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Zuhören & Anschnallen

Experimente sind dazu da, sie zu machen. Keine Ahnung wer das gesagt hat, oder ob. Aber irgendjemand wird es schon gewesen sein. Zitate sind sowieso besser, wenn sie nicht von Gandhi, Churchill oder Sokrates stammen. Wenn niemand so recht weiß, von wem der Satz stammt, umweht ihn gleich so ein „Hauch von Geheimwissen“.
Anders kann ich mir nicht erklären, warum ich in der zehnten Klasse eine Klausur mit Zitaten von Bo-Xi-Yui spicken konnte, um meine doch recht krude globalpolitische Analyse und Einbettung von Effi Briest zu begründen, aber niemand nachfragte: Wer ist eigentlich dieser Bo-Xi-Yui? Und warum sind da drei Bindestriche in seinem Namen? Ist das nur ein Name? Ein Vorname? Ist das so wie bei Moby oder Pelé?

Also: Experimente machen!
Zum Beispiel hab ich eine Woche lang nicht gelogen.
Na gut. Das stimmt so nicht. Natürlich hab ich gelogen. Geschwindelt. Übertrieben. Verallgemeinert und unterschlagen. Aber im Vergleich zu meiner sonstigen Lügen-Menge … war es ein riesiger Erfolg. Überschlagen waren es nur ca. 25 Lügen in einer Woche. Das macht weniger als 4 Lügen pro Tag! Das ist beeindruckend. Nicht wahr?
Vielleicht nicht, wenn man Spock als Maßstab nimmt. Oder Jim Carrey in „Der Dummschwätzer“, nachdem sein Sohn ihm diesen Fluch aufgedrückt hat.
Mir egal.

Über Lügen wird wahnsinnig viel geschrieben und geforscht. Weniger als vier Lügen am Tag … sind schon eine Leistung. Wenn ich denn wirklich alle gezählt habe.
Der Punkt ist der: Nach einiger Zeit merkt man … man lügt weniger, wenn man mehr zuhört. Beziehungsweise: Weniger sagt!
Zurückhaltung ist das A und O für die Wahrheit. Einfach mal nichts sagen!
Na gut. Mit der Erkenntnis schaffe ich es vielleicht nicht auf ein besticktes Sofa-Kissen, aber es hat mir (und wenn nur für eine Woche) ein ganz neues Gefühl gegeben.
Und ich danke der Person, die für dieses Experiment verantwortlich war. Und bitte: Nie wieder!

Was ich in der „Woche ohne Lügen, fast“ viel getan habe: Ich habe nachgedacht.
Kein Wunder. Während alle Kollegen am Mittagstisch quatschten, hab ich mich zurückgehalten. Warum sollte ich in eine Unterhaltung, die sich um Skateboardfahren drehte, mit einsteigen: Jede Behauptung, ich hätte Ahnung vom Thema (oder nur eine Meinung), wäre meilenweit übertrieben (bzw. gelogen) gewesen.
Ja. Wahr ist: Ich hatte zwei Skateboards. Eines war breit und klobig. Das andere schmal und aus Hartplastik. Aber wahr ist auch: Ich habe keine Ahnung warum das eine oder das andere benutzen, geschweige denn überhaupt Skateboard fahren sollte. Ich stand drei Mal drauf, bin runter gefahren und seitdem liegen die Bretter bei meinen Eltern im Keller. Wer so wild auf halsbrecherische Abenteuer im Straßenverkehr ist: Fahrräder werden immer noch gebaut, oder?

Mein Nachdenken hat mich auf einiges gebracht. Unter anderem: Die größte Lüge meines Lebens. Und die ist: Ich fühle mich alt.
Natürlich ist das nicht die größte Lüge meines Lebens. Aber eine, definitiv.
Ich fühle mich nicht alt. Ich fühle mich noch genauso wie vor zehn Jahren, eigentlich wie vor zwanzig. Ruhiger bin ich geworden. Aber in bestimmten Situationen werde ich noch genauso nervös. Sogar nervöser! Ich singe laute Gangster-Rap-Lieder mit, mache andauernd das Lichtschwert-Geräusch (z.B. wenn ich mir – unbeobachtet – am Sonntag ein Brötchen schmiere) und fühle mich absolut unwohl in allen Schuhen, die keine Turnschuhe sind!
Trotzdem denke ich: Die Gesellschaft … nein. Streichen wir das. Andere Menschen erwarten von mir, mit meinem Alter zu kokettieren. Weil sonst, hätte ich kein Recht Kapuzenpullover zu tragen. Hätte ich kein Recht T-Shirts mit Spreeshark-Aufdruck zu tragen, oder zwei Nächte in Folge Starcraft 2 zu spielen.
Natürlich ist das ein Klischee. Auch noch so eine Lüge. Als wären wir keine Klischees. Ich bin ein Klischee. Und fühl mich pudelwohl als Klischee, obwohl ich dauernd versuche so zu erscheinen, als würde ich keins sein.

Klischees sind auch Lügen. In dem Sinne, dass sie mein Leben viel einfacher machen.
Das Leben ist auch viel einfacher ohne Experimente. Wenn man ausgetretene, statt überwucherte Pfade entlang läuft. (Wow. Noch so ein schlechter Satz fürs Poesiealbum.) Ohne Experimente findet man allerdings nichts raus. (Hammer Erkenntnis! Und Marie Curie klatscht Beifall!)
Was bisher ne Lüge war: Ich bin experimentierfreudig. Ich bin offen. Ich bin ehrlich. Ich gehe den steinigen, den überwucherten Weg.
Aber das muss ja keine Lüge bleiben.

HARLEKIN POST (040b) More Super-Villains

The Daily Show with Jon Stewart Mon – Thurs 11p / 10c
Tax Men – Apple
www.thedailyshow.com
Daily Show Full Episodes Indecision Political Humor The Daily Show on Facebook
The Daily Show with Jon Stewart Mon – Thurs 11p / 10c
The Princess and the P.R.
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HARLEKIN POST (040) The World Needs Supermen

Momentan läuft „Iron Man 3“ im Kino. Bald kommt „Man of Steel“ raus und irgendwann dann auch der neue „X-Men“-Film. Superheldengeschichten häufen sich. Und jeder Superheld hat seinen Superschurken. Eine Nemesis, einen Gegenspieler.
Im aktuellen Iron Man ist es der Mandarin. Was sich wie eine Fanta-Sorte anhört ist tatsächlich ein Terrorist und einer der klassischen Marvel-Superbösewichte.
Ich möchte eine kleine Geschichte eines anderen Superbösewichts erzählen. Vielleicht nicht so bekannt wie der Mandarin, aber er steht ihm im „Bösewichtsein“ in nichts nach.
Das Licht im Kino wird gedimmt. Der Vorhang öffnet sich und der Projektor startet:
Die Weltkugel rollt ins Bild – das Orchester spielt auf – Universal Pictures. Kurz Schwarz, dann die erste Szene:
Auf einer Farm in Nordamerika (wir könnten hier auch Hochebene in Indien, in Südamerika oder in Mecklenburg-Vorpommern (wo es weniger Hochebenen, dafür aber mehr Tieflandschaften gibt) sagen). Der Farmer steht an einem sonnigen Morgen am Traktor und will gerade raus aufs Feld. Er muss sich um die Ernte kümmern. Die Tage werden schon wieder kürzer.
Da fährt ein grauer Mittelklassewagen auf sein Grundstück. Eindeutig ein Mietwagen. Wo kommen die Leute her? – Zwei Männer steigen aus. Schwarze Anzüge. Sie fragen den Farmer ob er der Eigentümer sei. Er nickt. Dann weisen sie sich als private Ermittler aus. „Ermittler für wen?“ Keine Antwort. Stattdessen: „Sie haben doch nichts dagegen wenn wir uns umsehen, oder?“ „Doch.“ „Warum? Haben Sie etwas zu verbergen?“ „Nein, aber – – -„ „Na dann.“
Nach kurzem hin und her machen die privaten Ermittler klar: Der Farmer bekommt Probleme, wenn er ihnen keine Einsicht in seine Unterlagen gewährt. Sie wollen doch nur sichergehen dass er keine Patentrechte verletzt hat.
„Patenrechte? Ich baue Mais an.“ „Die Patenrechte unseres Auftraggebers.“ sagt einer der Ermittler mit felsenfester Stimme. „Wie bitte?“ „Haben Sie etwa noch nie von … Monsanto gehört?“ (Kamerafahrt auf das Gesicht des privaten Ermittlers. Die Musik schwingt sich auf.)
Der Farmer schaut sich um, Reißschwenk, dann zoom in seine Lagerhalle: Säckeweise stapelt sich hier das Monsanto-Saatgut. Der Farmer schluckt. Abblende.

Bevor wir in die Gegenwart zurückkehren und unseren Superschurken auf seinem Höhepunkt erleben, folgt eine kurze Montage der Vergangenheit. (Mit Saxophon unterlegt. Langsame Zooms auf alte Fotos, Überblendungen. Eben der typischen Rückblick-Schnickschnack. Dazu vielleicht eine tiefe Erzählerstimme. So in die Richtung Götz George, oder der Cowboy aus Big Lebowski.)
1901 wird Monsanto in St. Louis geboren. Er stellt zuerst Saccharin her und verkauft dieses an die Coca-Cola-Company. Saccharin gilt als zweifelhaftes Produkt. Es gibt Studien die ein Gesundheitsrisiko nicht ausschließen. Monsanto will davon nichts hören. Die Produktion läuft weiter.
1907 wird der Pure Food and Drug Act eingeführt: Saccharin als Zugabe in Lebensmitteln wird verboten. Monsanto steht vor dem Aus. Mit dem Rücken gegen die Wand entscheidet sich der junge Konzern das Gesetz zu brechen. Die Regierung mag Saccharin für gesundheitsschädlich halten, doch dies stört nicht. Mit seinem Kumpel, Coca-Cola, wird weiter Saccharin in die Cola gepumpt. Der Weg zum Schurken wird eingeschlagen.
Als 1924 die Regierung vor Gericht scheitert ist der Weg frei. Die Studien sind nicht eindeutig. In Hinterzimmern besticht Monsanto Experten und fälscht Unterlagen. Heute kann immer noch kein direkter Zusammenhang zwischen Saccharin und Krebs hergestellt werden. Noch nicht. (Die Szene endet mit einem Foto von Monsanto: Ein leichtes Lächeln um die Mundwinkel ist dem jungen Kerl von damals schon anzusehen. Hinter seinen Augen funkelt der gerade geborene Bösewicht!)

Dann kommt der Vietnamkrieg. Und Monsanto trifft auf seinen Mentor, den Ober-Superschurken. Den Lehrmeister: Das amerikanische Militär.
Das Pentagon hat Schwierigkeiten gegen den Vietkong aus der Luft vorzugehen. Der Dschungel ist zu dicht. Also schmiedet man einen teuflischen (und vollkommen bekloppten Plan): Entlaubung.
(Wie bitte? Ja, ja. Noch mal? – ENTLAUBUNG. Ent-Laubung! Die Entfernung von Blattwerk aus den Bäumen, um bessere Sicht auf Bodentruppen zu bekommen. Klingt das nicht vollkommen bescheuert? Wie aus einer Folge „Pinky und Brain“, oder? Ist aber so geschehen. Hat natürlich nicht funktioniert. Jedenfalls nicht so wie beabsichtig.)
Um die Entlaubung zu betreiben, braucht das US-Militär ein Herbizid. Monsanto (bekannt für ätzende Substanzen!) entwickelt also Agent Orange. Was für ein großartiger Tag! Während der Herstellung wird Agent Orange mit TCDD verunreinigt. Die Herstellung muss schnell gehen, und Sicherheitsmaßnahmen sind teuer.
Viele hunderttausende Bewohner und noch mehr US-Soldaten erkranken irreversibel, durch die Wirkung von Agent Orange. Eine Katastrophe. Oder?
Doch es gibt nichts, was Monsanto nicht mit Geld regeln kann:
Sieben Firmen lieferten Agent Orange. Diese Firmen zahlen auch in einen Entschädigungsfond ein. 3788 Dollar pro Person. Insgesamt 180 Millionen Dollar, verteilt auf sieben Unternehmen. Schon 1955 hat Monsanto alleine einen Jahresumsatz von 632 Millionen Dollar. Monsanto zieht sich also ohne Schäden aus der Affäre. In den Entschädigungsfond wird aus der Portokasse eingezahlt.
Der Aufstieg zum Superschurken ist geglückt. Nun kann Monsanto niemand mehr aufhalten. Monsanto wächst und wächst. Der Superschurke wird global.

