HARLEKIN POST (007) Wir sind das Netz 2

Es gab mal eine Zeit, in der haben Journalisten Präsidenten gestürzt. Sie haben die Bundesregierung angegriffen, haben einen ehemaligen Atomminister am Wahlsieg gehindert.
Diese Zeit ist vorbei. Was vielleicht ganz gut ist. Damals trugen die Menschen Jeans mit unglaublich breitem Schlag. Es war furchtbar … die Fotos meiner Eltern … Damals gab es auch noch keine dritte Fußball-Liga und ein Deutscher hatte noch nicht seine Mannschaft zum NBA-Titel geführt. Damals bekam man im Winter keine Erdbeeren und Netto war nur das, was unterm Strich übrig blieb.
Die führerlose Internet-Initiative Anonymous gab es damals auch noch nicht. Was logisch ist, gab es ja auch noch kein Internet. Doch was in den Zwanzigern das Stadtgespräch war, in den Fünfzigern der Eilbrief und in den Achtzigern das Telefon, ist heute: Das Internet.
Leben findet hier statt. Ob wir das wollen, oder nicht. Und Leben heißt Freiheit. Dies war in den Etablissements der Zwanziger so, als man sich leider nur über Nationalisten lustig machte und froh war dass es keinen Kaiser mehr gab. Es war in den Fünfzigern so, als man sich per Telegramm für einen Trip nach West-Berlin verabredete um diese neuen Bürgermeister sprechen zu hören. Und es war die Freiheit in den Achtzigern, am Telefon Kohl-Witze zu machen und sich anschließend für die Wahlveranstaltung dieses jungen, aufstrebenden Ministerpräsidenten aus Niedersachsen zu verabreden.
Anonymous hat zuerst Scientology den Krieg erklärt. Mittlerweile greift die Bewegung Kreditkartenfirmen oder den Iran an. Anonymous ist anders als Bürgerprotest. Es ist ziviler Ungehorsam im Netz. Und es ist kein Terrorismus. Genauso wenig wie kritischen Medien früher Staatsfeinde oder Vaterlandsverräter waren. Diese Unterscheidung ist wichtig. Sie ist elementar. Und wir sollten anfangen sie zu machen und nicht zulassen, dass man aus Gandhi einen Bin Laden macht.
Hui. Der letzte Satz war vielleicht doch etwas pathetisch. Das kommt davon, wenn man mit Wachowski-Filmen aufwächst. Na, wenigstens hab ich keine Hosen mit Schlag getragen.

HARLEKIN POST (006) Wir sind das Netz

Die Entrüstung ist groß. Kino.to wurde abgeschaltet. Was nun?
Auf die Straße gehen und für Raubkopien protestieren? Irgendwie findet sich dafür nicht die rechte Mehrheit. Das ist ein bisschen wie für die Legalisierung von Haschisch auf die Straße zu gehen. Man hat ja eigentlich nichts gegen den Joint am Abend, man zieht sogar gerne selber dran, aber irgendwie … hm. Vielleicht ist es ja wirklich eine Einstiegsdroge. Den Autohändler, den man kennt, der raucht auch … und der kokst auch. Ist das Zufall? Also beim Rauchen mitmachen: Ja. Aber dafür einstehen?
Kino.to war ein Phänomen, weil es den blutenden Nerv im Unterbewusstsein einer ganzen Netz-Generation … der ersten Netz-Generation traf: Das Bedürfnis nach bewegten Bildern. Und zwar nicht nach „Rote Rosen“ oder „Doctor’s Diary“ … von denen jeder Schnipsel bereits umsonst online verfügbar ist. Nein. Das will sich ja schon niemand im Fernsehen antun.
Was es gab, war das Bedürfnis nach einem Kanal auf dem läuft was man will. Qualität oder auch mal Ramsch. King’s Speech, neben Saw 6! Und man will es gleich. Abends, wenn man mit wundgetexteten Fingern aus dem Büro kommt.
Man will das Neueste sofort, weil das doch so ist im Netz. Da gibt es immer alles zu jeder Sekunde. Sollte sich diese Anspruchshaltung, mit der alle Anbieter ihre Kunden locken, zurückentwickeln, nur weil Filmkonzerne zu verstockt sind ihre Vermarktungsprozesse anzupassen?
Oder: Geht man deswegen weniger ins Kino? Nein! Die Zahlen bleiben absolut gleich … Obwohl doch Deutschland immer kleiner wird. Und was ist mit dem Preis? Ist Kino billiger geworden? Wird weniger Geld an den Kinokassen verdient? Nein. Die Karten sind sogar unverhältnismäßig (in Anbetracht der allgemeinen Inflation) teurer geworden.
Das Problem was Dienste wie kino.to aufzeigen: Die Filmindustrie bangt um Einflussnahme. Aber selbst großindustrielle Medienproduzenten sehen es ein. Für eine demokratische Netzwelt, in der man in Sekunden alles Wissen bei Wikipedia findet, braucht es neue Vertriebswege. Braucht es vielleicht die Einsicht, dass man der Mehrheit (und es war die Mehrheit auf kino.to) geben sollte, wonach sie verlangt. Und zwar gute Unterhaltung … und wenn das bedeutet, mehr Geld in DIRECT-TO-NET-Produktionen zu stecken, die man (mit Werbeunterbrechungen) im Netz immer sehen kann … warum nicht? Wer den neuen Al Pacino auf einem iPhone sehen will, während er an einer Bushaltestelle neben ätzenden Mitfahrern wartet … den soll man lassen. Der Rest geht zum vierten Teil des Paten (und der kommt. Bestimmt … und zwar in 3D. Ja. Das meine ich ernst. Auf jeden Fall … wenn Alvin & die Chipmunks nen 3ten Teil kriegt, kriegt auch der Pate den vierten Teil … in 3D. ) … immer noch in die heile Welt des Kinos.

