki befragt, ist Plasma in der Physik der Aggregatzustand von ionisiertem Gas.
Außerdem: 99% aller Materie im Universum existiert in diesem Zustand.
Ha! Also ist Plasma eigentlich so stinknormal wie diese braun-grauen Flecken die irgendwann einfach unter weißen Socken auftauchen. So normal wie gelbe Ränder an weißen Ikea-Duschvorhängen. So normal wie das Schalke nicht Meister wird und das Norbert Blüm nie beim Hochsprung was reißen wird. Im Grunde ist Plasma wie diese „toilet.cam“-Poster auf WG-Toiletten oder wie Senf im Kühlschrank. Immer da. Stinknormal. Und ich schalte deswegen zurück. Phhh!
Vielleicht sollte ich gleich nächsten Samstag zu Media Markt gehen, einen dicken Filzstift mitnehmen und aus dem Plasma-TV-Schilderwald eine Symphonie der „Stinknormal-TV“s oder „gibt’s schon lange TV“s oder „völlig banal TV“s machen!
Zurück zu Neun Live und der Karriere-Frau: Hat da schon mal jemand was gewonnen?
Ich meine das ganz ehrlich … wie soll man das kontrollieren? Gibt es eine Glücksspielkomissionsunterabteilung die den ganzen Tag Fernsehratesendungen sieht und auch überprüft das Helga Herbig nach vier Anläufen und ner halben Stunde fünf Ochsen und zehn Liter Milch endlich 1500 Euro und einen „alles schon gesehen“-TV gewonnen hat?
Früher wäre das ganz einfach gewesen: Einfach fünf Gulden geopfert … schon gewinnt man auch bei Neun Live.
Es gibt ja auch Mädels die ein Kind von Mark Medlock wollen, oder?
Zusammenhang nicht verstanden? Tja … geht gleich weiter: Man schafft es ja auch nicht mit nur einer Blasenfüllung Polykontexturalität gelb in den Schnee zu schreiben.
Wer das hinkriegt, der kann auch fliegen.
Wo wir gerade bei Levitation sind: Neulich ist ein Mann aus dem siebzehnten Stockwerk eines Hauses in Shanghai gesprungen und hat den Aufprall überlebt. Als er aus der Narkose aufwachte, fehlten ihm beide Arme und ein Bein. Er wird außerdem nie wieder sprechen können und niemand glaubt das er überhaupt noch was durch das verbliebene Auge erkennt.
Die Welt ist doch beschissen: Da hät‘ ich ihn doch aufgekratzt, wäre nochmal drei Stockwerke nach Oben gelaufen und hätte ihm die drei restlichen Etagen geschenkt.
Ich hab‘ noch nie gehört das jemand einen Sprung über die Distanz von zwanzig Stockwerken überlebt hat.
Wer das zu krass findet: Einem koreanischen Mädchen wurde von der Staatsräson die Hand wegen Beleidigung abgehackt. Sie hatte ihren Mann gebeten doch auch mal den Tisch abzuräumen.
Das dass mit der Hand nicht der geschickteste Schachzug war, hat man sich wohl erst hinterher überlegt …
Da sind wir auch schon wieder bei den Karriere-Frauen: Aber noch einen kurzen Moment!
Schon mal jemand daran gedacht wie es wäre heutzutage fünf Gulden für ein gebärfreudiges Becken der Tochter zu opfern? Was, wenn die Tochter dann auch eine Karriere-Frau wird um am Sonntagnachmittag bei Neun Live arbeitet? Dann muss ich auf die sechs Plagen aufpassen … als guter Großvater.
Außerdem: Wie komme ich im Vorfeld an fünf Gulden und wo finde ich einen Opferstock? Die Kollekte ist doch wieder nur für ein neues Kirchendach … da können die doch einfach fünf Gulden opfern, hm?
Jetzt mal zum Genitiv-Greis und zu den Karriere-Frauen: Karriere-Frauen arbeiten natürlich nicht bei Neun Live … obwohl sich jetzt wahrscheinlich wieder viele Frauen beschweren werden. Jedenfalls ist VOR der Kamera bei Neun Live nicht die steilste Karriere … obwohl: Vorher bei TVB im Nachtprogramm … ach! Es ist einfach zu blöd. Immer diese „obwohl“ und diese „oder auch“ und die „aber“ heutzutage. Zu Opferstock- und Gulden-Zeiten gab es da noch nicht so viele. Entweder: Regen oder Sonne. Jüngling oder Ernte. Heute spielen ja alleine in den beiden Profiligen des deutschen Fußballs sechsunddreißig Mannschaften.