Was folgt sind dutzende Gerichtsprozesse. Monsanto besticht z.B. 140 indonesische Regierungsbeamte um Umweltkontrollen zu unterlaufen. Die Strafe: 700 tausend Dollar. (Noch mal: 700000 … das ist alles!)
Dann kommt Monsanto mit Gen-Technik in Kontakt.
Jetzt sind wir in der Gegenwart. Monsanto hat ein riesiges Imperium aufgebaut. Unternehmen aus allen Bereichen wurden aufgekauft, zwischenzeitlich Ölförder-Betriebe (mittlerweile wieder verkauft) und vor allem Agrarmittelproduzenten. Der Netto-Jahresumsatz liegt bei 1,66 Milliarden Dollar.
Und nun kommt die Gen-Technik. Besser gesagt: Gen-Manipulation von Feldfrüchten.
Und dieser Teil ist jetzt wirklich komplett aus dem Superschurken-Handbuch:
Monsanto hat erkannt das die Menschen immer eine Sache tun müssen: Essen. Wer Nahrung kontrolliert, kontrolliert die Menschen. (Das hätte auch Lex Luthor nicht besser beschreiben können!)
Und Nahrung sind Agrarerzeugnisse. Selbst wenn die Menschen Fleisch essen, muss dieses Fleisch (respektive die Tiere von denen es kommt) ja mit irgendwas gefüttert werden. Und Monsanto hat sich nicht dem Agrarsektor zugewandt, weil es die Menschheit ernähren wollte. Das war keine humanitäre Entscheidung. Monsanto hat erkannt: „Wenn die Menschen immer essen müssen, kann man mit Nahrung immer Geld verdienen. Aber selbst Nahrung herzustellen, anzubauen ist zu kompliziert. Ich verkaufe jetzt Saatgut! … Und wie stelle ich es an das jeder Saatgut bei mir kaufen muss? – Mit Gen-Manipulation, Motherfucker!“

(Nur so als kleiner Einschub: Gen-Manipulation betreiben Forscher und Farmer seit langer Zeit. Und grundsätzlich ist dagegen nichts einzuwenden. Gen-Manipulation ist auch die Zucht, die Kreuzung von Saatgut. Anpassung eben, Verbesserung. Der Friedensnobelpreisträger Norman Borlaug entwickelte in den 40er Jahren für das amerikanische und das mexikanische Agrarministerium, zusammen mit gemeinnützigen Einrichtungen, verschiedene, verbesserte Weizenarten. Mit seiner Hilfe konnte die Weizenproduktion Mexikos und die Ernteausbeute in Indien verbessert werden. Hundertausende Menschen sind dank ihm nicht verhungern. Merke: Staatliche Behörden & gemeinnützige Einrichtungen! Nicht: Großer, am Gewinn orientierter Konzern. Das nennen ich mal: „Mit Gen-Manipulation, Motherfucker!“)

Monsanto schwingt sich also zum größten Lieferanten für genverändertes Saatgut auf. Und warum ist das Saatgut genverändert? … Und warum sollte ich das als Farmer kaufen?
Weil dieses Saatgut hitzeresistenter und kälteresistenter als das normale, alte Saatgut ist. Nicht viel, aber gerade genug damit man „Neu!“ auf die Packung schreiben kann.
Und dann, wenn alle Farmer und Bauern das neue, „bessere“ Saatgut von Monsanto gekauft haben, geht der teuflische Plan auf:
Monsanto knüpft nämlich Verpflichtungen an den Kauf vom neuen Saatgut: Der Farmer darf nicht die Keimlinge vom letzten Jahr auf seinem Feld aussäen, er muss sich neues Saatgut von Monsanto kaufen. Jedes Jahr. Dazu verpflichtet sich der Farmer beim Kauf des Monsanto-Saatguts. (Wir erinnern uns an die privaten Ermittler aus der Eingangs-Sequenz!) Und das neue Saatgut muss er kaufen, weil es alle anderen Farmer auch benutzen. Und deren Ernte fällt sonst besser aus. Er will nicht zurückfallen, also …
Außerdem ist das Saatgut von Monsanto unfruchtbar. Keimlinge von diesem Saatgut können also nicht nächstes Jahr wieder gepflanzt werden. Jedes Jahr neues Saatgut … mit neuen Features … wieder etwas teurer. So macht Monsanto die gesamte Agrarwirtschaft von sich abhängig.
Das ist ein bisschen so wie es Heroindealer machen: Der erst Schuss ist fast umsonst. Die Nächsten dann nicht mehr.

Das ist der Punkt an dem der Superheld im Film spätestens auftauchen sollte. Aber wirklich allerspätestens. Eigentlich ist es hier schon zu spät. Monsanto kontrolliert die Welt … da braucht es schon die Avengers um das wieder gerade zu biegen.
Leider sind die Avengers Filmfiguren. Nicht real. (Abgesehen von Hawkeye. Aber ganz ehrlich: Hawkeye kann gegen Gen-Saatgut soviel ausrichten, wie der Hulk gegen Mundgeruch.) Monsanto steht aber, als Basis von hunderttausenden Lebensmitteln, wahrscheinlich in jeder Küche dieses und fast aller anderen Länder dieser Erde.

Und wer soll nun gegen den Superschurken antreten? Monsanto ist ein genmanipulierender, Gerichtsurteile niederkämpfender, Herbizide vergiftender Riese. Ein echter Megaböseweicht. Wer soll was gegen diesen Konzern ausrichten?
Die UNITED STATES SECURITIES AND EXCHANGE COMMISSION etwa? (Die versucht es immerhin.)
Ich hätte nichts dagegen wenn der Film sich nach dem furchtbaren und hoffnungslosen Anfang in einen Handlungszweig mehrerer, engagierter Ermittler stürzt. Sie arbeiten unnachgiebig und krempeln ihre Hemdsärmel bildwirksam hoch. Diese alltäglichen Helden kämpfen und triumphieren am Ende im Gerichtssaal. Und während der Abspann schon läuft, eine Montage von Bildern: Auf der ganzen Welt werden Monsanto-Produkte eingezogen und zurück gerufen, Firmenschilder werden abmontiert und die Verantwortlichen wandern in den Knast. (Ende.)
Leider wird der Film so nicht enden.
Monsanto bekam in seinem letzten Verfahren eine Strafe von nur 1,5 Millionen Dollar. Eins Komma fucking fünf Millionen Dollar. Das ist nischt. Nada. Ein Witz. Niemand wurde gefeuert, niemand ging in den Knast. Der Konzern, der Superschurke hat nicht einmal gezuckt.

Deswegen rollt der Abspann nicht nach dem Triumph des Helden, sondern nachdem der Schurke die Welt als Geisel genommen hat. Und aus lauter Frust, weil keiner sich für die verschissenen Geiseln interessiert, wird eine Geisel nach der anderen umgebracht.
Und nächste Woche kommt der nächste Teil. (Wenn so etwas am Sonntagabend im Fernsehen laufen würde, die Zuschauer würden vor Angst erstarren, und dann schnell die letzte Staffel How I Met Your Mother auf DVD rauskramen, um sich der Realität nicht stellen zu müssen.)
Und es gibt viele Superschurken die auf ihren Film warten. Die ihren Film schon leben:
In „Superschurke II: Dark Water“ lernen wir den Fiesling Nestlé kennen. Er übernimmt mehr und mehr Süßwasserquellen auf der Erde und zapft afrikanischen Dörfern ihr Grundwasser weg, um es in Flaschen zu füllen und an die Reichen zu verkaufen.
In „Superschurke III: Wings of No Liberty“ wird dann Red Bull vorgestellt. Dann IKEA, Google, Amazon, Apple, Nokia, Facebook, Microsoft, Unilever …
Jede Woche ein anderer Superschurke, gleiche Handlung. Gleiches Ende!

Eigentlich ist das Problem nicht das die Helden fehlen, sondern das die Superschurken leider keine Schurken sind. Es sind Unternehmen. Und Unternehmen können als einziges Ziel ausgeben: Mehr Gewinn. Koste es was es wolle. Jeder akzeptiert das.
Ein Unternehmen kann man nicht einsperren, nicht in einem Showdown niederringen und nicht in seiner geheimen Basis, einem ausgebrannten Vulkan, aufspüren. (Nein. Unternehmen haben riesige Firmenzentralen. Direkt in der nächsten Großstadt … und mein Onkel arbeitet da, oder meine Schwester, oder ich.
Fuck. Wir sind die Superschurken! – Guter Twist fürs Ende!)
Ein Unternehmen kann man nicht in die Fresse schlagen, auch wenn man das manchmal will. Deswegen wird das Franchise von Superschurkenfilmen noch eine ganze Weile weiterlaufen. Teil 2, und 3, und 4 … und auch in 3D. Und wir sind die Zuschauer. Ohne das wir was dagegen machen können. Wir lösen die Tickets, wie Zombies. Wie wollen wir das nur aufhalten?
„Mit Gen-Manipulation, Motherfucker?“
Schön wär’s.

HARLEKIN POST (039) Frei, wie alle

Nun ist es raus: Mario Götze war in der Waffen-SS. Hitlers falsche Neun.
Oder hab ich da was nicht richtig verstanden?
Müsste er dann eigentlich erst recht, oder dürfte er dann nicht zum FC Bayern?
Apropos: Selbstanzeige. Warum wartet Uli nicht einfach bis alles auf DVD raus ist?
Oder CD? Und ein Apropos weiter: Wer verschickt heute eigentlich noch Steuer-CDs? Passt da überhaupt alles drauf? Was ist mit Extras? Audiokommentaren, Making-Of, Englische Tonspur. Warum nicht Blu-Ray? Oder einfach ein Stick? Vielleicht ne SD-Karte? Warum nicht per Steuer-Cloud? Dann kann man die Daten im Stream abrufen. Ist auch kostengünstiger. Den Speicher zahlt der Anbieter. Und darum geht es den Jungs doch, oder?

Überhaupt: Ist das sicher? Steuer-CDs mit der Post zu verschicken? Machen die das per Einschreiben? Oder mit „pin“?
Irgh, „pin“. Dann kann man es auch gleich lassen.
Ich hab neulich ein Schreiben vom Bürgeramt im Hausflur auf dem Boden gefunden. Auf dem Boden! Gleich neben dem Mülleimer, der immer mit Werbezetteln überquillt, die der Nachbarjunge wegwirft statt sie auszutragen. Welcher „Postal Service“ (ha!) hat diesen Brief wohl geliefert?
Da lobe ich mir DHL: Wie schnell die mir von Quasi-Zwangsarbeiter-Händen gepackte Amazon-Pakete zustellen … Unglaublich!
Was ist das überhaupt: „Quasi-Zwangsarbeit“? Muss sich nicht, kann sich aber zwingen?
So wie Vegetarier, die dann doch auch mal Fisch essen? Weil der wird ja nicht brutal in Schleppnetzen, zwischen verendeten Delfinen, gefangen. Ooooh Nein!
Oder wie die freiwillige Frauenquote.
Ha! … Da muss ich jedes Mal lachen. Freiwillige Frauenquote. Diese Schröder… hu. Ist die bescheuert. Was für eine Idiotin! Kann man die nicht mal absägen? Die hat doch auch nen Doktor. Da findet man bestimmt was. Schröder-Plag … Oder war die vielleicht auch in der Waffen-SS? Hach, wäre das herrlich. Aber nein: Frauen waren ja nicht in der Waffen-SS. Glück gehabt.

Derrick ist die am weitesten verbreitete, deutsche Serie auf der Welt. War doch klar das die was mit Nazis zu tun hat. Wenn man in Machu Picchu, auf 2350 Metern, einem alten Peruaner begegnet und der dann fragt: Wo kommst Du her? Und ich antworte: Deutschland. Sagt der doch ganz bestimmt „Ah. Heil Hitler!“ und lacht mit seinen drei Zähnen.
Vorurteile gehören dazu. Immerhin hab ich noch alle 29 Zähne … nicht gerechnet die Brücke und die zwei Goldenen. Wir sind zwar Nazis, aber immerhin haben wir Zahnhygiene.

Und die Niederlande wollen jetzt keine Wiederholungen von Derrick mehr ausstrahlen … hm. (Ich dachte immer alle Derrick-Folgen wären Wiederholungen. War Tappert eigentlich bei der Erstausstrahlung noch in der Waffen-SS?)
Wie kommt das holländische Fernsehen zu diesem Schritt? Derrick, alias Horst Tappert, war also auch in der Waffen-SS? Oder wie jetzt? Der Schauspieler ist die Rolle, die Rolle ist der Schauspieler?
Dann dürfte man auch nicht mehr die „Nackte Kanone“-Filme in Holland zeigen. Da hat O.J. Simpson mitgespielt.
Oder heißt es: O.J. ja, Nazis nein? Beides schlimm, aber ist der Nazi schlimmer als O.J.?
Was ist mit Neo-Nazis? Geert Wilders. Gab es da nicht auch so ein Problem mit nem Film? – Die Niederländer sind nicht gerade sehr … offen … für die Ideen der freien Meinungsäußerung, hm?

Aber zurück zur Gleichung: Filmfigur = Schauspieler = Ignoranz.
Hm? Geht es dann eigentlich auch andersrum? Muss man Anthony Hopkins einsperren, weil er Hannibal Lecter gespielt hat? Das gibt dem Begriff „Method Acting“ eine ganz neue Dimension.
Und noch was: Ist Horst Tappert nicht tot?
Welche Filme von toten Nazis darf man dann auch noch nicht mehr zeigen? Zwischen 1933 und 1945 waren doch alle Nazis. Besonders die beim Film. Ich glaube „Jud Süß“ ist zwar nicht in Deutschland, aber in Holland zu erhalten. Hm …???