HARLEKIN POST (005) Thessa & der Haken

Thessa hat einen Haken falsch gesetzt. Mehr ist nicht passiert. Ein kleiner, digitaler Haken. Acht Pixel mal acht Pixel. Und schon tickt eine gesamte Generation aus. Wie ungewöhnlich das sei. Und die gewöhnlichen Verdächtigen sind natürlich mit dabei … Aber so einfach wie es sich das Medienmagazin ZAPP machen will, ist es nicht. Bild & Stern und alle anderen handeln mittlerweile nach einem Reflex. Sie suchen, ohne eine Unterscheidung zu machen, einfach nach allem was irgendwie für Aufmerksamkeit sorgen könnte. (Betonung auf „könnte“!) Wenn da eine 16-jährige einen Fehler macht (ach, ein Ausrutscher, mehr war das nicht, eine Lapalie), auch nur einen minimalen Fehler, ist es klar dass der umgehend ausgeschlachtet wird. Das ist traurig, aber wer extra Paparazzi beschäftigt um Prominenten beim Aussteigen aus dem Auto unter den Rock zu gucken … was soll der sonst machen?
Der Haken an Thessas Geschichte sind die tausend oder mehr Leute, die tatsächlich zu ihrem Geburtstag gekommen sind. Ohne eine Sekunde über die Konsequenzen ihres Handelns nachzudenken, einfach „für den FUN“. Eine Generation von Soziopathen stand da in der Reihenhaussiedlung und grölte. Die Achtung vor sich selbst hat dieser Mob schon längst verloren. Und ohne Selbstachtung, keine Achtung vor anderen. Man zerfleischt sich gegenseitig um einen größeren Erlebnisfaktor zu genießen. Alles andere, Empathie, Reue oder Nachsicht, ist den Partygängern längst abgegangen … im Grunde schließt sich hier der Kreis zum Anfang der Woche: Die selbstgemachte Katastrophe. Besonnenheit fehlt. Die Medien machen mittlerweile einfach nur ihren Job, so wie ein Gerichtsvollzieher. Und wir, wir ticken eben gerne aus … Freiheit nennen wir das dann … und sagen „man wird doch wohl mal“. Ja, man darf. Aber dann muss man sich nicht wundern, wenn irgendwann vor dem eigenen Garten zehntausend Menschen stehen und sagen: „Aber Google Earth hat angezeigt, Du hast nen Grill.“

HARLEKIN POST (004) Die Völkischen

Norbert Röttgen sitzt da, als wollte er gleich rufen: „Was wollt ihr denn von uns? Wir tun doch genau was ihr verlangt!“ Und er hat Recht.
Seit Fukushima wurde den Deutschen, jedenfalls denen die in repräsentativen Umfragen immer wieder auf Prozentbalken gespannt werden, klar: Da war doch was. Dreißig Jahre einer grinsenden Sonne sind nicht spurlos an uns vorbei gegangen und „Atomkraft, Nein Danke“ hat es endlich ins kollektive Gedächtnis geschafft. Gott sei Dank. Und irgendwann kann sich auch eine Bundeskanzlerin, die gerne mal sitzenbleibt, nicht mehr gegen schwindende Umfragewerte wehren. Und jetzt geht es los. Atomausstieg, von der CDU? Und alle begannen zu schreien. „Ha. Das ist doch nur dem Volk nach dem Mund geredet.“ Ja. Richtig. Na und?
Stimmt: Norbert hat vor einem halben Jahr noch gesagt das es ein „Meilenstein“ sei, doch noch länger an der Atomkraft zu hängen, vor ein paar Tagen war es dann ein „Meilenstein“ schnell auszusteigen. Natürlich ist das hart für einen Politiker, seine Richtung ändern zu müssen. Man sieht es ihm an und es geschieht ihm Recht. Aber zum Glück sind Röttgen und Merkel Populisten, sonst würde nichts passieren. Und was haben wir uns den Atomaussteig gewünscht? All die vielen Demos und Castor-Blockaden! Und jetzt ist es soweit. Endlich, will man rufen.
Für ein paar Tage war es da auch okay, dass wir auf der CDU rumgehackt haben, aber irgendwann sollten wir uns vielleicht einfach freuen, dass es jetzt nicht mehr auf unbestimmte Zeit in Deutschland strahlt.
Am Mittwochabend, bei Hart aber fair, schien es dann aber noch nicht genug. Plasbergs „Faktenchecker“ glaubten gar, dass bei abgestellten Atomkraftwerken im Winter kein Strom mehr da sei. Und der Chefredakteur der Wirtschaftswoche (wie passend) glaubt an den Blackout und das dann Arbeitsplätze in Fabriken verloren gehen, weil für ein paar Stunden nichts produziert werden kann. Was man Herrn Tichy mal sagen sollte: Seine Kollegen aus der Wirtschaft brauchen bestimmt keinen Grund wie „wegen Blackout“ um noch mehr Stellen abzubauen. Und mal ein paar Stunden ohne Internet, haben die Menschen vielleicht ganz nötig. In diesem Sinne: Ich geh‘ jetzt mal raus, ohne Laptop.

