Piano

Gorch Fock, Gorch Fock, Gorch Fock. Was ist denn nur los? Ein Thema beherrscht seit Tagen die Nachrichtenmagazine, wie es vorher nur der olle Thilo getan hat (keine Angst zu dem komm ich auch noch). Und die Nachrichtenmacher wundern sich: „Huch. Da scheint ja Diskussionsbedarf zu bestehen.“ (Nein. Ihr seid die einzigen die diskutieren! Allen anderen ist klar: Auf einem Segelschulschiff ist es nicht wie im „International Economics“-Studium. Da kann man nicht schon in der ersten Pause den Rotkäppchen-Sekt kippen und vor „Einführung in Wirtschaftsethik“ reinhauen, um den Rest des Tages mit einer ukrainischen Zwangsprostituierten bei Herrn Ackermann im Keller zu versacken!) Doch es wird weiter berichtet. Jeden Tag ein neuer Experte oder ein ehemaliges Besatzungsmitglied, was dann in die Kamera weint: „Nee. So was hat es damals bei uns nicht gegeben. So was glaube ich auch nicht. Und sowieso. Gemeinsam segeln. Buhuhu.“
[Der Autor des letzten Abschnitts möchte Sie darüber informieren, dass in der ursprünglichen Fassung „Berufsschule“ statt „International Economics“-Studium stand. Allerdings kam ihm dann die Erleuchtung, anstatt auf Außenseitern herum zu hacken, er viel lieber die geistig und moralisch zurück gebliebenen Manager verunglimpfen möchte. Er hofft diese moralische Schlagseite nachzuvollziehen. Vielen Dank.]
Gibt es denn momentan kein Dritte-Welt-Land mit irgendeiner Krise? Ach ja, Tunesien. Wann kriegen es die eigentlich mit ihrem Aufstand endlich gebacken? Damit unbescholtene Star-Wars-Fans endlich wieder an die Original-Schauplätze von Tatooine reisen dürfen, hm? Das dauert!
Und sonst? Was ist zum, Beispiel mit … ehm … Sambia? Klingt exotisch. Nichts los da?
Doch! Hey. Die haben da die höchste HIV-Infektionsrate auf der Welt. Ist doch schon mal was. Verdrängt nicht die stundenlangen Bernd-Eichinger-Rückblicke aus den Tagesthemen, aber schafft es vielleicht in die „Kurzmitteilungen“ des Auslandsjournals.
Ha. Die durchschnittliche Lebenserwartung in Sambia ist in den letzten 15 Jahren von 60 auf 37 gefallen. Sehr gut. Aktueller Bezug. Weiter! Jedes zehnte Kind stirbt, knapp jede hundertste Mutter auch. Ohh!!! Wunderbar. Tote Kinder. Wahrscheinlich kriegen wir damit immer noch nicht Jay und Indira [Ich schäme mich so diese Namen zu kennen!] aus der Vorschau von RTL Aktuell, aber ins heute-journal sollten wir es schaffen.
Nun zu den Gründen. Ein Schnellschuss der rationalen Erklärung für all das Leid, muss immer parat sein, sonst schaltet selbst der Uni-Professor ab. Tada: Die Hälfte der sambischen Bevölkerung ist christlich. Nur einem Viertel stehen Verhütungsmittel zur Verfügung. Hohe Fruchtbarkeit, viele tote Kinder, tote Mütter und HIV. Ein Gedicht von einer Nachricht!!!
Was können wir damit noch machen? Wertschöpfungskette, Verwendbarkeit. Los, los! Sambia, Du schaffst es auf das Focus-Titelbild! Ich glaub‘ an Dich.