Unsere Großeltern-Generation erzählt: „Also ich war damals nur in der Waffen-SS weil … weil es ja gar nicht anders ging.“
Ihre Kinder und Enkel sagen dann: „Also ich wäre niemals in der Waffen-SS gewesen.“
Aber mal ehrlich: Damals in Deutschland in der Waffen-SS gewesen zu sein war wie heute bei Facebook zu sein.
Es führt kein Weg daran vorbei! Die Masse ist … wo die Masse ist. Eine SUUUPER-Erklärung!
Genau die gleichen Kinder und Enkel sagen nämlich auch: Ich bin nur bei Facebook, weil alle bei Facebook sind.
Bullshit. Die größten Facebook-Hasser sind bei Facebook, weil sie da sein wollen.
Und sie regen sich über Facebook auf Facebook auf, weil sie dort das größte Forum haben. Weil sie Teil von etwas sind. Sich alleine über etwas aufregen ist soooo langweilig. Und irgendwann kommt man auf den Trichter: Scheiße. Ich kann ganz andere Dinge mit meiner Zeit machen.
Aber nicht so die „aktiven“ Facebook-Hasser. Und wir sind alle aktive Facebook-Hasser … oder?
Wir sind alle wie übergewichtige Teenager, die noch mehr fressen, weil sie es nicht ertragen dick zu sein. Wir sind alle Heuchler.
Immerhin haben die übergewichtigen Teenager noch ne Erklärung für ihre Sucht: Zucker, Fett und … hab ich schon Zucker gesagt?
Und ich steh auf Zucker und Fett. Ich steh auf die Kommentare, auf die Antworten, auf die Nachrichten, auf den News-Feed im Facebook-Fenster.
Ich bin zu dick weil ich zu dick bin. Nicht weil da Zucker in der Lakritze drin ist. Ich könnte, wenn ich wollte, will ich aber nicht! Wir sind frei zu wollen, aber nicht gewillt frei zu sein.
„Oh. Mein Gott! Es war die Masse. Ich musste mitmachen. Hilfe! Hilfe! Ich hatte gar keine andere Wahl als Mitglied der NSDAP … äh … Facebook zu werden. Da waren doch alle anderen auch! Ich hatte keine Ahnung was da hinter den Kulissen ablief … der Daten-Holocaust!“ (Too soon?)

Ich kenne ein paar Menschen die nicht bei Facebook sind. Wahrscheinlich sind die einfach nur nicht so verdammt abhängig von der Meinung anderer! Nicht so schwach! Sie wollen nicht unbedingt Teil des Kollektivs sein. Diese Menschen können sich übrigens auch beherrschen, wenn vor ihnen eine offene Tüte Chips auf dem Tisch liegt. Ich nehm die Tüte in die Hand und leg sie erst wieder weg wenn sie leer ist. Aber wenigstens beschwer ich mich nicht, wenn mich die H&M-Verkäuferin mustert und fragt: „Wollen sie die Jeans nicht doch lieber in ner 34 nehmen?“

Horst Tappert ist einer wie alle. (Wow. Große Erkenntnis.) So sind auch Uli Hoeneß und Mario Götze. Und wer jetzt sagt: „Ich würde niemals zu den Bayern gehen oder Steuern hinterziehen …“
– Schon mal die Chance gehabt? Nein? Also: Shut The Fuck Up! Und zurück auf Facebook … Kommentare schreiben!

HARLEKIN POST (038) Karate Jesus

Es ist Ostermontag. Die Eier sind gesucht, der Eierlikör geflossen und der betrunkene Onkel liegt auf der Couch und schläft seinen Rausch bis zum Nachmittagskaffee aus.
Die Kinder sind enttäuscht von zu kleinen Geschenken in zu wenigen Eiern. Doch schließlich haben wir eine Finanzkrise und „die Kinder auf Zypern kriegen dieses Jahr überhaupt keine Eier!“ Also sitzen die Kleinen vor dem Fernseher und suchen nach etwas „das zum Thema, also zu Ostern passt“, wie Oma vorgibt. Und irgendwann bleibt man bei Ben Hur hängen, weil die „Maria“-Neuverfilmung in Co-Produktion mit der ARD einfach unerträglich ist. Josef, Maria oder Jesus in HD: Bah! Ohne Weichzeichner & Filmkörnung? Viel zu viele Parallelen zu „Verbotene Liebe“ und GZSZ! Da fehlt nur der passende Cliffhanger: „Wird Jesus von Judas verraten? Schalten Sie morgen wieder ein!“
Schlimm. Aber ich hab Bibel-Filme noch nie gemocht. Für mich war und ist der beste Oster-Film auch immer noch „Karate Tiger“. Nein, wirklich. Wenn es nach mir ginge würden wir zu Ostern alle diesen Film sehen. Nicht nur sehen. Wir würden seine Geschichte als die neue Oster-Geschichte annehmen. Ha!
Ein paar Gründe warum:

Die Oster-Geschichte, wie sie in der Bibel steht, beschreibt die Auferstehung Jesu. Ohne Karate.
Schwer zu glauben. Ich hab extra nochmal nachgeguckt. Es stimmt. Kein einziges Wort von Karate zu lesen. Wie uncool ist das. Jesus am Kreuz, Jesus in der Höhle. Nicht ein einziger Karate-Kampf.
Außerdem, zweiter Punkt für „Karate Tiger“, spielt die Auferstehung am Anfang des vorletzten Jahrtausend. „Karate Tiger“ spielt in den 80ern. Jesus war cool, aber die 80er sind cooler.
Dann der Titel: Auferstehung. Pfff. So passiv, leidend. „Karate Tiger“ heißt im Original „No Retreat, No Surrender“. Also wenn das der Untertitel der Kreuzigung wäre … das ist besser als „Rumble in the Jungle“ oder „Judgement Day“.
Okay. Beim Namen des Helden gebe ich Jesus einen Punkt. In „Karate Tiger“ heißt der Held Jason Stillwell. Kein Luke Skywalker, aber gut. Wenn man allerdings der „König der Könige“ heißt … Hu. Das zieht natürlich. (Besser als Tschiller ist es auf jeden Fall. Was war das eigentlich? Hat n’Tatort-Redakteur gelispelt?)

Alles beginnt mit Jasons Vater. Er ist Besitzer eines Karate-Dojo in Los Angeles, in dem er auch Jason trainiert. Ein Karate-Dojo ist sowas wie die moderne, Problembezirk-Variante einer Kirche. Mehr oder weniger.
Plötzlich kommen da also ein paar Gangster und wollen das Karate-Dojo übernehmen. Also die Kirche. Jasons Vater spielt da natürlich nicht mit – warum sollte er auch, die Kerle sind nur zu Dritt. Dann kneift Jasons Vater aber doch, nachdem Jean-Claude Van Damme (ja, genau der!), in seiner Rolle als „Ivan, der Russe“, ihm das Bein bricht. Vor versammelter Mannschaft und ohne irgendwelche juristischen Konsequenzen.
Also ganz ehrlich. Das waren die Achtziger … aber trotzdem: Hat da keiner Zeit für eine einfache Zeugenaussage bei der Polizei?
In einer kurzen Sequenz, eher einem Voice-Over plus ein paar Außenaufnahmen, wird erklärt: Die Bösen wollen die Dojo-Kirchen als Fassade für das organisierte Verbrechen nutzen. (Als würde ein Karate-Dojo, in dem aufgepumpte Typen trainieren wie man noch besser Leute verprügelt, nicht ohnehin nach Verbrechen schreinen!) und Jasons Vater flüchtet nach Seattle. Außerdem gibt er eine Karriere als Karate-Lehrer und Dojo-Besitzer, für die er wahrscheinlich sein gesamtes Leben trainiert und gearbeitet hat, einfach auf um Barkeeper zu werden. Absolut nachvollziehbar.
Zusammen mit Jasons Mutter (die im gesamten Film keine Großaufnahme hat – wie die Menschen bei Tom & Jerry!) und dem jungen Bruce Lee-Fan und Karate-nerd Jason zieht er nach Seattle. Wohlgemerkt: Vor Nirvana und Starbucks!
Das ist beinahe so, als würde man aus Berlin nach Passau ziehen. (Immerhin haben sie in Passau höchstwahrscheinlich ein Starbucks!)

Jasons Vater verbietet Jason natürlich weiter Karate zu machen und Jason hört natürlich nicht auf ihn. Er versucht in Seattle Freunde zu finden, lernt einen Breakdancer namens RJ kennen und gleich auch dessen Erzfeind. Ein fetter Kerl der 1zu1 aussieht wie eine dickere, jüngere Variante von Phillip Seymour Hoffman. (Er ist es aber nicht. Ich hab nachgesehen.) Der fette Seymour hat irgendwie Hass auf RJ … keine Ahnung warum. Jedenfalls schwärzt er Jason beim örtlichen Karate-Dojo an (bzw. erzählt den Karate-Kämpfern da, dass Jason Los Angeles-Karate viel besser als Seattle-Karate ist. Was in Karate-Kreisen scheinbar eine unglaublich böse Beleidigung ist!) … und Jason wird hier erstmal ordentlich vermöbelt und darf dann auch nicht mitmachen.
Später wird er dann nochmal auf der Geburtstagsfeier von Kelly vermöbelt – von der gleichen Gang-Schrägstrich-Karate-Lehrern aus dem Dojo von Kellys Bruder (der wird noch wichtig!). Jason kennt Kelly aus L.A. – und sobald Jason bei ihrem Geburtstag auftaucht und ihr ein Kaninchen in einer Box (ohne Luftlöcher drin!!!) schenkt, knutschen die Beiden rum! Also um ehrlich zu sein: Da hat er das zweite Vermöbeln auch verdient!
Jedenfalls ist nach dem Vermöbeln erstmal Schicht im Schacht mit Kelly … warum nochmal? … ah! … Weil sie ihm gegen vier trainierte Karate-Kämpfer nicht geholfen hat? (Was für eine blöde Kuh?!?)
Wie dem auch sei … RJ bringt die beiden mit einer verrückten Disco-Tanz-Nummer später wieder zusammen. (Hach. Die Achtziger! Da ging sowas noch!)
Nebenbei legt sich Jason ein eigenes Karate-Trainings-Studio in einem leerstehenden Haus zu (davon gab es scheinbar in den Achtzigern schon ne Menge … wieviele es jetzt davon in den USA wohl gibt?). Und – nachdem Jason heulend vor Bruce Lees Grab saß – erscheint ihm der Geist von Sensei Lee in seinem Trainingshaus und trainiert ihn.

Eine der besten Szenen der nun folgenden, obligatorischen Trainings-Montage ist, als Geister-Bruce dem jungen Jason mit zwei Gläsern, Wasser und ner Dose Cola erklärt wie das mit dem Training und Karate und sowieso allem funktioniert.
Also: Ein volles Glas mit Wasser ist alles was Jason weiß und kann. Klar.
Und ein volles Glas mit Cola (Coca-Cola! Nicht Pepsi. Coca-Cola!) ist alles Wissen und Können, welches ihm Sensei Lee beibringen kann.
Wie kommt nun das Wissen – die Cola – in das volle Glas mit Wasser?
Natürlich indem man das Wasser weg schüttet. Und das leere Jason-Glas wird irgendwann ein volles Coca-Cola-Glas. Genial!
Das ist so unterschwellig-offensichtliches Product-Placement! Wow. Und das alles war Jahrzehnte vor dem „Wetten dass..??“-darf-Axel-Schulz-ein-Fackelmann-Cappy-im-öffentlich-rechtlichen-Fernsehen-tragen-Problem. Ganz ehrlich: Wenn Axel Schulz für Fackelmann Werbung macht, weiß ich schon mal genau wo ich keine … Öfen? … Kerzen? … Was zum Teufel stellt Fackelmann her? Korkenzieher? Käsereiben? …
Es geht immer darum wer für etwas Werbung macht. Wenn Bruce Lee sagt: Coca-Cola ist Wissen und damit gut. Dann ist das so! (Und nebenbei weiß ich jetzt auch warum ich seit den Achtzigern Cola-Abhängig bin. Danke Sensei Lee!)
Jedenfalls bringt Geister-Bruce Young-Jason dann Karate bei und auch, dass Karate immer nur als Abwehr-, niemals als Angriffs-Technik benutzt wird. Was mich immer wieder stutzig macht:
Als ich als Kind zwei Jahre lang Judo gemacht habe, dachte ich immer: Judo sei die Abwehr-Technik. Und Karate benutzen nur kampflustige Raufbolde und Maulhelden? (Übrigens zwei Worte die in der deutschen Fassung von Karate Tiger mehrmals gesagt werden und die ich fast vergessen hätte. Wow! Maulheld. Sag das mal zu nehm brüllenden Teenie-Arschloch in der berliner U-Bahn. Der denkt Du sprichst Latein!)
Natürlich kommen die Bösewichte dann auch nach Seattle und fordern den Bruder von Kelly zu einem Turnier heraus, bei dem über die Zukunft der Stadt entschieden wird. Na ja, vielleicht nicht die Zukunft der gesamten Stadt aber … darüber ob alsbald alle Dojos in Seattle … oder wenigstens das Dojo von Kellys Bruder … den Ostküsten-Raufbolden gehört.
Vielleicht sollte man an dieser Stelle fragen: War es in den Achtzigern wirklich so, dass man öffentliche Karate-Turniere ausgetragen hat, bei denen es um die illegale Monopolstellung von Verbrecher-Karate-Dojos geht? Aber warum? Und wie?
Wahrscheinlich weil in den Achtzigern und den frühen Neunzigern die Polizisten mit anderen Dingen beschäftigt waren. Fragt mal Rodney King!

Beim großen Showdown-Turnier poliert Jean-Claude Van „Ivan“ dann Kellys Bruder und all den anderen Seattle-Karate-Kämpfern ordentlich die Fresse. Dabei sieht Jason natürlich erstmal nur zu. Und er regt sich erst, als Kelly einen Hocker in die Hand nimmt und damit Ivan eins über braten will, weil er ihren Bruder zusammenschlägt. (Was übrigens absolut legitim ist … also das Zusammenschlagen. Niemand hat Kellys Bruder dazu gezwungen zu Jean-Claude Van Damme in den Ring zu steigen! Ich meine: Es ist Jean-Claude Van Damme! Ich erwarte ja auch nicht von meiner Schwester mit dem Gartenschlauch auf Chuck Norris loszugehen, nachdem der mich zerlegt hat, weil ich ihn einen reaktionären, rechtskonservativen Zerstörer von Kinderträumen genannt habe. Es ist zwar wahr, aber so etwas sagt man doch niemandem ins Gesicht. Dafür gibt es anonyme Blogs und Facebook und Markus Lanz.)
Jedenfalls greift Jason erst ein als Jean-Claude Kelly an den Haaren zieht. Und dann zeigt er „Ivan“ was Angriffs- … äh, ich meine Abwehr-Karate ist.
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann tragen die dreißig Statisten aus der letzten Einstellung Jason heute noch im Ring auf Händen und werfen ihn in die Luft. Hat hat man in den Achtzigern eigentlich prinzipiell unangenehm lange auf den Abspann warten müssen? So lange … man fragt sich: Kommt da noch was?