HARLEKIN POST (003) Die Kachelmann-Frauen

Ein Mann bedroht eine Frau, oder nicht, mit einem Messer, oder nicht, zwingt sie zum Sex, oder nicht. So etwas passiert wahrscheinlich jeden Tag, vielleicht sogar zwei Mal oder drei Mal am Tag alleine in Berlin. Das macht es nicht weniger schlimm, aber es war auch nie anders.
Und dann auf einmal ist es ein Wettermann. Ein Wettermann? Der komische Kauz, der als langer Lulatsch vor einem Green-Screen herum hampelt und wie eine Schamanin in den vielsagenden, blinkenden und sich verschiebenden Pfeilen auf einer viel zu groben Deutschlandkarte die metrologische Zukunft liest. Der uns sagt „es könnte so, aber auch so“ sein … genauso wie die Richter und im Zweifel sowieso für den Angeklagten. Aber irgendwie mochten wir Kacheljörg. Er tat niemandem was, trat als Wetterexperte auf, war unpolitisch … ein Schwiegersohn-Abziehbild. Und dann tat er das, was alle Männer mal tun: Ein Arsch sein. Weil sie es können. „Aber doch nicht unser Jörg. Mit einem Messer? Nein. Trotzdem. Das der in sowat verwickelt ist …“
Und plötzlich fiel der gesamten Talk-Elite des Landes auf: Hui. Da is ja was. Wir haben immer noch Unterdrückung in diesem Land, und wir kultivieren sie. Illner, Will, Plasberg und Maischberger. Voll von nur einem Thema. Kachelmann. Und ich musste wochenlang auf meine Dosis Krisengespräche zum Nahostkonflikt oder Schuldenberg warten. Wozu? Damit Alice Schwarzer in tatsächlich jeder Sendung was zur Unterdrückung der Frauen sagen konnte. Haben wir keine anderen Feministinnen? Ist das nicht auch Sexismus, wenn man seinen eigenen Geschlechtsgenossinnen das Wasser mit der eigenen Überpräsentation abgräbt? Man muss quasi anfangen selbstbewusste Frauen zu hassen, wenn man beim Wort „Gleichberechtigung“ immer gleich an Schwarzers Unbarmherzigkeits-Gesichtsausdruck denkt. Die ist wie Kohl, der wollte auch nicht gehen. Und jetzt macht seinen Job eine Frau. Nicht viel sympathischer, aber besser. Und satt haben wir sie auch noch nicht. Vielleicht wird es Zeit, dass ein Mann aufgeklärten Feminismus betreibt und sich gegen Sexismus in der Gesellschaft stark macht. Und dann wird aus der „Emma“ „Emma & Emil“. Ein Magazin in dem die Frau zuerst kommt, weil sie lange zu kurz kam, und der Mann stolz hinter seiner Frau steht. Ein Mann der das Messer nur zum Gurkenschneiden (äh … ach ja, die sind wieder freigesprochen), oder nicht, in die Hand nimmt. Und das Wetter macht wieder eine Frau, der kann ich sowieso viel leichter verzeihen.

HARLEKIN POST (002) Live-Ticker zum Ende der Welt

Aktualität ist ja was Schönes. Was Wunderschönes. Wir wollen aktuelle Nachrichten, und nicht erst drei Tage später in der Frankfurter Rundschau lesen wer Weltmeister in Afrika wurde (weil Redaktionsschluss schon halb Vier war und die Auslieferung gerne mal zwei Tage braucht) … für die FR war das nicht selbstverständlich, vielleicht mit einer der Gründe warum nun Stellen gestrichen werden.
Während der Grünen Revolution im Iran hielten Twitter-Beiträge und Blogs die Weltöffentlichkeit auf dem Laufenden und angeblich war Facebook mit für den Regimewechsel in Ägypten verantwortlich. Alles gut und schön, nicht immer gefiltert und nach journalistischen Kriterien abgewogen, aber wenn man sich die RTL-II-Nachrichten ansieht … was ist das heutzutage schon?
Als DER SPIEGEL zum Reaktorunfall in Fukushima einen Live-Ticker einrichtete, hatte das dann schon mehr einen … Schauwert. Wie ein Gaffer, der im Schritttempo an einem Autobahnunfall vorbeifährt. „Oh, noch eine Explosion. Hui. Strahlenwerte über dem Limit? Was ist das Limit? Egal. Limit klingt schlimm. Gleich mal auf AKTUALISIEREN klicken.“ …
Gestern dann folgte der Live-Ticker zur Apple-Präsentation auf der WWDC. Die Frage ist: Warum? Warum ein Live-Ticker? Okay, wenn da zwei Entwicklerteams Fußball gegeneinander spielen, gerne. Aber die Vorstellung eines sowieso fertigen Produkts im Minutenprotokoll? Ich find’s ja schon anödend, wenn jemand stündlich Statusupdates zur Geburt seines Sohnes bei Facebook reinstellt. Und dort passiert etwas, was bei Apple niemals passiert: Neues!
Was folgt auf den Live-Ticker zum neuen iPhone? Der Live-Ticker zum Weltuntergang? Ein Live-Counter der EHEC-Toten? „Wow. Gestern waren es noch 14, jetzt 17. Verlinkt sind die Facebook-Profile der Verstorbenen … sieht Dir auf einer Übersichtskarte an, wo sie gestorben sind …“
Dafür das Werbeschaffende so viel Aufheben über Klick-Zahlen von potentiellen Kunden im Internet machen, klicken wir erstaunlich gerne auf die schnöden AKTUALISIEREN-Buttons. Und dann sind wir auch noch angepisst, wenn nicht wieder was passiert ist … Vielleicht sollten wir einen Live-Ticker zur Forschung nach einem Aids-Heilmittel einrichten … „KLICK. Nichts rausgefunden … KLICK … und noch kein Heilmittel … KLICK … oh, die Todeszahlen steigen … KLICK …Was? Immer noch keine Forschungsgelder … KLICK … Ha. Apple hat das iPhone 6 raus … KLICK … kein Geld für Aids … KLICK.“

HARLEKIN POST (001) Peter & der Wolf

Mal ganz ehrlich: Wenn Peter, bei „Peter & der Wolf“, am Ende vom Wolf gefressen wird … ist es wirklich ein Verlust? So lange die Schafe nichts abkriegen ist mir das doch schnuppe.
Da schreit er das erste Mal und dann das zweite Mal und jetzt zum dritten Mal … und BILD fragt: Auf wen sollen wir jetzt noch hören? Ja, natürlich auf DICH, Du dumme Sau!
Weil Du (ich meine IHR) die ganze Zeit so recht hattet. Weil wir ja alle schon tausend Mal gestorben sind … an BSE, an Vogelgrippe … ich komm kaum aus der Tür, muss jedes Mal die Leichenberge der vielen Epidemie oder Pandemie-Opfer zur Seite räumen. Sach ma: Hackt’s?
Entwarnung für Gurken. Ich glaube ich spinne. Für GURKEN! Bald gibt’s Entwarnung fürs Atmen. „Ja, also. Atmen kann ganz gefährlich sein … weil … ähm … da kann man sich ja mal verschlucken … aber dann haben wir im GALILEO-Special „Luft“ rausgefunden … haha, Entwarnung fürs Atmen!“

