Archiv der Kategorie: Harlekin Post

HARLEKIN POST (035) And the Oscar goes to … Captain Kirk!

Die Oscars 2013 sind vergeben, und ich hab nicht eine Wette, sondern gleich zwei gewonnen. Können wir jetzt nicht alle zufrieden sein?
Okay: Am Anfang war Seth MacFarlane unbeholfen, später aber echt witzig. (Nicht so witzig wie er sein kann, aber die Schuhe von Billy Crystal und Jon Stewart hat er ganz gut gefüllt.) Es wurde gesungen und getanzt, und der beste Schauspieler aller Zeiten hat erneut seinen Preis bekommen. So sollte es sein. Oder nicht?

Nein. Wenn es z.B. nach Spiegel-Online geht.
In der Oscar-Nacht hatte der hochmoderne Nachrichtendienst (hüstel) einen Twitter-Ticker und sonst noch so einiges eingerichtet, was man – wenn es ein Dutzend Live-Streams im Internet gibt – auf keinen Fall braucht. Hier wurde sich, in bester Boulevard-Manier, zum Beispiel über die zerzausten Haare von Robert DeNiro lustig gemacht. (Wow. Die journalistische Qualität einer Horde zwölfjähriger Mädchen. Was kommt als Nächstes: Ein Foto-Blog darüber, dass John Goodman so dick ist?)
Und dann, am nächsten Morgen, folgten die Nachbesprechungen und Kommentare und Bewertungen: Es gab zu viele Busenwitze von MacFarlane, zu wenig Zeit für die Dankesreden und sowieso waren alle Entscheidungen der Academy falsch und feige und doof! (Buah … echt jetzt: Könnt ihr das Meckern nicht den unbezahlten Bloggern überlassen?)

Erstmal: Jeder hat eine Meinung zu den Oscars. Das ist normal. Meine Oma, die keinen der Filme gesehen hat, hat eine Meinung. Aber dafür braucht man doch nicht einen Seite-Eins-Platz, auf der frequentiertesten Nachrichtenseite Deutschlands, verschwenden. „Triumph der Feigheit“, wirklich? Geht’s vielleicht ein bisschen kleiner? Wie wäre es mit: „We Love you, we hate you!“ Das spiegelt wenigstens die manisch-depressive Qualität wider, die die pseudo-liberalen, deutschen Leitmedien mittlerweile zu amerikanischer Kultur einnehmen. Wie ein Heroinabhängiger, der von seinen Eltern zur Ausnüchterung ins Kinderzimmer gesperrt wird. „Bitte. Ich will hier raus. Ich liebe euch, ich bin brav. – Ich hasse euch! Fuck you! Arrrrh!“
Da loben Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Rundschau und Spiegel „Zero Dark Thirty“ – ein Film der einen Diskurs anstößt (Und Argo sorgt gerade nicht für international Verwicklungen, oder was???) – und werden dann sauer, weil aber „ZDT“ nicht ausgezeichnet wurde. Er ist doch nominiert. Herrgott!
Gefühlte zweitausend Mal wurden Bilder aus „Zero Dark Thirty“ an diesem Abend gezeigt. Reicht das nicht an Werbung? Wer den Film nach dieser Nacht nicht sehen will: Selbst schuld. Und wer ihn gesehen hat. Der hat ihn gesehen. Mehr kann ein Film nicht verlangen: Gesehen werden.

Meiner bescheidenen Meinung nach, waren die Oscars dieses Jahr besonders großartig, weil am Anfang William Shatner auftrat. Und zwar als Captain Kirk.
Shatner hat noch nie einen Oscar gewonnen, war noch nicht mal nominiert. (Zu Unrecht, übrigens!) Trotzdem hat Seth MacFarlane mit seiner Zeitreise-Video-Telefon-Anruf-Nummer bewiesen, dass Star Trek vollkommen im Mainstream angekommen ist. Schon immer war! Jeder hat verstanden worauf er hinaus wollte. Jeder kennt Star Trek. Wirklich jeder kennt Captain Kirk.
Und genau darum geht es: Mainstream.
Die Oscar-Verleihung ist eben nicht das Filmfest in Venedig (mit europäischer Arthaus-Kleinkrämerei), auch nicht Cannes (mit deutlichem Fokus auf möglichst anstößige Filme) oder gar die Berlinale. (Wo dieses Jahr wirklich niemand wusste, was die Berlinale eigentlich war. Was für ein konfuses Programm. Blödelei neben jüdischem Realismus, neben zerreißender, belgischer Tragik und dann noch der Iran … Whaaaat? „Okay, ja. Wir verstehen es: Ihr wollt politisch relevant sein, aber gehört dazu nicht ein gewisser, roter Faden? Also ein durchdachtes Programm?“)
Die Oscars sind eine Show. Eine Show über Filme. Nominiert zu sein, bedeutet: Angekommen zu sein. Gewinnen ist zweitrangig. Deswegen stehen immer wieder in Trailern, über Schauspieler-Namen, auch „Oscar Nominee“. Weil das dann heißt: An diesem Schauspieler kam niemand vorbei. Er ist Mainstream!
Und das ist gut so. Dieses Jahr wurde klar gemacht: Politische Filme („Zero Dark Thirty“ und „Argo“) sind Mainstream. Zuschauer wollen politische Filme sehen. Daneben gab es aber auch eine deutschsprachige Produktion („Liebe“) und einen Indie-Film („Beasts of the Southern Wild“). Großartig. Und die Werbebilder für diese Filme laufen und laufen und laufen den ganzen Abend!

Vierzehn Mal war ein Star Trek-Film schon für einen Oscar nominiert. Vierzehn Mal!
Kein einziger Schauspieler, kein Drehbuchautor und auch kein Regisseur, war unter den Nominierten. Einmal war Jerry Goldsmith für die Musik nominiert (1979, „Star Trek: The Motion Picture“), und einmal ein Kameramann (Don Petermann, 1986 für „Star Trek IV“). Beide gewannen nicht.
2009 gewann Star Trek seinen ersten Oscar. Für die beste Maske. Nominiert war der Film außerdem in den Kategorien „Sound“, „Sound-Schnitt“ und „Visuelle Effekte“, wie die anderen Star Trek-Filme vor ihm.
Bei der gesamtkulturellen Relevanz von Star Trek, müssten die Trekkies … oder Trekker (keine Ahnung wie wir uns offiziell jetzt nennen), doch eigentlich die Wände hochgehen. Wo bleibt der Mut, Chris Pine – in seiner Rolle als junger Captain Kirk – mal einen Oscar zu geben. Hm? Im letzten „Star Trek“, eigentlich der Vorgeschichte zu allen Star Trek-Filmen, ging es um die Unfähigkeit die eigenen Leistungsgrenzen einzugestehen, um mit dieser Einstellung zu wachsen. Kobayashi-Maru.
Während in „Zero Dark Thirty“ die Frage gestellt wird, ob Folter vielleicht notwendig ist, setzt „Star Trek“ dagegen ein klares Nein.
Wir sind begrenzt durch unsere Menschlichkeit, vielleicht durch menschliche Körperlichkeit und Angst. Aber wir werden nicht begrenzt durch unsere Ansprüche an uns. Wir überschätzen uns, und das ist gut so. Sich mehr zuzutrauen, als man in der Lage ist zu leisten: Nur so verschiebt man die Grenzen, auch wenn man an ihnen zerschellt. In „Zero Dark Thirty“ zerschellt die CIA-Agentin an ihrer Regungslosigkeit.
„Zero Dark Thirty“ soll realistisch sein. Realistische, bohrende Fragen stellen.
Stéphane Hessel ist gestorben. Er wurde 95. Ich glaube er hätte, auf die Frage ob man Folter zulassen darf, geantwortet: Empöre Dich! Und verhindere es auf jeden Fall! Sei mehr als man Dir zutraut und als Du selbst für möglich hältst.

Ich bin nicht sauer, wenn der neue „Star Trek – Into Darkness“ nächstes Jahr keinen Oscar gewinnt. Aber eine Nominierung für „Sound“, „Sound-Schnitt“ oder die besten „Visuellen Effekte“ quittiere ich mit einem anerkennenden Nicken.

HARLEKIN POST (034) Unser Untergang, fast

Ein Meteoritenschauer über Russland. Gesundheitsgefahren durch Pferdefleisch. Ein Sprint-Star hat vielleicht seine Freundin getötet. Freilassung von Dutroux. Und der Papst dankt ab.
Gerade haben wir den errechneten Weltuntergang verpasst, da tauchen plötzlich Zeichen für einen tatsächlichen Untergang auf. Oder doch nicht?

Ein paar Fenster splittern, eine Handvoll Leute wurden verletzt. Mehr hat der Asteroid „2012 DA14“ nicht angerichtet. Aber wir haben wieder Angst vor Himmelskörpern, vor möglichen Einschlägen und vor allem vor Dingen, die wir nicht sehen können. Oder erst dann, wenn es zu spät sein soll.
Dabei ist das Universum verdammt groß. Ja. Verdammt, fucking groß! So groß: Kein Astronom könnte annähernd genau sagen wie groß es ist. So groß ist es!
Also ist wirklich viel Platz in diesem Universum.
Sagen wir, wir haben eine Turnhalle. Und in dieser Turnhalle gibt es keine Schwerkraft. (Tolle Vorstellung. Hätte ich bei der Hochsprung-Note wirklich gebrauchen können! Ein Meter-Dreißig. Vier-Minus. Was für ein Mist!)
In diese Turnhalle (und ich meine nicht so eine kleine, ostdeutsche, Kindergarten-Turnhalle. Eine westdeutsche Turnhalle, späte Achtziger, mit zwei Trennwänden, die man herunter lassen kann) werfen wir zwei Reiskörner. Die Reiskörner würden – ohne Schwerkraft – immer weiter fliegen, bis sie von einer Wand, dem Boden oder der Decke abprallen und ihre Flugbahn ändern. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich beide Reiskörner jemals berühren, ist astronomisch klein. Ach was. Gleich Null. Und noch geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass unsere Erde von einem Himmelkörper getroffen wird, der irgendeine Auswirkung auf unser Leben hat. So. Punkt um.

Pferdefleisch soll ja schädlich sein, weil Medikamente drin sind. Aha. Und das 2,99€-Rindfleisch von Lidl ist von glücklichen Kühen. Kühe, die auf einer grünen Wiese grasen, nur reines Quellwasser trinken und ausgesuchten Salat essen. Oder was?
Wir sind eine Fleisch-Nation. Wie bei allen industrialisierten Staaten, ist unser Fleisch-Konsum ähnlich hoch, wie unser Porno-Konsum. Gigantisch. (Zufall???)
Wir allen fressen Fleisch, weil es uns schmeckt. Seit wann interessiert uns was da in die Tiere gepumpt wurde?
Natürlich will niemand unabsichtlich Pferdefleisch essen. Ich erinnere mich an eine Kriegsgesichte meines Großvaters: Ein Kamerad bekam ein Paket aus der Heimat an die Front geschickt. Drinnen war auch ein Stück Fleisch. Der Kamerad teilte das Fleisch mit seinen Freunden. Nach dem dritten Bissen erfuhr mein Großvater dass es Hund war. Er kotzte die ganze Nacht. Hat er jedenfalls gesagt.
Ich würde auch nie Hund oder Pferd essen. Da denk ich an Lassie, Fury oder Mr. Ed. Aber gefährlich? Bestimmt nicht gefährlicher als Rindfleisch, Kettwurst oder Bubble-Tea.