In der Ostergeschichte geht es – grob zusammengefasst – um Jesus Auferstehung. Das war’s. Kein RJ, kein Jean-Claude Van Damme, und keine Disco-Tanz-Nummer. Vor der Auferstehung wird ein bisschen gefoltert, gekreuzigt und dann der scheintote Leichnam in eine Höhle gelegt, vor der ein riesiger Steinbrocken klemmt. Schließlich läuft Jesus einfach wieder los, erscheint ein paar Leuten und begründet damit die christliche Religion! Mit ein bisschen Hilfe seiner Apostel.
Die Geschichte ist ein fast wie „Karate Tiger“. Jason (Jesus), der durch die Hilfe des Geister-Bruce (Gott?) seine Auferstehung findet und damit in Seattle (dem gelobten Land???) die neue Kirche der freien Dojos gründet. Frei vom Bösen … den Ju- – – Uh! … Nein. Also wir wollen nicht das organisierte Verbrechen von der Ostküste mit den Juden von vor zweitausend Jahren vergleichen (auch wenn die schon nicht ganz unbeteiligt am Verrat und Mord an Jesus waren). Aber: Jesus war auch Jude. Und Jason kommt nicht von der Ostküste und ist auch kein Verbrecher …
Obwohl es an ein Verbrechen grenzt, dass Kurt McKinney, der Darsteller von Jason und mehrfacher Taekwondo & Kickbox-Champion, aus Angst vor Type-Casting nach „No Retreat, No Surrender“ kaum noch Karate-Filme machte, sondern lieber 5-Sätze-Episodenrollen bei General Hospital und ALF spielte. (Was für eine Verschwendung!)
Die Frage ist also nicht ob „Karate Tiger“ und die Auferstehungsgeschichte exakt gleich sind. Die Frage ist: Was wollen wir für eine Ostergeschichte als Grundlage für unser viertägiges Couch-Fest nehmen?
Und es spricht einiges für „Karate Tiger“.
Die Mode: Jesus Leinengewänder und Latschen zu Beginn des vorletzten Jahrtausend sind zwar Klassiker (besonders in den unrasierten Ecken des Prenzlauer Bergs), aber schrill-bunte Adidas-Anzüge, Karottenjeans und diese weiten Tank-Unterhemden … das ist voll retro und heute – mehr als damals – hoch aktuell!

Und dann die Karate-Action: Bei „Karate Tiger“ gibt es Roundhouse-Kicks, lange bevor sie das Markenzeichen von Chuck Norris wurden.
Aber das Beste ist die Philosophie! … Jesus hängt am Kreuz und fragt: „Mein Gott. Warum hast Du mich verlassen.“ Erstmal: Was für ein Vater-Sohn-Verhältnis wird hier angedeutet? Der Sohn spricht den Vater in der dritten Person an. Sowas geht doch nicht. (Außer in ner Folge MAD MEN natürlich.)
Jason bekommt von Sensei Lee dagegen wertvolle Ratschläge und in Glückskekse passende Formeln, wie: Antworte niemals auf eine Frage mit einer Frage. (Sonst gibt’s Schläge von Geister-Bruce.)
Das ist elementar: Wenn ich in der achten Klasse die Antwort auf eine Mathe-Frage nicht wusste, hab ich niemals den leichten Ausweg genommen und in Frageform geantwortet: „Wurzel aus Sieben?“ … und so darauf gehofft das der Lehrer denkt ich habe wenigstens den Rechenweg verstanden. Nein. Keine Frage auf eine Frage! Ich hab damals stolz gesagt: „Ich hab keine Ahnung was da raus kommt, aber ich bin mir sicher Sie, Herr Lehrer, werden es mir beibringen. So wie Bruce Lee es getan hätte.“ (Ja, ich war ein Schleimer. Aber ich war auch der Einzige der, trotz nicht nie gemachter Hausaufgaben, niemals schlechter als ne Drei in Mathe war. Punkte für Ehrlichkeit!)
Hm? Wie kontert Jesus das? Ha? … Welche Religion erzieht ihre Anhänger schon zu Ehrlichkeit?
… Ehrlich gesagt tun das alle Religionen. Aber mal im Vertrauen: Nach mehr als zweitausend Jahren Erfahrung … hält sich irgendjemand dran? Nein.
„Karate Tiger“ ist also auch actionreicher und philosophischer als die Auferstehungsgeschichte … Was ist mit dem Gefühl? Die menschliche Komponente.
Gibt es da Punkte für Jesus? – Vielleicht. Immerhin. Er ist für die Sünden der Menschheit gestorben. Kudos! Nicht schlecht.
Dennoch fehlt mir in der Bibel immer die Love-Story. Jedenfalls im neuen Testament. Adam und Eva … das war okay. Ich weiß nicht wie Frauen das lesen … die ganze „Apfel“-Geschichte (sehr stereotyp, wenn man mich fragt) … aber egal. Bei Jesus: Null Boy-meets-Girl. Nicht mal Boy-meets-Boy und auf keinen Fall Girl-meets-Girl.
Bei „Karate Tiger“? Eins-A-Love-Story! Nur wegen der Perle Kelly … (Kelly. Was für ein Name!) … nur wegen Kelly springt Jason in den Ring und tritt gegen die Kampfmaschine Jean-Claude Van Damme an.
Kleiner Tipp an die Jungs in der Bibel-Redaktion: Guckt euch da was ab. Mehr Love-Story, weniger Namen von Söhnen von irgendwem (kann sich sowieso niemand merken).
Und wie cool wäre das: Jesus schiebt den Stein vor dem Höhleneingang zur Seite (vorher natürlich eine Trainings-Montage mit Musik: Jesus stemmt Gewichte. Jesus übt Wunderwirken. Jesus läuft übers Wasser … Oh! Erster Versuch gescheitert. Jesus fällt in den Pool. Sein Sidekick Paulus lacht. Ha ha ha. Und auch Jesus grinst. Er trainiert weiter. Dann: Geschafft!) … Jesus klettert also raus und erstmal direkt zu Kelly. Okay, vielleicht ist Jesus nicht der Richtige für eine Kelly. Sagen wir eine Nancy? Ja? … Jesus hat da also diese Affäre … muss es geheim halten, weil sonst die Anhänger durchdrehen … Royal Wedding und so. Da muss man die Familie einladen … das wird peinlich wenn sein Stiefvater Josef mit am Tisch sitzt … Gott kommt dazu … dann die Gespräche: Ah! Maria hat Josef den Zimmermann geheiratet. Was macht der leibliche Vater von Jesus nochmal? Hm. Herr über den Tag und die Nacht und die Zeit? Na ja … dachte wohl die Karriere geht vor … hat die Familie im Stich gelassen … Was? Maria ist fremdgegangen? War Jesus also das Ergebnis eines One-Night-Stands? Ein Unfall? … Uh. Und Jesus kommt damit klar? Habt ihr mal über Therapie nachgedacht? Eben noch ein Missgeschick, jetzt am Kreuz … Aber jetzt ist er cool mit seinem leiblichen Vater? Und was ist mit Josef? Ist der cool mit Ehebruch … ich meine: Es dauert noch mindestens zweihundert Jahre bis das neue Testament raus kommt … das Update geladen ist … bis dahin gibt es kein „andere Wange hinhalten“, sondern „Auge um Auge“ und „begehre nicht Deines Nächsten Weib“ …und wenn ja: Kann der Mann, falls er Angst vor dem Typen hat der sein Weib begehrt, auch gerne das Weib einfach umbringen. Ja. War damals so wie es heute in Saudi-Arabien ist.
Wo war ich?
Jesus und Nancy also. Jesus rennt direkt von der Höhle zu Nancy. Und steht dann plötzlich bei ihr im Zimmer. Sie denkt aber: Er ist seit drei Tagen tot!
Jesus öffnet also schon den Gürtel seines Gewandes … immerhin: Drei Jahre wandern, kein Sex. Er hing drei Tage am Kreuz, an irgendwas muss man ja denken … Jesus ist auch nur ein Mann. Und Nancy ist ne heiße Jüdin aus dem West-Jordanland. … Sie kommt also rein und da steht Jesus wie Gott … also sein Vater … ihn schuf. Das heißt: Wenn Jesus Gottes Sohn ist und Gott ihn schuf … dann ist Jesus echt gut bestückt. Ich meine: Direkte Connection zum Schöpfer muss ja irgendeinen Vorteil haben. Deswegen ist Jesus auch immer so wahnsinnig cool. Ich meine: Der Typ hat ein unglaubliches Selbstbewusstsein. Das kommt von seinem messiasmäßigen Gehänge!
Aber Nancy dreht voll durch, immerhin haben die Beiden noch nie: Kein Sex vor der Ehe und so. Waren ja eher traditionelle Juden. Sie also: „Was? Ich dachte Du bist tot!“ … Jesus: „Bin ich auch. Aber ich darf ne Ehrenrunde drehen. Deswegen ist es auch okay wenn wir Sex haben. Ich bin ja kein Lebender mehr. Da gelten die Regeln nicht. – Aber: Wer ist eigentlich der Typ da im Wohnzimmer?“ … Nancy beginnt zu schwitzen. „Ehm. Das ist Pontius. Ich hab ihn bei Deinem Prozess kennengelernt.“ Peinliche Stille. Pontius: „Hey. Ich kann auch gehen.“ Jesus voll sauer: „Ja, bitte!“ Pontius: „Hey, Alter. No hard Feelings, okay? Das war alles nicht persönlich gemeint. Du verstehst das, ja?“ Jesus dreht durch, greift sich die Schrotflinte und erschießt zuerst Pontius, dann Nancy und richtet die Schrotflinte dann auf sich selbst: „Ich häng bestimmt nicht nochmal am Kreuz!“ Bam! Natural Born Christ!

Und dann dämmert es selbst Jesus. Das erste Leben ist immer der Probelauf. Ahhh! Es geht um die Auferstehung. Die Story danach macht den Film. Nicht einfach raus aus der Höhle und das Buch ist zu ende. Was passiert dann?
Das ist die absolute Wahrheit. Die echte und einzige Moral in allem was an Ostern im Fernsehen läuft: Man muss zuerst das Wasser weg schütten, um anschließend Cola trinken zu können! Danke Sensei Lee. Fröhliche Ostern. Amen.

HARLEKIN POST (037) Shit. Ich mag den Scheiß.

Als ich in der Schule war – so ungefähr Mittelstufe – las die Parallelklasse im Deutschunterricht Sibylle Bergs Erstling „Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot“.
Während in meiner Klasse Effi Briest durchgenommen wurde, las ein Viertel meines Jahrgangs ein Buch, erschienen 1997.
Da es aber einen regen Austausch im Jahrgang gab, und ich in den 5-Minuten- und der „Großen“-Pause Gespräche über dieses komische, nicht-klassische Buch mitbekam, lieh ich mir eine Ausgabe aus.
Das Buch war gut. Wirklich gut. Es ist gegenständlich geschrieben, was immer das auch genau heißen mag (aber es stimmt). Die Geschichte, bzw. das Kaleidoskop der Geschichten die im Buch angerissen werden, handeln von alltäglichen Dingen und doch vom Großen-Ganzen! Es geht um Einsamkeit. Ich mag dieses Thema. Einsamkeit bewahrt uns vor dem Wahnsinn des „Zuviel“. Alleine sein ist wichtig. Es regelt die Selbstwahrnehmung, lässt uns auf uns hören.
Einsamkeit ist anstrengend, bitter und kommt mit einem ewigen Kampf, die Einsamkeit wieder loszuwerden. Es ist ein guter Kampf.

Sibylle Berg schreibt mittlerweile für SPIEGEL ONLINE. Eine Kolumne. Natürlich. Weil „echte“ journalistische Arbeit zu anstrengend wäre. Weil der Kommentar, der kleine Bruder von allem ist – ich weiß wovon ich rede. Der Kommentar ist das Kompensat der Einsamkeit von einsamen Menschen. (Oh ja. Das will ich auf einem T-Shirt!)
Nun hat Sibylle Berg über Katja Riemann geschrieben. Über den Aussetzer von Riemann in einer Talkshow und darüber das die Medien ja etwas hassen müssen. Hassen für die Masse. Weil die Masse sich empören, aufregen und den Kopf schütteln will. Weil die Masse neidisch sein will. Neidisch ist.
Was für ein gequirlter Scheiß. Natürlich wollen wir uns aufregen, natürlich sind wir neidisch. Wir alle, auf alle.
Der erste Schritt eines Menschen, aus der Höhle heraus, war ein forschender Schritt: Was ist hinter dem nächsten Hügel? Warum geht die Sonne unter? Was sind das für Punkte am Nachthimmel? Und natürlich auch: Warum hat der da Feuer und ich nicht? Das will ich auch! Warum wohnt der in einem Zelt und ich nur in einer dreckigen Höhle? Das mach ich jetzt auch!
Wir sind neidische Wesen. Ich bin kein Pessimist, aber wir sind alle von Neid getrieben. Wahrscheinlich war es Neid, der Katja Riemann ein „Star“ werden lies. Und „Neid“ ist es, der sie ein Star sein lässt. (Was ist das überhaupt: Ein „Star“? Klingt so wie ein Schimpfwort. Keiner will ein „Star“ werden, oder? Und wenn ja, hat er es doch verdient dafür gehasst zu werden. Jedenfalls sollte ihm das klar sein. Es schwingt im Titel mit. So wie „Models“. Kann ich auch nicht leiden.)
Nur weil die „Masse“ neidisch ist, kriegt Katja Riemann die Gagen, die sie bekommt. Und jetzt ist das schlecht?
Darstellende Künste sind nun mal darstellend, sonst würde Riemann zuhause sitzen und für sich alleine spielen. Wenn ich schreibe und es nicht veröffentliche, nicht blogge oder Bücher schreibe und Verlage finde die es drucken, dann kann dass Kunst sein. Aber es ist keine darstellende Kunst. Für die Darstellung brauche ich das Publikum, egal wie groß es auch sein mag. Dies ist der Vertrag.
Der Fernsehmonteur montiert. Das ist sein Job. Dafür wird er bezahlt. Der Darsteller, stellt dar. Darstellen heißt: Er stellt sich dem Publikum (cleverer Wortwechsel, ha?). In all seiner Form.