Jetzt haben wirs mit unseren Medien, mit der BILD, dem SPIEGEL und sogar der SZ so weit getrieben, jetzt wollen uns schon spanische Bauern verklagen. SPANIER!
Aber „auf wen sollen wir jetzt noch hören?“ … vielleicht mal auf uns. Auf den kleinen Rest gesunden Menschenverstand, der uns sagt: Rot ist NUR eine Signalfarbe. NUR! Das heißt noch gar nichts.
Nur weil eine Zeitung mit roten Lettern aufmacht, heißt das nicht dass hier irgendwas zu befürchten ist. Die müssen das so schreiben … oder der SPIEGEL, der sich das Titelbild schenkt und stattdessen auf riesige Buchstaben baut.
„DER FEIND IM ESSEN“ … ist das der neue Will Smith-Film, oder was?
Wir sind selbst Schuld. Wir kaufen Zeitungen auf denen „Tod“ steht, tausend Mal lieber, als Zeitungen auf denen „Abwarten, Ruhe bewahren“ steht. Wir wollen immer gleich alles. Die Einleitung, Hauptteil, Katharsis. Action, Tote und Panik. Weil wir Angst haben wollen und müssen, weil ohne Angst jeder zuhause bleibt. Ohne Angst fliegt man doch nicht um die halbe Welt und ballert einen Bartträger aus seinem pakistanischen Sommerdomizil. Und einen Schluss braucht jede Meldung, weil wir es nicht aushalten können, wenn etwas länger als ein youtube-Video braucht um sich zu entfalten.
Peter weiß das. Jetzt müssen wir nur aufpassen, dass der Wolf – wenn er mit Peter fertig ist – nicht irgendwann mal ins Dorf kommt …