Menschen können Arschlöcher sein. Nicht nur O.J. hat seine Freundin umgebracht. Tausende vor ihm und tausende nach ihm. Macht das die Sache besser: Nein. Weniger schlimm: Auf keinen Fall. Sollte mich das deswegen interessieren? Nein.

Was mich interessiert ist dieser Fall:
Marc Dutroux ist ein Drecksack. Ein Schwein, eine Sau, ein echter Wichser. Der Hitler unter den Belgiern. Ein Verbrecher, ein krankes Arschloch.
Wie wir mit den Geringsten in unserer Mitte umgehen, so ist der Stand unserer gesellschaftlichen Entwicklung. Im Kontrast zu dem was dumme Leute – wie ein gewisser, deutscher Film-Star z.B. – fordern, ist es nicht die Aufgabe einer Gemeinschaft den Einzelnen außergewöhnlich hart und unbarmherzig zu bestrafen. Wenn wir diesem Impuls, den ich bei jedem Angehörigen der Opfer nachvollziehen und teilen kann, nachgeben – hat sich in fünftausend Jahren Menschheitsgeschichte nichts getan. Und wir können zurück in die Höhlen, aus denen wir gekommen sind. Zu sauberer Wäsche, iPhone und Hochgeschwindigkeitszügen sollte auch ein Mindestmaß an sozialer Entwicklung stoßen. Begnadigung, Resozialisierung und Barmherzigkeit hat irgendjemand mal als Schwäche deklariert – Es ist das Stärkste was wir haben. Wer das nicht glaubt, sollte Thomas Paine lesen! Das war seinerzeit beliebter als heute „Fifty Shades of Gray“ … und dazu braucht er nicht mal Soft-Sex-Fesselspiele!

Der Papst ist tot. Nein? Ach, nur zurückgetreten. Heißt das: Jupp Heynckes muss als Interims-Papst übernehmen? Und am Ende holt der Vatikan Markus Babbel und steigt ab.
Die aktuelle Saison läuft aber auch echt nicht gut für die Katholiken. In Afrika werden sie jedes Wochenende vom Islam vorgeführt, in der Asien-Liga kriegen sie keinen Fuß auf den Boden, und selbst in der europäischen Champions League rennen ihnen die jungen Zuschauer weg.
War aber auch klar. Ähnlich wie Hoffenheim, wurde der Katholizismus einfach zu schnell zu stark gepusht. Irgendwann musste das vorbei sein. Die besten Spieler stammten auch nie aus der eigenen Jugend: Jesus war Jude, Petrus auch. Und die Stars wechselten vor ihrer besten Saison zu einem anderen Verein: Martin Luther wurde exkommuniziert, Eugen Drewermann auch!
Vielleicht ist der Katholizismus auch wie die Hertha. Eigentlich ein Hauptstadtclub, große Aufgaben, aber einfach nicht attraktiv genug. Spielt im Olympiastadion, ist aber nur Bundesjugendspiel!
Wenn Benedict so etwas wie der Felix Magath unter den Päpsten war, vielleicht wird es Zeit für einen Spielertrainer. Oder man wechselt dahin, wo man eigentlich schon die ganze Zeit ist: Tipp-Kick!

HARLEKIN POST (033) Episode VII

Star Trek und Star Wars. Das waren die zeitaufwendigsten Themen, die zeitintensivsten Beschäftigungen meiner Jugend.
Daneben gab es zwar Schule und Basketball (allerdings längst nicht so zeitintensiv, wie es sich meine Eltern gewünscht hätten), und Mädchen und … Mädchen (längst nicht so zeitintensiv, wie ich es mir gewünscht hätte). Das mein Zeitaufwand für Star Trek und Star Wars etwas mit der chronischen Abwesenheit, gerade von Mädchen zu tun hatten, wurde mir erst viel zu spät bewusst.
Doch da war es längst zu spät. Zwar kann ich es heute einigermaßen verbergen, aber ich rede immer noch am allerliebsten über die beiden Star-Film-Reihen. Und tatsächlich über beide: Star Trek und Star Wars. Es gibt Leute … Fans … die meinen, man müsse sich entscheiden: Aber ich höre auch Rolling Stones und die Beatles. Blur und Oasis. Travis und Coldplay. Kein Problem.

Neulich hab ich mich gefragt: Wie kommt Darth Vader in „Empire“ eigentlich darauf, nachdem er Luke die Hand abgeschlagen hat, ihm zu sagen: Ich bin dein Vater!
Das ist so, als würde mich mein Vater ne Treppe runter schubsen und mir danach sagen: „Übrigens, Du bist adoptiert.“
Was Vader getan hat echt wirklich gemein. Richtig fies. Und Luke vorher auch noch zu fragen: „Wollen wir nicht gemeinsam die Galaxis regieren?“
„Ja natürlich. Jetzt wo ich keinen Arm mehr habe und ach … mein gesamtes Leben eine Lüge war. Sicher. Los geht’s. Let’s kill some Ewoks!“
Wenn man es so sieht: Vader ist zurecht der Bösewicht. Palpatine war niemals so ein Arsch. Der hat Anakin nicht den Arm abgeschlagen, damit der Samuel L. Jackson aus dem Fenster stößt! Und sind wir mal ehrlich: Eigentlich dürfte Vader am Ende gar nicht in diesen durchsichtigen-Geist-Jedi-Himmel kommen …
(So. Mittlerweile sollten alle Nicht-Fans … also Mädchen … aufgehört haben zu lesen. Da wir nun unter uns sind: Es wird noch nerdiger!)

Nun hat Disney Lucasfilm gekauft. Und nicht mal eine Woche hat es gedauert, da hieß es dann: Episode 7 wird gedreht. Und vielleicht noch mehr Filme. (Hoffentlich machen die bei Disney das nicht wie mit ihrer Aladdin-Reihe … da gab es am Ende zehntausend Abklatsch-Serien und zwei Dutzend „Direct-to-DVD“-Filme.)
Es sollen Spin-Off-Filme zu Boba-Fett, Han-Solo oder Yoda entstehen. Bei Star-Trek wäre das so, als würde man sagen: „Wir drehen einen Kinofilm namens ‚Chekovs Traumreise‘.“ Vielen Dank.
(Bei aller Fairness. So etwas gab es. Jedenfalls fast: Moontrap! Und Bruce Campbell spielt auch mit. Und noch was: Wäre Campbell nicht eigentlich der perfekte Kirk-Verschnitt in Galaxy Quest gewesen? Statt Tim Allen? Alter Schwede wäre das dann ein geiler Film geworden! Was Spaceballs für Star Wars war, hätte Galaxy Quest für Star Trek sein können. Aber ich phantasiere.)
Nun wurde vergangene Woche der Feuchte-Traum aller Lost-&-Star Wars-Fans wahr: J.J. fucking „Fringe“ Abrams … J.J. fucking „Alias“ Abrams … J.J. not so fucking great „Super 8“ Abrams … J.J. „Cloverfield“ Abrams … man könnte ewig so weitermachen. Auf jeden Fall, der Typ der uns kein Ende für „Lost“, kein richtiges Ende und furchtbar verwirrende Zeitsprünge für „Fringe“, und der Typ der uns einen der besten Star Trek – Filme gegeben hat … J.J. Abrams wird bei Episode 7 Regie führen. Tada! Wenn das nicht bei einigen Fans zu nasser Hose führt …
Immerhin gilt Abrams als der Superheld in allen Nerd-Träumen. Und ich muss zugeben: Mission Impossible 3 war großartig. Sein „Star Trek“ war toll … keine Ahnung was Eric Bana in diesem Film als Romulaner gemacht hat, aber der Film sah geil aus. Lense-Flare-Effekte noch und nöcher, Action und Karl Urban als Pille. Hammer! (Und war das Tyler Perry als Admiral? Madea himself? Hat der für seinen Alex Cross geübt?)

Doch irgendwie will sich bei mir nicht recht die Begeisterung einstellen, die ich seit der Verpflichtung von J.J. Abrams empfinden müsste.
Liegt es vielleicht daran, dass ich gar keinen neuen Star Wars – Film sehen will?
Kann das sein? Wie war das damals? In der ersten Mitternachtspremiere meines Lebens.
Episode I. Und es wurde geklatscht, schon als das Lucasfilm-Logo aufblendete.
Und dann: Ein furchtbarer Film. Furchtbar. Soviel war mir nach dem ersten Mal, und ist mir auch nach dem zwanzigsten Mal klar.
Ja. Ich habe Episode I – auch in der normalen, mit JarJar-Bings-Fassung – mehr als zwanzig Mal gesehen. Einfach weil er dazu gehört. Und weil George Lucas ihn gemacht hat. George Lucas. Er hat mit Star Wars eine Familiengeschichte erfunden. Vielleicht ist das sogar der springende Punkt.
Das ist die Unterscheidung von Star Wars und Star Trek: Star Wars war immer auf die Charaktere bezogen. Immer auf die Familie Skywalker. Deswegen heißt Lucas Anwesen auch „Skywalker Ranch“ und nicht „Star Wars Ranch“. Weil es um Luke und Leia und ihrem Drecksack von Vater, Darth Vader geht.
Bei Star Trek ging es immer um die ganze Crew. Ja. Da ging es auch um Kirk und Spock. Aber die waren Arbeitskollegen. Im Grunde während der gesamten Serie. Erst später – so ab Star Trek II – dann auch Freunde. Eben der normale Gang. Es war wie im Büro. Wenn Du nur oft genug, nach einer Weihnachtsfeier, neben nem Kollegen in der gemeinsamen Kotzelache aufgewacht bist, dann wird man Freunde.
Star Wars war immer eine Familiengeschichte. Eine zerrüttete zwar, mit dem disfunktionalen Vater/Schrägstrich/Peiniger Darth „Anakin klingt zu niedlich, deswegen heiß ich nur ohne Maske so“ Vader.