Sibylle Berg hat auch Til Schweiger erwähnt. Die Medien hassen Schweiger, hat sie geschrieben. Alle hätten ihn abgeschrieben, würden ihn vorverurteilen. Lange bevor sein Tatort ausgestrahlt war, war das Urteil bereits gedruckt. Vernichtung. Hass.
Das stimmt. Zum Teil. In einem SPIEGEL ONLINE Interview, vor zwei Wochen veröffentlicht, kann man die Wut des Interviewers gegen Schweiger praktisch spüren. Immer wieder die gleichen, quasi-provokativen Fragen. Immer wieder nur Anspielungen, eigene Meinungen und kein Funken journalistischer Finesse. Wenn ich mit einem afrikanischen Warlord spreche, erwartet niemand dass man sich nur über das gute Wetter unterhält, aber Til Schweiger ist kein Warlord. (Gut das ich das nochmal festgehalten habe.) Christian Buß behandelt ihn aber wie einen. Mit Ablehnung von der ersten, ungelenken Frage an. So führt man kein Interview. Jedenfalls keins, welches jemand lesen will. Andererseits: Wer führt heute noch gute Interviews? (Kürzlich war in der, von mir so geliebten, 11 Freunde eine absolute Zeitverschwendung von einem Interview (mit Marko Arnautovic) zu lesen. Christoph Biermann hat sich da wirklich nicht mit Ruhm bekleckert. Keine einzige Information, nicht mal annähernd unterhaltsam waren die Fragen und Antworten. Den mutmaßlichen „Bad Boy“ reduzierte Biermann alleine auf ein schmales Image. Mit den vier Seiten Papier hätte man auch Besseres anstellen können! Erster Tadel! Setzen, drüber nachdenken, nicht noch einmal machen.)
Eigentlich gab es doch mal ne gute Interview-Kultur: Über eines der legendärsten Interviews (Frost/Nixon) wurde sogar ein Film gedreht. Ein guter Film.
Zurück zu Sibylle Berg.

Ja. Es gibt eine Vorverurteilung von Til Schweiger. Aber das macht dem doch nichts aus. Millionen Deutsche rennen in Kokowääh 2, oder kaufen die DVD von Männerherzen. Und das ist gut. Besser als die neue „Big Mamas Haus 6“-DVD zu kaufen, oder? (Auf jeden Fall ist es nicht schlimmer.)
Kommerzieller Erfolg ist Anerkennung. Wozu braucht Schweiger da noch die Anerkennung von den Kritikern und den Wenigen, für die diese Kritiker sprechen? (Und ich wette Schweiger denkt ähnlich.)
Wer sich für den Beruf des Schauspielers entscheidet, entscheidet sich für die Darstellung. Er weiß: Seine Gage kann nur dann gezahlt werden, wenn jemand zusieht wie man spielt und dafür bezahlt. (Soweit waren wir schon.) Und zum Spiel gehört auch das Interview. Wer sich im Interview daneben benimmt kriegt eben in den Medien auf die Fresse.
Und wenn ich meine „daneben benimmt“, meine ich nicht: Mal „Scheiße“ oder „Ficken“ sagen, rülpsen oder die falsche Krawatte tragen. So was verzeiht sogar die Meute, die wir heute so nett „Social Web“, „Social Media“ und ganz allgemein „Internet“ nennen. Ich meine wirklich über die gesamte Distanz verkacken. So richtig. Mit Ansage. So wie es Katja Riemann getan hat. Und dabei auch noch deutlich zeigen: Ich hab keinen Bock!
(Wenn mein Sohn so lustlos und bockig Basketball spielen würde, nachdem ich extra am Sonntagmorgen um halb Neun aufgestanden bin, ihn ins Auto gepackt habe, um bis nach Buxtehude zu fahren, nur um ihn dann vollkommen aggro und als quasi nicht-existenten Flügelspieler auf dem Basketballfeld zu sehen, dann sag ich auch zum Trainer: „Wechsel ihn aus!“ Und zu Floris-Maximilian-Henri Jr.: „Alter! Reiß Dich zusammen. Große Scheiße war das. Ein bisschen mehr Einsatz. Vorhin hat Dich ein Mädchen geblockt. Ein Mädchen! – Oder sieht dieser übergewichtige Junge nur aus wie ein Mädchen? Mit den langen Haaren und dem spitzen, aber Doppelkinn?!? Ich kann das nicht unterscheiden, nicht in dem Alter und nicht bei dem Bauchumfang. Auf jeden Fall hat er Dich geblockt. Verdammt. Geblockt. Zwei Mal! Springen, werfen. Ist das so schwer. Setz Dich auf die Bank. Reiß Dich zusammen. Im dritten Viertel will ich wenigstens ein bisschen Begeisterung sehen. Und wenn Dich das dicke Jungen-Mädchen-Whatever dann blockt. Ist das okay. Aber SO nicht!“)
Wie auch immer: Man kann mit den falschen Fragen eines Interviewers auch anders umgehen. Kürzlich gesehen bei der Post-Oscar-Pressekonferenz von Jennifer Lawrence. Komische Fragen, gute Antworten. Und witzig.
Und Katja Riemann ist doch witzig. Kann sie jedenfalls sein. Sie ist eine großartige Schauspielerin. Brilliert in Nebenrollen, genauso wie in Hauptrollen. Neulich erst in die „Relativitätstheorie der Liebe“ und „Türkisch für Anfänger“. Warum muss man sich da so wundern, wenn man ein Interview verhaut und dann dafür bluten muss. Dann eben kein Interview geben. Geht auch. Kein Bock, kurze SMS – Absage. Und die Sendung findet ohne sie statt. Niemand interessiert sich dafür.

Schauspieler und „Stars“ (buah!) begeben sich auf die Autobahn, die das öffentliche Interesse ist, und versuchen Fahrt aufzunehmen. Sie fahren entweder beständig auf der rechten Spur, versuchen geduldig voran zu kommen, ordnen sich ein. Oder sie überholen ab und an, beweisen Weitsicht. Einige rasen auch, dabei erregen sie natürlich Aufmerksamkeit, werden als rüpelhaft betitelt, aber da sind sie schon weitergefahren (siehe Vettel!). Außer sie bauen einen Crash. Aber kein Autofahrer, der mit 220-Sachen in die Kurve geht und dann aufm Acker landet, beschwert sich hinterher über die Autobahn!
Wenn ein Kritiker Til Schweiger ans Bein pissen will ist das ungefähr so, als würde ein Fiat Punto einen Panzer abdrängen wollen. Nicht die beste Idee des Puntos. Der Panzer rollt so oder so weiter. (Passendes Bild für den Schutzengel Schweiger!)

Apropos Schweiger: Ich hätte ein Interview mit ihm wahrscheinlich anders geführt. Hätte ein paar anerkennende Zahlen zu seinen Filmen herunter gebetet, seine Erfolge betont, bevor ich gefragt hätte: Warum lassen sie nicht alle Journalisten zu Premieren ihrer Kinofilme zu? Haben Sie Angst, oder einfach keinen Bock? Und warum muss ihre Tochter immer ihre Tochter spielen? Sehen sie als Vater überhaupt wie schlecht sie spielt? Und warum liegen sie in jedem Film mit ihr im Bett? (Die letzte Frage nur so als Provokation. Aber ist das noch jemandem aufgefallen? In jedem Schweiger-Film liegt er irgendwann neben seiner Tochter im Bett und philosophiert über irgendwas…)
Wenn das dann vorbei wäre, und mir Til Schweiger die Fresse poliert hätte, würde ich noch etwas zugegeben:
Wie sehr ich mich auch über fehlende Plot-Points, eine saubere Geschichte oder die ewigen Zeitlupen bei „Schutzengel“ aufrege; Wie sehr ich auch seine Tochter untalentiert und schrecklich in ihren Rollen finde; Und wie sehr ich sein diktatorisches Gehabe hasse – hasse wie die Masse, oder jedenfalls die Medien – so sehr unterhalten mich seine Filme doch. Filme mit ihm und von ihm. Seine jüngeren Filme sind toll abfotografiert und immer wieder lustig und gut besetzt. (Und ich kann es irgendwie anerkennen, dass er auch stets seine Freunde besetzt … abgesehen von seiner Tochter. Gab es da wirklich kein Mädchen das besser war? Familie und Freunde besetzten, gut und schön, aber: Spielen sollten sie schon können.)
Zu meinen deutschen Lieblingsfilmen wird immer „Knockin’ on Heavens Door“ gehören. Danke dafür Til Schwieger. Schutzengel 2 guck ich mir wahrscheinlich nicht an, aber so sicher wie ich den nächsten Fast & Furious gucke, mit „Mass Effect 3“ die Nächte verbringe (sobald ich meinen PC aufgerüstet habe, damit dieser Grafikspeicher-Fresser läuft) oder mich an Sibylle Bergs Kolumne auf- und abrege, so sicher guck ich auch den nächsten Tatort mit Til Schweiger. Und bin neidisch: So nen Film will ich auch mal machen. Schöne Bilder und Explosionen. Mit mehr Geschichte drin und so, natürlich. Aber … ich will auch.
Shit. Ich mag den Scheiß.

HARLEKIN POST (035) And the Oscar goes to … Captain Kirk!

Die Oscars 2013 sind vergeben, und ich hab nicht eine Wette, sondern gleich zwei gewonnen. Können wir jetzt nicht alle zufrieden sein?
Okay: Am Anfang war Seth MacFarlane unbeholfen, später aber echt witzig. (Nicht so witzig wie er sein kann, aber die Schuhe von Billy Crystal und Jon Stewart hat er ganz gut gefüllt.) Es wurde gesungen und getanzt, und der beste Schauspieler aller Zeiten hat erneut seinen Preis bekommen. So sollte es sein. Oder nicht?

Nein. Wenn es z.B. nach Spiegel-Online geht.
In der Oscar-Nacht hatte der hochmoderne Nachrichtendienst (hüstel) einen Twitter-Ticker und sonst noch so einiges eingerichtet, was man – wenn es ein Dutzend Live-Streams im Internet gibt – auf keinen Fall braucht. Hier wurde sich, in bester Boulevard-Manier, zum Beispiel über die zerzausten Haare von Robert DeNiro lustig gemacht. (Wow. Die journalistische Qualität einer Horde zwölfjähriger Mädchen. Was kommt als Nächstes: Ein Foto-Blog darüber, dass John Goodman so dick ist?)
Und dann, am nächsten Morgen, folgten die Nachbesprechungen und Kommentare und Bewertungen: Es gab zu viele Busenwitze von MacFarlane, zu wenig Zeit für die Dankesreden und sowieso waren alle Entscheidungen der Academy falsch und feige und doof! (Buah … echt jetzt: Könnt ihr das Meckern nicht den unbezahlten Bloggern überlassen?)

Erstmal: Jeder hat eine Meinung zu den Oscars. Das ist normal. Meine Oma, die keinen der Filme gesehen hat, hat eine Meinung. Aber dafür braucht man doch nicht einen Seite-Eins-Platz, auf der frequentiertesten Nachrichtenseite Deutschlands, verschwenden. „Triumph der Feigheit“, wirklich? Geht’s vielleicht ein bisschen kleiner? Wie wäre es mit: „We Love you, we hate you!“ Das spiegelt wenigstens die manisch-depressive Qualität wider, die die pseudo-liberalen, deutschen Leitmedien mittlerweile zu amerikanischer Kultur einnehmen. Wie ein Heroinabhängiger, der von seinen Eltern zur Ausnüchterung ins Kinderzimmer gesperrt wird. „Bitte. Ich will hier raus. Ich liebe euch, ich bin brav. – Ich hasse euch! Fuck you! Arrrrh!“
Da loben Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Rundschau und Spiegel „Zero Dark Thirty“ – ein Film der einen Diskurs anstößt (Und Argo sorgt gerade nicht für international Verwicklungen, oder was???) – und werden dann sauer, weil aber „ZDT“ nicht ausgezeichnet wurde. Er ist doch nominiert. Herrgott!
Gefühlte zweitausend Mal wurden Bilder aus „Zero Dark Thirty“ an diesem Abend gezeigt. Reicht das nicht an Werbung? Wer den Film nach dieser Nacht nicht sehen will: Selbst schuld. Und wer ihn gesehen hat. Der hat ihn gesehen. Mehr kann ein Film nicht verlangen: Gesehen werden.