Provopoli: Erster Teil

In letzter Zeit frage ich mich immer häufiger: Wer castet eigentlich die Hartz-IV-Familien fürs heute-journal? Ich meine diese Familien, die immer als Beispiel für die Untersten der Unterschicht herhalten müssen, um dann mal direkt in die Kamera so richtig arm zu sein! Neulich gesehen am aktuellen Beispiel eines Beitrags zur 5€-Hartz-IV-Erhöhung.
Die Gecasteten heißen dann beispielsweise Britta M. aus „Hier bitte Namen einer bundesdeutschen Großstadt einsetzen. Nicht zu groß, damit sich auch der bajuwarische Dorfbewohner damit identifiziert, aber auch nicht zu klein, damit der Durchschnitts-Metropolist auch weiter zuhört. Auf keinen Fall darf es Berlin sein, weil da, nach Ansicht des Durschnitts sowieso der Abschaum der Menschheit wohnt. Und es darf auf keine Stadt im Osten sein, weil der Durchschnittszuschauer im Durchschnitt eben durchschnittlich westdeutsch ist. Logisch. Und kein Westler will über das Leid der Ossis wissen, hatten wir ja alles schon zur Genüge. Den einzigen Solidarbeitrag den man noch bereit ist zu zahlen, ist das die Linke im Saarland über die 5%-Hürde springt.“
Also Britta M. aus Essen oder Lüdenscheid. Britta M. hat natürlich drei Kinder, und lässt diese auch gerne und immer wieder und wieder vor der Kamera spielen, bis schließlich auch wirklich jede Bagatelle, die sich „normales Unterschicht-Leben“ schimpft im Kasten ist. Als da wären: Köpfe der Barbie-Puppen vertauschen oder nach einer Partie Killerspiele ordentlich und unflätig die Mutti anbrüllen. Oh, ja. Da lacht das öffentlich-rechtliche Herz eines Fernseh-Redakteurs!
Und dann backt Britta M. mit ihren Kindern einen Kuchen. Warum sie das macht, wissen wir nicht. Als konditionierter RTL-Aktuell-Zuschauer wissen wir aber: Eigentlich ernähren sich Unterschichten-Kinder nur von Wurst und Pommes. Wenn WIR (und ich meine das königliche, ebenso wie das einschließende WIR) mal Currywurst oder Pommes – zum Beispiel im Stadion – essen, dann ist das volksnah. Wenn die Kinder von Britta M. das tun, dann ist das typisch. Logisch, oder?
Wie auch immer: Britta M. und ihre Kindern wollen einen Kuchen backen. Dafür war Britta M. einkaufen: Wie uns der Kommentar verrät, will Britta M. nämlich „trotz magerer Zuschüsse und kleinem Geldbeutel“ … Apropos: Warum „kleiner Geldbeutel“? Versteh ich nicht, diesen Kommentar. Und der kommt ständig. „Kleiner Geldbeutel“, „Magere Zuschüsse“, „Frenetischer Beifall“ … wie wäre es mal ohne Adjektiv. Und wenn der Geldbeutel klein ist, dann nimm ne Netto-Tüte, da passt mehr rein. Aber ich schweife vom Thema ab.
Der Kommentar war: „Trotz magerer Zuschüsse und kleinem Geldbeutel will Britta M. ihren Kindern aber trotzdem hin und wieder frisches Obst und Gemüse auf den Tisch stellen“. Dazu sehen wir wie Britta M. vier Äpfeln, drei Bananen und zwei Kartoffeln im viel zu großen Einkaufskorb präsentiert. Kleiner Tipp, Britta M.: Wenn Du mit dem geflochtenen Korb (der niemals Dir gehört!) nicht zum Bauern gehen würdest, würden bei Real auch mehr als vier Äpfel, drei Bananen und zwei Kartoffeln rausspringen, und für die gestellte Backszene müsste Deine kleine Jaqueline diesen Monat nicht auf ihren Kita-Platz verzichten. Aber weiter:
Nun sitzt Britta M. also vor einer wunderschönen, dunkelbraunen Esszimmer-Garnitur von Möbel-Roller am Küchentisch, und sieht von Unten in die Kamera. Es ist herrlich. Tatsächlich sehen die meisten Unterschichtler … politisch korrekt UnterschichtlerInnen … stets bedeutungsschwanger von Unten in die Kamera. Egal ob „Die Auswanderer XXL“ oder „Die Abspecker – Ruhrpott Edition“ oder „Weiß der Himmel was noch für Doku-Soaps“, immer ist die der Kameramittelpunkt knapp oberhalb der Augen. Mindestens. Es ist wirklich so. Kein Scheiß!
Ja, ja. Furchtbar ist das mit der armen Britta M. Wie sie so leidet, um 21 Uhr 45 im zweiten deutschen Fernsehen. Die Frage bleibt: Wie kommt das heute-journal an seine Hartzer? An all die Britta M.‘s aus Essen oder Lüdenscheid. Wahrscheinlich müssen die Kamerateams bald wirklich auf Britta M.‘s in Cottbus oder Wismar ausweichen. Die Herkunft im Untertitel kann man ja „redaktionell ändern“. So viele Hartz-IV-Familien gibt es im Westen ja nicht mehr zu finden. Dann warten die Redakteure und Kamerateams (oder sagen wir lieber die vier Dauer-Praktikanten, die sich das geizige ZDF noch leistet) tagein, tagaus eben vor ostdeutschen Ämtern. Und passen auf, liegen auf der Lauer, suchen nach dem ausgemergelten Blick einer Britta M.
Falls man mal sie entdeckt, bietet man fünfhundert Westmark, also Euro. Dann darf das Kamerateam einen ganzen Tag die Sozialbauwohnung belagern, und die gierige Kamera kann sich mal so richtig sattsehen an der ganzen Mischpoke.
Dummerweise werden die fünfhundert Euronen aber als Nebenerwerb mit Hartz-IV verrechnet und am Ende bleibt nichts für Britta M. übrig. Aber im Fernsehen war sie mal, immerhin. Berühmt ist sie, im ganzen Haus und auch bei Lidl hat sie schon jemand angesprochen. Jedes Mal wenn sie wieder aufs Amt muss, hofft sie erneut angesprochen zu werden. Vielleicht kommt jemand von den Tagesthemen, oder von Frontal 21. Die bezahlen sie unter der Hand.
Danke ZDF … Du bist mein Allerlieblingssender, wenn ich mal einen Schlaganfall habe und im Pflegeheim nicht mehr alleine umschalten kann. Weil dann, dann ist auch egal.
Außer vielleicht, ich hab dann so einen Sprachcomputer und kann mir was wünschen. So macht das Stephen Hawking wahrscheinlich. „Bitte – Umschalten – Ich – Will – Germanys – Next – Topmodel – Sehen“
Dann will ich aber auch so einen Strohhalm, mit dem ich rumfahren kann. Apropos Hawking: Lebt das alte, schwarze Loch eigentlich noch? Es hieß doch schon vor zehn Jahren schon: Der macht’s nicht mehr lang. Kickt aber trotzdem immer noch ein transuniversales Standardwerk nach dem nächsten raus. Respekt. Na ja: „Kickt“ vielleicht nicht.
Oh, jetzt hab ich doch tatsächlich beim Lachen Cola-Light durch die Nase aufs Keyboard geschnieft. Ist aber auch schon spät. Gleich kommt das Nachtmagazin. Vielleicht gibt‘s mal wieder was über Ausländer, und wie die sich so integrieren. So einen Beitrag über eine typische, türkische Familie in Kreuzberg oder kurdische Gastarbeiter in Gelsenkirchen. Wer castet die eigentlich?