Sambia liegt im Süden Afrikas. In Afrika sind 25 Millionen Menschen mit Aids infiziert. Das sind weit mehr als die Hälfte aller Infizierten auf der Welt. Und jetzt kommt der Hammer! Trommelwirbel: Die meisten der Infizierten leben im Süden des Kontinents. Ja! Von Chad in der Mitte, über die Brennpunkte Sambia, Botswana und Zimbabwe bis nach Südafrika konzentriert sich die Seuche. 20 bis 30 Prozent der Bevölkerung hat Aids. Und mit Aids ist hier nicht nur HIV gemeint: Hepatitis, Syphilis und alle Arten von Geschlechtskrankheiten. Aber der Clou ist:
Wie in Sambia sind im gesamten Süden Afrikas die meisten Menschen Christen, also missioniert. Am häufigsten Römisch-Katholisch. In Zimbabwe sind es sogar 85%. Und was heißt das? Ha? Keine Kondome, heißt das. Ja! Kondome sind vom Teufel. So sieht’s aus. Ist das nicht mal eine Kausalkette mit der man arbeiten kann?
Vor einiger Zeit hat der ehemalige BDI-Präsident (auch so ein International Economics-Vertreter) Hans-Olaf Henkel bei Maischberger Thilo Sarrazin verteidigt, sogar gelobt: „Endlich eine schonungslose Aufdeckung der Vorurteile die wir schon ewig hatten.“, oder so ähnlich. Henkel ist übrigens der Typ, der einen arischen-Euro will … äh, ich meine einen zweiten, einen besseren Euro für Deutschland (und für alle anderen Länder die er so mag). Er will den jetzigen, den weichen Euro nur für Kanaken-Staaten … ich meine „Süd-Euro-Länder“, wie Griechenland oder in Zukunft die Türkei.
Sein Argument für Thilo ist übrigens die Zahl 57! … Ja. 57 Länder auf der Erde sind muslimisch. Und in fast allen dieser Länder, so Henkel, haben Frauen keine Rechte, werden Minderheiten verfolgt und ist es sowieso total blöde. (Das sich Deutschland mit Sarrazin und Henkel in die Liste der Länder die Minderheiten verfolgt einreiht ist eine Ironie, die Herrn Henkel eher abgeht.)
Also. 57 Länder in denen es ungerecht zugeht. Eines der 57 Länder ist übrigens Algerien, dass liegt im Norden Afrikas. Hier liegt die Aids-Quote unter 5%. Rekord für den Kontinent unserer aller Herkunft. Was hat man wohl für ein Argument gegen christliche, sogar christlich-fundamentale Länder wie Sambia, in denen die Menschen an verhinderbaren Krankheiten krepieren …?
Ich sag nicht, dass in den 57 Ländern die Menschen (vor allem die Frauen) im Glück und in der absoluten Erfüllung leben. Aber immerhin verendet ein ganzes Volk dort nicht an einer Seuche, die mit ein bisschen mehr religiöser Modernität bekämpft und überwunden werden könnte.
Aber vielleicht geht es Herrn Henkel (der als Argument gegen den Islam immer wieder vom „christlichen“ Abendland anfängt) auch gar nicht um den Islam an sich. Und vielleicht geht es auch Sarrazin (Herrn, wie auch Frau) gar nicht nur um den Islam. Vielleicht geht es um Absatzmärkte und um Angst. In einem Land, in dem der Fundamentalismus herrscht, kann man weniger verkaufen. Viele Bedürfnisse werden über die Religion abgedeckt. Hier kommt man nicht so einfach rein, verscherbelt seine Erste-Welt-Abfall-Güter und baut billige Produktionsstätten auf. Eines hat Henkel gelernt: Wenn die vorherrschende Moral nicht der Konsum ist, wird weniger konsumiert. (Klingt ganz einfach, oder?) Deswegen haben Wirtschaftler, wie er, auch so viel Angst vor Religionen (oder jedenfalls den Religionen, die nicht mit prunkvollen Goldbauten bereits vor 1000 Jahren im Kapitalismus ankamen). Es ist irrational und absolut abwegig, für jemanden der es gewohnt ist Bedürfnisse, nach Zahlung einer Abgabe, schnell und effizient zu befriedigen, dass auf einmal die Zahlung einer Abgabe wegfallen soll. Dass Menschen weniger Bedürfnisse haben. Nein. Sollen Sie nicht und dürfen Sie auch nicht. Man will verkaufen, an alle! (Im Grunde muss ich sogar gestehen: Mir gefällt der „an alle“ Aspekt von Henkel. Nur diese ganze „Der Islam ist pauschal scheiße“-Teil, der stößt irgendwie auf.)