Meiner bescheidenen Meinung nach, waren die Oscars dieses Jahr besonders großartig, weil am Anfang William Shatner auftrat. Und zwar als Captain Kirk.
Shatner hat noch nie einen Oscar gewonnen, war noch nicht mal nominiert. (Zu Unrecht, übrigens!) Trotzdem hat Seth MacFarlane mit seiner Zeitreise-Video-Telefon-Anruf-Nummer bewiesen, dass Star Trek vollkommen im Mainstream angekommen ist. Schon immer war! Jeder hat verstanden worauf er hinaus wollte. Jeder kennt Star Trek. Wirklich jeder kennt Captain Kirk.
Und genau darum geht es: Mainstream.
Die Oscar-Verleihung ist eben nicht das Filmfest in Venedig (mit europäischer Arthaus-Kleinkrämerei), auch nicht Cannes (mit deutlichem Fokus auf möglichst anstößige Filme) oder gar die Berlinale. (Wo dieses Jahr wirklich niemand wusste, was die Berlinale eigentlich war. Was für ein konfuses Programm. Blödelei neben jüdischem Realismus, neben zerreißender, belgischer Tragik und dann noch der Iran … Whaaaat? „Okay, ja. Wir verstehen es: Ihr wollt politisch relevant sein, aber gehört dazu nicht ein gewisser, roter Faden? Also ein durchdachtes Programm?“)
Die Oscars sind eine Show. Eine Show über Filme. Nominiert zu sein, bedeutet: Angekommen zu sein. Gewinnen ist zweitrangig. Deswegen stehen immer wieder in Trailern, über Schauspieler-Namen, auch „Oscar Nominee“. Weil das dann heißt: An diesem Schauspieler kam niemand vorbei. Er ist Mainstream!
Und das ist gut so. Dieses Jahr wurde klar gemacht: Politische Filme („Zero Dark Thirty“ und „Argo“) sind Mainstream. Zuschauer wollen politische Filme sehen. Daneben gab es aber auch eine deutschsprachige Produktion („Liebe“) und einen Indie-Film („Beasts of the Southern Wild“). Großartig. Und die Werbebilder für diese Filme laufen und laufen und laufen den ganzen Abend!

Vierzehn Mal war ein Star Trek-Film schon für einen Oscar nominiert. Vierzehn Mal!
Kein einziger Schauspieler, kein Drehbuchautor und auch kein Regisseur, war unter den Nominierten. Einmal war Jerry Goldsmith für die Musik nominiert (1979, „Star Trek: The Motion Picture“), und einmal ein Kameramann (Don Petermann, 1986 für „Star Trek IV“). Beide gewannen nicht.
2009 gewann Star Trek seinen ersten Oscar. Für die beste Maske. Nominiert war der Film außerdem in den Kategorien „Sound“, „Sound-Schnitt“ und „Visuelle Effekte“, wie die anderen Star Trek-Filme vor ihm.
Bei der gesamtkulturellen Relevanz von Star Trek, müssten die Trekkies … oder Trekker (keine Ahnung wie wir uns offiziell jetzt nennen), doch eigentlich die Wände hochgehen. Wo bleibt der Mut, Chris Pine – in seiner Rolle als junger Captain Kirk – mal einen Oscar zu geben. Hm? Im letzten „Star Trek“, eigentlich der Vorgeschichte zu allen Star Trek-Filmen, ging es um die Unfähigkeit die eigenen Leistungsgrenzen einzugestehen, um mit dieser Einstellung zu wachsen. Kobayashi-Maru.
Während in „Zero Dark Thirty“ die Frage gestellt wird, ob Folter vielleicht notwendig ist, setzt „Star Trek“ dagegen ein klares Nein.
Wir sind begrenzt durch unsere Menschlichkeit, vielleicht durch menschliche Körperlichkeit und Angst. Aber wir werden nicht begrenzt durch unsere Ansprüche an uns. Wir überschätzen uns, und das ist gut so. Sich mehr zuzutrauen, als man in der Lage ist zu leisten: Nur so verschiebt man die Grenzen, auch wenn man an ihnen zerschellt. In „Zero Dark Thirty“ zerschellt die CIA-Agentin an ihrer Regungslosigkeit.
„Zero Dark Thirty“ soll realistisch sein. Realistische, bohrende Fragen stellen.
Stéphane Hessel ist gestorben. Er wurde 95. Ich glaube er hätte, auf die Frage ob man Folter zulassen darf, geantwortet: Empöre Dich! Und verhindere es auf jeden Fall! Sei mehr als man Dir zutraut und als Du selbst für möglich hältst.

Ich bin nicht sauer, wenn der neue „Star Trek – Into Darkness“ nächstes Jahr keinen Oscar gewinnt. Aber eine Nominierung für „Sound“, „Sound-Schnitt“ oder die besten „Visuellen Effekte“ quittiere ich mit einem anerkennenden Nicken.

HARLEKIN POST (034) Unser Untergang, fast

Ein Meteoritenschauer über Russland. Gesundheitsgefahren durch Pferdefleisch. Ein Sprint-Star hat vielleicht seine Freundin getötet. Freilassung von Dutroux. Und der Papst dankt ab.
Gerade haben wir den errechneten Weltuntergang verpasst, da tauchen plötzlich Zeichen für einen tatsächlichen Untergang auf. Oder doch nicht?

Ein paar Fenster splittern, eine Handvoll Leute wurden verletzt. Mehr hat der Asteroid „2012 DA14“ nicht angerichtet. Aber wir haben wieder Angst vor Himmelskörpern, vor möglichen Einschlägen und vor allem vor Dingen, die wir nicht sehen können. Oder erst dann, wenn es zu spät sein soll.
Dabei ist das Universum verdammt groß. Ja. Verdammt, fucking groß! So groß: Kein Astronom könnte annähernd genau sagen wie groß es ist. So groß ist es!
Also ist wirklich viel Platz in diesem Universum.
Sagen wir, wir haben eine Turnhalle. Und in dieser Turnhalle gibt es keine Schwerkraft. (Tolle Vorstellung. Hätte ich bei der Hochsprung-Note wirklich gebrauchen können! Ein Meter-Dreißig. Vier-Minus. Was für ein Mist!)
In diese Turnhalle (und ich meine nicht so eine kleine, ostdeutsche, Kindergarten-Turnhalle. Eine westdeutsche Turnhalle, späte Achtziger, mit zwei Trennwänden, die man herunter lassen kann) werfen wir zwei Reiskörner. Die Reiskörner würden – ohne Schwerkraft – immer weiter fliegen, bis sie von einer Wand, dem Boden oder der Decke abprallen und ihre Flugbahn ändern. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich beide Reiskörner jemals berühren, ist astronomisch klein. Ach was. Gleich Null. Und noch geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass unsere Erde von einem Himmelkörper getroffen wird, der irgendeine Auswirkung auf unser Leben hat. So. Punkt um.

Pferdefleisch soll ja schädlich sein, weil Medikamente drin sind. Aha. Und das 2,99€-Rindfleisch von Lidl ist von glücklichen Kühen. Kühe, die auf einer grünen Wiese grasen, nur reines Quellwasser trinken und ausgesuchten Salat essen. Oder was?
Wir sind eine Fleisch-Nation. Wie bei allen industrialisierten Staaten, ist unser Fleisch-Konsum ähnlich hoch, wie unser Porno-Konsum. Gigantisch. (Zufall???)
Wir allen fressen Fleisch, weil es uns schmeckt. Seit wann interessiert uns was da in die Tiere gepumpt wurde?
Natürlich will niemand unabsichtlich Pferdefleisch essen. Ich erinnere mich an eine Kriegsgesichte meines Großvaters: Ein Kamerad bekam ein Paket aus der Heimat an die Front geschickt. Drinnen war auch ein Stück Fleisch. Der Kamerad teilte das Fleisch mit seinen Freunden. Nach dem dritten Bissen erfuhr mein Großvater dass es Hund war. Er kotzte die ganze Nacht. Hat er jedenfalls gesagt.
Ich würde auch nie Hund oder Pferd essen. Da denk ich an Lassie, Fury oder Mr. Ed. Aber gefährlich? Bestimmt nicht gefährlicher als Rindfleisch, Kettwurst oder Bubble-Tea.

Menschen können Arschlöcher sein. Nicht nur O.J. hat seine Freundin umgebracht. Tausende vor ihm und tausende nach ihm. Macht das die Sache besser: Nein. Weniger schlimm: Auf keinen Fall. Sollte mich das deswegen interessieren? Nein.

Was mich interessiert ist dieser Fall:
Marc Dutroux ist ein Drecksack. Ein Schwein, eine Sau, ein echter Wichser. Der Hitler unter den Belgiern. Ein Verbrecher, ein krankes Arschloch.
Wie wir mit den Geringsten in unserer Mitte umgehen, so ist der Stand unserer gesellschaftlichen Entwicklung. Im Kontrast zu dem was dumme Leute – wie ein gewisser, deutscher Film-Star z.B. – fordern, ist es nicht die Aufgabe einer Gemeinschaft den Einzelnen außergewöhnlich hart und unbarmherzig zu bestrafen. Wenn wir diesem Impuls, den ich bei jedem Angehörigen der Opfer nachvollziehen und teilen kann, nachgeben – hat sich in fünftausend Jahren Menschheitsgeschichte nichts getan. Und wir können zurück in die Höhlen, aus denen wir gekommen sind. Zu sauberer Wäsche, iPhone und Hochgeschwindigkeitszügen sollte auch ein Mindestmaß an sozialer Entwicklung stoßen. Begnadigung, Resozialisierung und Barmherzigkeit hat irgendjemand mal als Schwäche deklariert – Es ist das Stärkste was wir haben. Wer das nicht glaubt, sollte Thomas Paine lesen! Das war seinerzeit beliebter als heute „Fifty Shades of Gray“ … und dazu braucht er nicht mal Soft-Sex-Fesselspiele!

Der Papst ist tot. Nein? Ach, nur zurückgetreten. Heißt das: Jupp Heynckes muss als Interims-Papst übernehmen? Und am Ende holt der Vatikan Markus Babbel und steigt ab.
Die aktuelle Saison läuft aber auch echt nicht gut für die Katholiken. In Afrika werden sie jedes Wochenende vom Islam vorgeführt, in der Asien-Liga kriegen sie keinen Fuß auf den Boden, und selbst in der europäischen Champions League rennen ihnen die jungen Zuschauer weg.
War aber auch klar. Ähnlich wie Hoffenheim, wurde der Katholizismus einfach zu schnell zu stark gepusht. Irgendwann musste das vorbei sein. Die besten Spieler stammten auch nie aus der eigenen Jugend: Jesus war Jude, Petrus auch. Und die Stars wechselten vor ihrer besten Saison zu einem anderen Verein: Martin Luther wurde exkommuniziert, Eugen Drewermann auch!
Vielleicht ist der Katholizismus auch wie die Hertha. Eigentlich ein Hauptstadtclub, große Aufgaben, aber einfach nicht attraktiv genug. Spielt im Olympiastadion, ist aber nur Bundesjugendspiel!
Wenn Benedict so etwas wie der Felix Magath unter den Päpsten war, vielleicht wird es Zeit für einen Spielertrainer. Oder man wechselt dahin, wo man eigentlich schon die ganze Zeit ist: Tipp-Kick!

HARLEKIN POST (033) Episode VII

Star Trek und Star Wars. Das waren die zeitaufwendigsten Themen, die zeitintensivsten Beschäftigungen meiner Jugend.
Daneben gab es zwar Schule und Basketball (allerdings längst nicht so zeitintensiv, wie es sich meine Eltern gewünscht hätten), und Mädchen und … Mädchen (längst nicht so zeitintensiv, wie ich es mir gewünscht hätte). Das mein Zeitaufwand für Star Trek und Star Wars etwas mit der chronischen Abwesenheit, gerade von Mädchen zu tun hatten, wurde mir erst viel zu spät bewusst.
Doch da war es längst zu spät. Zwar kann ich es heute einigermaßen verbergen, aber ich rede immer noch am allerliebsten über die beiden Star-Film-Reihen. Und tatsächlich über beide: Star Trek und Star Wars. Es gibt Leute … Fans … die meinen, man müsse sich entscheiden: Aber ich höre auch Rolling Stones und die Beatles. Blur und Oasis. Travis und Coldplay. Kein Problem.

Neulich hab ich mich gefragt: Wie kommt Darth Vader in „Empire“ eigentlich darauf, nachdem er Luke die Hand abgeschlagen hat, ihm zu sagen: Ich bin dein Vater!
Das ist so, als würde mich mein Vater ne Treppe runter schubsen und mir danach sagen: „Übrigens, Du bist adoptiert.“
Was Vader getan hat echt wirklich gemein. Richtig fies. Und Luke vorher auch noch zu fragen: „Wollen wir nicht gemeinsam die Galaxis regieren?“
„Ja natürlich. Jetzt wo ich keinen Arm mehr habe und ach … mein gesamtes Leben eine Lüge war. Sicher. Los geht’s. Let’s kill some Ewoks!“
Wenn man es so sieht: Vader ist zurecht der Bösewicht. Palpatine war niemals so ein Arsch. Der hat Anakin nicht den Arm abgeschlagen, damit der Samuel L. Jackson aus dem Fenster stößt! Und sind wir mal ehrlich: Eigentlich dürfte Vader am Ende gar nicht in diesen durchsichtigen-Geist-Jedi-Himmel kommen …
(So. Mittlerweile sollten alle Nicht-Fans … also Mädchen … aufgehört haben zu lesen. Da wir nun unter uns sind: Es wird noch nerdiger!)