Piano

Gorch Fock, Gorch Fock, Gorch Fock. Was ist denn nur los? Ein Thema beherrscht seit Tagen die Nachrichtenmagazine, wie es vorher nur der olle Thilo getan hat (keine Angst zu dem komm ich auch noch). Und die Nachrichtenmacher wundern sich: „Huch. Da scheint ja Diskussionsbedarf zu bestehen.“ (Nein. Ihr seid die einzigen die diskutieren! Allen anderen ist klar: Auf einem Segelschulschiff ist es nicht wie im „International Economics“-Studium. Da kann man nicht schon in der ersten Pause den Rotkäppchen-Sekt kippen und vor „Einführung in Wirtschaftsethik“ reinhauen, um den Rest des Tages mit einer ukrainischen Zwangsprostituierten bei Herrn Ackermann im Keller zu versacken!) Doch es wird weiter berichtet. Jeden Tag ein neuer Experte oder ein ehemaliges Besatzungsmitglied, was dann in die Kamera weint: „Nee. So was hat es damals bei uns nicht gegeben. So was glaube ich auch nicht. Und sowieso. Gemeinsam segeln. Buhuhu.“
[Der Autor des letzten Abschnitts möchte Sie darüber informieren, dass in der ursprünglichen Fassung „Berufsschule“ statt „International Economics“-Studium stand. Allerdings kam ihm dann die Erleuchtung, anstatt auf Außenseitern herum zu hacken, er viel lieber die geistig und moralisch zurück gebliebenen Manager verunglimpfen möchte. Er hofft diese moralische Schlagseite nachzuvollziehen. Vielen Dank.]
Gibt es denn momentan kein Dritte-Welt-Land mit irgendeiner Krise? Ach ja, Tunesien. Wann kriegen es die eigentlich mit ihrem Aufstand endlich gebacken? Damit unbescholtene Star-Wars-Fans endlich wieder an die Original-Schauplätze von Tatooine reisen dürfen, hm? Das dauert!
Und sonst? Was ist zum, Beispiel mit … ehm … Sambia? Klingt exotisch. Nichts los da?
Doch! Hey. Die haben da die höchste HIV-Infektionsrate auf der Welt. Ist doch schon mal was. Verdrängt nicht die stundenlangen Bernd-Eichinger-Rückblicke aus den Tagesthemen, aber schafft es vielleicht in die „Kurzmitteilungen“ des Auslandsjournals.
Ha. Die durchschnittliche Lebenserwartung in Sambia ist in den letzten 15 Jahren von 60 auf 37 gefallen. Sehr gut. Aktueller Bezug. Weiter! Jedes zehnte Kind stirbt, knapp jede hundertste Mutter auch. Ohh!!! Wunderbar. Tote Kinder. Wahrscheinlich kriegen wir damit immer noch nicht Jay und Indira [Ich schäme mich so diese Namen zu kennen!] aus der Vorschau von RTL Aktuell, aber ins heute-journal sollten wir es schaffen.
Nun zu den Gründen. Ein Schnellschuss der rationalen Erklärung für all das Leid, muss immer parat sein, sonst schaltet selbst der Uni-Professor ab. Tada: Die Hälfte der sambischen Bevölkerung ist christlich. Nur einem Viertel stehen Verhütungsmittel zur Verfügung. Hohe Fruchtbarkeit, viele tote Kinder, tote Mütter und HIV. Ein Gedicht von einer Nachricht!!!
Was können wir damit noch machen? Wertschöpfungskette, Verwendbarkeit. Los, los! Sambia, Du schaffst es auf das Focus-Titelbild! Ich glaub‘ an Dich.
Sambia liegt im Süden Afrikas. In Afrika sind 25 Millionen Menschen mit Aids infiziert. Das sind weit mehr als die Hälfte aller Infizierten auf der Welt. Und jetzt kommt der Hammer! Trommelwirbel: Die meisten der Infizierten leben im Süden des Kontinents. Ja! Von Chad in der Mitte, über die Brennpunkte Sambia, Botswana und Zimbabwe bis nach Südafrika konzentriert sich die Seuche. 20 bis 30 Prozent der Bevölkerung hat Aids. Und mit Aids ist hier nicht nur HIV gemeint: Hepatitis, Syphilis und alle Arten von Geschlechtskrankheiten. Aber der Clou ist:
Wie in Sambia sind im gesamten Süden Afrikas die meisten Menschen Christen, also missioniert. Am häufigsten Römisch-Katholisch. In Zimbabwe sind es sogar 85%. Und was heißt das? Ha? Keine Kondome, heißt das. Ja! Kondome sind vom Teufel. So sieht’s aus. Ist das nicht mal eine Kausalkette mit der man arbeiten kann?
Vor einiger Zeit hat der ehemalige BDI-Präsident (auch so ein International Economics-Vertreter) Hans-Olaf Henkel bei Maischberger Thilo Sarrazin verteidigt, sogar gelobt: „Endlich eine schonungslose Aufdeckung der Vorurteile die wir schon ewig hatten.“, oder so ähnlich. Henkel ist übrigens der Typ, der einen arischen-Euro will … äh, ich meine einen zweiten, einen besseren Euro für Deutschland (und für alle anderen Länder die er so mag). Er will den jetzigen, den weichen Euro nur für Kanaken-Staaten … ich meine „Süd-Euro-Länder“, wie Griechenland oder in Zukunft die Türkei.
Sein Argument für Thilo ist übrigens die Zahl 57! … Ja. 57 Länder auf der Erde sind muslimisch. Und in fast allen dieser Länder, so Henkel, haben Frauen keine Rechte, werden Minderheiten verfolgt und ist es sowieso total blöde. (Das sich Deutschland mit Sarrazin und Henkel in die Liste der Länder die Minderheiten verfolgt einreiht ist eine Ironie, die Herrn Henkel eher abgeht.)
Also. 57 Länder in denen es ungerecht zugeht. Eines der 57 Länder ist übrigens Algerien, dass liegt im Norden Afrikas. Hier liegt die Aids-Quote unter 5%. Rekord für den Kontinent unserer aller Herkunft. Was hat man wohl für ein Argument gegen christliche, sogar christlich-fundamentale Länder wie Sambia, in denen die Menschen an verhinderbaren Krankheiten krepieren …?
Ich sag nicht, dass in den 57 Ländern die Menschen (vor allem die Frauen) im Glück und in der absoluten Erfüllung leben. Aber immerhin verendet ein ganzes Volk dort nicht an einer Seuche, die mit ein bisschen mehr religiöser Modernität bekämpft und überwunden werden könnte.
Aber vielleicht geht es Herrn Henkel (der als Argument gegen den Islam immer wieder vom „christlichen“ Abendland anfängt) auch gar nicht um den Islam an sich. Und vielleicht geht es auch Sarrazin (Herrn, wie auch Frau) gar nicht nur um den Islam. Vielleicht geht es um Absatzmärkte und um Angst. In einem Land, in dem der Fundamentalismus herrscht, kann man weniger verkaufen. Viele Bedürfnisse werden über die Religion abgedeckt. Hier kommt man nicht so einfach rein, verscherbelt seine Erste-Welt-Abfall-Güter und baut billige Produktionsstätten auf. Eines hat Henkel gelernt: Wenn die vorherrschende Moral nicht der Konsum ist, wird weniger konsumiert. (Klingt ganz einfach, oder?) Deswegen haben Wirtschaftler, wie er, auch so viel Angst vor Religionen (oder jedenfalls den Religionen, die nicht mit prunkvollen Goldbauten bereits vor 1000 Jahren im Kapitalismus ankamen). Es ist irrational und absolut abwegig, für jemanden der es gewohnt ist Bedürfnisse, nach Zahlung einer Abgabe, schnell und effizient zu befriedigen, dass auf einmal die Zahlung einer Abgabe wegfallen soll. Dass Menschen weniger Bedürfnisse haben. Nein. Sollen Sie nicht und dürfen Sie auch nicht. Man will verkaufen, an alle! (Im Grunde muss ich sogar gestehen: Mir gefällt der „an alle“ Aspekt von Henkel. Nur diese ganze „Der Islam ist pauschal scheiße“-Teil, der stößt irgendwie auf.)
Zur gleichen Zeit, da sich die Diskussion um ihren geistig beschränkten Mann abkühlt, tritt Frau Sarrazin auf den Plan. Sie schreit Kinder in ihrer Klasse an, verteidigt das „Stimme erheben“ mit dem Ruf nach mehr Disziplin und fordert bei Maischberger (ah!) das man als Eltern seinem Kind nicht „viel Spaß“ in der Schule wünschen sollte. Die Frage die sich aufdrängt: Was wünsche ich dann? Hals und Beinbruch? Glück? Ja, vielleicht.
Glück, dass die herrische, prä-68er Lehrerin sich mir gegenüber nicht vergisst, all ihren Hass und die Frustration über den beschränkten Lebensumstand in dem sie schon seit Jahrzehnten steckt nicht heraus lässt und mich nicht vor versammelter Klasse zusammenscheißt und anschließend ihre Aufsichtspflicht vernachlässigt und mich auf den Gang schickt?
Als ich in der zwölften Klasse war, hielt an unserer Schule so ein Spät-Nazi (T’schuldigung, Adenauer-Kumpel) einen Vortrag darüber, dass wir uns glücklich schätzen können, dass niemand in der Schule mehr prügelt. Ich frag mich manchmal ob solchen Leuten nachts von Körperfressern ins Hirn geschissen wird? Die Gesellschaft, vorrangig konservative Politiker, regen sich über Prügelattacken in der Münchener U-Bahn auf und wollen dann mehr „Zucht und Ordnung“ in den Schulen. Weil das ja auch so viel bringt. Weil die Reaktion auf Disziplin und Einengung nicht Revolten, sondern folgsame Kinder sind. Frau Sarrazin: Die größter Denker unserer Zeit, sind die die Spaß an ihrem Fach hatten. Sind die, die Verständnis gefördert nicht eingeprügelt bekamen! Sie wollen ruhigere Kinder? Motivieren Sie mal! Machen Sie ihren Job richtig, nicht mäßig!
Und die Schlussfolgerung, dass Kinder mit Migrationshintergrund noch viel weniger diszipliniert sind als alle anderen ist ebenso absurd wie töricht. Die Kinder die Sie meinen sind eines: Sie sind jung! Sie sind jung und sie hören an jeder Ecke das sie als Türke oder Albaner oder Moslem in diesem Land nicht gewollt werden! Sie lesen es, mit ihrem Gesicht – Frau Sarrazin – daneben, auf jeder Bild-Zeitung und hören es von Menschen, die zu dumm waren und ihre braune Kacke geglaubt haben. Und jetzt überlegen sie mal zurück: Als Sie jung waren, damals unter dem Führer, ich meine den von der CDU. Wie beeinflussbar Sie waren! Wie hilflos und wie sehr Sie sich gefreut haben als es mit Deutschland wieder bergauf ging. Als Sie endlich wieder jemand waren! Hm? Überlegen Sie mal!