Zur gleichen Zeit, da sich die Diskussion um ihren geistig beschränkten Mann abkühlt, tritt Frau Sarrazin auf den Plan. Sie schreit Kinder in ihrer Klasse an, verteidigt das „Stimme erheben“ mit dem Ruf nach mehr Disziplin und fordert bei Maischberger (ah!) das man als Eltern seinem Kind nicht „viel Spaß“ in der Schule wünschen sollte. Die Frage die sich aufdrängt: Was wünsche ich dann? Hals und Beinbruch? Glück? Ja, vielleicht.
Glück, dass die herrische, prä-68er Lehrerin sich mir gegenüber nicht vergisst, all ihren Hass und die Frustration über den beschränkten Lebensumstand in dem sie schon seit Jahrzehnten steckt nicht heraus lässt und mich nicht vor versammelter Klasse zusammenscheißt und anschließend ihre Aufsichtspflicht vernachlässigt und mich auf den Gang schickt?
Als ich in der zwölften Klasse war, hielt an unserer Schule so ein Spät-Nazi (T’schuldigung, Adenauer-Kumpel) einen Vortrag darüber, dass wir uns glücklich schätzen können, dass niemand in der Schule mehr prügelt. Ich frag mich manchmal ob solchen Leuten nachts von Körperfressern ins Hirn geschissen wird? Die Gesellschaft, vorrangig konservative Politiker, regen sich über Prügelattacken in der Münchener U-Bahn auf und wollen dann mehr „Zucht und Ordnung“ in den Schulen. Weil das ja auch so viel bringt. Weil die Reaktion auf Disziplin und Einengung nicht Revolten, sondern folgsame Kinder sind. Frau Sarrazin: Die größter Denker unserer Zeit, sind die die Spaß an ihrem Fach hatten. Sind die, die Verständnis gefördert nicht eingeprügelt bekamen! Sie wollen ruhigere Kinder? Motivieren Sie mal! Machen Sie ihren Job richtig, nicht mäßig!
Und die Schlussfolgerung, dass Kinder mit Migrationshintergrund noch viel weniger diszipliniert sind als alle anderen ist ebenso absurd wie töricht. Die Kinder die Sie meinen sind eines: Sie sind jung! Sie sind jung und sie hören an jeder Ecke das sie als Türke oder Albaner oder Moslem in diesem Land nicht gewollt werden! Sie lesen es, mit ihrem Gesicht – Frau Sarrazin – daneben, auf jeder Bild-Zeitung und hören es von Menschen, die zu dumm waren und ihre braune Kacke geglaubt haben. Und jetzt überlegen sie mal zurück: Als Sie jung waren, damals unter dem Führer, ich meine den von der CDU. Wie beeinflussbar Sie waren! Wie hilflos und wie sehr Sie sich gefreut haben als es mit Deutschland wieder bergauf ging. Als Sie endlich wieder jemand waren! Hm? Überlegen Sie mal!

Momentan wird auch noch – neben dauernd mehr und immer mehr Gorch Fock (allein der Name klingt schon wie für die Schlagzeile einer Regionalzeitung reserviert.) – über das Verbot der FSK den Film „Tal der Wölfe – Palästina“ aufzuführen berichtet. Wesentlich weniger natürlich als über die Gorch Fock und den Typen der dabei war als Sean Connery „Im Namen der Rose“ drehte, aber immerhin …
Kleiner Vorschlag meinerseits zum Ende: Übersetzt den Film endlich ins Deutsche, zeigt ihn überall, lasst drüber streiten, zeigt ihn vor Schulklassen, diskutiert die historische Wirklichkeit und wertet den Film künstlerisch ordentlich aus. Am Ende zeigt sich sowieso: Das ist nur ein Film und nicht mal ein Guter. Gleichzeitig: Bringt endlich die Selbstmordattentäter-Komödie „Four Lions“ raus.
Und an die Spinner der CSU, die neuerdings wieder gerne Dinge verbieten lassen: Hat beim tausendjährigen Reich ja auch so gut funktioniert ihr Spacken!

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