Diese Familiensaga – deswegen auch Star Wars-Saga – war mythischer und tiefenpsychologischer. Die Figuren in Star Trek sind immer am Weltraum, an einer „realistischen“ (hihi. Genau. In der Zukunft gibt es kein Geld!!!) Zukunftsvision interessiert. Eine Utopie. Und keine Dystopie eines Vaters, der seinen Sohn verstümmelt und dann seiner Tochter habhaft werden will, nur um sie einem alten Greis im schwarzen Mantel mit weißer Papier-Haut anzuvertrauen, um alle auf die „dunkle Seite“ (was nur anal sein kann!) zu ziehen. Happy-End? Wieviel Probleme hat sich Han wohl mit Leia ins Haus geholt? Und dann die pseudo-sexuelle Beziehung von Luke und Leia. Geschwisterliebe á la „Verbotene Liebe“! Na, kein Wunder. Bei dem Vater.
Wie dem auch sei. Genau wegen dieser Unterscheidung (Arbeiter-Freundschaftsromantik versus Space-Opera) kann ich auch ganz klar sagen: Ich mag beides. Star Wars und Star Trek. Klar hab ich mehr Stunden mit Star Trek verbracht – gab ja auch mehr zu sehen, der Weltraum ist groß – aber nichts knallt so in den Ohren, wie der „Imperial March“ von John Williams. Was das Visuelle angeht, war Star Wars schließlich immer einen Schritt voraus. (Aber immerhin hat Kirk Spock nie lasziv gefragt: „Na? So jung, und schon bei der Sternenflotte?“)

Was ich sagen wollte (bevor ich Schaum vor dem Mund hatte): J.J. Abrams dreht also Star Wars Episode 7. Und alle drehen durch. Ja, der kann das. Der ist gut. – Okay. Stimmt. Er kann Geschichten erzählen. Schnell und eifrig und meistens mit zu vielen Geheimnissen und Sub-Plots … egal.
Muss ich aber Star Wars von ihm sehen? Muss das sein? Die Geschichte von Darth, Luke und Leia, die gesamte Skywalker-Familiensaga ist doch beendet. Außer Leia dreht durch und verprügelt ihre Kinder, weil ihr klar wird das ihr Vater ihre Mutter umbrachte und dann auch daneben stand, als ihre Zieheltern umgebracht wurden … kann doch nichts mehr passieren. Oder?
Star Trek wird dagegen nie auserzählt sein: Deswegen freu ich mich jetzt auch schon auf „Into the Darkness“. J.J. Abrams hat die visuelle Kraft – die Star Trek unter Jonathan Frakes irgendwie verloren hatte (kein Wunder – der hat ansonsten nur „Clockstoppers“ gemacht. Clockstoppers!!!) – zurückgewonnen. So wie damals bei Star Trek – Der Film. Angelehnt an „2001“. Es war eine bildgewaltige, philosophische Welt. Und J.J. Abrams hat vielleicht etwas von der Philosphie genommen, aber er hat beeindruckende Bilder zurück gebracht.
Danke. Ernsthaft. Und Benedict Cumber-Sherlock als Khan (!?!) im neuen Trailer … großartig.
Aber Star Wars? Mit Lense-Flare? Star Wars sah doch schon immer gut aus. (Mal abgesehen von Yoda in der Kinofassung von Episode I. Ich hab den Schnitt nicht mehr bekommen, mittlerweile haben sie ja einen CGI-Yoda in die DVD-Fassung eingesetzt, aber da war ganz sicher eine echt hässliche Puppe drin! Richtig hässlich! Wie ein Gremlin.)

Warum nicht etwas anderes ausprobieren? Einen anderen Regisseur, jemanden der nicht schon zwei Franchises (Star Trek (Three-Picture-Deal) & Mission Impossible (eine Fortsetzung muss noch her!)) im Sack hat. Der vielleicht was probiert.
Gene Roddenberry hat damals mit Star Trek eine mutige Zukunftsvision entworfen. Und ist erst mal gescheitert. Re-Runs auf kleinen, lokalen Fernsehsendern hauchten einer toten Serie neues Leben ein. Und haben das mit zu verantworten, was im Mai wieder mal ins Kino kommt.
George Lucas hat damals mit „A New Hope“ mutig eine Space-Opera inszeniert, die niemand wirklich haben wollte. Die ersten Kameramänner haben ihm abgesagt, Schauspieler wollten lieber nicht mitmachen (Warum sollte man sich sonst für Mark Hamill entscheiden?), die ersten Kritiken waren vernichtend. Und jetzt?
Bei Episode I, II & III war die Fanbase da und hat einen finanziellen Absturz, trotz schlechter Filme, verhindert. Aber jeder gibt zu: So wirklich super-duper-geil war die neue Trilogie nicht.

Der Letzte, der wirklich Mut bewiesen hat, war Andrew Stanton. (Ja. Ich meine den Typen der Nemo und Wall-E gemacht hat.) Und ist damit kolossal gescheitert. Und ich meine wirklich kolossal. Der 250-Millionen-Sciencen-Fiction-Gigant „John Carter“ war ein Millionengrab, welches den Studiochef von Disney zum Rücktritt zwang. Warum auch immer. (Wenn Du jemanden nach Zahlen einstellst, solltest Du dann nicht ein anderes Unternehmen, als ein Filmstudio leiten? Lässt sich nicht in fast jeder Branche mehr und gezielter Geld verdienen, als mit Filmen?)
Andrew Stanton kreierte, basierend auf dem über 100 Jahren alten Buch von Edgar Rice Burroughs – der, wie Jules Verne und H.G. Wells eine Zukunft der Weltraumfahrt mit Dampfmaschinen beschrieb – eine nicht alltägliche Science-Fiction-Welt. Keine fliegenden Autos (die alle wie der Prius aussehen) und keine hypermodernen Tablet-Computer (die dann doch nur das iPad-3 nachstellen). Okay, „John Carter“ war vielleicht zu lang. Aber mutig. Eine phantastische Welt, großartig in Szene gesetzt. Aber leider viel zu verspielt für ein Publikum, dass Expendables 2 zum erfolgreichsten Stallone-Film seit … eigentlich den besten Stallone-Filme aller Zeiten macht!
Und alle hacken auf „John Carter“ herum, und wenn sie nicht auf dem Film, dann hacken sie auf seinen Einspielergebnissen herum … oder eben gerade Nicht-Einspielergebnissen.

Aber jetzt freuen sich alle auf J.J. fucking „Episode 7“ Abrams. Als könnte er mit dem beliebtesten Franchise der Welt einen Fehler machen. Warum häuft er wohl Franchises? Weil er weiß: Die Fans sind schon da. Niemand kannte „John Carter“, und wenn den Namen mal jemand kannte … aus dem Buch „Princess of Mars“, dann war dieser jemand schon seit Jahren tot. Also schlecht über eine Facebook-Fan-Kampagne zu erreichen.
Mal aufgefallen: Es gibt keine Franchises mehr, die aus Filmen geboren werden. Twilight … war ein Buch. Harry Potter auch. Der Hobbit. Avengers, Iron Man, Thor, Hulk … Batman (!) … alles Comics. Lediglich The Fast and the Furious … okay. Die berühmte Ausnahme. Oder The Expandables. Aber wirklich große Science-Fiction oder Fantasy … nur nach Buchvorlage oder mit einer soliden Comic-Fan-Basis.
Warum legt man Star Wars nicht mal in die Hände eines unbekannteren Regisseurs, eines unbekannteren Autoren. George Lucas war vor Star Wars unbekannt. Jetzt könnte ein junger Regisseur dem Ganzen neuen Wind geben. Was ist zum Beispiel mit Shane Carruth? Der Typ der „Primer“ gemacht hat? Hm? Oder Andre Ovredal. Der Regisseur von „Trollhunter“? Glaubt niemand das solche Typen Star Wars noch eine Dimension hinzufügen könnten? Vielleicht sogar etwas entdecken, etwas erzählen was wir so noch nie erzählt bekamen?
Was ist mit Gareth Edwards? Seit Jahren sitzt der an der Vor-Produktion zum neuen Godzilla-Film. Vielleicht sind Monster nicht sein Ding. Der kriegt bestimmt auch Lichtschwerter ordentlich in ne Szene integriert.

Was ich damit sagen will: Ich möchte ins Kino gehen und von Science-Fiction nicht nur unterhalten, ich will begeistert und mitgerissen werden! Und das nicht wie bei „Lost“, mit nicht-aufhören wollenden Cliffhangern, sondern wie bei „2001“ … durch meine pure Vorstellung, genährt von tollen Bildern und großen Fragen.

Als ich jung war, investierte ich – zum Leidwesen meiner Eltern – nicht sehr viel Zeit in Schule oder Basketball. So wurde ich auch nie wirklich gut darin Dingen. Mit Mädchen war es ähnlich. (Ich könnte auch eine Reihe von Zeuginnen anführen, die dies gerne bestätigen.)
Doch die eine Sache, die ich ganz ohne falschen Stolz als mein Steckenpferd bezeichnen kann, ist eine Faszination für Science-Fiction. Ob es um Figuren, Familiengeschichten, Freundschaften oder den Weltraum und die großen Fragen dahinter geht.
Bei Mädchen, Schule und Basketball ist es vielleicht zu spät, aber Science-Fiction werde ich nicht einfach so aufgeben. Hier ist Arbeit zu verrichten. Gute Filme unterstützen, mutige Filme machen. Und wenn man nicht weiß wo man anfangen soll, dann eben ganze einfach damit, sechs Mal die Bluray von „John Carter“ zu kaufen. Ich krieg den Film schon noch ins Plus. Und wenn Disney das merkt, dann trauen sie sich vielleicht auch wieder was.

HARLEKIN POST (032) Cahiers du Cinema

Hin und wieder kommt es vor, dass sich Kritik an den Kritikern rührt. Vor allem passiert das auf den abgeschiedenen, trockenkalten Seiten des Feuilletons, in verwinkelten Artikeln unter dem Reiter „Kultur“ auf Nachrichtenportalen oder in vielen, vielen, sehr vielen Blogs.
Diese Kritik, sozusagen der zweiten Ordnung, wird vorrangig dann angestellt, wenn ein Kulturphänomen gesellschaftsrelevante Züge annimmt, also groß wird. (Oder jedenfalls danach aussieht.)
Wie zuletzt bei der Debatte um „Wetten dass..?“ ohne Gottschalk oder die neue Staffel des Dschungelcamps. Letztendlich sah man bei beiden Themen ein, dass viel zu viel über sie geschrieben wurde und das nichts oder zu wenig dabei heraus kam, um all den Aufwand (die Seiten echtes oder virtuelles Papier) zu rechtfertigen. Also rückte der Aufwand selber, und diejenigen die den Aufwand betrieben in den Fokus. Die Kulturredakteure und Journalisten, die scheinbar selbst dem gierigen Konsum von Massenware verfallen waren und dabei vergessen hatten: Sie sind nicht dazu da Gemeinplätze in Stone Serif und Mirage zu kommunizieren.
Wirklich viel Kritik wurde natürlich nicht an den Kritikern geübt. Und die Kritiker die es taten, waren sofort Kulturpessimisten (Intern: Nestbeschmutzer). Und dann verschwanden sie wieder, unaufgeregt und unbeachtet wie zuvor.

Gute Kritik ist schwierig. Weil sie viel Arbeit und noch mehr Wissen voraussetzt.
Gute Kritik ist allerdings auch wichtig, weil sie hilft Kulturprodukte einzuordnen und weil Kritik selbst ein Kulturprodukt ist. Sie muss natürlich gut geschrieben, recherchiert und vor allem inspiriert sein.
Gute Kritik zeichnet sich durch scheinbare Objektivität aus. Durch einen Willen jedenfalls, sich möglichst objektiv einem Kulturthema/Kulturprodukt zu nähern, es zu betrachten, es einzuordnen, es abzuwiegen, seine Relevanz zu bewerten, thematische wie stilistische Merkmale zu erkunden. Gute Kritik ist also kein Spaziergang. (Jedenfalls kein Spaziergang bei schönem Wetter.)

Phillip Stadelmaier schrieb einen Artikel über „The Impossible“, den Film zur Tsunami-Katastrophe in Thailand 2004 (Süddeutsche Zeitung, 1. Februar).
Dabei bediente sich Stadelmaier kaum Argumenten oder gar Wissen/Einsicht um seine abfällige Meinung dem Film gegenüber zu begründen, sondern pflückte die Meinung und gebrüllte Abneigung Anderer aus der Luft und legte sie in seinen Text:
Stadelmaier besuchte eine „Sneak Preview“, also einen Kinogänger-Blindflug, und nutzte die Anwesenden als seine Legitimationsgruppe für eine Abwertung und Anklage von „The Impossible“.