Der Genitiv-Greis war übrigens früher ein Konjunktivritter. Konjunktivritter wären, gäbe es noch echte Ritter, echte Ritter.
Ich geh‘ jetzt ins Bett und nehm‘ vielleicht doch mal meine Medizin.
Peace Out!
How I didn’t meet your mother …
Okay, okay, okay – Where to start?
Es ist Frühling. Endlich. Ist das zu fassen?
Ein paar Sonnenstrahlen und alle Welt tanzt auf den Straßen.
Ein paar Tautropfen auf rosig (haha!) grünen Blättern, die milden Schleier von Gestern lüften sich und schon ist der Winter vergessen. Es ist zum aus der Haut fahren.
Alle lächeln, liegen sich in den Armen und knutschen wie wilde Paviane herum. Irggh …
Nein, nein, nein … ich hasse keine Pärchen. Ich bin einfach nur eifersüchtig. Ein kleines bisschen, vielleicht. Nur GAAAANZ wenig.
Aber bei all der Frühlingseuphorie kommt es mir ganz so vor, als wäre der Frühling sowas wie die neueste Modedroge. So wie Schlaghosen … oder LSD (kein guter Vergleich) … oder Ecstasy (oder doch?).
Und wie bei jeder Modedroge, so wie es bei den Schlaghosen, bei den Schlüsselbändern und auch bei Selbstbräuner war, genauso hat dem dummen Floris wieder niemand bescheid gesagt. Ich komme immer später erst drauf und dann … dann verläuft sich entweder alles oder ich falle auf wie ein bunter Hund und trage aus Scham die blöden vier superteuren Levis-Schlaghosen (die ganz weit Hinten im Schrank liegen) immernoch nicht.
Und so ist der Frühling zu mir: Er ist wie LSD und Ecstasy.
Und ich, ich bin inmitten einer Horde von Ravern, die eine Lokalrunde von diesen wunderbaren, kleinen, weißen und grünen und roten und blauen Pillen geschmissen haben und jetzt total darauf abgehen. So ist der Frühling, so sind Frühlingsgefühle.
Nur hat wieder keine an die Pille für Floris gedacht. (Ach, ich heule rum. Mir doch egal. Dafür sind Blogs doch da!)
Egal was ich mache, kein LSD, keine Pillen mehr für Floris da. Und ganz alleine im stillen Kämmerlein an UHU schnüffeln ist doch auch blöd.
Ich will doch nichts Unmögliches.
Nur eine … kleine, nette Pille auch für mich. Hm? Aber damit kann der Frühlings-Dealer nicht dienen.
Es muss ja keine große, keine durchtrainierte H&M-Model-Pille sein … mir reicht eine kleine, nette, süße Pille. Eine Pille mit dunklen Haaren vielleicht, oder blond. Mir egal. Also, damit meine ich nicht egal-egal, einfach … egal. Es macht mir nichts, ich mag auch schwarzhaarige Pillen. Vielleicht hat sie große Brüste, muss aber nicht. Vielleicht auch kleine Brüste, auch recht. Vielleicht hat meine Pille Sommersprossen, oder sie fährt gerne Einrad. Ganz egal.
Vielleicht mag meine Pille den Zoo, oder sie hasst Knut. (Ja, das fände ich gut!)
Mir gleich … ganz egal.
Kann aber auch an mir liegen, dass ich keine Pillen abkriege.
Wie ich unlängst schmerzlich feststellte, mag ich es aufgeräumt.
Ja … wer hätte das gedacht. Noch vor ein paar Jahren beschwerte sich meine Mutter über mein Zimmer, dann waren es die Mitbewohner die wegen der Spülblume an meine Tür klopften (alberne Spülblume – total schwul sowas, oder?) und jetzt … jetzt mag ich es aufgeräumt.