Nun hat Disney Lucasfilm gekauft. Und nicht mal eine Woche hat es gedauert, da hieß es dann: Episode 7 wird gedreht. Und vielleicht noch mehr Filme. (Hoffentlich machen die bei Disney das nicht wie mit ihrer Aladdin-Reihe … da gab es am Ende zehntausend Abklatsch-Serien und zwei Dutzend „Direct-to-DVD“-Filme.)
Es sollen Spin-Off-Filme zu Boba-Fett, Han-Solo oder Yoda entstehen. Bei Star-Trek wäre das so, als würde man sagen: „Wir drehen einen Kinofilm namens ‚Chekovs Traumreise‘.“ Vielen Dank.
(Bei aller Fairness. So etwas gab es. Jedenfalls fast: Moontrap! Und Bruce Campbell spielt auch mit. Und noch was: Wäre Campbell nicht eigentlich der perfekte Kirk-Verschnitt in Galaxy Quest gewesen? Statt Tim Allen? Alter Schwede wäre das dann ein geiler Film geworden! Was Spaceballs für Star Wars war, hätte Galaxy Quest für Star Trek sein können. Aber ich phantasiere.)
Nun wurde vergangene Woche der Feuchte-Traum aller Lost-&-Star Wars-Fans wahr: J.J. fucking „Fringe“ Abrams … J.J. fucking „Alias“ Abrams … J.J. not so fucking great „Super 8“ Abrams … J.J. „Cloverfield“ Abrams … man könnte ewig so weitermachen. Auf jeden Fall, der Typ der uns kein Ende für „Lost“, kein richtiges Ende und furchtbar verwirrende Zeitsprünge für „Fringe“, und der Typ der uns einen der besten Star Trek – Filme gegeben hat … J.J. Abrams wird bei Episode 7 Regie führen. Tada! Wenn das nicht bei einigen Fans zu nasser Hose führt …
Immerhin gilt Abrams als der Superheld in allen Nerd-Träumen. Und ich muss zugeben: Mission Impossible 3 war großartig. Sein „Star Trek“ war toll … keine Ahnung was Eric Bana in diesem Film als Romulaner gemacht hat, aber der Film sah geil aus. Lense-Flare-Effekte noch und nöcher, Action und Karl Urban als Pille. Hammer! (Und war das Tyler Perry als Admiral? Madea himself? Hat der für seinen Alex Cross geübt?)

Doch irgendwie will sich bei mir nicht recht die Begeisterung einstellen, die ich seit der Verpflichtung von J.J. Abrams empfinden müsste.
Liegt es vielleicht daran, dass ich gar keinen neuen Star Wars – Film sehen will?
Kann das sein? Wie war das damals? In der ersten Mitternachtspremiere meines Lebens.
Episode I. Und es wurde geklatscht, schon als das Lucasfilm-Logo aufblendete.
Und dann: Ein furchtbarer Film. Furchtbar. Soviel war mir nach dem ersten Mal, und ist mir auch nach dem zwanzigsten Mal klar.
Ja. Ich habe Episode I – auch in der normalen, mit JarJar-Bings-Fassung – mehr als zwanzig Mal gesehen. Einfach weil er dazu gehört. Und weil George Lucas ihn gemacht hat. George Lucas. Er hat mit Star Wars eine Familiengeschichte erfunden. Vielleicht ist das sogar der springende Punkt.
Das ist die Unterscheidung von Star Wars und Star Trek: Star Wars war immer auf die Charaktere bezogen. Immer auf die Familie Skywalker. Deswegen heißt Lucas Anwesen auch „Skywalker Ranch“ und nicht „Star Wars Ranch“. Weil es um Luke und Leia und ihrem Drecksack von Vater, Darth Vader geht.
Bei Star Trek ging es immer um die ganze Crew. Ja. Da ging es auch um Kirk und Spock. Aber die waren Arbeitskollegen. Im Grunde während der gesamten Serie. Erst später – so ab Star Trek II – dann auch Freunde. Eben der normale Gang. Es war wie im Büro. Wenn Du nur oft genug, nach einer Weihnachtsfeier, neben nem Kollegen in der gemeinsamen Kotzelache aufgewacht bist, dann wird man Freunde.
Star Wars war immer eine Familiengeschichte. Eine zerrüttete zwar, mit dem disfunktionalen Vater/Schrägstrich/Peiniger Darth „Anakin klingt zu niedlich, deswegen heiß ich nur ohne Maske so“ Vader.

Diese Familiensaga – deswegen auch Star Wars-Saga – war mythischer und tiefenpsychologischer. Die Figuren in Star Trek sind immer am Weltraum, an einer „realistischen“ (hihi. Genau. In der Zukunft gibt es kein Geld!!!) Zukunftsvision interessiert. Eine Utopie. Und keine Dystopie eines Vaters, der seinen Sohn verstümmelt und dann seiner Tochter habhaft werden will, nur um sie einem alten Greis im schwarzen Mantel mit weißer Papier-Haut anzuvertrauen, um alle auf die „dunkle Seite“ (was nur anal sein kann!) zu ziehen. Happy-End? Wieviel Probleme hat sich Han wohl mit Leia ins Haus geholt? Und dann die pseudo-sexuelle Beziehung von Luke und Leia. Geschwisterliebe á la „Verbotene Liebe“! Na, kein Wunder. Bei dem Vater.
Wie dem auch sei. Genau wegen dieser Unterscheidung (Arbeiter-Freundschaftsromantik versus Space-Opera) kann ich auch ganz klar sagen: Ich mag beides. Star Wars und Star Trek. Klar hab ich mehr Stunden mit Star Trek verbracht – gab ja auch mehr zu sehen, der Weltraum ist groß – aber nichts knallt so in den Ohren, wie der „Imperial March“ von John Williams. Was das Visuelle angeht, war Star Wars schließlich immer einen Schritt voraus. (Aber immerhin hat Kirk Spock nie lasziv gefragt: „Na? So jung, und schon bei der Sternenflotte?“)

Was ich sagen wollte (bevor ich Schaum vor dem Mund hatte): J.J. Abrams dreht also Star Wars Episode 7. Und alle drehen durch. Ja, der kann das. Der ist gut. – Okay. Stimmt. Er kann Geschichten erzählen. Schnell und eifrig und meistens mit zu vielen Geheimnissen und Sub-Plots … egal.
Muss ich aber Star Wars von ihm sehen? Muss das sein? Die Geschichte von Darth, Luke und Leia, die gesamte Skywalker-Familiensaga ist doch beendet. Außer Leia dreht durch und verprügelt ihre Kinder, weil ihr klar wird das ihr Vater ihre Mutter umbrachte und dann auch daneben stand, als ihre Zieheltern umgebracht wurden … kann doch nichts mehr passieren. Oder?
Star Trek wird dagegen nie auserzählt sein: Deswegen freu ich mich jetzt auch schon auf „Into the Darkness“. J.J. Abrams hat die visuelle Kraft – die Star Trek unter Jonathan Frakes irgendwie verloren hatte (kein Wunder – der hat ansonsten nur „Clockstoppers“ gemacht. Clockstoppers!!!) – zurückgewonnen. So wie damals bei Star Trek – Der Film. Angelehnt an „2001“. Es war eine bildgewaltige, philosophische Welt. Und J.J. Abrams hat vielleicht etwas von der Philosphie genommen, aber er hat beeindruckende Bilder zurück gebracht.
Danke. Ernsthaft. Und Benedict Cumber-Sherlock als Khan (!?!) im neuen Trailer … großartig.
Aber Star Wars? Mit Lense-Flare? Star Wars sah doch schon immer gut aus. (Mal abgesehen von Yoda in der Kinofassung von Episode I. Ich hab den Schnitt nicht mehr bekommen, mittlerweile haben sie ja einen CGI-Yoda in die DVD-Fassung eingesetzt, aber da war ganz sicher eine echt hässliche Puppe drin! Richtig hässlich! Wie ein Gremlin.)

Warum nicht etwas anderes ausprobieren? Einen anderen Regisseur, jemanden der nicht schon zwei Franchises (Star Trek (Three-Picture-Deal) & Mission Impossible (eine Fortsetzung muss noch her!)) im Sack hat. Der vielleicht was probiert.
Gene Roddenberry hat damals mit Star Trek eine mutige Zukunftsvision entworfen. Und ist erst mal gescheitert. Re-Runs auf kleinen, lokalen Fernsehsendern hauchten einer toten Serie neues Leben ein. Und haben das mit zu verantworten, was im Mai wieder mal ins Kino kommt.
George Lucas hat damals mit „A New Hope“ mutig eine Space-Opera inszeniert, die niemand wirklich haben wollte. Die ersten Kameramänner haben ihm abgesagt, Schauspieler wollten lieber nicht mitmachen (Warum sollte man sich sonst für Mark Hamill entscheiden?), die ersten Kritiken waren vernichtend. Und jetzt?
Bei Episode I, II & III war die Fanbase da und hat einen finanziellen Absturz, trotz schlechter Filme, verhindert. Aber jeder gibt zu: So wirklich super-duper-geil war die neue Trilogie nicht.

Der Letzte, der wirklich Mut bewiesen hat, war Andrew Stanton. (Ja. Ich meine den Typen der Nemo und Wall-E gemacht hat.) Und ist damit kolossal gescheitert. Und ich meine wirklich kolossal. Der 250-Millionen-Sciencen-Fiction-Gigant „John Carter“ war ein Millionengrab, welches den Studiochef von Disney zum Rücktritt zwang. Warum auch immer. (Wenn Du jemanden nach Zahlen einstellst, solltest Du dann nicht ein anderes Unternehmen, als ein Filmstudio leiten? Lässt sich nicht in fast jeder Branche mehr und gezielter Geld verdienen, als mit Filmen?)
Andrew Stanton kreierte, basierend auf dem über 100 Jahren alten Buch von Edgar Rice Burroughs – der, wie Jules Verne und H.G. Wells eine Zukunft der Weltraumfahrt mit Dampfmaschinen beschrieb – eine nicht alltägliche Science-Fiction-Welt. Keine fliegenden Autos (die alle wie der Prius aussehen) und keine hypermodernen Tablet-Computer (die dann doch nur das iPad-3 nachstellen). Okay, „John Carter“ war vielleicht zu lang. Aber mutig. Eine phantastische Welt, großartig in Szene gesetzt. Aber leider viel zu verspielt für ein Publikum, dass Expendables 2 zum erfolgreichsten Stallone-Film seit … eigentlich den besten Stallone-Filme aller Zeiten macht!
Und alle hacken auf „John Carter“ herum, und wenn sie nicht auf dem Film, dann hacken sie auf seinen Einspielergebnissen herum … oder eben gerade Nicht-Einspielergebnissen.

Aber jetzt freuen sich alle auf J.J. fucking „Episode 7“ Abrams. Als könnte er mit dem beliebtesten Franchise der Welt einen Fehler machen. Warum häuft er wohl Franchises? Weil er weiß: Die Fans sind schon da. Niemand kannte „John Carter“, und wenn den Namen mal jemand kannte … aus dem Buch „Princess of Mars“, dann war dieser jemand schon seit Jahren tot. Also schlecht über eine Facebook-Fan-Kampagne zu erreichen.
Mal aufgefallen: Es gibt keine Franchises mehr, die aus Filmen geboren werden. Twilight … war ein Buch. Harry Potter auch. Der Hobbit. Avengers, Iron Man, Thor, Hulk … Batman (!) … alles Comics. Lediglich The Fast and the Furious … okay. Die berühmte Ausnahme. Oder The Expandables. Aber wirklich große Science-Fiction oder Fantasy … nur nach Buchvorlage oder mit einer soliden Comic-Fan-Basis.
Warum legt man Star Wars nicht mal in die Hände eines unbekannteren Regisseurs, eines unbekannteren Autoren. George Lucas war vor Star Wars unbekannt. Jetzt könnte ein junger Regisseur dem Ganzen neuen Wind geben. Was ist zum Beispiel mit Shane Carruth? Der Typ der „Primer“ gemacht hat? Hm? Oder Andre Ovredal. Der Regisseur von „Trollhunter“? Glaubt niemand das solche Typen Star Wars noch eine Dimension hinzufügen könnten? Vielleicht sogar etwas entdecken, etwas erzählen was wir so noch nie erzählt bekamen?
Was ist mit Gareth Edwards? Seit Jahren sitzt der an der Vor-Produktion zum neuen Godzilla-Film. Vielleicht sind Monster nicht sein Ding. Der kriegt bestimmt auch Lichtschwerter ordentlich in ne Szene integriert.

Was ich damit sagen will: Ich möchte ins Kino gehen und von Science-Fiction nicht nur unterhalten, ich will begeistert und mitgerissen werden! Und das nicht wie bei „Lost“, mit nicht-aufhören wollenden Cliffhangern, sondern wie bei „2001“ … durch meine pure Vorstellung, genährt von tollen Bildern und großen Fragen.

Als ich jung war, investierte ich – zum Leidwesen meiner Eltern – nicht sehr viel Zeit in Schule oder Basketball. So wurde ich auch nie wirklich gut darin Dingen. Mit Mädchen war es ähnlich. (Ich könnte auch eine Reihe von Zeuginnen anführen, die dies gerne bestätigen.)
Doch die eine Sache, die ich ganz ohne falschen Stolz als mein Steckenpferd bezeichnen kann, ist eine Faszination für Science-Fiction. Ob es um Figuren, Familiengeschichten, Freundschaften oder den Weltraum und die großen Fragen dahinter geht.
Bei Mädchen, Schule und Basketball ist es vielleicht zu spät, aber Science-Fiction werde ich nicht einfach so aufgeben. Hier ist Arbeit zu verrichten. Gute Filme unterstützen, mutige Filme machen. Und wenn man nicht weiß wo man anfangen soll, dann eben ganze einfach damit, sechs Mal die Bluray von „John Carter“ zu kaufen. Ich krieg den Film schon noch ins Plus. Und wenn Disney das merkt, dann trauen sie sich vielleicht auch wieder was.