Erstmal scheint es eine gute Idee der „Sneak Preview“, ein wöchentliches Phänomen überall im Land, eine journalistischen Betrachtung angedeihen zu lassen.
Man könnte über lokale Unterschiede schreiben, über die Fähigkeit von guten Theaterleitern ein gewisses Publikum zu kultivieren. Man könnte über die Party-Kultur in einem „Sneak-Preview“-Saal schreiben, über die Filmsnobs, die nur da sind um ihre negative Meinung über die Auswahl bestätigt zu sehen, oder die Begeisterten, die sich auch nicht von der Möglichkeit eines B-Horrorfilms abschrecken lassen (das diese Möglichkeit besteht, zeigt sich in der generellen Altersfreigabe für „Sneak Previews“ von FSK 18). Man könnte über Gewinnspiele im Kinosaal sprechen, die als Motivationsgrund immer wieder Besucher am Montagabend ins Kino locken, oder man schreibt darüber das die richtig großen Filme niemals ge-„sneak previewed“ werden. Warum nicht? „Sneak Previews“ sind eben doch nur Werbeveranstaltungen.
Doch Stadelmaier flüchtet sich in Verallgemeinerungen, Vorurteile und Oberflächlichkeiten. Er teilt das Publikum in betrunkene Jungs-Gruppen und Tupperware-mitbringende-Sparfüchse. Das war es. Wow. Mit ähnlicher Trennschärfe unterscheidet man Männer und Frauen auf öffentlichen Toiletten.

Und dann die Bewertung von „The Impossible“. Stadelmaier glaubt in der grölenden Masse eine Müdigkeit gegenüber emotional aufgeladenen, schulischen Bildern zu sehen. Glaubt im Kommentarwahn der Masse eine allgemeine Erkenntnis in der Bevölkerung zu filmischen Mitteln zu erkennen. Als wäre die Youtube-Kommentar-Generation besonders selbstreferentiell und erkenntnisreich. (Siehe: Sprichwörtlich alle Kommentare zu YouTube-Videos. Egal welches Thema, egal was für ein Video. Selbst unter Katzenvideos steht: „Fuck you, Du scheiß Katzen-Schlampe!“ Sehr erleuchtet, diese Leute. Erzähl mir mehr!)
Wenn in „The Impossible“ die auf den Fluten treibende Cola-Dose vom Publikum belacht wird, glaubt Stadelmaier das hier simple Konsumkritik erkannt und verspottet wird. Und wenn der weinende Kinderdarsteller vom offensichtlich falschen Publikum ausgebuht wird, sieht Stadelmaier einen Aufbruch des Zuschauers in postmoderne Gefilde und seine theoretisierte „Bildermüdigkeit“ bestätigt.
Bestimmt, Phillip. Ganz bestimmt.

Filme haben ihr Publikum, genauso wie es Theaterstücke und Musiker haben.
Die Aufgabe des Kritikers ist es eben nicht ein Publikum zu sein. Dafür wird man bezahlt, nicht dafür sich in eine „Sneak Preview“ zu setzen und hinterher zu protokollieren wie schön es war mit den Bekloppten in Richtung Leinwand zu schreien und sich als Feind des Kino-MoWs zu outen. Danke Stadelmaier, schreib lieber weiter offensichtliche Kritiken über „Schutzengel“. (War sehr aufschlussreich was da stand: Aha. Eine Soldatenbiografie von Til Schweiger die pro Krieg ist. Hm? Wirklich? Wie wäre es mit einem ähnlichen Artikel über „Der Hobbit“? Lass mich raten: Er war wunderbar, aber nicht so gut wie „Herr der Ringe“. Danke!)

1954 veröffentlichte Francois Truffaut als Kritiker seinen ersten Artikel zur Auteur-Theorie. Diese Theorie setzt Filmemacher, besonders Autorenfilmer, mit ihren Werken in den Kontrast zu Produzenten-Filmen. Sie geht davon aus, dass man Filme nicht grundsätzlich nur nach inhaltlichen oder formalen Gesichtspunkten beurteilen und besprechen sollte. Es ist an den Filmkritikern, so Truffaut, sich auf die Suche nach tieferen Schichten eines Films zu begeben. Schichten die ein Filmemacher anlegt, manchmal ohne Wissen des Zuschauers. Der Kritiker soll danach forschen. Das sei er seinen Lesern schuldig!

Jee-woon Kim war einmal so ein Autorenfilmer. Er schrieb das Buch zu „A Bittersweet Life“ und „Der Fluch der 2 Schwestern“ und führte bei beiden Filmen Regie.
Kim hat mich besonders mit „A Bittersweet Life“ beeindruckt. In erster Linie ist es ein Gangsterfilm, so wurde er in Deutschland auch vermarktet. Geradezu klassisch. Ein Gangster wird nach einer moralischen Handlung verbannt und beinahe getötet. Anschließend rächt er sich. Doch „A Bittersweet Life“ geht noch weiter. Der Film zeigt eine gespaltene Welt. Südkorea, gerade Seoul, ist eine Welt der glatten, glänzenden und antiseptischen Oberflächen. Die Schattenwelt, in der sich die Hauptfigur Sun-Woo in „A Bittersweet Life“ bewegt, ist in dieses edle und teure Gewand gehüllt. Sie überstrahlt damit fast das dreckige Geschäft. Dieses wird erst deutlich heraus gehoben, als der Held aus der strahlenden Welt verbannt wird. Wie ein Engel fällt er sprichwörtlich in den Morast. Die Entscheidung für Moral befleckt das Leben von Sun-Woo nachhaltig, er wird sterblich. Jee-woon Kim spielt leichtfüßig mit einer grundsätzlichen Dualität. Gut und Böse. Bitter und Süß. Humor und Gewalt. Liebe und Hass.
Jee-woon Kim führte auch beim neuen Film von Arnold Schwarzenegger Regie. (Ein Zeichen für die typischen Hollywood-Rekrutierungspolitik. Darüber sollte man mal was schreiben, Phillip!)
„The Last Stand“ wurde, gerade in den deutschen Medien, nicht gerade zurückhaltend verrissen. Und man kann erst mal nichts dagegen sagen: Die Story ist einfach. Ein Sheriff, ein Dorf, ein entflohener Kartellboss. Irgendwoher kennt man das schon. Ein absoluter Produzenten-Film eben. Dann auch noch Arnold Schwarzenegger als Hauptdarsteller, einen Bösewicht spielt Peter Stormare, Johnny Knoxville den Waffennarren mit gutem Herz und Forest Whitaker den FBI-Agenten.
Guckt man sich den Film dann aber an, bemerkt man kleine Momente die deutlich auf einen Autoren am Werk hinweisen (sowohl am Buch, als auch auf dem Regie-Stuhl): Schwarzeneggers Deputy verletzt sich mit einer Pistole, absolut selbstverantwortlich. Später sterben dutzende Menschen durch Waffen, aber niemals ist die Wucht einer Waffe so spürbar wie in dieser Szene. Man spielt eben nicht mit Waffen. Waffen sind für uns gefährlich – nicht so für den Übermenschen Schwarzenegger.
Anschließend nimmt sich Jee-woon tatsächlich Zeit für eine gewisse Charakterzeichnung. Luis Guzman, zum Beispiel, nimmt mit seiner Rolle als älterer Deputy nie wirklich Abstand von notorisch tollpatschigen Rollen der Vergangenheit. Aber er wirkt manchmal fast ernst. Ein trauriger Clown. Und dank des großartigen Synchronsprechers Thomas Danneberg addiert sich zu Arnold Schwarzenegger – wie eigentlich in all seinen Filmen – über die Stimme sogar so etwas wie Charakter. Ein Charakter den sein blechernes Spiel im Englischen vermissen lässt.
(An dieser Stelle ein kurzer Dank an die tapfere Synchronkultur in Deutschland. Hier wird immer schlechter bezahlt, und deswegen auch immer schlechter produziert, aber manchmal können hervorragende Sprecher doch noch etwas herausholen. Danke! Über euch sollten Filmkritiker mal schreiben! Stadelmaier???)
„The Last Stand“ ist kein großartiger Film. Nicht mal im Ansatz ein guter Film mit Arnold Schwarzenegger. Und Jee-woon Kim kann man nur wünschen, dass er beim nächsten Film wieder selbst schreiben darf und zurück nach Südkorea kehrt. Trotzdem:
An „The Last Stand“ waren drei Autoren beteiligt (typisch für Produzenten-Filme, bei denen man die Massenkompatibilität durch professionelle Pens-for-Hire sicherstellen will). Der eher unbekannte Andrew Knauer verkaufte so seine Idee und die erste Drehbuchfassung. Man erkennt in der Geschichte sogleich auch Momente von Interesse und Begeisterung für Story und Charaktere – diese wurden dann zwar leicht durch die Überarbeitung von Jeffrey Nachmanoff verwässert, doch auch der Autor von „Traitor“ scheint sein Interesse an Handlung und Personen nicht komplett verloren zu haben. Geschuldet ist das vielleicht auch dem Story Supervisor George Nolfi („Der Plan“).
Alles in allem: Wenigstens ein unterhaltsamer Film. Wenn man sich die Zeit nimmt hinzusehen. Wenigstens 90 Minuten.

Ich weiß nicht in wie weit Juan Antonio Bayona mit seinem Liebelingsautor Sergio G. Sanchez (mit dem er schon den wunderbar-schauderhaften „Das Waisenhaus“ gemacht hat) vielleicht in „The Impossible“ Geschlossenheit in der Handlungsvermissen lässt, wie viele bemühte Bilder er aufzieht oder wie wenig er sich für seine Figuren interessiert. Ich habe den Film noch nicht gesehen. Aber ich erwarte von Filmkritikern eine gewisse Auseinandersetzung. Ich erwarte einen interessierten Blick. Gerade wenn sie für ihre Meinung bezahlt werden, und zwar auch von mir. (Ja. Monetäre Argumente sind problematisch. Na und? So ist auch die Frage ob man die Sklaverei in einer Action-Comedy behandeln darf – hat niemanden daran gehindert Tarantino über den grünen Klee zu loben!) Etwas mehr Einsatz und Arbeit. Mehr will ich gar nicht.
Und was „The Impossible“ angeht: Den guck ich mir auf jeden Fall an. Und auf jeden Fall nicht in einer „Sneak Preview“.

HARLEKIN POST (031) Bipolar

Sonntagmorgen. Verspielte Sonnenstrahlen brechen, wie ungezügelte Jungpferde, durch die frisch-geputzten Scheiben und tanzen mir auf der Nase. Es kitzelt, ich muss niesen und wache freudig auf.

Okay. Das war gelogen.
Mit bitterem Geschmack im Mund (Warum hab ich gestern, nach zwei Sekt und nem Beck’s, eigentlich ein Schultheiss getrunken?) und Schnupfen, wache ich auf und huste erst mal den Schleim meiner Erkältung ab. Es ist kalt im Zimmer. Die Heizung geht nicht richtig. Scheiße. Ins Bad. Wer ist das? – Früher dachte ich mal, dass man Augenringe stolz, wie Medaillen für „Best Work-a-holic of the Year“, tragen kann. Kann man nicht.

Mit flinken Füßen trippel ich die Treppe bis zum Briefkasten, fische mir ein Potpourri an unterschiedlichen Sonntagsausgaben verschiedenster Zeitungen heraus (u.a. „Das Intellektuellen Tagblatt“, „Schlau Heute“ und „Informierte Berliner“) und bin gerade rechtzeitig am Küchentisch, als der 15€-für-250g-Fair-Trade-Bio-Kaffee durch das chlorfrei gebleichte Recycle-Papier des Filters gelaufen ist. Nachdem ich mir genügend Zeit genommen habe, um Weltnachrichten, Finanz-Kritik und Politische-Dossiers zu lesen, stoße ich auf den Feuilleton – der in jeder, der schlauen Zeitungen, natürlich fast ausschließlich aus Opern-Rezensionen besteht und immer ganz schlicht nur „Kultur“ heißt.