Sogar wenn Freunde zu Besuch sind: Ich kann nicht warten bis sie weg sind, ich räum‘ die Bierflaschen sozusagen kaum ausgetrunken aus ihrer Hand … orgh!!!! wie mich das jetzt aufregt … man sollte viel unaufgeräumter sein, aber ich bin es nicht. Ich mag es gerne aufgeräumt:
Ich mag leere Parkdecks, nicht diese vollgeparkten Samstagvormittage, wenn man sehnlichst darauf wartet das ein dürrer Student seinen Cinquecento aus einer viel zu kleinen Parklücke quält, nur um dann festzustellen: Scheiße, zu klein und doch weiter nach einem geeigneten Stellplatz zu suchen.
Ich mag die leeren, die einsamen und verlassenen Wiesen im Park. Die, die mit grünem Gras und so, die ganz verlassen irgendwo auf einer versteckten Lichtung zu finden sind. Die, die nicht vor lärmenden Kindern und kiffenden Idioten strotzen. Leere Wiesen, ohne grillende Großfamilien und Fahrradfahrer, die angestrengt beweisen müssen: Auf Gras kann man mit einem Rennrad nicht fahren … auch wenn man aus Kreuzberg kommt nicht! (und in mehr als einer Beziehung)
Ich mag leere Supermärkte um kurz nach Neun, die länger aufhaben, damit Typen wie ich nicht mit alleinerziehenden Müttern und ihrem Balg in einer Schlange auf die neugelernte ‚Susi‘ an Kasse Zwei warten müssen, die natürlich unbedingt um kurz vor Acht – Ladenschluss – eingesetzt werden muss, damit schließlich der Filialleiter kommen muss und ich doch noch die zwei Brötchen mit EC-Karte zahlen kann.
Ich mag es jetzt eben sauber, leer, aufgeräumt und absolut alleine.
Vielleicht nicht unbedingt der perfekte Start für eine gesunde Beziehung und keine Voraussetzung für mich und meine Pillen doch noch zueinander zu finden, aber was soll’s: Was sind schon gesunde Beziehungen? Und wer will solche gesunden Beziehungen überhaupt?
Die sogenannten ‚gesunden‘ Beziehungen sehen doch auch nur auf den ersten Blick gesund aus:
Nehmen wir IHN, der Jura studiert und erst um kurz nach Acht hinter seinen Büchern hervorkommt. Jaaaa – ER wohnt mit IHR zusammen, aber SIE kommt erst nach Neun von IHRER Yoga oder Thai-Chi (oder Wasser-Aerobic oder whatever!) zurück. Gerade rechtzeitig versammeln sich dann die beiden LIEBENDEN vor Stefan Raab vor dem Fernseher (zu mehr reicht es an einem Wochentag dann doch nicht – das letzte Buch hat SIE sowieso letzten Urlaub vor drei Jahren gelesen: „Moppel-Ich“ … hm! Genau … ihr wisst bescheid! – ER hat damals übrigens Dan Brown probiert. Hat IHM nicht gefallen. Nach zehn Seiten war Schluss und ER hat dann doch lieber geschlafen – zwei Wochen im Strandkorb!) … ehm … also Stefan Raab!
Beide sitzen vor dem Fernseher, SIE schläft dabei fast ein und schlussendlich wird bis kurz vor Zwölf noch mal eben rumgemacht (SIE muss ja morgen wieder früh raus und ER noch was lernen. Pah!). ER kommt übrigens nur jeden zweiten Wochentag – dafür hat er die alten Playboy-Ausgaben aus Jugendtagen wieder reaktiviert – und SIE … SIE denkt dabei eigentlich nur an ihren Yoga-Lehrer Ravi Shankar (oder Kai-Uwe … oder wie auch immer), der seine Yoga-Stunden in einer halbdurchsichtigen Leinenhose gibt und dazu – aus religiöser Überzeugung (Tz!) – keine Unterwäsche trägt. – Truth is: SIE kommt jeden Abend!
Ahja!
Und dann am Wochenende (Wir sind immernoch bei unserem Musterpärchen) laden ER und SIE sich dann ein befreundetes ebenfalls ‚gesundes‘ Pärchen ein … man sitzt bei Jamie-Oliver-nachgekocht-versaut-trotzdem-geschmeckt-Gerichten und lustigen Gesprächen über die GMX-News, Paris Hilton und natürlich Kultur zusammen, wie zum Beispiel so:
ER: Ich hab‘ Karten für Cats.
GAST(gelangweilt): Echt. Toll.
GÄSTIN (weibl. für Gast): Ist doch super, mal wieder Kultur.
GAST: Maus, es ist nur Cats.