Momentan wird auch noch – neben dauernd mehr und immer mehr Gorch Fock (allein der Name klingt schon wie für die Schlagzeile einer Regionalzeitung reserviert.) – über das Verbot der FSK den Film „Tal der Wölfe – Palästina“ aufzuführen berichtet. Wesentlich weniger natürlich als über die Gorch Fock und den Typen der dabei war als Sean Connery „Im Namen der Rose“ drehte, aber immerhin …
Kleiner Vorschlag meinerseits zum Ende: Übersetzt den Film endlich ins Deutsche, zeigt ihn überall, lasst drüber streiten, zeigt ihn vor Schulklassen, diskutiert die historische Wirklichkeit und wertet den Film künstlerisch ordentlich aus. Am Ende zeigt sich sowieso: Das ist nur ein Film und nicht mal ein Guter. Gleichzeitig: Bringt endlich die Selbstmordattentäter-Komödie „Four Lions“ raus.
Und an die Spinner der CSU, die neuerdings wieder gerne Dinge verbieten lassen: Hat beim tausendjährigen Reich ja auch so gut funktioniert ihr Spacken!

Lady in Black

Es ist ein ganz gewöhnlicher Montagmorgen in Deutschland: Die Vögel, jedenfalls die Dummen, pfeifen von den Dächern und haben den Abflug gen Süden verpasst … aber das Problem hat sich ja im nächsten Frühling dann erledigt. Charlotte Roche … wie spricht man das eigentlich aus? Roche, wie „Rocher“ … obwohl „Rocher“ spricht meine Oma auch anders aus als ich. Also „Roche“ wie „Roach“ oder „Roche“ wie „Roch“? Ist auch egal. Ist nicht so als müsste das irgendjemand außer ihr Mann demnächst beim Sex schreien …ah! … (Ja. Ich weiß auch das man heutzutage nicht mehr Vor- und Zunamen beim Sex schreit … aber wer weiß, vielleicht hat das bald n’ Comeback: „Oh, Herr Wulff, ja, tiefer, tiefer!“ „Ja, Frau Roach. Ja!“ „Man sagt Roch.“ „Wirklich?“ „Ja. Ich hab‘ den Namen seit meiner Geburt.“ „Komisch.“ „Wieso komisch? Seit wann haben Sie ihren Namen?“ „Nein, ich meine nicht den Namen, ich meine mich daran zu erinnern mal bei Spiegel-TV gehört zu haben „Charlotte Roach“.“ „Ach, die von Spiegel-TV sind auch nicht mehr das was sie mal waren.“ „Das stimmt wohl. Noch mehr Sex?“ „Unterschreiben Sie die Laufzeitverlängerung?“ „Ich unterschreibe gar nichts.“ „Dann bitte gern.“)