In der Realität schippe ich den Großteil des ja!-Kaffees neben die Kaffeemaschine, trinke ausschließlich stark mit Discounter-Milch gepanscht und nehme so, hustend und schniefend, vor meinem Laptop platzt. Die spiegel-online-Meldungen zu irgendwas mit CSU sehe ich gar nicht. Dafür: Gestern war also „Wetten dass..??“. Aha. Mir doch egal. Oder? Eine Sekunde: War peinlich, wa? Geil. Klick.

Elf Millionen Menschen haben ihren Samstagabend dem zweiten deutschen Fernsehen geopfert. Wahrscheinlich der Grund, warum sich SPIEGEL, WELT, FOCUS und natürlich auch die BILD mit Nachbesprechungen überschlagen. Mal geht es um das Chaos, mal um die „Hollywood“-Stars, die nicht zurecht kamen oder alles zu lang fanden, mal geht es um Cindy aus Marzahn.
Ja. Wirklich. Um Cindy aus Marzahn.
Ich schreib das noch mal, weil ich es selber nicht glauben kann: Um Cindy aus Marzahn.
Und dabei war sie nicht mal da. Sondern hatte Rückenschmerzen. Vielleicht vom vielen vorne über beugen. Wenn man im Arsch von RTL und ZDF und wem noch alles steckt, passiert so was. (Gossip. Gossip.)
Jetzt ist anscheinend ein Kampf um Cindy ausgebrochen.
Sekunde. Das muss ich auch noch mal schreiben: Ein Kampf um Cindy aus Marzahn.
Damit ich das nicht vergesse: Das ZDF war damals schon an der Gründung von ARTE beteiligt, oder? Obwohl: Die machen ja auch das Weihnachtsfest der Volksmusik und den Fernsehgarten. Okay. Ich nehme alles zurück.
„Uralt“ und „Billig“ streiten sich um „Zum kotzen“. Hey, wenigstens hat spiegel-online was zu schreiben. Und ich darf mich gebildet fühlen, weil ich diese „Nachrichten“ ja lese. Ohne Video, und so. Nachrichten. Tz. Dieses Wort. Nach richten. Das will ich nicht. Auf keinen Fall.

Für mich war der Feuilleton immer das Sahnehäubchen. Schwere Themen in Politik und Wirtschaft, Banales und Persönliches im Lokalteil, Entnervendes und Großartiges im Sportteil und Erhebendes im Feuilleton. Dies kann ein Streit sein, eine Besprechung, vielleicht eine Auseinandersetzung zweier Journalisten, oder mit einem Philosophen (siehe R.D. Precht – arrogante Sau. Wann kommt das neue Buch nochmal als Taschebuch raus?), oder die Kritik. Aber wenn die Kritik zum Dauerläufer wird, wenn „Hollywood“-Stars (Warum setzt man das eigentlich davor? Und warum in Anführungszeichen?), als Referenzen der eigenen Fassungslosigkeit herangezogen werden, wieder und wieder … liebe spiegel-online-Redaktion. Es reicht. Dann guckt den Scheiß eben nicht.
Aber nicht diese bipolare Haltung. Dieser gierig, geifernder und doch tadelnde, lachend-gackernde Gaffer-Blick. Einfach mal aufhören.

Die Amis kriegen das ja auch hin. Am Dienstag ist Wahl, dann ist Schluss. Und der ganze Wahlkampf hat nur … plus/minus zwei Jahre gedauert.

Ich will das nicht, ich will das doch.
In großen Mengen liest man in den Zeitungen und auf den Online-Portalen lange Artikel über den Schrott, der sich anscheinend Fernsehen nennt. Ich selber bin da nicht besser. Am Sonntagmorgen hab ich mir dann gleich bei YouTube die Jo-Jo-Wette angesehen. Bis ich es nicht mehr ausgehalten habe. Vor allem weil Forrest Gump so erschüttert aussah, und schlecht geschauspielert hat er auch.

Peinlichkeiten von bekannten Prominenten, Streitereien zwischen Sendern, die Abwesenheit einer … Person … bei einer Fernsehshow. Das sind alles Dinge, die sich einfach konsumieren lassen. Sie gehen nie zu tief und weil sie so weit weg sind, erreichen sie uns nicht. Das ist beruhigend.
Außerdem sind Schadenfreude, Hohn und Spott Balsam für die offenen Wunden der eigenen Angst. (Hui. Der Satz war aber schön.)
Wenn ich von den Feuilleton-Seiten weiter blättere, und bei den Berichten über Simbabwe lande, werde ich nachdenklich. Wenn ich Artikel über Abschiebegefängnisse an deutschen Flughäfen lese, werde ich sauer. Wenn ich lesen muss, dass Steinbrück Kanzlerkandidat ist, frag ich mich warum ich wählen gehen soll und was aus Morgen wird. Dann muss ich mich erst mal mit mir selbst beschäftigen. Das ist nie einfach.
Aber vielleicht ganz heilsam. Ich habe, zum Beispiel, diese Woche den wunderbaren Film „Ruby Sparks“ gesehen. In dem Film geht es um einen Autor, der eine Liebesgeschichte schreibt und das Mädchen daraus wird lebendig. Es geht um die eigenen Vorstellungen an einen Partner. Und ob der perfekte Partner – auf Tastendruck – vielleicht im ersten Moment perfekt wäre, aber irgendwann dann doch nicht mehr. Vielleicht bin ich alleine, nicht weil es den perfekten Partner nicht gibt, sondern weil ich ihn mir wünsche und in Gedanken und Schrift erschaffe.
Die selbstkonstruierte Wirklichkeit im Kontrast.
Ich habe außerdem das ansehnliche Foto-Buch „Ice: Portraits of Vanishing Glaciers“ gelesen und eine Reportage dazu gesehn, in dem der Fotograf James Balog den Rückgang der Eisberge an den Polkappen dokumentiert. In der exzellenten Talkshow „Real Time with Bill Maher“ wurde dann darüber diskutiert, dass die Menschheit die globale Erwärmung überhaupt nicht mehr aufhalten kann. Egal was wir jetzt auch tun würden, der Effekt würde erst in knapp 100 Jahren eintreten. Wie hilflos man sich da fühlt. Und soll ich deswegen aufhören alle Standby-Geräte in der Wohnung von den ausschaltbaren Steckerleisten zu nehmen? Was heißt Verantwortung für mich?
Erstmal: Ein klein bisschen mehr in die Auswahl der Nachrichten zu investieren. Auf die Überschriften zu scheißen und stattdessen keine Angst vor mir selbst zu haben. Harter Tobak.

Nächsten Sonntag ist meine Erkältung hoffentlich ausgestanden. Dann werde ich vielleicht nicht von Sonnenstrahlen geweckt, aber möglicherweise hab ich bis dahin 6€ für den normalen Fair-Trade-Kaffee ausgegeben und auch diese Milch in den grünen Tetra-Packs gekauft, die die zehn Cent pro Liter direkt an die Erzeuger zurückführt. Das erste was ich dann tue, ist Bruno Mars zu hören. Und ich werde mich nicht dafür schämen, dass mir diese Scheiß-Popmusik, richtig gut gefällt. Und mehr ist dazu nicht zu sagen.

HARLEKIN POST (S01) Der Pokaltourist: Groß gegen Klein

(18.08.2012 – 15:30 bis 17:19)
Fast dreißig Grad. Gefühlte Vierzig. Es ist heiß im Weserstadion. Ungewöhnlich heiß.
Mein erster Profi-Fußball-Besuch seit Jahren und ich schwitze. Aufregung?
Bei der Verlesung der der Gast-Startelf brüllt das mitgereiste Publikum lauthals die Namen mit. Beziehungsweise: Das gesamte Publikum brüllt die Namen mit. Neunzehntausend und etwas mehr sind gekommen. Fast ausschließlich in schwarz-gelb. Und dabei sind wir in Bremen. In der beeindruckend-modernen Heimspielstätte des SV Werder. Doch nicht an diesem Samstag. Der FC Oberneuland hat den deutschen Meister geladen. Statt vor möglichen 5050 Zuschauern im eigenen „Sportpark Vinnenweg“ zu spielen, hat man das Weserstadion gemietet. 15000 Zuschauer braucht es um Gewinn zu erzielen. Gerade so geschafft.

Ich sitze im Heimblock und trotzdem umgeben von gelben „EVONIK“-Trikots. Ganz nebenbei: Was macht EVONIK eigentlich? Dem Internet nach ist es eines der weltweit größten Unternehmen der Spezialchemie. Aha. Also machen die irgendwas gutes mit Forschung, gell?
Ich sehe mich also um und sehe nichts als gelb-schwarz. Für einen Bremer vielleicht ein Problem. Für mich nicht. Ich bin kein Bremen-Fan. Eigentlich bin ich überhaupt kein Fan. Jedenfalls nicht einer bestimmten Mannschaft. Als gebürtiger Hamburger wurde ich zwar schon unruhig, als bekannt wurde, dass Rafael Van Der Vaart zurück zum HSV kommt. Aber deswegen muss ich mir doch nicht gleich den Samstagnachmittag frei schaufeln und das live sehen. Was ist falsch an einem gut geschnittenen Sportschau-Beitrag?
Ich bin eben eher ein Fußballtourist. Ein, am Fußball Interessierter. Wenn überhaupt: Ein genereller, ein globaler Fußballfan. Ein Fußball-Weltbürger. Selten zwar, aber mich interessieren die Zwischentöne, nicht wer die erste Geige spielt (Uh. Ganz schlimme Metapher.) Und in diesem Jahr besonders. In dieser Saison bin ich Pokaltourist.

Und den Anfang macht: Die erste Runde im DFB-Pokal. FC Oberneuland gegen Borussia Dortmund. Zuerst lautes Geschrei und Getöse und bei der Verlesung der heimischen Elf dann fragende Gesichter. „Reus!“, is klar. „Krogemann“, hä?
Und so stürmen die bekannten Namen nach dem Anpfiff wie selbstverständlich. Die Unbekannten sehen aus wie Sparringspartner. Hier prallen Profis auf Amateure … oder Halb-Profis, wie die Jungs in Rot-Weiß schmeichelhaft genannt werden.
Oberneuland ist jene Ecke in Bremen, in der sich Werder-Spieler normalerweise Häuser kaufen. Ein schöner Fleck, aber da spielt man doch nicht. Der Stadtteilclub hat es trotzdem in die erste Runde des DFB-Pokals geschafft. Aus der Regionalliga-Nord. Und zwar über den Lotto-Pokal. Solche „kleinen“ Pokale gibt es in jeder Region des Landes. Im Grunde die Qualifikation für den „großen“ Pokal.
Von Drittligisten bis zu Kreisligisten treten die Vereine des jeweiligen Verbandes an und spielen ihn aus. In Bremen den Lotto-Pokal, in Bayern den Toto-Pokal, im Rheinland den Bitburger-Pokal, in Sachsen-Anhalt den Krombacher-Pokal. (Im Ruhrpott den Evonik-Pokal?) Und so weiter und so weiter.