SIE: Deswegen hab ich ihm ja gesagt, er soll die Karten zu holen. Wir fanden doch Tanz der Vampire so toll.
ER: Wir?
GAST: Und dann holst du noch Karten?
ER: Mir bleiben noch zwei Wochen die Karten wieder zu verlegen.
SIE: Wie das letzte Mal. Miss Saigon. Ich hab‘ zwei Wochen kein Wort mit ihm gesprochen.
GÄSTIN: Wirklich.
ER: Ein Traum.
SIE: Er macht nur Spaß.
GÄSTIN: Macht meiner auch immer.
ER: Ich geh‘ dann mal ins Bad, spüle die Karten im Klo runter und ertränke mich im Waschbecken.
GAST: Ja, bitte. Lass das Wasser drin. Ich bin nach dir dran.
… und so weiter und so fort.
Ich gebe zu: Der letzte Teil ist etwas aus dem Ruder gelaufen … aber man bekommt einen Eindruck.
Soviel zu gesunden Beziehungen, da bleibe ich doch lieber aufgeräumt. Trotzdem würde ich gerne ne nette Pille finden. Vielleicht eine ungesunde Pille. Ja … das wäre cool. Eine ungesunde, schmutzige, dreckige, geile Pille … eine, mit der man … aber das ist eine andere Geschichte und gehört nicht hierher.
Also: Man liest sich!
wenn mal alles beschissen-scheisse ist!
so, jetzt mal zum allgemeinen missfallen:
ich finde nicht alles so ’supi’ oder ‘total toll’ wie alle anderen.
ich finde es schieße, und ich finde das muss auch mal gesagt werden.
die ganze welt regt sich über runtergespültes toilettenpapier in den weltmeeren auf und trotzdem reden dauernd alle nur davon wie ’supi’ und ‘geil’ doch ihr leben ist.
nehmen wir nur mal die idioten die diese scheisse von mtv produzieren.
my sweet sixteen … was für ein schrott. alles nur ‘die geilste party ever’ und dabei machen die sich nicht mal die mühe die untertitel komplett zu übersetzen, sondern setzen lieber unsere gute, deutsche sprache einer vergewaltigung durch kleinkind-englisch aus.
und was diese ganzen idioten-kinder ‘geil’ und ’super’ finden: das sie sechszehn werden … (hat denen keiner die linearität von zeit beigebracht? – es passiert, verdammte zucht … da hilft auch kein irak-krieg gegen!) … und das sie rosa-einladungen verschicken … rosa-einladungen zu ihrer verschissenen sweet-sixteen … also süßen-sechszehn-feiern … dabei sind die meisten von denen weder süß noch sechszehn … die sehen aus wie vierzig und fett & ranzig wie achtzig … und was bitte ist so toll an rosa-einladungen? es ist nur rosa … nur rosa. es ist eine farbe (und keine besonders innovative farbe … wenn es wenigstens brokat oder scharlach wäre, aber nein … verkacktes rosa) … eine einfache farbe: rosa! himmel-arsch-und-zwirn … ich gedenke einen ‘rosa ist scheisse’ – club aufzumachen, nur wegen diesen blöden ami-schlampen … dabei würde ihnen das eine macht über mich geben, die ich eigentlich nicht zulassen will. aber nicht nur dies ist scheisse … vieles in diesen tagen ist scheisse … ich will nicht am freitag um 17h in einem büro sitzen … ich will hitzefrei und ne molle in der hand … ich will endlich mal ferien …
außerdem will ich das thomas doll mit dem bvb meister wird, damit die säcke in hamburg begreifen: ohne doll wird’s nicht doller. (okay, der war lahm! – ha, wo wir gerade bei lahm sind: wer hat eigentlich den kleinen philipp in die nationalelf geholt? der kann doch nichts, die pottsau … ein tor während der wm … und ansonsten wurde der mitgeschleppt wie hiv aus der dritten welt (okay, der war noch schlechter!) … )
nein, nein, nein! es ist nicht alles geil, nicht alles super und bestimmt nicht alles toll.
soviel musste mal gesagt werden.
ansonsten bin ich natürlich ganz froh über den momentanen tabellenstand vom hsv und von mainz 05, freue mich über die beruflichen perspektiven von thomas doll und hoffe auf weiterhin gutes frühlingswetter in deutschland. danke sehr.