Okay. Den letzten In-Klammern-Einschub hab ich etwas übertrieben. Aber vielleicht findet sich ja auch jemand der mit Ursula in die Kiste hüpft, diesmal vielleicht mit Verhütungsmittel, dann kriegt Deutschland vielleicht doch noch gerechte Hartz-IV-Sätze. All die ganzen Anti-Stuttgart-21-Aktivisitinnen schlafen mit Bahn-Funktionären & … na ja, ich will aus der Bundespolitik keinen caligulanen oder hedonistischen (je nachdem was für ein abstraktes Wort man für die unnötig umständliche Beschreibung eines eigentlich klaren Sachverhalts bevorzugt) Ein-Akter machen.

Wo wir gerade bei Theater sind: Ein neues Killerspiel ist draußen. Ich sage den Namen nicht, aber es beginnt mit „C“ und endet auf „all of Duty: Black Ops“. In Deutschland erscheint der blutrünstige Titel in einer entschärften Ab-18-Version. Trotzdem schreien immer noch alle prä-P90-Lehrer und prä-prä-C64 Politiker und Aktivisten laut und lauter gegen jegliche Art von virtueller Schießerei. Und irgendwie haben sie ja alle Recht: Ja. Computerspiele in denen immer realistischere Szenarien des ersten, zweiten, dritten oder Korea-, Vietnam- oder jedes anderen Krieges gezeigt werden und bespielt werden können, erzeugen Spannung, Adrenalinausschüttung, Gänsehaut (wenn es ein gutes Spiel ist) und volle Kassen bei den Produzenten. Ja. Computerspiele, ebenso wie Horrorfilme, Actionfilme, Liebeskomödien, Theaterstücke, Rockkonzerte oder Kochlehrgänge haben im besten Fall eine Auswirkung auf ihr Publikum. Und im schlechtesten Fall endet man schwanger nach einem Uriah Heep-Konzert, bei dem man sich von einem Hilfsarbeiter hinter nem Bierstand hat bumsen lassen. So ist das nun mal. Unterhaltung heißt Unterhaltung, weil man sich hinterher darüber unterhalten kann. (Uh. Das war wirklich der schlechteste Satz den ich je geschrieben habe.) Aber das alles heißt noch nicht, dass Jugendliche durch Killerspiele zu Mördern werden. Bei allen Schul-Amokläufen hatten die Jungs auch immer auch Zugang zu Waffen. Hätten sie nämlich keinen Zugang zu Waffen gehabt, hätten sie erst mal welche klauen müssen. Das wiederum wäre für die realitätsfernen Computerjunkies eine so unglaublich echte Erfahrung gewesen, sie wären schnurstracks zu ihren Polygonen zurückgekehrt und hätten lieber eine Streitaxt bei World of Warcraft einem Troll abgenommen … Der Punkt ist: Es gibt eine Milliarde von Faktoren die aus einem gewöhnlichen, verpickelten Teenager einen Amokläufer machen. Einer davon ist das Spielen von Killerspielen. Ein anderer ist das Nicht-spielen von Killerspielen und der damit verbundene soziale Abstieg. Denn seien wir mal ehrlich: Teenager sind unglaublich statusfixiert. Egal was hundert Jahre Disney-Channel-TV-Filme uns weißmachen wollen. Andere Gründe für den Schul-Amok kann es aber auch noch geben: Zum Beispiel Pickel. Jugendschutz ist gut, Jugendschutz ist wichtig. Aber es ist ein Schutz, keine Bestrafung.

Zur gleichen Zeit in einer ganz anderen Ecke der Welt: Mit einer Motorsäge rücken in Simbabwe Tierschützer Nashörnern zu Leibe und Walschützer wollen eine gesetzliche Fangerlaubnis mit Japan aushandeln. Wenn Du mit sturem Protest nichts änderst, oder Wilderer nicht über den ganzen, verdammten Kontinent jagen kannst: Pragmatismus. Pragmatismus ist toll. Nicht nur weil das Wort so futuristisch „ploppend“ auf der Zunge liegt, man kriegt endlich mal was hin. Ich würde gerne besseres, deutsches Fernsehen sehen. Vielleicht eine Science-Fiction-Serie die mich nicht vor Fremdscham in die hintersten und mit Chipskrümeln vollgestopften Winkel meiner Couch zwingt. Ich könnte jetzt rumheulen, weinen und zetern. Und ich denke ich hab das schon ausschweifend gemacht. Pragmatisch wäre: Ich mache meine eigene Science-Fiction-Serie. Hey. Gar keine so dumme Idee. Was der SWR kann … kann ich leider nicht, weil dazu müsste ich meinen guten Geschmack und jeglichen Anspruch abschalten und mir von Mike Tyson, einem Grizzlybären und einer Bohrinsel voller Schwerstarbeiter mit Rohrzangen den Schädel einschlagen lassen und diktatorisch für volksverblödendes Programm auch noch gesetzlich verordnete Gebühren kassieren. Ich tu ja viel für die Kunst, aber das …
Jedenfalla ist das jetzt mal eine Ansage. Weitere Details folgen.
Und so: Bis auf weiteres … Hochachtungsvoll … euer … F.
(„Jim! Spiel mir was zum heroischen Ausmarsch!“ … Bum-chak … Bum-chak … „Ja. Der Beat gefällt mir. Nun der Text.“ … For in Darkness I was walking … „Hm? Kommt mir bekannt vor.“ … And destruction lay around me, from a Fight I could not win .. „ah ja … und jetzt der Refrain“ … ah hahahahahaaaa …. Ah hahahahahahaaa … „Uh … Gitarrensolo“ …)