Und dann spielen sie doch, die Namenlosen des FC Oberneuland. Sie leisten Widerstand gegen Reus, Subotic und Blaszczykowski. Namen, die mit der Stimme von Béla Réthy im Ohr noch von der EM nachklingen. Aber was heißt das schon? Nach fünf Minuten steht es noch Null zu Null.
Ist das ein Aufbäumen? Der Underdog gegen den klaren Favoriten.
Mit Händen und Füßen bewahren die Ungehörten den Ball davor ins Heim-Netz zu gehen. Obwohl: „Heimat?“ Neben uns sitzt ein Bremer, der seinem Kumpel – einem Dortmund-Fan, im entsprechenden Outfit – die Karten geschenkt hat. Den FC Oberneuland kannte er bis heute nicht. Eigentlich ist er immer für Hannover. Tz, diese Bremer.
Erkennen die denn die Chance nicht? Die einmalige Chance dem Bundesligameister ein Bein zu stellen. Das Glück ist doch bekanntlich mit den Mutigen, den hoffnungsvollen Streitern.

Die Tatsache das hier sprichwörtlich David gegen Goliath kämpft, lässt mich wundern: Ist der DFB-Pokal vielleicht eine letzte Bastion des fairen Spiels? Die letzten Möglichkeit mit hartem Einsatz, Kampfeswillen und unermüdlicher Aufopferungsbereitschaft den Riesen zu schlagen? Eine Möglichkeit Herz über Gehälter siegen zu lassen?

Nein. Ist er nicht.

Im Profi-Fußball geht es, wie bei jeder anderen Sache die mit „Profi“ anfängt, um Geld. Und der DFB-Pokal ist da keine Ausnahme. Dabei sieht er von weiter weg doch so demokratisch aus. Und so spannend.
Zum Beispiel, weil in der ersten Runde auch ein Fünftligist auf einen Bundesliga-Verein treffen kann. Aber das ist alles andere als ein Beweis für Fairness, Ausgeglichenheit oder gar demokratische Zustände.
Große Vereine (die eigentlich keine Vereine mehr sind) profitieren davon, wenn kleine Vereine nicht sterben. Klingt doch ganz nett, oder?
Irgendwie humanistisch. Liebevoll. Sogar fürsorglich.
Aber: Große Vereine (FCB, BVB, HSV … eben all die bekannten mit drei großen Buchstaben) profitieren nicht (!) davon, wenn kleine Vereine groß werden!
Wenn kleine Vereine sterben, sterben damit auch dutzende Anlaufstellen für junge, potentielle Fußballtalente. Die breite, deutsche Vereinsbasis (nicht nur im Fußball), nimmt jene Arbeit vorweg, von der später ein Götze im BVB-Kader profitiert. Von der der BVB profitiert. Die Begeisterung für Fußball. Die erste Prägung durch Grundkenntnisse, Spielfreude und Talententwicklung. Überhaupt: Talenterkennung passiert auf den ländlichen Fußballplätzen doch schon im Vorschulalter. Dann wenn die U12 vom SV Angermünde gegen die U12 der Spielvereinigung Eberswalde II spielt.
Deswegen dürfen in der ersten Runde DFB-Pokal auch gleich mal alle Vereine unterhalb der zweiten Liga, gegen Profi-Vereine (Vereine mit hauptberuflichen Fußballern) aus der zweiten und der Bundesliga spielen. Erste und zweite Liga sind natürlich auch von vornherein für den „großen“ Pokal qualifiziert. Kein Aussortieren hier.
Egal. Die Paarungen Groß gegen Klein bringen Geld in der Kassen der kleinen Vereine, jedenfalls genug um wenigstens eine weitere Saison zu überleben. Und ein bisschen Show bringen sie auch.
Viele kleine Vereine krebsen irgendwo zwischen unbedeutend finanziert oder chronisch unterfinanziert und am Existenzminimum. Kein Verein, der seine erste Herrenmannschaft in der Regionalliga hat, kann große Sprünge machen. (Mal abgesehen von „Rasen-Ballsport“ Leipzig. Wahrscheinlich hat deren beständige Weigerung aufzusteigen, etwas mit dem Dauerkonsum eines gewissen Energiedrinks zu tun.)
Okay. Also kassieren die kleinen Vereine ein bisschen Geld in der ersten DFB-Pokalrunde. Auch weil sie immer Heimrecht haben.
Im Gegenzug ermöglichen die schwachen Gegner den großen Vereinen das quasi sichere Weiterkommen. Was die großen Vereine natürlich nicht gebrauchen können, ist noch mehr Konkurrenz in den Profi-Ligen. Kleine Vereine sollen klein bleiben. Immerhin gibt es nur achtzehn Tabellenplätze in der Bundesliga.
Und so überleben die erste Knock-Out-Phase, statistisch gesehen, auch eher Profi-Vereine. Natürlich!
Es gibt zwar immer wieder Ausbrüche, und ein paar kleine Vereine schaffen es in die zweite Runde, aber Weisheiten wie „Der Pokal hat seine eigenen Gesetze.“ (Otto Rehagel), sind bei genauerem Hinsehen nicht mehr als ein Mythos. Nicht wahr, weil nicht bewiesen.
Und von eben jenem Mythos lebt das Event „DFB-Pokal“.
Doch schaut mal mal genau nach, war das letzte Mal, dass ein unterklassiger Verein, oder ein Regionalliga-Verein, oder ein Verein aus der dritten Liga den DFB-Pokal tatsächlich gewonnen hat … niemals. Der DFB-Pokal wird von Profi-Mannschaften gewonnen. Erste und zweite Liga. Keine Ausnahme.

Doch die Überlegungen zum Thema Fairness, Demokratie, Chancengleichheit etc. sind allerdings vollkommen und absolut egal, wenn man erst einmal im Stadion sitzt und sich den FC Oberneuland gegen den Double-Sieger Borussia Dortmund anguckt.
Als Zuschauer hat man ein unerklärliches, kaum beschreibbares Bedürfnis nach dem Kampf „Gut gegen Böse“. Klein gegen Groß. Man will die Möglichkeit, ja die beinahe Sicherheit des Scheiterns im Nacken spüren, damit es spannend ist. (Außer natürlich man gehört – wie fast alle an diesem Samstag in Bremen – zur Fan-Gemeinde des BVB. Elterliche Prägung oder Standortidentifikation schlägt Mythos. In jedem Fall. In diesem Fall: Drei zu Null.)

Der DFB-Pokal garantiert immerhin, und das spricht für den Schauwert, Tore. Im K.O.-System muss es einen Gewinner geben. Keine Null-Nulls, wie in der Gruppenphase der Champions-League. (Da freut man sich auf Schalke gegen Tel Aviv, nimmt sich den Abend frei, kauft Bier, justiert die Zimmerantenne exakt und macht Schnittchen – und am Ende ist nicht ein Tor gefallen. Nicht ein Tor! Und Schalke kam trotzdem weiter. Tz.)

Wieder in Bremen: Nach knappen zehn Minuten immer noch kein Tor für die Gäste. Großartig. Die Möglichkeit der Sensation liegt in der Luft. Jede Sekunde ohne einen Gegentreffer, ist wie ein kleiner Sieg für die Oberneuländer. Beherzt wehren sich diese Halb-Amateure, äh … Profis weiter gegen die gelben EVONIK-Profis. Es macht Spaß hier zuzusehen. Ein paar Mal kommen die Oberneuländer sogar in die Hälfte des BVB. War das da eben etwa ein Torschussversuch? Kann das Märchen hier wahr werden? Ja, vielleicht – – – Peng. Nein! Null zu Eins. Puff. Spannung reus … äh raus. (Tschuldigung.) War ja klar. Aber für einen Moment gab es Hoffnung, Spannung. Sympathie für den Überforderten, den Unterlegenen. Nach der elften Minute dauert es dann nur bis zur achtunddreißigsten Minuten, und alles ist klar. Zwei zu Null und nach der Pause Drei zu Null.
Nach dem finalen Tor erschlägt mich das Bremer Haake Beck, wie das Ergebnis die Oberneuländer. Eigentlich war ja doch alles von vornherein klar: Keine Chance. Aber man hatte halt gehofft. Und „Null zu Drei“ ist auch nicht sooo schlecht. Hätte schlimmer kommen können.
Die Fernseheinnahmen bringen dem kleinen Verein 200000 Euro. Überleben für eine weitere Saison gut gesichert. Vielleicht springen sogar neue Trikots für die U12er raus. Ein „Win-Win“?

Das Duell „Klein gegen Groß“ geht mit erschütternder, statistischer Wahrscheinlichkeit immer positiv für den Großen aus. Was es so spannend macht, und den Kleinen kämpfen lässt, ist eben das es nur eine Wahrscheinlichkeit ist. Genau jene Unschärfe, in der eigentlich klaren Rollenverteilung, hat Berlin AK 07 – anders als der FC Oberneuland – an diesem Samstag genutzt. Und deswegen guck ich mir den in der zweiten Runde an. Ich kann das Hoffen nicht lassen.
(Hu. Und am Ende noch mal knapp an nem schlechte Wortwitz vorbeigeschrammt.)

HARLEKIN POST (030) Green Nobel Prize

Juli 1940. Die sechzehnte Ausgabe der „All-American Comics“ erscheint. Darin tritt zum ersten Mal der Held Green Lantern auf. Green Lantern ist allerdings nicht eine spezielle Person. Green Lanterns sind eine ganze Gruppe.
Sie sind Wächter, Beschützer des Universums. Das Green Lantern Corps.
Ihre Kraft – alles entstehen zu lassen, was sie sich vorstellen können (was meistens überdimensionale Hämmer sind) – erhalten sie von grünen, außerirdischen Ringen, die wiederum alle vierundzwanzig Stunden an einer grünen Laterne wieder aufgeladen werden müssen.

Okay. An diesem Punkt verliert Autor Bill Finger auch mich.
Ich meine: Eine Laterne? Wirklich? Eine grüne Laterne? Warum nicht eine grüne Steckdose?
Und warum überhaupt grün? Warum nicht Purpur oder Rot? Grün, wie … „Bei Grün darfst Du gehen?“ … ist es so einfach? Weil im Straßenverkehr „Gehen“ gleich Grün ist, sind die Wächter des Universums auch grün? Und überhaupt: Warum immer bei „Grün“ gehen?
Warum nicht blaue Ampeln einführen? Blau ist eine angenehme Farbe. Blau beruhigt, würde also nicht schaden im Straßenverkehr. – – – Gut. Kommen wir zurück zu den „grünen Laternen“.

Die Green Lanterns sind also ein Corps. Eine Gruppe von Beschützern. Allerdings sind sie ohne ihren Ring nichts weiter als ganz normale Sterbliche. Der Ring beschützt sie, und sie beschützen mit ihm das Universum. Und noch etwas: Jeder Ring sucht sich seinen Träger aus.
(Apropos Ring: Dieses alte Schlitzohr J.R.R. von Guten-Schavan- – – äh Tolkien.)

Und dann ist da Alfred Nobel.
Ja, ja. Krasser Sprung, ich weiß. Egal. Spielen wir die komplett neben der Spur argumentierte Metapher mal durch:
Alfred Nobel, also. Ein einfallsreicher und geschäftstüchtiger Erfinder.
Er verfügt in seinem Testament, mit 92% seines Vermögens – welches nicht klein war – eine Stiftung einzurichten. Diese Stiftung wiederum soll einen Preis ausloben. Beziehungsweise verschiedene Preise. Und zwar nicht irgendwelche Preise: Nobelpreise.