HARLEKIN POST (032) Cahiers du Cinema

Hin und wieder kommt es vor, dass sich Kritik an den Kritikern rührt. Vor allem passiert das auf den abgeschiedenen, trockenkalten Seiten des Feuilletons, in verwinkelten Artikeln unter dem Reiter „Kultur“ auf Nachrichtenportalen oder in vielen, vielen, sehr vielen Blogs.
Diese Kritik, sozusagen der zweiten Ordnung, wird vorrangig dann angestellt, wenn ein Kulturphänomen gesellschaftsrelevante Züge annimmt, also groß wird. (Oder jedenfalls danach aussieht.)
Wie zuletzt bei der Debatte um „Wetten dass..?“ ohne Gottschalk oder die neue Staffel des Dschungelcamps. Letztendlich sah man bei beiden Themen ein, dass viel zu viel über sie geschrieben wurde und das nichts oder zu wenig dabei heraus kam, um all den Aufwand (die Seiten echtes oder virtuelles Papier) zu rechtfertigen. Also rückte der Aufwand selber, und diejenigen die den Aufwand betrieben in den Fokus. Die Kulturredakteure und Journalisten, die scheinbar selbst dem gierigen Konsum von Massenware verfallen waren und dabei vergessen hatten: Sie sind nicht dazu da Gemeinplätze in Stone Serif und Mirage zu kommunizieren.
Wirklich viel Kritik wurde natürlich nicht an den Kritikern geübt. Und die Kritiker die es taten, waren sofort Kulturpessimisten (Intern: Nestbeschmutzer). Und dann verschwanden sie wieder, unaufgeregt und unbeachtet wie zuvor.

Gute Kritik ist schwierig. Weil sie viel Arbeit und noch mehr Wissen voraussetzt.
Gute Kritik ist allerdings auch wichtig, weil sie hilft Kulturprodukte einzuordnen und weil Kritik selbst ein Kulturprodukt ist. Sie muss natürlich gut geschrieben, recherchiert und vor allem inspiriert sein.
Gute Kritik zeichnet sich durch scheinbare Objektivität aus. Durch einen Willen jedenfalls, sich möglichst objektiv einem Kulturthema/Kulturprodukt zu nähern, es zu betrachten, es einzuordnen, es abzuwiegen, seine Relevanz zu bewerten, thematische wie stilistische Merkmale zu erkunden. Gute Kritik ist also kein Spaziergang. (Jedenfalls kein Spaziergang bei schönem Wetter.)

Phillip Stadelmaier schrieb einen Artikel über „The Impossible“, den Film zur Tsunami-Katastrophe in Thailand 2004 (Süddeutsche Zeitung, 1. Februar).
Dabei bediente sich Stadelmaier kaum Argumenten oder gar Wissen/Einsicht um seine abfällige Meinung dem Film gegenüber zu begründen, sondern pflückte die Meinung und gebrüllte Abneigung Anderer aus der Luft und legte sie in seinen Text:
Stadelmaier besuchte eine „Sneak Preview“, also einen Kinogänger-Blindflug, und nutzte die Anwesenden als seine Legitimationsgruppe für eine Abwertung und Anklage von „The Impossible“.

Erstmal scheint es eine gute Idee der „Sneak Preview“, ein wöchentliches Phänomen überall im Land, eine journalistischen Betrachtung angedeihen zu lassen.
Man könnte über lokale Unterschiede schreiben, über die Fähigkeit von guten Theaterleitern ein gewisses Publikum zu kultivieren. Man könnte über die Party-Kultur in einem „Sneak-Preview“-Saal schreiben, über die Filmsnobs, die nur da sind um ihre negative Meinung über die Auswahl bestätigt zu sehen, oder die Begeisterten, die sich auch nicht von der Möglichkeit eines B-Horrorfilms abschrecken lassen (das diese Möglichkeit besteht, zeigt sich in der generellen Altersfreigabe für „Sneak Previews“ von FSK 18). Man könnte über Gewinnspiele im Kinosaal sprechen, die als Motivationsgrund immer wieder Besucher am Montagabend ins Kino locken, oder man schreibt darüber das die richtig großen Filme niemals ge-„sneak previewed“ werden. Warum nicht? „Sneak Previews“ sind eben doch nur Werbeveranstaltungen.
Doch Stadelmaier flüchtet sich in Verallgemeinerungen, Vorurteile und Oberflächlichkeiten. Er teilt das Publikum in betrunkene Jungs-Gruppen und Tupperware-mitbringende-Sparfüchse. Das war es. Wow. Mit ähnlicher Trennschärfe unterscheidet man Männer und Frauen auf öffentlichen Toiletten.

Und dann die Bewertung von „The Impossible“. Stadelmaier glaubt in der grölenden Masse eine Müdigkeit gegenüber emotional aufgeladenen, schulischen Bildern zu sehen. Glaubt im Kommentarwahn der Masse eine allgemeine Erkenntnis in der Bevölkerung zu filmischen Mitteln zu erkennen. Als wäre die Youtube-Kommentar-Generation besonders selbstreferentiell und erkenntnisreich. (Siehe: Sprichwörtlich alle Kommentare zu YouTube-Videos. Egal welches Thema, egal was für ein Video. Selbst unter Katzenvideos steht: „Fuck you, Du scheiß Katzen-Schlampe!“ Sehr erleuchtet, diese Leute. Erzähl mir mehr!)
Wenn in „The Impossible“ die auf den Fluten treibende Cola-Dose vom Publikum belacht wird, glaubt Stadelmaier das hier simple Konsumkritik erkannt und verspottet wird. Und wenn der weinende Kinderdarsteller vom offensichtlich falschen Publikum ausgebuht wird, sieht Stadelmaier einen Aufbruch des Zuschauers in postmoderne Gefilde und seine theoretisierte „Bildermüdigkeit“ bestätigt.
Bestimmt, Phillip. Ganz bestimmt.

Filme haben ihr Publikum, genauso wie es Theaterstücke und Musiker haben.
Die Aufgabe des Kritikers ist es eben nicht ein Publikum zu sein. Dafür wird man bezahlt, nicht dafür sich in eine „Sneak Preview“ zu setzen und hinterher zu protokollieren wie schön es war mit den Bekloppten in Richtung Leinwand zu schreien und sich als Feind des Kino-MoWs zu outen. Danke Stadelmaier, schreib lieber weiter offensichtliche Kritiken über „Schutzengel“. (War sehr aufschlussreich was da stand: Aha. Eine Soldatenbiografie von Til Schweiger die pro Krieg ist. Hm? Wirklich? Wie wäre es mit einem ähnlichen Artikel über „Der Hobbit“? Lass mich raten: Er war wunderbar, aber nicht so gut wie „Herr der Ringe“. Danke!)

1954 veröffentlichte Francois Truffaut als Kritiker seinen ersten Artikel zur Auteur-Theorie. Diese Theorie setzt Filmemacher, besonders Autorenfilmer, mit ihren Werken in den Kontrast zu Produzenten-Filmen. Sie geht davon aus, dass man Filme nicht grundsätzlich nur nach inhaltlichen oder formalen Gesichtspunkten beurteilen und besprechen sollte. Es ist an den Filmkritikern, so Truffaut, sich auf die Suche nach tieferen Schichten eines Films zu begeben. Schichten die ein Filmemacher anlegt, manchmal ohne Wissen des Zuschauers. Der Kritiker soll danach forschen. Das sei er seinen Lesern schuldig!

Jee-woon Kim war einmal so ein Autorenfilmer. Er schrieb das Buch zu „A Bittersweet Life“ und „Der Fluch der 2 Schwestern“ und führte bei beiden Filmen Regie.
Kim hat mich besonders mit „A Bittersweet Life“ beeindruckt. In erster Linie ist es ein Gangsterfilm, so wurde er in Deutschland auch vermarktet. Geradezu klassisch. Ein Gangster wird nach einer moralischen Handlung verbannt und beinahe getötet. Anschließend rächt er sich. Doch „A Bittersweet Life“ geht noch weiter. Der Film zeigt eine gespaltene Welt. Südkorea, gerade Seoul, ist eine Welt der glatten, glänzenden und antiseptischen Oberflächen. Die Schattenwelt, in der sich die Hauptfigur Sun-Woo in „A Bittersweet Life“ bewegt, ist in dieses edle und teure Gewand gehüllt. Sie überstrahlt damit fast das dreckige Geschäft. Dieses wird erst deutlich heraus gehoben, als der Held aus der strahlenden Welt verbannt wird. Wie ein Engel fällt er sprichwörtlich in den Morast. Die Entscheidung für Moral befleckt das Leben von Sun-Woo nachhaltig, er wird sterblich. Jee-woon Kim spielt leichtfüßig mit einer grundsätzlichen Dualität. Gut und Böse. Bitter und Süß. Humor und Gewalt. Liebe und Hass.
Jee-woon Kim führte auch beim neuen Film von Arnold Schwarzenegger Regie. (Ein Zeichen für die typischen Hollywood-Rekrutierungspolitik. Darüber sollte man mal was schreiben, Phillip!)
„The Last Stand“ wurde, gerade in den deutschen Medien, nicht gerade zurückhaltend verrissen. Und man kann erst mal nichts dagegen sagen: Die Story ist einfach. Ein Sheriff, ein Dorf, ein entflohener Kartellboss. Irgendwoher kennt man das schon. Ein absoluter Produzenten-Film eben. Dann auch noch Arnold Schwarzenegger als Hauptdarsteller, einen Bösewicht spielt Peter Stormare, Johnny Knoxville den Waffennarren mit gutem Herz und Forest Whitaker den FBI-Agenten.
Guckt man sich den Film dann aber an, bemerkt man kleine Momente die deutlich auf einen Autoren am Werk hinweisen (sowohl am Buch, als auch auf dem Regie-Stuhl): Schwarzeneggers Deputy verletzt sich mit einer Pistole, absolut selbstverantwortlich. Später sterben dutzende Menschen durch Waffen, aber niemals ist die Wucht einer Waffe so spürbar wie in dieser Szene. Man spielt eben nicht mit Waffen. Waffen sind für uns gefährlich – nicht so für den Übermenschen Schwarzenegger.
Anschließend nimmt sich Jee-woon tatsächlich Zeit für eine gewisse Charakterzeichnung. Luis Guzman, zum Beispiel, nimmt mit seiner Rolle als älterer Deputy nie wirklich Abstand von notorisch tollpatschigen Rollen der Vergangenheit. Aber er wirkt manchmal fast ernst. Ein trauriger Clown. Und dank des großartigen Synchronsprechers Thomas Danneberg addiert sich zu Arnold Schwarzenegger – wie eigentlich in all seinen Filmen – über die Stimme sogar so etwas wie Charakter. Ein Charakter den sein blechernes Spiel im Englischen vermissen lässt.
(An dieser Stelle ein kurzer Dank an die tapfere Synchronkultur in Deutschland. Hier wird immer schlechter bezahlt, und deswegen auch immer schlechter produziert, aber manchmal können hervorragende Sprecher doch noch etwas herausholen. Danke! Über euch sollten Filmkritiker mal schreiben! Stadelmaier???)
„The Last Stand“ ist kein großartiger Film. Nicht mal im Ansatz ein guter Film mit Arnold Schwarzenegger. Und Jee-woon Kim kann man nur wünschen, dass er beim nächsten Film wieder selbst schreiben darf und zurück nach Südkorea kehrt. Trotzdem:
An „The Last Stand“ waren drei Autoren beteiligt (typisch für Produzenten-Filme, bei denen man die Massenkompatibilität durch professionelle Pens-for-Hire sicherstellen will). Der eher unbekannte Andrew Knauer verkaufte so seine Idee und die erste Drehbuchfassung. Man erkennt in der Geschichte sogleich auch Momente von Interesse und Begeisterung für Story und Charaktere – diese wurden dann zwar leicht durch die Überarbeitung von Jeffrey Nachmanoff verwässert, doch auch der Autor von „Traitor“ scheint sein Interesse an Handlung und Personen nicht komplett verloren zu haben. Geschuldet ist das vielleicht auch dem Story Supervisor George Nolfi („Der Plan“).
Alles in allem: Wenigstens ein unterhaltsamer Film. Wenn man sich die Zeit nimmt hinzusehen. Wenigstens 90 Minuten.

Ich weiß nicht in wie weit Juan Antonio Bayona mit seinem Liebelingsautor Sergio G. Sanchez (mit dem er schon den wunderbar-schauderhaften „Das Waisenhaus“ gemacht hat) vielleicht in „The Impossible“ Geschlossenheit in der Handlungsvermissen lässt, wie viele bemühte Bilder er aufzieht oder wie wenig er sich für seine Figuren interessiert. Ich habe den Film noch nicht gesehen. Aber ich erwarte von Filmkritikern eine gewisse Auseinandersetzung. Ich erwarte einen interessierten Blick. Gerade wenn sie für ihre Meinung bezahlt werden, und zwar auch von mir. (Ja. Monetäre Argumente sind problematisch. Na und? So ist auch die Frage ob man die Sklaverei in einer Action-Comedy behandeln darf – hat niemanden daran gehindert Tarantino über den grünen Klee zu loben!) Etwas mehr Einsatz und Arbeit. Mehr will ich gar nicht.
Und was „The Impossible“ angeht: Den guck ich mir auf jeden Fall an. Und auf jeden Fall nicht in einer „Sneak Preview“.