Okay. Damals, am Anfang des 20ten Jahrhunderts, hatte noch niemand von dem Nobelpreis gehört. Aber recht schnell wurde klar: Mit einem Nobelpreis wurden ganz besondere Menschen ausgezeichnet und unterstützt. (Ein bisschen wie die Jedis. Also viele Medichlorianer im Blut. Übrigens: Bin ich der Einzige, der echt ein Problem damit hätte, wenn Liam Neeson mir sagen würde: Du hast eine ungewöhnlich Hohe Anzahl von kleinen Wesen in Deinem Blut? Nein? – Was? Zu viele popkulturelle Anspielungen für eine Metapher? Okay. Bleiben wir bei den Green Lanterns.)
Neben den Kategorien Chemie, Physik, Medizin und Literatur wurde auch ein Friedenspreis eingerichtet. (Eine grüne Friedensleuchte.) Ziemlich schnell fiel diesem „Friedensnobelpreis“ eine besondere Stellung zu.
Während im naturwissenschaftlichen Bereich stets historisch verbürgte Errungenschaften prämiert wurden (Siehe Watson, Crick & Wilkins) und in der Literatur stets brav abgewechselt wird (England-Frankreich-Südamerika-Deutschland-Schweden-England-Frankreich-Deutschland-Schweden-China???), wurde der Friedensnobelpreis zu so etwas wie einem Schutzschild für gefährdete und umstrittene Menschenrechtler.

Durch den Friedensnobelpreis für Aung San Suu Kyi, zum Beispiel, wurde der Blick der internationalen Presse und der internationalen Gemeinschaft – immerhin für ein paar Wochen – auf die Menschenrechtslage in Myanmar gelenkt. Wahrscheinlich war ihre Auszeichnung 1991 auch mit ein Grund dafür, dass die Militärregierung Aung San Suu Kyi nur 15 Jahre unter Hausarrest stellte, anstatt sie einfach in ein Massengrab zu werfen. Und es gibt wirklich viele Massengräber in Myanmar. Wirklich viele. Fast so viele Massengräber, wie wir NS-Gedenktafeln.
Ähnliches bewirkte der Friedensnobelpreis 2003 übrigens auch für Schirin Ebadi im Iran.

Manchmal klappt das mit dem Schutzschild für gefährdete Menschenrechtler allerdings nicht ganz. Und so befinden sich unter den Preisträgern auch ein paar knautschgesichtige Ex-Präsidenten oder Ex-Vize-Präsidenten – die immer noch mit Secret Service und Limousine zum Golfplatz fahren.
Doch alles in allem: Ab und an fand der Ring/Schutzschuld doch den richtigen Träger.
Und es wurde ein Licht (Laterne!) auf ein spezielles Problem dieses Planeten geworfen.

Und nun hat die EU den Friedensnobelpreis bekommen. Die EU.
Ein paar Experten glauben, dass dies eine Stärkung der EU bedeutet. Das es ein geschickter Sachzug des norwegischen Komitees war. Sozusagen in Zeiten des Zweifels einfach mal den Schwanz vergolden lassen und mit offener Hose durch die Nachbarschaft fahren. Damit alle sagen: „Ui. Na der hat aber einen schönen, goldenen Schwanz. Dem muss es gut gehen!“
Aha. Die EU braucht also ein paar Norweger um ihre Einheit zu wahren. Genau. Weil sich die Entscheider – also die Leute mit Macht in Europa – von einem Friedensnobelpreis auch sooo sehr beeinflussen lassen:
„Ja, also eigentlich wollten wir der wirtschaftlich stabilisierend wirkenden Union – die alle Grenzen für den Handel geöffnet hat, und damit Unmengen an luftigen Regeln geschaffen hat, die wir alle unterwandern können, allerdings auch ganz legal von der Freihandelszone profitieren, eigentlichen wollten wir dieser Union schon den Laufpass geben – aber wenn die jetzt einen Friedensnobelpreis hat … tja, da kann man doch nicht mehr NEIN sagen zum Euro.“

Dabei ist die EU nur der jüngste Ausrutscher:
2009 bekam Barack Obama den Friedensnobelpreis, da hatte der im Weißen Haus noch nicht mal nen neuen Klositz angeschraubt. Es hieß: Der Preis sei motivierend gemeint.
Hat ja doll geklappt. Ohne juristischen Über- oder Unterbau lässt der ein paar Auftragskiller in ein fremdes Land fliegen und einen Mann in seinem Haus erschießen. Herausragende Leistung im Bereich „Frieden“. (Okay. Der Mann war vielleicht Osama bin Laden – für den hätte ich auch nicht gebremst – aber man muss ihm doch nicht gleich „Zwei zwischen die Augen“ geben!)

Ein Jahr später bekam dann ein echt Gewaltloser den Friedensnobelpreis. Liu Xiaobo. Doch irgendwie zog das nicht mehr so wie früher. Heute ist Liu Xiabo in China immer noch im Knast. Einzelhaft. Nur seine Frau darf ihn sehen. Und die wird überwacht. Sein Vergehen: Er hat ein Buch geschrieben und ging auf die Straße.
Als die Ehrung bekannt wurde, sprach die chinesische Regierung von einer „unangebrachten Einmischung in innere Angelegenheiten“. Hätte der Schutzschild noch seine alte Kraft … vielleicht wär es bei Hausarrest geblieben.

Der Schutzschild des Friedensnobelpreises ist also deutlich dünner geworden, schwächer. Aung San Suu Kyi sitzt mittlerweile im Parlament von Myanmar. Wenn man heute etwas in der ZEIT über Liu Xiaobo liest, kriegt der die Essensrationen gekürzt.
Da war es doch genau das Richtige, einer seelenlosen und heimatlosen, einer moral-losen und zahn-losen Institution, wie der EU den Preis zu geben. Damit er in Zukunft noch weniger Gewicht hat.
„Wir zeichnen aus: Einen undurchsichtigen, menschenverachtenden, bürokratischen Apparat. Juche!“

Alfred Nobel war ein Pragmatiker. Unter anderem erfand er das Dynamit. Die Folgen dieser Erfindung waren Entwicklungssprünge im Berg- und Tunnelbau und lustige Szenen in alten Western-Filmen, mit Dynamit-Stangen und viel zu kurzen Lunten.
Nobel war vielleicht kein Heiliger, aber er wollte nach seinem Tod etwas weitergeben.
Sein Erbe wird allerdings immer unbedeutender.
Und leider ist kein Erfinder in Sicht, der es ihm alsbald nachmachen wird.
Steve Jobs – der sich ja gerne als Erfinder feiern lies (genau!) – hat in seinem Testament nichts von einem „Friedensjobspreis“ verfügt.

Die Realverfilmung der „grünen Laternen“ – aus dem letzten Jahr, mit Hundeblick-Wunder Ryan Reynolds – war übrigens ein riesiger Flop. Zu Halloween oder an Fasching gehen die Kinder weiterhin als Bat- oder Spiderman.
Vielleicht funktioniert das Weltenretten, mit einem geheimnisvoll übertragenen Schutzschild-Ring (ob nun grün oder wie auch immer), doch nur in bunten Bildern auf Comic-Papier.

Oder wir warten auf einen Außerirdischen. 2013 kommt der neue Superman-Film.
Ich hol schon mal das Popcorn.

HARLEKIN POST (029) Schutzengel – Eine Filmkritik

„Schutzengel“ von und mit Til Schweiger ist ein Film.
Er beginnt kompromisslos am Anfang der Geschichte, erzählt danach den Mittelteil und hört am Ende auf. Drei Akte oder fünf Akte. Man kann diesen Film kundenfreundlich einteilen wie man will. Krönender Abschluss ist der Abspann. Weiße, breite, gut lesbare Buchstaben auf schwarzem Grund. Die Geschwindigkeit der Buchstaben ist optimal gewählt: Dem geneigten Zuschauer entgeht nichts.
Die Auswahl der sonstigen Bestandteilen ist exquisit: Es gibt nahe Kameraeinstellungen, ebenso wie halbnahe und manchmal sogar eine weite Einstellungen. Innenaufnahmen wechseln sich mit Außenaufnahmen ab, als wäre es ein Klacks. Hin und wieder gibt sogar einen der heiß begehrten „Establishing Shots“ von Berlin. Es ist für jeden etwas dabei.
Ab und an wird, wie selbstverständlich, in Zeitlupe erzählt und anschließend – als wäre nichts passiert – wieder in Normalgeschwindigkeit. Die meisterhafte Montage von Bild an Bild, erlaubt sich nahezu keine Fehler. Immer ist etwas zu sehen. Nicht immer ganz, aber immerhin immer etwas. Toll.
Der Film verfügt auch über Farbe und Ton. Und gerade bei der Farbwahl wurde kunstbewusst auf den Einsatz von kräftigen Elementen verzichtet. Grau und Braun sind, ganz im Sinne eines reduzierten Oskar Schlemmer, tonangebend.
Musik gibt es auch, allerdings mit sehr wenig Gesang. Was wiederum die Konzentration auf die elektrisch erzeugten Geräusche gestattet und diese, den geneigten Zuhörer, auch genießen lässt.
Es gibt Schausteller und Darsteller, Komparsen und Komparsinnen. Es gibt einen Rollstuhlfahrer, ebenso wie einen Türken. Es gibt Frauen und Männer, alte und junge Menschen. Die Bandbreite von Personen ist schier endlos. Wunderbar um sich in den vielen Gesichtern zu verlieren oder wiederzufinden.
Der Film hat eine unglaubliche, ausgewiesene Länge von zwei Stunden und vierzehn Minuten, was eindrucksvoll beweist: Die Macher waren nicht faul. Außerdem erlaubt diese Länge im Kino den beliebten Überlängenzuschlag zu verlangen. Welch ein Glück.
Mit Vorfreude und Spannung harre ich der Zeit, da „Schutzengel“ als DVD-Beigabe der TV-Movie zugesteckt, oder neben der Kasse von ProMarkt für 5€ angeboten wird. Juhu!
(inspiriert durch Christoph Horst)

HARLEKIN POST (028) Der Niebel, der Friedrich und ich

Ich bin der Minister für das Gute in der Welt.“ Dieser Satz stammt von Dirk Niebel. Keine Ahnung wann er ihn gesagt hat, aber er wird häufig zitiert. Vielleicht ist es wie bei Nietzsche: „Wenn Du zum Weibe gehst, vergiss die Peitsche nicht.“ Soll ja ironisch gemeint gewesen sein. Allerdings ist Niebel von der FDP, und hat irgendjemand von der FDP schon mal Ironie bewiesen? Flugblatt Möllemann mal ausgenommen.
Im SPIEGEL-Interview hat Niebel zuletzt kritisiert, dass frühere Entwicklungshilfe nur selbstlos war. Sein Ansatz ist die „Zusammenarbeit souveräner Staaten“. Das ist ein Satz, den kann man sich auf der Zunge zergehen lassen muss. „Souveräne Staaten“. In Afrika! Gerade im Süden und in der Mitte. „Souveräne Staaten“… ha!
Man muss sich das so vorstellen: Eine Frau wurde Jahrhunderte vergewaltigt und geschändet. Sie hat ihre Kinder mit einer rostigen Nadel abgetrieben oder unterernährt zur Welt gebracht. Selber hat sie kaum überlebt. Dauernd davor zu verhungern. Und nun steht der Mann ganz großmütig vor ihr, in Seide und Samt gekleidet, und sagt: Ja. Er werde sie weiter schänden und vergewaltigen, dafür gibt er ihr allerdings ein kleines Haushaltsgeld. Wie nett.
Ersetze Mann mit Deutschland oder fast jeder anderen, westlichen Demokratie und Frau mit Afrika.
In diesem untertriebenen Gleichnis steckt noch viel mehr: Wie werden wohl die unterernährten, nicht-abgetriebenen Kinder irgendwann drauf sein? Wie sind die ihrem „Vater“ gegenüber eingestellt? Und wir wundern uns, dass die Muslimbruderschaft kein Kegelklub ist.
Das tolle an „souveränen Staaten“ ist auch: Die müssen nachher, wenn die Rohstoffe aus sind und die Kinder vor lauter Blut an den Händen keine Steine mehr für deutsche Fußgängerzonen mehr kloppen können, dann ganz „souverän“ mit den Folgeproblemen alleine klarkommen.

Boah ist das ein schlimmes Thema. Soll ich jetzt noch was über Frontex und Hans-Peter Friedrich schreiben? Was raus ist, ist raus, wa?

Der aktuelle Bericht des UNHCR zählt 571000 Flüchtlinge in Deutschland. Wow. Mehr als ne halbe Million: Man könnte ne ganze Stadt mit Flüchtlingen füllen. Zum Beispiel: Hannover.
Wer will da schon wohnen. Deutsche jedenfalls nicht. Trotzdem: Hannover ist vielleicht die hässlichste Stadt dieses Landes, aber besser als die Lager oder Aufbewahrungszellen und Gefängnisse, in denen viele Flüchtlinge zur Zeit sitzen, allemal.

In Punkto Anzahl der aufgenommenen Flüchtlinge führt Deutschland die Industrieläner ungeschlagen an. Bravo. Wobei: „Aufgenommen“ ist immer so ein schwieriges Wort. Bayer Leverkusen hat Michael Ballack auch „aufgenommen“ … aber wirklich „angenommen“ oder „angekommen“ ist er dort auch nicht.
Komisch wird es, wenn wir uns die Flüchtlinge in Nicht-Industrieländern angucken: Pakistan nimmt mehr als drei Mal so viele Flüchtlinge auf (1,7 Mio). Okay. Haben auch doppelt so viele Einwohner. Allerdings ist ihr BIP auch nur ein Sechsunddreißigstel von unserem. Wir könnten also ein paar mehr Flüchtlinge gut stemmen. Und eigentlich könnten wir ihnen auch mehr als nur rattenverseuchte Baracken zur Verfügung stellen. Für die Umrüstung der BER-Flughafens zahlen wir doch auch …
Stattdessen schicken wir eine Söldnertruppe los. Frontex. Klingt wie ne Salbe gegen Schweißfüße. Die schüchtern ein, schicken zurück und schießen im Notfall auch für Europa an den Flüchtlingsstromangelpunkten dieses Kontinents.
Diese Kinder, nicht-abgetrieben von einer von uns vergewaltigten und geschändeten Mutter, schafften es also nach Horror, Krieg und Flucht auf ein wackeliges Floß, harren wochenlang aus und werden dann mit vorgehaltener Schnellfeuerpistole wieder zurück geschickt. (Hach. Da kann ich heute und Sonntag wieder voller Stolz für mein Land bei der EM im Menschenrechtsparadies Ukraine jubeln!)

Das alles ist nicht neu. Frontex gibt es seit 2004 und unser Innenminister Friedrich meinte erst kürzlich, aber zum wiederholten Male: „wir können unseren Wohlstand nicht teilen mit dem Rest der Welt.“ Mal ehrlich: Unser Wohlstand?
Meint er Geld, oder was? Geld haben wir doch noch nie mit den Ärmsten geteilt. Deswegen wird bei Hartz IV auch über Centbeträge gestritten. Weil man anderorts lieber nen Panzer mehr kauft.
Oder meint er Land? Gilt es Hannover vor den Flüchtlingen zu verteidigen? Irgendwo im, von Landflucht gebeutelten, Osten ist bestimmt noch ein Fleckchen frei. Da können die gerne hin.
Unseren Wohlstand allerdings, kann man nicht aufteilen oder zerteilen. Der Wohlstand, weswegen Flüchtlinge hierher kommen, hat nichts mit Geld oder Raum zu tun:
Seit 1945 gab es in diesem Land viel: Terrorismus von Rechts, von Links. Aufmärsche. Anti-Atom-Demos. Wetten dass und Dallas. Es gab technologischen Fortschritt und gesellschaftlichen Aufbruch. Wir haben eine Piratenpartei, die gerade anfängt ihre ersten Gehversuche hin zum Spießertum zu machen. Wir haben ekelhafte Fleischbeschau „by Heidi Klum“ und bald ein neues philosophisches Quartett mit Richard David Precht. Wir haben Zauberfußball von Özil und Schauder-Comedy von Cindy aus Marzahn. Beides mit guten Einschaltquoten.
In diesem Land gibt es alles. Das ist kein Heilsversprechen, aber DAS ist unser Wohlstand. Und zwar weil wir eines nicht mehr haben: Krieg. Ganze 67 Jahre nicht mehr. In dieser Zeit war immer irgendwo auf der Welt Krieg, aber nicht bei uns.
Deswegen flüchten die Menschen und deswegen wollen sie zu uns.
Unser Wohlstand ist „von Braun, Brecht, Bohlen und Bratwurst“ für jedermann, ohne dabei beschossen zu werden. Jedenfalls nicht innerhalb des Landes. Und nicht, wenn man die richtigen Papiere hat.
Das hat grundsätzlich nichts mit Geld zu tun. Oder glauben wir etwa, dass ein bisschen Förderung, gute Behandlung von Flüchtlingen, etwas mehr Entwicklungshilfe, ohne weiter ein Land auszubeuten, etwa in einer globalisierten Welt nicht irgendwann positiv zurückkommt? Und auch wenn nicht: Immerhin haben wir Karma-Punkte gesammelt. Und was haben wir verloren? Ein bisschen Geld? Media-Markt bietet dann immer noch Flachbildschirme im Ratenkauf an. Teppiche aus Afghanistan braucht man nicht verzollen, bei zweitausendeins gibt es die Gesamtausgabe Joseph Roth für Fünfzehn Euro und die nächste Staffel „Das Supertalent“ kommt bestimmt.
Wovor haben wir eigentlich Angst? Macht die Türen auf, es wird stickig.

HARLEKIN POST (027) Grüne Hölle

Wieviel Joints kann man mit 15 Gramm Marihuana bauen? Wieviel mit sechs Gramm?
Machen wir einen Test: Fünfzehn Gramm Marihuana für die CDU-Senatoren von Berlin. Ein gemütliches Wohnzimmer, „Harold and Kumar go to White Castle“ auf DVD und die Nummer von Hallo Pizza für später.
Eine Woche danach dann sechs Gramm. Dazu „Das weiße Band“. Keine Pizza.
Ich wette wir behalten den Grenzwert von 15 Gramm.

Woher kommt eigentlich der plötzliche Ansturm auf Marihuana? – Ach. Es wird immer mehr Gras sichergestellt. Hm? Warum wohl?
Jede zweite Nachricht bei der tagesschau und spiegel.de sind neue Schulden, Finanzcrash und Arbeitslosigkeit. Global Warming, Massenmörder und Terrorismus. iPhone 5 kommt erst im Herbst und Abstieg für Hertha in die zweite Liga. Das weiße Band live.

Die Kids, die auf Berliner U-Bahnhöfen wahllos Passanten zusammentreten. Ich verwette meine 15 … äh … sechs Gramm, die in meinen Star Wars-Socken versteckt sind… diese Kids haben vorher garantiert nichts geraucht. Stattdessen haben sie einen dieser Energy-Alkohl-Drinks gezischt. Wahrscheinlich zehn. „Rockstar“. Genau. Die sind auf Speed oder Koks. Nicht auf Marihuana.
Aber das sind ja alles Drogen. Einstiegs-, Umstiegs- oder Harte-Drogen. Hauptsache Drogen. Deutlich zu trennen von Alkohol. Alkohol ist deutsch und Kulturgut. Aber das kennt man ja.
Wie wäre es mit einer Mindestmenge an Alkohol in Getränken? Maximal 6%? Hm?
Kein Vodka, kein Jägermeister, kein Tequila mehr … es wäre eine Scheiß-Welt. Aber innerhalb von drei Monaten hätten wir eine Arbeitslosenquote unter einem Prozent, Rückgang der häuslichen Gewalt, 90% weniger Unfallverletzte im Straßenverkehr und die U-Bahnen würden Sonntagmorgen nicht alle nach Kotze stinken.

Wo ich vorhin schon beim iPhone 5 war …
Ich hab noch nie ein Apple-Produkt besessen. Kein Mac-Book, kein iPod oder Pad. Ich weiß nicht was mit einem Menschen passiert, wenn er etwas von Apple kauft. Vielleicht wächst ihm ein zweiter Schwanz (wobei nur die wenigsten Apple-Nutzer damit was anfangen könnten), vielleicht schmeckt sein Schweiß plötzlich nach Rosenwasser oder aus der chronischen Sehnenscheidenentzündung an der rechten Hand, wird über Nacht eine Ganz-Körper-Tranformation und er läuft durch die Welt wie jeder Typ aus der AXE-Werbung. Klick, Klick.
Keine Ahnung. Aber so wenig wie mich Air-Jordan-Schuhe höher springen lassen, so wenig hat ein Telefon mit Angry-Birds Einfluss auf den Verlauf der Menschheitsgeschichte. Es ist ein beschissenes Telefon.
Egal ob da iOS6 oder Hämorrhoiden-Punkt-Drei als Betriebssystem drauf ist. Ja. Das iPhone kann sämtliche Berechnungen, die die NASA in den Sechzigern anstellte, um drei Männer zum Mond zu schicken, in sechs Millisekunden durchführen. Trotzdem: Hätte es das iPhone in den Sechzigern gegeben, damit zum Mond gekommen wäre man nicht.

Aber was mich echt aufregt ist, dass in den letzten Jahren mehrfach mathematisch bewiesen wurde (bewiesen!), dass es Außerirdische gibt. Außerirdische! Außerdem wurde ein erdähnlicher Planet ganz in der Nähe aufgespürt, und alles was es dazu gab waren … hundert Zeilen auf der Wissenschaftsseite, die ohnehin nur benutzt wird um Fisch auf dem Markt einzuwickeln. (Als würde irgendjemand noch auf dem Markt Fisch kaufen!)
Doch worüber im Vorfeld diskutiert wird und wovon es Live-Ticker mit sekundenschnellen Updates gibt, sind Apple-Produktmessen. Abgefuckte Werbeveranstaltungen werden ausführlich besprochen und mit langen Artikeln ausdiskutiert. Artikel, die vor okkulten Abkürzungen nur so strotzen und dem abgeneigten Leser den Zugang vollkommen verwehren!
Eine weltweit besprochene Erkenntnis, wie die Tatsache dass wir nicht alleine im Universum sind (oh, diesen Satz wollte ich schon immer mal schreiben), könnte bei breiter Medienwirkung zu ungeahnten Gesellschaftsverschiebungen führen. Kriege könnten eingestellt, Revolutionen gegen mittelalterliche Staatssysteme eingeleitet werden. Vielleicht würden die Griechen auch anfangen einfach mal ihre Steuern zu zahlen (was die ganze Krise locker abwenden würde) und vielleicht würde Merkel in Deutschland endlich die Löhne anheben.
Aber so lange wir auf der Erde brandheiße News, wie die vom Update zum neuen Musicmatch Jukebox 9.00 haben … wer will da schon von seinem Retina-Display aufschauen?

Liegt die „Harold and Kumar“ DVD noch im Player? Hoffentlich ist noch was in den Star Wars-Socken.